Freitag, 27. August 2010
Bagatelle LXIX - Ein Alptraum
Es ist schon ziemlich lange her - in den frühen Jahren meiner Jugendzeit, die wie es der Schlager sagt, schön war und niemals wieder herkommt - daß folgende Geschichte sich abspielte.

Wir hatten zu Hause einen alten Grammophon. So alt daß er noch mit ph geschrieben wurde. So einer der unter dem Rundfunkapparat stand, als selbständige Entität, aber mittels Stromdrähte mit Netz und Rundfunkhörer verbunden war. Wenn es so paßte, bei besonderen Anlässen, nahm mein Vater eine Schellackplatte, legte die auf den Plattenteller, bewegte eine Nadel nach rechts und plötzlich fing der Teller an zu drehen. Wahlweise 78 oder 45 Mal rund herum in einer Minute. Die Nadel wurde in die Wellenrille niedergelassen und da klang die herrlichste Musik. Nicht aus dem Grammophon, sondern aus dem Radio, weil mein Vater vorher den TA-Knopf (Tonabnehmer) gedrückt hatte.



Eine andere Schellackplatte als die hier oben gezeigte, handelte über Tirol. Damals nicht, und bis heute auch noch nicht, war ich jemals in Tirol. Wohl im Salzkammergut (ums lustig sein zu lernen), in Karinthien und natürlich in Wien. Aber niemals in Tirol. Dennoch gab es eine Beziehung, ein Empfinden. Von einem Bekannten hatte mein Vater die Tellerplatte bekommen worauf ein Duo ein Lied sang über Tirol. Wegen der hochliterarischen Textqualität, aus meinem Gedächtnis, und zu Ihrem Vergnügen, folgt hier der Text.

Tirol, Tirol, Tirol, du bist mein Heimatland,
Wo über Berg und Tal das Waldhorn schallt. (bis)
Hast du den Schatz gekannt, der dort im Grabe ruht,
den hab’ ich mein genannt, der war mir gut. (bis)
Die Wolken ziehen hin, sie ziehn auch wieder her,
Der Mensch lebt einmal nur und dann nicht mehr. (bis)
Tirol, Tirol, Tirol, du bist mein Heimatland,
wo über Berg und Tal das Waldhorn schallt. (bis)


So weit, so gut der Text den ich mich entsinnen kann. Vielleicht hat das Meisterwerk noch mehr Verse. Das Lied dauerte schätzungsweise drei Minuten, aber das kam auch wegen den dauernden Wiederholungen. Immer wieder ein BIS, bis man am bis angelangt war.

Neulich träumte ich daß ich als Mitglied eines Männerdoppelgesangsquartetts dieses rührende Lied singen dürfte. In Wirklichkeit reichen meine Gesangskünste höchstens bis zur Badezimmertür. Aber, wie Freud schon deutete, im Traum ist alles möglich. Vielleicht hab’ ich meinen Bass-baryton bis heute verdrängt.

Was wir uns sicher vorgenommen haben, ist eine Reise nach Tirol. Um am eigenen Leibe zu erfahren welche Gefühle aufkommen wenn das Alphorn über die Gräben der Geliebten schallt.

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