Dienstag, 18. September 2018
Bagatelle 323 - Lebendige Grabsteine (II)
Vorab: Für ein besseres Verständnis lohnt es sich auch die vorherige Bagatelle 322 gelesen zu haben.


Wo waren wir geblieben? Richtig, auf dem Friedhof hinter der Grabkapelle, wo die frühere Fürsten von Schloss Anholt ihre letzte Ruhestätte fanden. Wir sahen einen Grabstein dessen Aufschrift uns verriet dass hier – alleine und etwas zur Seite – eine Erzherzogin begraben war.

Isabelle Marie heißt sie. Die Frau mit dem wunderschönen Namen ist, so lesen wir auf dem Grabstein, nicht nur Erzherzogin von Österreich, sondern auch Prinzessin von Ungarn. Geboren im Jahre 1888 in was damals Preßburg und jetzt Bratislava heißt. Heute also in der Slowakei. Die Frage drängt sich auf: warum liegt sie hier so alleine? Und was ist ihre Beziehung zu der fürstlichen Adelsfamilie auf Schloss Anholt? Wer war diese Isabelle überhaupt?

Im Internet-Zeitalter lässt sich, nach einigem Suchen allerdings, vieles herausfinden. Die Geburt der jungen Prinzessin 1888 war laut Presseberichten ein großes Fest. Vier Tage nach ihrer Geburt wurde die Isabelle im weißen Saal des herzoglichen Palastes zu Preßburg feierlich getauft.
Die wichtigste Nachricht stammt aus 1912. Dann heiratete die Isabelle Marie einen Enkel des großen Kaisers Franz Josef. Der Enkel hieß Prinz Georg. Das Fest fand statt im Wiener Schloss Schönbrunn. Anscheinend eine richtige high-society Hochzeit. Die Presse meldete, dass der Kaiser den ganzen Tag anwesend gewesen sei, und das wollte, auch damals, was heißen.

Doch was schreibt die Wiener Presse ein Jahr später? Nicht auf der Frontpagina zwar, aber unübersehbar auf Seite so-und-soviel und kleingedruckt? Die Ehe zwischen Erbprinz Georg und der Prinzessin Isabelle Marie sei offiziell, laut Gesetz und auch laut kirchlichem Recht, für Null und Nichtig erklärt worden. Die Ehe war niemals um sozusagen in praxis vollzogen worden, und dann wissen wir schon was eigentlich gemeint ist. Der Prinz Georg wurde später Priester, zog in den Vatikan und wurde dort Bibliothekar und Domherr von Sankt Peter.

Die Isabelle Marie blieb ihr ganzes Leben unverheiratet und kinderlos. Man schreibt, dass sie Krankenpflegerin wurde und verwundete Soldaten im ersten Weltkrieg betreute. Dort scheint sie für eine kurze Zeit mit einem Oberarzt verlobt gewesen zu sein; nur war dieser kommende Gatte dem Kaiser nicht gut genug, worauf er (der Kaiser) die Verbindung ablehnte. Im Alter von 85 Jahren verstarb die Isabelle Marie irgendwo in der Schweiz. Ihr letzter Wunsch war in der Nähe ihrer Schwester Marie Christina, die mit dem Fürsten zu Salm-Salm verheiratet war, in Anholt beigesetzt zu werden.

Außerhalb der Krypta an der Regniet kann man also die Gräber sehen und die Aufschriften auf den Grabsteinen lesen. Die beiden Schwestern sind beide dort begraben. Nicht neben einander: die Marie Christina neben ihrem Gatten, dem Fürsten Emmanuel Alfred zu Salm-Salm, 1916 gefallen im ersten Weltkrieg; die Schwester Isabelle Marie, zehn Meter davon entfernt, alleine.

R.I.P. steht am Ende: requiescat in pace. Mögen sie in Frieden ruhen








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