Montag, 6. Februar 2012
Bagatelle 146a - Nachruf
Diese Nachrufkurzbagatelle läßt sich am besten lesen - das Wort 'genießen' wollen wir doch bitte nicht in den Mund nehmen - wenn Sie auch die vorige Bagatelle 146 (hier weiter unten zu lesen) zu sich genommen haben.

Draußen gibt es viel mehr zu hören als Vogellaute. So mögen die Redakteure der bereits erwähnten Umwelt- und Naturrundfunksendung Vroege Vogels (Frühe Vögel) gedacht haben. Mit 'frühe Vögel' werden übrigens die Hörer dieser Sendung gemeint. Die Sendung läuft Sonntagmorgens ab 8.00 Uhr (wenn Sie und ich noch schlafen).

Aus 67 Naturgeräuschen konnte man sich sein Lieblingsnaturgeräusch wählen Die Skala reichte von 'eine Schafsherde' über 'eine Truppe galoppierender Pferde' und 'Schlittschuhlaufen' bis 'ein Schwarm Mücken' und "Donner und Blitz'. Hier die Top 10.
Meine Geliebte ist auch des Hörers Favorit: die Amsel.

1. Die Amsel
2. Die Brandung
3. Die Nachtigall
4. Weidevögel
5. Eine schnurrende Katze
6. Gartenvögel
7. Waldvögel
8. Der grüne Frosch
9. Zwitschernde Spatzen
10. Blitz und Donner



Mich interessieren diese Zahlen schon. Aber noch eher möchte ich wissen ob die spinnende Katze in Deutschland auch so viele Freunde und Freundinnen hat. Und ob die Amsel auch bei Ihnen Favorit ist?

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Freitag, 3. Februar 2012
Bagatelle 146 - Zähltag
"Wenn ich ein Vöglein wär', und auch zwei Flüglein hätt', flög' ich zu dir.." so in etwa singt, laut eines altmodischen deutschen Volksliedes, eine mir unbekannte Person mir zu. Wenn ich, dem Vogelvergleich folgend, ihr antworten würde, fielen mir die folgenden klangvollen Worte ein die sich zwar gut anhören, aber nicht in einem deutschen Volkslied vertreten sein werden. Sie lauten: "Bitte, tu's nicht! Zieh dich dieses Wochenende in eines deiner Verstecke zurück und laß dich erst am Montag darauffolgend wieder sehen. Nimm dich in acht vor den Zählern!" So etwa würde ich antworten. (Eventuell kann ich auf Wunsch die notwendige Begeleitmusik dazu komponieren: eine Bagatelle in As Opus 53, Nummer 7, für Sangstimme und großes Orchester.)

Die Aufregung gilt dem Wochenende des 21. und 22. Januar diesen Jahres, also vor nur kurzer Zeit. In meinem Lande wurde man aufgerufen sich an der Nationalen Vogelzähltag zu beteiligen. Allen sollten, von einem düsteren Komitee mit vielen guten Vorhaben und weniger gut zu begutachteten Aktivitäten aufgefordert, sich eine halbe Stunde vor dem Küchenfenster setzen um, mit Feder und Papierbogen gewappnet, die da draußen anwesenden Gartenvögel zu zählen. Nur Garten. Die Flamingos, Störche und Bussarde blieben also außen vor.

Die Ergebnisse hier unten zeigen daß unser frecher Haussperling seinen ersten Platz behalten hat. Glückwunsch! Denn vor einigen Jahren noch hatten wir ihn fast aus den Augen verloren. Wir sehen auch (gezählt wurde in ungefähr 28.000 Gärten) daß die Meisenfamilie in Anzahl zurückgeht. Um den 5. Platz streiten sich der Fink und die krähische Dohle, bei uns besser bekannt als het kauwtje.



Diese Auflistung enthält Anwesenheitszahlen. Ein Vogel ist entweder da oder auch nicht, was Sie auch davon denken. Über die psychischen und moralischen Folgen bei Leuten die sich z.B. von dieser Sperlingsflut beeinflußt fühlen, wird in dieser Tabelle nichts ausgesagt. ("Mein Gott, wieder eine Pimpelmeise! Und ich bin allergisch gegen die!") Rein quantitativ also. Interessanter ist - wenn Sie mit aller Gewalt um eine Liste bitten - eine Angabe über die empfundene Musikalität der Vögel. Einfacher gesagt: welcher Vogelgesang gefällt Ihnen am besten? Auch hier kann ich Ihnen helfen. Hier die Liste der angenehmsten Vogellaute.



Die Amsel singt gemäß der Meinung der Hörerinnen und Hörer eines sehr beliebten frühsonntäglichen Rundfunknaturundumweltprogramms schöner als alle andere. Der gleichen Meinung bin ich. Wenn Sie je eine Amsel eine Bachsche Kantatenmelodie haben interpretieren hören, brauchen Sie nur noch die Frage zu beantworten wer zweiter, dritter usw. wird. Der Zaunkönig steht auf Platz 5. Ich wette, dem König Fritz wird das nicht gefallen.

Zum Schluß etwas ernsteres. Glauben Sie mir: einer Gesellschaft, die sich mit dem Zählen der Vögel einläßt, sollte man ziemlich argwöhnisch gegenüber stehen. Denn es folgen die anderen sogenannten wilden Tiere wie Lux und Fuchs, dann die übergroße Schar Hauskatzen und Hunde, gefolgt von den zahllosen fast zum Tode verwöhnten weißen Mäusen und schließlich, auf dieser gleitenden Skala, fast unbemerkt in all diesen Zählereien, die Menschen. Doch, eine Volkszählung führt zum aller Untergang, das sieht man schon beim Beginn unserer Zeitrechnung. Die Kinder Bethlehems und ihre Nachkommen können es uns nicht nacherzählen, weil damals so nötig eine Volkszählung abgehalten werden mußte.

Alles bagatellarischer Unsinn, sagen Sie und recht haben Sie. Trotzdem hab' ich immer ein ungutes Gefühl bei jeder Zählung. Denn jede Zählung wird gerade per definition gefolgt von einer Auflistung und Bewertung. Dabei bekommen notwendigerweise einige wenige die Oberhand und fallen andere aus dem Rahmen. Einige gewinnen und einige andere zahlen den Preis. Der Zähltag wird ein Zahltag. Wir sollten uns hüten, sagt der Moralist.

Nachlaß: König Fritz ohne Schleif, aber mit Krone, den Sie vielleicht noch aus der Bagatelle XXV (25) kennen, sieht man hier wie er mit dem Pressechef die Resultate diskutiert. Auch mit Mitgliedern der Opposition wird das Thema weiter eindringend erörtert.



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Freitag, 27. Januar 2012
Bagatelle 145 - Terras Kabel
Doch, Ehre wem Ehre gebührt: allerhände Hochachtung vor einem guten Handwerker. Jemand der seine Hände perfekt dás machen läßt, was sein Gehirn ausgedacht hat. Oder dás was ich, des Handwerkers gütiger Auftraggeber, ihn, dringend aber freundlichst, gebeten habe für mich zu errichten. Und alles ohne Fug und Tadel, schön um anzusehen, brauchbar und nützlich, und fast innerhalb der abgemachten Zeit die wir für das Verrichten der Arbeit vereinbart hatten.

Ich gebe ja zu, daß es Handwerker gibt die sich nicht an diese Gesetze halten. Oder es freiwillig freimütig interpretieren. Die 121 Euro für eine Stunde unbrauchbare und nutzlose Arbeit anschreiben und sich wundern wenn Sie sich beschweren.
Die aber meine ich nicht. Ich meine die Schreiner die liebebevoll ihrem alten Schrank voller Mehlwurm das Leben wieder geben. Und der Maurermeister der bei mir im Badezimmer einen Fliesenboden präzise, genau und auf den Millimeter passend legt. Nach getaner Arbeit stehen wir denn da: der eine der denkt: So, das hab' ich mal wieder geschafft! Und der andere, ich selber, staunend, der ausruft: Phantastisch! Mensch, so etwas müßte man selber können!

Nein, gute fachmännische Handarbeit kann auf meine Bewunderung und mein Lob rechnen. Aber dies gilt natürlich auch für fachfräuliche Arbeiten. Meine Frau zum Beispiel schneidert und näht fast all ihre Kleidung selber. Mit äußester Bewunderung stehe ich vor einem solcher Papierbögen, ein Schnittmuster mit tausenden von Linien, woraus sie ohne zu zögern diejenigen wählt die sie braucht für die neue Couture.



Auch im Stricken ist sie ein Genie. So trage ich jetzt, wo ich Ihnen dies schreibe, eine von ihr gestrickten rötlichen Weste. Mehr als dreißig Jahre alt, völlig aus der Mode, aber immer noch geschmeidig, lecker warm und angenehm im Tragen. Und das am allermeisten besondere ist der Kabel. Es scheint eine Strickform zu sein (oder eine Strickformel?) mit der man wunderbare Strickvariationen sichtbar machen kann. In diesem Fall sieht man auf meiner Weste erhöhte Wolldrahtlinien sich vom unteren Rand bis nach ganz oben bewegen. Ein köstliches Beispiel fachfräulicher Handarbeitskunst würde ich meinen.

Übrigens, die Weste sehen Sie hier unten. Zierlich über der Rückenlehne eines unserer Schlafzimmerstühle gehängt. Den Stuhl können Sie nicht kaufen. Nirgends. Der ist nämlich vor Jahren von mir selber in feinster Handarbeit hergestellt worden. Damals als die Handwerker und Schreinermeister genau so teuer waren als heute.



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Samstag, 21. Januar 2012
Bagatelle 144 - Walnußbrennholz
- Was machst du denn da? Sitzt gehockt mit einer Kamera in der Hand vor einem Stapel Hackholz. Baust einen Hausaltar?
- Nein. Ich sitze hier und betrachte die unglaubliche Holzoberflächen unter der grünen Rinde die ich gerade entfernt habe. Hast du je so etwas gesehen?
- Das sieht dir so ähnlich. Holzhäute beobachten. Nichts besseres zu tun?
- Nein, dies hat Vorfahrt. Ich könnte in feinster Lyrik ausbrechen beim Sehen dieser Strukturen und Linien! Aber du, Kulturbanause, verstehst das doch nicht.
- Spezielles Holz vielleicht? Was ist so extra besonders daran?
- Das hier ist Walnußholz. Es stammt von einem alten, meinem Schwager gehörenden 75-jährigen Baum, der voriges Jahr das Leben gelassen und vorige Woche gesägt, gehauen, geschlagen, gehackt und entfernt worden ist.
- Die sind aber froh daß der Baum weg ist!
- Nicht unbedingt. Dein ein Walnußbaum bietet - außer seiner Nüsse im Herbst - an einem warmen Sommertag nicht nur Schatten und Abkühlung. Er schützt auch vor Mücken und anderes Ungeziefer. Mein Schwager pflanzt sicherlich einen neuen.
- Was macht die Kamera?
- Ich fotografiere die Oberflächen. Siehst du nicht? Daß Cezanne und unser Vincent van Gogh von diesen Linien inspiriert worden sind, ist kein Wunder.
- Das Holz ist noch ganz feucht. Was geschieht mit ihnen? Mit den Walnußbrocken, meine ich.
- Wir lassen es zwei Jahre an der frischen Luft trocknen. Und danach erwärmen sie uns im Holzkaminofen. Wie Fruchtbaum liegt Nußbaumholz lange und erwärmt gut.
- Und dann ist's endgültig aus und vorbei. Asche zu Asche.
- Nein, dann schreib ich darüber eine Bagatelle.







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Sonntag, 15. Januar 2012
Bagatelle 143 - Bismarck


Irgendwo auf dieser wahrscheinlich für Sie unverständlichen Landkarte sehen Sie ihn abgebildet: ihren Bismarck. Zwar in Verbindung mit einer See, aber dennoch. Irgendwo in der Nähe, so habe ich mir erzählen lassen, müßte sich auch eine bismärckische Archipel befinden. Lassen Sie mich versuchen Ihnen auch der Rest der Karte zu erklären. Alles ist ziemlich kompliziert, aber allemal ein Versuch wert. Denn die Geschichte feiert dieses Jahr ihr goldenes Jubiläum. Zu feiern gibt es zwar nichts, im Gegenteil, aber es ist wohl wahr, daß es schon ein halbes Jahrhundert her ist.

1949 war es, als Indonesien die Unabhängigkeit bekam. Das riesige Inselreich im Osten war bis dato eine niederländische Kolonie. Bis auf eine Ausnahme: der westliche Teil Neu-Guineas blieb unter niederländischer Obhut. (Ost Neu-Guinea war und blieb Teil Australiens.) Den Einwohnern Niederländisch Neu Guinea, den Papuas, wurde versprochen, daß ihr Land auf Dauer eine - separat von Indonesien - selbständige Republik sein werde.

Von 1949 bis 1961 blieb dieser Zustand unverändert, sei es daß Indonesiens Präsident Sukarno es immer wieder versuchte mit kleinen Attacken politischer und militärischer Art, die Welt davon zu überzeugen, daß Neu-Guinea zu Indonesien gehörte. Mitte 1961 kam es dann zu den ersten ernsten (militärischen) Auseinandersetzungen.

