... newer stories
Samstag, 3. März 2018
Bagatelle 312 - Falsche Töne - Teil II
terra40, 17:20h
Wie versprochen folgt jetzt der zweite Teil der Vocalise-Geschichte. Den ersten Teil konnten Sie vorige Woche lesen.
Wenn geredet wird – sei es in der örtlichen Presse, sei es unter Fachleuten - über Vocalise, dieses imposante, weltberühmte Männergesangsquartett, so dringt sich jetzt die Frage auf: wàs wird gesungen und vor allem wíe wird gesungen?
Nun, Vocalise hat ein weites und breites Repertoire. Man singt sowohl Madrigale aus der Bayerischen Renaissance als auch Chorwerke von Robert und Clara Schumann. (Und wenn es überhaupt nicht anders geht und Sie darauf beharren sogar Liebesliedchen von einem gewissen Johannes Brahms.)
Auch das moderne Quartettrepertoire wird nicht gescheut. So sang man neulich in Tübingen sowie in Launen an der Ruhre eine Komposition des ungarischen Minimalisten Sandor Höchstselten. Wobei aufgemerkt werden soll, dass der Bariton Evergrijs in nur 15 von den 385 Takten einen Laut von sich geben konnte. Eine Klage deswegen beim Komponisten wurde abgelehnt, weil alle Klagen laut Protokoll schriftlich und in Vielfalt angemeldet werden müssen.
Um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln wie das Quartett singt, fehlt mir jede Superlative. Wundervoll, faszinierend, entzückend, meisterhaft: alles ist wahr und trotzdem ist es nicht genug. Schon wenn das Quartett beim Anfang des Konzertes das Podium betritt, der Herr Freiholz, der Begleiter also, seinen Klaviersessel auf die passende Höhe geschraubt hat, und die Partiturseitenumschlägerin Frau Antje ihren Platz eingenommen hat, steigt aus dem Saal ein gewisses Fluidum empor. Und wann der erste Tenor Kowalski seine herrliche Stimme erhebt, geht ein solches Zittern durch die Reihen das einem gleichsam das Atmen vergeht und dessen Intensität (das Zittern meine ich) während des Konzertes nur noch wächst. Ich sollte lieber nicht versuchen diese Erfahrungen in Worten auszudrücken, denn es ist unbeschreiblich.
Zur Illustration ein Beispiel. Unlängst trat das Quartett – anlässlich der 400 Jahre Erinnerung an die Drohung das Belfort könnte einstürzen - in Leuven (B) auf. Der Saal war proppenvoll. Viele Besucher gerieten während des Konzertes so von ihren Gefühlen und Emotionen überwältigt, dass sie von liebevollen Rote Kreuz Helfern behandelt werden mussten. Es wurde auch erzählt, dass eine Generalswitwe aus der dritten Reihe so in Ekstase geriet, dass sie von einem spontanen Orgasmus befallen wurde. (Letzteres habe ich nur von Hörensagen.) Wenn ich wollte könnte ich zahllose andere Beispiele nennen.
Um mich über den wirklichen Zustand des Quartetts zu erkundigen, hatte ich beim Impresario von Vocalise, der Wiener Taschenfüller Berthold Schikaneder, um ein Interview gebeten. Darauf wurde ich in die Vocalise-Residenz in Luzern eingeladen. Ich werde Ihnen genauestens den Ablauf der Ereignisse schildern.
Sofort beim Eintreten in die geräumige Villa spürte ich eine bedrückte Stimmung. Der Begleiter Freiholz, der sich auch jetzt wieder zu Unrecht als Sprechrohr des Quartetts aufwarf, sagte dass etwas mit der physischen Verfassung des ersten Tenors nicht in Ordnung sei. Weil ich mich in derartigen Sachen auskenne, sagte er, bat er mich mich um die Sache zu kümmern.
Man begleitete mir in ein separates Zimmer wo der Tenor Kowalski sich aufhielt. Der war sichtlich ermuntert als er mich sah. "Boris“," sprach ich, "Würden Sie bitte schön so freundlich sein und ihren Mund öffnen?" Der Kowalski öffnete dann sein berühmtes Sprachorgan von woraus sonst die herrlichsten Klänge hervortraten. Ich legte mein elfenbeinernes Stäbchen - das ich immer bei mir trage – auf seine Zunge und sagte: "Boris, sagen Sie jetzt bitte ein A auf Russisch.". Ich brauchte seine Reaktion nicht einmal abzuwarten, denn schon wusste ich die Ursache. Meine Diagnose kannte keinen Zweifel: der Boris Kowalski hatte endlich nach 43 Jahren seinen Stimmwechsel. Oder wie wir sagen: er hatte jetzt einen Bart in seiner Kehle.
Post Scriptum:
Der Herr Franz Keine-Ahnung, ehemaliger Musikrezenzent bei den Launischen Ruhrnachrichten, hat mich, aufmerksam wie er ist, gebeten zu melden, dass in der Partitur der Toffe Jungens Laudatio (Siehe Teil I) zu Unrecht die Bezeichnung ff (Fortissimo) fehlt.
