Dienstag, 17. Mai 2011
Bagatelle 105 - Hören und sehen
Heute lese ich beim Frühstück eine amüsante Kolumne. Der Autor ist Jan Mulder, Vater von Youri Mulder; beide sind einigen sportlichen unter ihnen vielleicht besser bekannt wegen ihren Fußballkünste aus vergangener Zeit. Jan Mulder spielte bei Ajax Amsterdam und bei Anderlecht in Brüssel. Sohn Youri u.a. bei Schalke 04. Vater Jan Mulder ist was Platini in Frankreich, George Best in Nord-Irland und Kaiser Franz Beckenbauer in Deutschland ist. Und der göttliche Johan Cruijff steht über ihnen. Der aber ist kein Schriftsteller. Der läßt seine Geschichten von einem angeheuerten Ghostwriter schreiben.

So nicht Jan Mulder. Der ist sein eigener Ghostwriter. Ich lese seine rührend-komische Geschichte und höre inzwischen synchron seine sonore Stimme irgendwo mitten in meinem Kopfe. Ein typisch-unverwechselbarer Strom von Tönen, Vokalen und Zischlauten mit hin und wieder einem unverkennbaren nordniederländischen Akzent.

Bei mir bilden das sehend Lesen und das Hören eine Zwei-Einheit. Wenn mir die Stimme des Autors unbekannt ist, (zu Zeiten Shakespeare oder Tolstoi war sogar der Plan noch nicht geboren daß ich einmal geboren sein würde,) wenn ich also die Stimme des Autors nicht kenne, höre ich mich selbst. Inner Speech nennt sich so was. Aber wenn ich die Stimme einmal gehört habe, und sie mir seitdem beigeblieben ist, höre ich die Stimme des Autors. (Oder der Autorin, aber das brauche ich Ihnen wohl nicht mehr zu sagen.)

Unlängst nahm ich die Probe aufs Exempel. In einem deutschen Buchladen bekam ich zufälligerweise ein Buch in die Hand von Hellmuth Karasek. Ihnen allen wohl bekannt. Auch ich kannte ihn: flüchtig, vom literarischen Kabarett. Nicht sosehr sein Gesicht, sondern vielmehr seine Stimme hatte ich im Gedächtnis. Und als ich anfing zu lesen, hörte ich séine Stimme. Und ich bin ziemlich sicher, daß das auch bei einem anderen Autor, den ich einmal hatte sprechen hören, der Fall gewesen wäre.

Ich sehe das Bild einer bestimmten Person auf dem Fernsehflachbildschirm. Ich denke nach über die Frage wer es sein mag, und erinnere mich sofort die Stimme. Und wenn ich im Rundfunk ein bekannter Politiker seine Weisheiten verkünden höre, weiß ich meistens sofort um wen es sich handelt. Aber wie er aussieht, kann ich Ihnen nicht genau und gleich sagen.

Stimme und Person sind unzertrennlich. Jedenfalls in meinen Augen. Darum bin ich ein Gegner der in Deutschland favorisierten Methode der Synchronsprachen. Haben Sie je Doris Day oder der General Charles de Gaulle in einer deutsch-synchronisierten Filmfassung sprechen hören? Und wissen Sie auch wie ihre Stimmen in Wirklichkeit klangen? Dann brauche ich Ihnen wohl nichts mehr zu erklären.



Dieser Tage wurde hier bei uns in den Niederlanden ein Dokumentarfilm über die (inzwischen sehr beliebte) Prinzessin Maxima ausgestrahlt. Anlaß ist ihr 40ster Geburtstag, heute, zu dem wir ihrer königlichen Hoheit selbstverständlich herzlich gratulieren. Demnächst erscheint eine alternative Filmassung im deutschen Fernsehen (ARD höchstwahrscheinlich). Und was geschieht mit Maximas Stimme? Sie haben es erraten: sie wird wegsynchronisiert. Das letztere hab ich vom Hörensagen, nicht vom Hörensehen.

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