Es war auch zu dieser Zeit, daß ein gewisser Terra, derzeit schon ziemlich Anti-Militarist, aber kein prinzipieller Wehrdienstverweigerer, vom Staate gerufen wurde dem Vaterland zu dienen indem er fast zwei Jahre von Haus, Hof und Arbeit getrennt wurde um zu lernen wie man marschiert und wie man am besten lernt grausam langweilige Stunden in einer Kaserne zu verbringen. Das änderte sich drastisch, als er mit sieben anderen Unfreiwilligen aus seiner Kompanie ausgesucht wurde um ab August 1962 nach Neu-Guinea umzusiedeln, um dort unter der Tropensonne die niedriger gelegen Lande gegen Sukarnos Gefolgsleuten zu verteidigen. Halb August war alles in voller Vorbereitung: nach einem vierzehntägigen Tropenurlaub stand als letzteres eine Wochentropenkursus auf dem Programm. Sofort danach war die Abreise geplant.

Nein, in Neu-Guinea war ich nie. Denn der damalige VS-Außenminister John Foster Dulles hatte mit seinem niederländischen Kollegen Joseph Luns vereinbart das westliche Neu-Guinea den Indonesiern zu überlassen. (Die VS brauchten Indonesien als eine Art Schutzwall gegen den aufkommenden Kommunismus in Süd-Ost Asien). Deshalb wurde uns am 22. August 1962, während unserer Tropenübungskurs mitgeteilt, daß von nun an kein einziger holländischer Soldat Richtung Bismarck Archipel zu reisten brauchte. Denselben Abend konnte man den Terra, zusammen mit zwei Freunden, fröhlich feiernd mitten über die Waal-Brücke gehen sehen.

Hier unter sehen Sie ein kleines Schildchen. Jeder, der damals freiwillig oder unfreiwillig nach Neu-Guinea geschickt wurde, trug ein solches Schildchen auf seiner Uniform, auch die Soldaten die sich noch in der Ausbildungsphase befanden. Ich war sicherlich nicht stolz darauf. Damals und heute überfällt mich vielmehr ein Gefühl der Scham wenn ich es sehe. Es waren ja die von uns gewählten Politiker, welche die Versprechungen den Papuas gegenüber brachen.
Noch immer, auch in 2012, nach fünfzig Jahren, gibt es Gruppen in den Molukken und in Neu-Guinea, die sich für die Unabhängigkeit einsetzen. Wir, nicht-wissende Feiglinge, sitzen da und schauen zu. Wie immer in solchen Situationen.

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Montag, 9. Januar 2012
Bagatelle 142 - Glücksfall
Sagen doch alle die mich einigermaßen kennen. Und wer bin ich um so etwas zu verneinen? Doch, ich bin ein Sonntagskind. Zwar nicht an einem Sonn-, Mond- oder sonst einem Himmelskörpertag geboren, aber dennoch vom Glück verwöhnt. Beweisen lässt sich eine solche Behauptung schwer, aber es stimmt dass ich in meinem Leben öfters zu mir selber sagen konnte: 'Mensch, Junge, da hast du aber viel Glück gehabt!' Worauf ich gleich das aufkommende zugehörige Glücksgefühl dämpfte indem ich antwortete: 'Na, só schlimm war es nun wieder auch nicht!'

Hoffentlich kennen Sie Kleve. Eine Kleinstadt am Niederrhein. Prächtig gelegen, dort am Flussufer, mit vorne die weiten Auen und Wiesen der Tiefebene und hinten die bewaldeten Hügel des Reichswaldes. Berühmt ist die unübertroffene Schwanenburg, der Zoo und das Haus Koekoek, wo einst einer der großen Landschaftsmalers des 19. Jahrhunderts gastierte.
Kein böses Wort über die Stadt Kleve, weder über ihr An- und Aussehen, geschweige denn über ihre Bürger und gar nicht über ihre Taxifahrer. Denn diese Gilde hat mir in meiner Studentenzeit einiges Glück beschert, wovon ich jetzt berichten werde.

Wählen kann man. Theoretisch jedenfalls. Auf einer Kreuzung im westlichen Teil von Kleve kann man Richtung Emmerich zurückfahren, oder geradeaus den Weg durch den Reichswald benutzen. Man kann auch links in die Stadt abbiegen oder rechts die Hauptstraße entlang über Nütterden, Kranenburg und Wyler zu der Universitätsstadt Noviomagus (das, wie Sie längst vermuteten, Nimwegen bedeutet) in die Niederlande fahren. Das letztere war mein Plan. Denn diesen Nachmittag um 14.00 Uhr stand ein sehr wichtiges Psychologie-Examen an. Die Studenten, unter denen ich, Terra, wurden freundlichst gebeten ihre Kenntnisse betreffende die Grundlagen der Klinischen Psychologie schriftlich darzulegen, zu argumentieren und zu kommentieren. Die dafür zustehende Zeit betrug volle zwei Stunden plus eine Viertelstunde zum reflektieren. (Im Ernst: es war das weitaus wichtigste Examen in meinem zweiten Studienjahr 1978.)

Es war gerade 13.00 Uhr als ich in meiner treuen Ente (2CV) die Klever Kreuzung erreichte. Noch höchstens eine halbe Stunde fahren und dann ruhig, voller Zuversicht, entspannt und zugleich konzentriert, den Examensaal betreten um sich im Geiste vorzubereiten.
Plötzlich, ich war gerade nach rechts abgebogen, streikte das Auto. Das heißt: der Motor lief, aber die Kupplung war nicht imstande oder nicht bereit mir zu helfen einen Gang, welchen auch immer, einzulegen. Ich stieg aus, und schob die liebe Ente im Freilauf auf einen kleinen Parkplatz am Rande. Es war 13.10.

Es war 13.30, als ich nach zahllosen nutzlosen Versuchen per Anhalter meine Reise zu verfolgen, beschloss zurück in die Stadt zu gehen. Dort wollte ich ein Taxi oder ein anderes Beförderungsmittel suchen und bitten mich sofort, aber denn auch SOFORT und ZÜGIGST, nach Nimwegen zu bringen. Um 13.50 erreichte ich die Innenstadt, wo eine freundliche Dame mir sagte, dass der nächste Taxistand sich ein halber Kilometer weiter aufhielte. Auch wusste sie zu berichten, dass der Omnibus nach Kranenburg vor fünf Minuten abgefahren sei.
Etwa 14.00 Uhr hatte die Glocke geschlagen als ich Garage Annex Taxistand erreichte. Kein Taxi weit und breit. Gerade als ich den Gesellen fragen wollte ob es hier überhaupt Taxis gäbe, kam ein als Taxi verkleideter Mercedes um die Ecke gebogen. Der Chauffeur war bereit mich, unter Zahlung von 20 D-Mark, mein einziges Geld, nach Nimwegen zu fahren. Zuerst besuchten wir den kleinen Parkplatz wo meine Ente stand um meine Sachen zu holen. Es war inzwischen 14.30 Uhr.

Unterwegs hatte ich gerade noch Zeit um meine missliche Lage zu erklären, denn der Taxifahrer raste so schnell er konnte und viel schneller als gestattet durch die ländliche Landschaft. Es war 15.00 Uhr als ich den Examensaal betrat, wo einige andere Studenten mich schweigend begrüßten mit in ihren Augen die Frage: wo bleibst du so lange?
Ich las die Aufgaben und Texte, entschloss mich für eine Auswahl, und setzte mich an die Arbeit. Viertel nach vier war es als ich dem diensthabenden Professor meine in Eile geschriebenen Antworten, Bemerkungen und Meinungen überreichte.

Am nächsten Tag schleppten ein Kollege und ich meine Ente von der Klever Garage zurück in meine Hausgarage wo die defekte Kupplung repariert wurde. Vierzehn Tage später las ich in der Universitätsaula auf einem der vielen Informationsbrettern, dass der Student mit der Nummer 760010 das Examen Grundlagen der Klinischen Psychologie bestanden habe. Noch später erfuhr ich, dass der genannte Student zwar große Abstriche erhalten habe wegen des unbeantwortet lassens einiger Aufträge und Fragen, der Rest sei aber in (guter) Ordnung.

Sie sehen: wieder ein Glücksfall. Denn es war ausgesprochenes Glück, dass ich dort in der Klever Innenstadt, in einem Moment worin ich ihm am meisten brauchte, einem Taxifahrer begegnete, der bereit war mich, mit Gefahr für mein und sein Leben, für lausige zwanzig Mark zu einem Examen zu bringen das meine weitere Karriere sehr beeinflussen sollte.

Sehen Sie, darum bin ich ein Sonntagskind. Denn solche Sachen sind mir in meinem Bestehen laufend passiert. Unfälle welche glimpflich abliefen. Unverhofft schwierige Umstände die sich später als vorteilhaft erwiesen. Düstere Wolken wonach die Sonne strahlend hervor trat. Das nenne ich Glück. Denn es hätte ja alles viel schlimmer kommen können!

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Dienstag, 3. Januar 2012
Bagatelle 141 - Anzeige
In tiefer Trauer
geben wir bekannt, daß
seit voriger Woche
wird vermißt unser unentbehrlicher
teurer

STALO

Länge innerlich: 200 Zentimeter
Diameter äußerlich: 5 Zentimeter
so etwa
Farben: schwarz und gelb




ist er verschwollen?
den Weg nach Hause verloren?
oder entführt worden?
zeitlich auf Wasser und Brot?
wer vermag es zu sagen?

mein Gefährte
mein Helfer in bangen Zeiten
mein kleiner Freund

immer ehrlich, gradlinig
uneigennützig, geradeaus
flexibel trotz Rückgrat
sich sträubend, dennoch gefügig

niemals nachtragend, immer kooperativ
kein Schimpfen oder Toben
die Lüge hinter sich lassend
die Wahrheit gepachtet

mein aufgerolltes Gewissen
mein Kumpel
mein Maßfreund
mein Rollmaß
mein Maß

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Freitag, 30. Dezember 2011
Bagatelle 140 - Auslauf


Vor wenigen Stunden haben wir das alte Jahr feierlich abgeschlossen.

wir zählten unsere Jahrringe

und eröffneten
unter dem Genuß traditioneller Silvesterleckereien
(gibt es ein solches Wort überhaupt noch?)
das Jahr 2012.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern
dieser Bagatellen
alles Gute im neuen Jahr.

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Dienstag, 27. Dezember 2011
Bagatelle 139 - Geheime Drucksache
Doch, es gibt sie noch: liebgewonnene Verwandten und Freunde die mir einen Brief schreiben. Einen richtigen Brief, mit echter Tinte auf herrlich duftendem Papier geschrieben. In einer charakteristischen Handschrift, wobei vieles geschriebene einiges zu raten läßt. Keine unpersönliche digitale emails, sondern liebe Schreibereien, wobei einem beim Lesen eine Wolke von Genuß entgegen strömt.

Um solch einen Brief handelt die folgende Bagatelle. Nur unter einer Bedingung dürfen Sie die lesen. Sie müssen mir versprechen, daß alles was Sie im weiteren lesen, unter uns bleibt. Stärker noch: Sie erklären hierbei feierlich, daß Sie keinem, auch nicht ihren nächsten Verwandten, auch nur eine Silbe erzählen werden von was Sie hier lesen werden. Ehrenwort und Hand aufs Herz! Die Sache ist nämlich heiß und geheim. Staatsgeheim möchte man fast annehmen.

Angefangen hat alles in der Zeit da man anfing Briefe zu schreiben. Das Befördern eines geschriebenen Briefes vom Schreiber zum Leser überließ man dem Landespostministerium, welches speziell dafür Postmeister und Postbeamte anheuerte welche die Post besorgten. Weil die Postleute freundlich gestimmt und gutherzig sind, langsam im Denken, aber nicht ganz und gar dumm, lassen die sich von den Briefeschreibern für ihre Dienste bezahlen mittels geklebte Briefmarken.

Briefmarken gibt es in Hülle und Fülle. Je unbedeutender das Land, je größer und schöner die Marken. Und wenn sich irgendwo irgendetwas wichtiges manifestiert, (in Dafinsternistan ist ein Siebenling geboren) kommt die Landespost mit einer neuen Serie Briefmarken.

Es gibt jetzt zwei Fragen die um unsere Aufmerksamkeit bitten. Erstens: wer kontrolliert überhaupt ob wir die richtigen Briefmarken auf unseren Briefen kleben? Und zweitens: sind wir verpflichtet ausschließlich die von der Landes- und Bundespost zum Verkauf angebotenen Marken zu kleben?

Die Antworten - alle strengstens geheim! - sind folgende. Erstens: Nein, kontrolliert wird nicht und wenn, denn selten und stichprobenweise. Zweitens: ja, verpflichtet schon, aber wir schaffen für uns selber eine kreative Ausnahme.