Wenn geredet wird – sei es in der örtlichen Presse, sei es unter Fachleuten - über Vocalise, dieses imposante, weltberühmte Männergesangsquartett, so dringt sich jetzt die Frage auf: wàs wird gesungen und vor allem wíe wird gesungen?
Nun, Vocalise hat ein weites und breites Repertoire. Man singt sowohl Madrigale aus der Bayerischen Renaissance als auch Chorwerke von Robert und Clara Schumann. (Und wenn es überhaupt nicht anders geht und Sie darauf beharren sogar Liebesliedchen von einem gewissen Johannes Brahms.)
Auch das moderne Quartettrepertoire wird nicht gescheut. So sang man neulich in Tübingen sowie in Launen an der Ruhre eine Komposition des ungarischen Minimalisten Sandor Höchstselten. Wobei aufgemerkt werden soll, dass der Bariton Evergrijs in nur 15 von den 385 Takten einen Laut von sich geben konnte. Eine Klage deswegen beim Komponisten wurde abgelehnt, weil alle Klagen laut Protokoll schriftlich und in Vielfalt angemeldet werden müssen.
Um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln wie das Quartett singt, fehlt mir jede Superlative. Wundervoll, faszinierend, entzückend, meisterhaft: alles ist wahr und trotzdem ist es nicht genug. Schon wenn das Quartett beim Anfang des Konzertes das Podium betritt, der Herr Freiholz, der Begleiter also, seinen Klaviersessel auf die passende Höhe geschraubt hat, und die Partiturseitenumschlägerin Frau Antje ihren Platz eingenommen hat, steigt aus dem Saal ein gewisses Fluidum empor. Und wann der erste Tenor Kowalski seine herrliche Stimme erhebt, geht ein solches Zittern durch die Reihen das einem gleichsam das Atmen vergeht und dessen Intensität (das Zittern meine ich) während des Konzertes nur noch wächst. Ich sollte lieber nicht versuchen diese Erfahrungen in Worten auszudrücken, denn es ist unbeschreiblich.
Zur Illustration ein Beispiel. Unlängst trat das Quartett – anlässlich der 400 Jahre Erinnerung an die Drohung das Belfort könnte einstürzen - in Leuven (B) auf. Der Saal war proppenvoll. Viele Besucher gerieten während des Konzertes so von ihren Gefühlen und Emotionen überwältigt, dass sie von liebevollen Rote Kreuz Helfern behandelt werden mussten. Es wurde auch erzählt, dass eine Generalswitwe aus der dritten Reihe so in Ekstase geriet, dass sie von einem spontanen Orgasmus befallen wurde. (Letzteres habe ich nur von Hörensagen.) Wenn ich wollte könnte ich zahllose andere Beispiele nennen.
Um mich über den wirklichen Zustand des Quartetts zu erkundigen, hatte ich beim Impresario von Vocalise, der Wiener Taschenfüller Berthold Schikaneder, um ein Interview gebeten. Darauf wurde ich in die Vocalise-Residenz in Luzern eingeladen. Ich werde Ihnen genauestens den Ablauf der Ereignisse schildern.
Sofort beim Eintreten in die geräumige Villa spürte ich eine bedrückte Stimmung. Der Begleiter Freiholz, der sich auch jetzt wieder zu Unrecht als Sprechrohr des Quartetts aufwarf, sagte dass etwas mit der physischen Verfassung des ersten Tenors nicht in Ordnung sei. Weil ich mich in derartigen Sachen auskenne, sagte er, bat er mich mich um die Sache zu kümmern.
Man begleitete mir in ein separates Zimmer wo der Tenor Kowalski sich aufhielt. Der war sichtlich ermuntert als er mich sah. "Boris“," sprach ich, "Würden Sie bitte schön so freundlich sein und ihren Mund öffnen?" Der Kowalski öffnete dann sein berühmtes Sprachorgan von woraus sonst die herrlichsten Klänge hervortraten. Ich legte mein elfenbeinernes Stäbchen - das ich immer bei mir trage – auf seine Zunge und sagte: "Boris, sagen Sie jetzt bitte ein A auf Russisch.". Ich brauchte seine Reaktion nicht einmal abzuwarten, denn schon wusste ich die Ursache. Meine Diagnose kannte keinen Zweifel: der Boris Kowalski hatte endlich nach 43 Jahren seinen Stimmwechsel. Oder wie wir sagen: er hatte jetzt einen Bart in seiner Kehle.
Post Scriptum:
Der Herr Franz Keine-Ahnung, ehemaliger Musikrezenzent bei den Launischen Ruhrnachrichten, hat mich, aufmerksam wie er ist, gebeten zu melden, dass in der Partitur der Toffe Jungens Laudatio (Siehe Teil I) zu Unrecht die Bezeichnung ff (Fortissimo) fehlt.
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories