Mittwoch, 11. Januar 2017
Bagatelle 291 - Teuflischer Kleiderhänger
Da war noch die Geschichte mit dem antiken Kleiderhänger, die ich mir vorgenommen hatte Ihnen zu erzählen, was ich fast vergessen hatte.

Es begann alles mit meinem vor einigen Jahren verstorbenen Bruder der oftmals Antikauktionen besuchte um sich dort allerhand Kram und sonstiges zu kaufen. Eines Tages kam er nach Hause mit einem, wie er sagte, schwer antiken Kleiderhänger. Ein schlichtes Brett aus feinstem Eichenholz sei es, verziert linksoben respektive rechtsoben mit einem Männer- bzw. Frauenkopf. Mittendrin irgendwo vier Kleiderhaken: Kupferstreifen die sich aus teuflischen Köpfen niederwärts krümmten damit Kleidungsstücke fein säuberlich aufgehängt werden konnten. Kleine Teufelchen waren es welche man oft sieht bei Kathedralen und derartigen antiken Bauwerken. Dort fungieren sie als Wasserspeier, hier als Kleiderhänger. Schade nur dass man kaum eine Binde geschweige denn einen Mantel aufhängen konnte wegen zu kleiner Kupferhaken. Ums andere Mal fielen Kleiderstücke auf den Boden, was wahrscheinlich nicht Sinn der Sache sein kann.



Nach dem Ableben meines Bruders sind einige Antiksachen worunter der Kleiderhänger in die Wohnung meiner Schwester gelandet. Der Kleiderhänger wurde in die Garage verbannt, weil für ihn kein Platz in der Herberge war. Bis meine Schwester mich mal frage: "Willst du ihn nicht mitnehmen? Bei dir im neuen Haus hat er Raum und Ansehen." Da ich nicht nein sagen kann, brachte ich den antiken Kleiderhänger in die neue Bude und bat ihn im Korridor hängen zu wollen.
Bei einer etwas genaueren Inspektion kam ich aber zu der Einsicht, dass der Hänger mit unübersehbaren Mängel behaftet war. So stellte sich heraus dass das Angesicht der Frau als auch des Mannes beschädigt war, was jedoch ihr schmerzliches Lächeln erklärte. Obendrein musste ich vorher das Problem der zu kurzen Kupferhaken lösen. Das tat ich, erfinderisch wie ich bin, indem ich von einem alten Kleiderhänger, den ich aus meinem Bauernhof mitumgesiedelt hatte, die großen, verchromten Haken entfernte um ihnen dann einen neuen Platz neben und zwischen den vier Teufelchen zu besorgen.

So gesagt, so getan. "Eine Schande!" sagte meine innerliche Stimme, "du hast ein köstliches Stück Antik völlig verwüstet und einem schönen Kleiderhänger von seiner antiken Ausstrahlung beraubt!"
"Unsinn," sagte meine realpolitische, utilitäre Einsicht, "was taugt ein Kleiderhänger, sei er antik wie er wolle, wenn er nicht imstande ist gleichzeitig drei Wintermäntel zu tragen?"



So kommt es dass ich, jedes Mal wenn ich jetzt den Korridor betrete und mein Antlitz im Spiegel begutachtet habe, freundlich meine vier Teufelchen grüße. Und die scheinen erleichtert zu sein festzustellen, dass sie keine schwere Last mehr zu tragen brauchen. Das sagt mir ihr Lächeln.

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