Hier unten sehen Sie einen Briefumschlag den ich vor einiger Zeit erhielt. (Der Inhalt tut nicht zur Sache, es geht um die Verpackung.) Namen und Adresse des Adressierten sind aus privatrechtlichen Gründen der privacy von mir abgeklebt worden. Sie können ruhig annehmen daß der Brief an mich gerichtet war. Ein Brief (Luftpost) aus Oman offenbar, das sehen wir der Briefmarke ab. Aber von einem Poststempel versehen in einer holländischen Kleinstadt! So geht’s also auch. Mann klebt eine fremd-orientalische Marke auf einem Brief, oder man entwirft selbst eine.
Ganz unter uns: der Verfasser und Absender dieses Briefes hat mit einigen Freunden schon Jahre eine Wette laufen, wer die schönsten falschen Briefmarken entwirft oder klebt ohne daß die Post es merkt!



Briefmarken können auch ruhig zwei mal verwendet werden. Vor Jahren erhielten Sie möglicherweise einen Brief aus der DDR. Jetzt, anno 2011, kleben Sie die alte Marke auf einem neuen Brief. Die Post wird es Ihnen danken und nichts davon merken.



Selbstverständlich ist das Kleben van falschen Marken strafbar und strengstens von der Hand zu weisen. Mein lieber Briefeschreiber hat mir versichert, daß er so etwas nur einige Male im Jahr tut, als Spaß an der Freud. Sonst frankiert er seine Briefe sorgfältig mit den davor vorgesehenen Marken mit dem verabredeten Wert. Denn wir wollen doch bitte nicht den Postleuten das Brot aus dem Munde stoßen.
Lasset uns nicht mehr davon reden. Es gibt das Briefgeheimnis, es gibt auch das Briefmarkengeheimnis. Wir wollen es weiterhin hüten.

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Mittwoch, 21. Dezember 2011
138 - Bagatelle ohne (viel) Worte

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Samstag, 17. Dezember 2011
Bagatelle 137 - Stückwerk
Wie es bei Ihnen zugeht, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber hier bei uns ist es Gewohnheit, daß eine Person, die um Eintritt in die Reihen der Promovierten bittet, das tut mittels des Schreibens einer Dissertation. Es hat mit der Qualität der Doktorarbeit nichts zu tun, aber es wird allgemein begrüßt, wenn der Dissertation ein Blatt beigefügt wird mit einigen Thesen. Prägnante, aussagekräftige und, wenn's denn so paßt, spitze und humorvolle Behauptungen welche zum Teil schon, aber nicht unbedingt álle, auf das wirkliche Thema Bezug haben. Ein Arzt, der am nächsten Tag Herr Doktor Franz Weißnicht heißt, kann uns ruhig auch eine These über die unseligen Folgen des Zölibats präsentieren. (Die Prüfungskommission achtet sehr darauf, daß keine These abgeschrieben oder kopiert wird, denn dás ist wirklich eine Todsünde.)

Unlängst promovierte an der Technischen Universität in Raunen an der Luhre der von mir sehr geschätzte Herr Paul Tangram. Das Thema tut hier nicht zur Sache; der Inhalt des 224 Seiten umfassenden Werkes war jedenfalls für Nicht-Eingeweihte völlig unverständlich. (Und das ist, wie Sie wissen, für nicht wenige ein Qualitätsmerkmal.) Sehr begrüßt, und mit einem summa cum laude bedacht, wurde die Idee die beigefügten Thesen von Illustrationen zu versehen, die dem Namen des Promovendus große Ehre machten. Ein guter Grund sie Ihnen hier vorzustellen.

These 1. Die Bank, der es nicht gelingt alle sieben Teile eines Tangrams in ihrem Logo zu verwenden, sollte man sofort meiden.





These 2. Es ist überhaupt nicht von Interesse, ob ein Beitrag in blogger.de inhaltlich etwas vorstellt. Viel wichtiger ist, daß er virtuos und originell zusammengestellt worden ist.



These 3. So lange ein Kopftuch auch als Brillenputzmittel verwendet werden kann, gibt es keinen Grund sich aufzuregen.



These 4. Heutzutage bleiben viele Verbrechen ungelöst. Das hat man davon, wenn Kriminalinspektoren zuviel Tatort sehen und in ihrer Jugend nicht gelernt haben wie man ein Puzzle legt.



These 5. Auch ein Minister-Präsident sollte das Recht haben hin und wieder einen Minister passend zu bestrafen.



These 6. Mein Name ist Hase, sagte Terra, und schrieb eine neue Bagatelle.



These 7. Nur geborgen in seinem Versteck ist das Ganze mehr als die Summe der absonderlichen Teile.

