Samstag, 30. November 2013
Bagatelle 209 - Wohnungsuche
Einer meiner zwei Söhne hat sich in den Kopf gesetzt umziehen zu wollen. Und zwar von einer Mietswohnung in einer WG (mehr ein Mietszimmer) in eine eigene Behausung in derselben niederländischen Universitätsstadt. Weil zwei mehr sehen als einer bat er seinen Vater ihm bei der Besichtigung einiger eventuell zu kaufenden Häuser zu begleiten. Diese Bagatelle beschreibt eine der besuchten Wohnungen und erörtert mit Ihnen die Frage ob dieses Haus überhaupt in Betracht kommt.

Zuerst muß geklärt worden um welche wohnungssuchende Person es sich handelt, und welche Qualitäten die Wohnung besitzen soll. Schließlich, und nicht unwichtig, muß auch die Relation zwischen dem Preis welcher der Verkäufer wünscht und dem Betrag den der angehende Käufer bereit ist zu zahlen berücksichtigt werden.

Fassen wir es kurz: der Käufer ist eine unverheiratete, alleinstehende Person, ziemlich intelligent aber genauso ziemlich ungeschickt in praktischen Handarbeiten; in einem festen Arbeitsvertrag tätig als IT-Sachverständiger. Er sucht ein kleines, feines Haus, ohne Garten, in oder nahe dem Stadtzentrum. Ein kleines Einfamilienhaus wird nicht von vorne an ausgeschlossen, aber ein Appartement läge mehr auf der Hand. Die Finanzen sind - komischerweise - nicht das größte Problem. Die Bank hat eine akzeptable Hypothek in Aussicht gestellt.

Bei der Vorbereitung des Besuches einer der drei im Frage kommenden Wohnungen lesen wir in der Broschüre welche ein freundlicher Makler uns besorgt hat, daß einige alte oder alt anmutende Details noch immer zu sehen sind. Man nennt unter anderem die schön gestückte Zimmerdecke. Das macht neugierig.



Das Haus das sich zur Besichtigung anbietet, Baujahr 1920: fast hundert Jahre alt also, sieht nicht gerade einladend aus. Unten links befinden sich zwei Eintrittstüren. Die rechte davon führt uns in einen Flur samt Treppe zum zweiten Stock. Denn dort befindet sich die eigentliche Wohnung. Sie besitzt 360 Kubikmeter an Volumen wovon etwa 110 Quadratmeter Wohnfläche, dann eine kleine Küche, ein Badezimmer mit Dusche und Toilette, ein separates Arbeitszimmer und zwei Schlafzimmer. Geschlafen wird allerdings im dritten Stock den man mittels einer festen Treppe erreicht. Das ist fast alles. Kein Schuppen oder Abstellplatz, wo man den Spaten den man bei der Gartenarbeit verwendet hat, aufbewahren kann. Nicht schlimm, denn das Haus besitzt keinen Garten. Der Preis beträgt sage und schreibe 215.000 Euro. Dazu kommen dann noch die restlichen kosten, z.B. für Makler und Notar. Umgerechnet, so hat mein Sohn erfunden, beträgt der Wohnlast runde 875 Euro monatlich.
Das Haus liegt in einer anscheinend ruhigen Gegend (mit vielen bereits renovierten Wohnungen). Zu Fuß ist es zehn Minuten, mit dem Rad braucht man fünf, und man ist wo man sein will: in der Innenstadt.






Eigentlich bin ich ein schlechter Ratgeber. Nicht nur in Sachen Wohnen. Besser wäre es gewesen, wenn man Sohn einen Vater gehabt hätte dessen Beruf Bauingenieur oder ähnliches ist. Ich achte nicht auf den Zustand der Fundierungen, übersehe den mangelhaften Einbau einzelner Wandschränke und vergesse nachzusehen ob und wie Gas-, Wasser- und Stromleitungen ihre Pflicht tun.
Statt dessen freue ich mich über die spürbare Liebe für das Wohnen welche die Bewohner dieses Hauses an den Tag legen. Daß sie es wagen uns Kinderzeichnungen an der Wand und herrliche Bücher in einem richtigen Bücherschrank zu präsentieren. Wo sieht man einen so schön verarbeiteten Fußboden aus reiner Eiche im ganzen Wohnbereich? Kennen Sie Wohnungen im zweiten Stock wobei die dahin führende Treppe samt Flur auf der parterre so schön "beteppicht" worden ist? Was übrigens für alle Treppen im Haus gilt. Die Schlafzimmer sind klein, aber Stuhl und Bett finden allemal einen Platz. Ein Parkplatz fürs Auto fehlt. Nur ist das weniger zu beanstanden wenn Sie wissen, daß der Sohn keinen Führerschein besitzt.

Noch zwei andere Wohnungen haben wir an diesem Tag besucht. Die waren zwar beide billiger, aber auch wesentlich schlechter. Mit Garten und Abstellschuppen, aber wer sieht gerne einen verwahrlosten Vorgarten mit nur Gras und Steinen? Und wer braucht einen tiefen, schlechtriechenden Keller als Abstellplatz für nicht-anwesende Gegenstände?
Nur, wer bin ich, daß ich mir solch ein unfachmännisches, unsachgemäßes Urteil erlaube?

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