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Samstag, 17. September 2011
Bagatelle 124 - Tag und Nacht
terra40, 14:30h
Die eine sagt: Ich sehe schwarze Schwäne die linksgerichtet gen Westen fliegen. Die andere erwidert: Völlig und in allen Belangen daneben. Es sind im Gegenteil weiße Gänse die nacht rechts fliegend die Geborgenheit der Nacht suchen.
Es ist tatsächlich - buchstäblich - ein Detail einer berühmten Zeichnung von Maurits Escher die er Tag und Nacht genannt hat. Dabei geht es, unserer Meinung nach und daher nicht unbedingt der Wahrheit entsprechend, nicht um den Gegensatz schwarz-weiß, hell-dunkel oder Tag versus Nacht. Das wirkliche Wichtige sind die fließenden Übergänge. Wie eine Gestalt: das Ganze ist mehr, besser, größer und wichtiger als die Summe der einzelnen Teile.
Eigentlich mag ich die Werke Eschers nicht sosehr. Unbestritten (sagt der Laie) seine großartigen künstlerischen Fähigkeiten. Aber, so sagt der Laie wiederum, beim Betrachten dieser zu sehr bedachten Landschaften muß ich zú viel nachdenken. Und jedesmal überfällt einem der Gedanke: ich werde aufgefordert zu sehen wie subtil und schön Tag und Nacht in einander übergehen. Gibt es sonst noch etwas was ich sehen sollte, was ich aber (ohne Hilfe des Schöpfers oder anderer Sachverständige) aus mir selbst nicht sehe? Das Bild als Aufgabe, als puzzel also. Und das mag ich nicht.
Zwei Anmerkungen am Rande noch, wenn Sie gestatten. Die erste betrifft die Relation zwischen Original und Reproduktion. Eschers Zeichnungen und Stiche sind tausendfach reproduziert. (Vielmals als Blätter in einem "Kunst"kalender.) In sehr verschiedenen Maßen auch noch. Wie gut ist es dann, wenn man in der Lage ist, so wie ich vorige Woche in einer Exposition im Nord-Holländischen Haarlem, das Original bewundern zu können. Man wird wieder daran erinnert wie groß die Unterschiede zwischen echtes und nachgemachtes sein können. Obwohl die Qualität der Reproduktionen heutzutage sich sicher sehen lassen kann. Schade nur daß Eschers Zeichnungen sich oft spiegelnd verbergen lassen müssen hinter Glas. Reflektionen und Spiegelungen kommen einem beim Betrachten in die Quere.
Die zweite Bemerkung betrifft die Ähnlichkeit zwischen zwei Aktivitäten: das Lesen eines Buches und das Betrachten eines Kunstwerkes. Beide sind so wohl rezeptiv als produktiv zu sehen. Wenn wir Eschers Zeichnung sehen, konstruieren wir sozusagen unser eigenes Bild. Das gilt auch für's Lesen. Wir empfangen nicht nur was uns ein Autor (oder ein Graphiker usw.) anbietet. Wir entwerfen beim lesen und sehen unsere eigene Wirklichkeit. Wir sind selber (kleine) Schöpfer.
Hier unten noch zwei (von mir fotografierten) Details vom Original. Wir sehen den Hafen im Tageslicht und den anderen Hafen bei Nacht. Um zu zeigen wie großartig fachmännisch alles gezeichnet ist. Und auch um zu beweisen wie auf manchen Reproduktionen vieles nicht sichtbar ist.
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