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Montag, 3. August 2020
Bagatelle 350 - Hundertjaehriges Abitur
Vorigen Monat – Juli 2020 – war es hundert Jahre her, daβ mein Vater sein Abitur gemacht hat. Und zwar an drei sich folgenden Tagen, zwischen dem 21. Und 22. Juli 1920. Und wo? An der Rijks Höhere Bürger Schule (RHBS) in Winterswijk, eine Kleinstadt irgendwo in den östlichen Niederlanden. Er war der einzige Bauerssohn in der weiten Umgebung der diese Schule besuchen durfte. Nach fünf Jahren endlich ein Abschluss.

Aus den Unterlagen, die er sich damals und wir uns heute glücklicherweise aufbewahrt haben, kann man Interessantes ableiten. Zum Beispiel: wie sah die schriftliche Deutschprüfung aus?

Phase 1. Der Vorsitzende begrüβt die Kandidaten; er meldet dass die Zeit welche ihnen zusteht 2½ Stunden beträgt.
Phase 2. Jede(r) Abiturient(in) bekommt einen Text in niederländischer Sprache, mit der Bitte sich diesen Text gut zu merken. Das Aufschreiben von wichtigen Notizen ist strengstens verboten. Nach zwanzig Minuten wird der Text eingenommen.
Phase 3. Die wirkliche Aufgabe der Abiturienten ist nun die gelesene Geschichte schriftlich nachzuerzählen und zwar in fehlerfreiem Deutsch. Wenn möglich zu vollständigen. (Dafür gibt es wahrscheinlich Bonuspunkte.)

Mein Vater liest die Geschichte eines Krimiautors – Titel: der Schriftsteller und der Dieb - dem es an wirkliche Horrorideen mangelt. Gerade rechtzeitig tritt ein Dieb in die Wohnung. Dieser gibt dem Schriftsteller brauchbare, realitätskonforme Ratschläge.
Er, mein Vater, schreibt eine Art Zusammenfassung der Geschichte. Ich weiß nicht, ob er die vollen 2½ Stunden dafür benötigte. Ich weiβ wohl aber, dass die Examen Kommission sehr zufrieden war. Auf einer Skala von 1 bis 10 (10 = hervorragend, ausgezeichnet) bekam er die Note 9.

Sein Sohn (ich selber also) hat Dutzende von Prüfungen und Examina bestanden. Auch Deutschprüfungen. Aber niemals mit einem so hervorragenden Resultat.




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