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Freitag, 9. Dezember 2011
Bagatelle 136 - Katastrophal
Manchmal gibt es das. Man liegt im Bett, schläft den Schlaf des Gerechten, träumt, denkt unabsichtlich an etwas sehr schlimmes, und sofort ist eine leichte Panik da. Heute Nacht war's wieder so weit. Meine Gattin, badend im Angstschweiß, stößt mich und fragt: "Falls nun plötzlich ein Feuer ausbricht, weißt du was du unbedingt zuerst, danach und zuletzt tun mußt?" Leicht irritiert, weil ich selber nicht schlafen konnte, erwidere ich mit: "Na bitte schön, dieses Problem lösen wir morgen früh am ersten, so gut?"

Was Sie hierunter sehen, ist ein Foto aus meiner Heutemorgenzeitung. Wir sehen einen zweigeteilten Zug an einem halbgeschossenen Bahnschranke mit davor eine Hauptstraße. Hinten Häuser, eine Fabrik und, wenn Sie genau hinschauen, hinter den Bäumen, ein Fluß. Auf der Hauptstraße kreuz und quer stehende pkw's und ein Feuerlöschwagen. An dem Bahnübergang ein rotes Auto das offenbar, lavierend zwischen den Schlagbäumen, mit einem der zwei Züge kollidiert ist. Einige Meter vor dem Löschzug stehen die Feuerwehrsleute und sonstigen Helfer und beraten wie sie fortfahren.



Sie haben recht: irgendwas an diesem Foto stimmt nicht. Das Bild ist unwirklich friedlich. Das Bild gibt uns nicht den Hauch oder die Idee eines schlimmen Unfalls. Es ist auch kein tatsächliches Unglück was passiert: es ist ein Katastrophenübungsplatz was wir hier sehen. Das Blut ist Tinte, die Wunde wird angedeutet, getäuscht und aus Fensterkitt hergestellt, der Unfallverletzte ist ein gemieteter Schauspieler, Zug und pkw sind geordnet ungeordnet dahingestellt. So ähnlich sieht ein schrecklicher Unfall aus. Die Katastrophenbekämpfer proben den Ernstfall. Sie tun das mit einem Katastrophenbekämpfungsplan oder etwas ähnlichem.

"Vorsorgen" ist ein schönes Verb; noch schöner als das offizielle "Vorsorge treffen". Du willst eine schreckliche Situation Herr bleiben und wenn möglich vorbeugen, und darum ist es klug und weise darüber nachzudenken, welche Situationen bedrohend sein können und wie man sich darauf adäquat vorbereitet. In meiner Jugend hockten Vater, Mutter und wir, die Kinder, zusammen in einem Raum mit geschlossenen Fenstern, wenn es denn donnerte und blitzte. Es könnte ja einschlagen. Darum hatte meine Mutter immer einen kleinen Koffer dabei, worin sich unter anderem etwas Geld, die Feuerversicherungspolice, die Pässe, plus einige ihrer Kronjuwelen befanden.

Fast immer wirst du unerwartet und unvorbereitet von einer Katastrophe getroffen. Es gibt zwar die Fernsehwarnung, aber du denkst: so schlimm wird's wohl nicht kommen. Oder: vielleicht passiert es in Ost-Brandenburg oder in Raunen an der Luhre, aber nicht bei uns. So betrügt man gewissermaßen sich selber.

Zwei Gedanken streiten um Vorfahrt. Der erste Gedanke ist, daß es weise und klug ist Vorsorge zu treffen gegen Unglücksfälle die jeden treffen können. Eine Unfallsversicherung ist keine schlechte Idee partout. Die redliche Stimme in mir sagt, daß es weise ist vorher nachzudenken über mögliche Kalamitäten. Jedes vernünftig denkendes Altersheim hat einen Katastrophenplan im Falle einer notwendigen Evakuation der Bewohner. Die andere Stimme in meiner Brust behauptet, daß es in meinem persönlichen Falle unmöglich ist ein kluges Katastrophenplan aufzustellen. Ich kenne mich: wenn tatsächlich Not an Mann kommt, vergesse ich den Plan und tue das, was mir mein Herz zu tun rät.

Noch etwas kommt dazu. Manchmal denke ich, daß das Aufstellen eines Katastrophenplanes das Unglück gerade herbei lockt. Götterversuchung, so etwas. Ob der Teufel im Spiel ist. Hast du gerade ein Szenario fertig für den Fall, das dir beim Fleischbraten die Flamme in die Pfanne schlägt, geschieht dies am nächsten Tag. Ohne Pfannenbrandszenario inklusive Katastrophenplan wäre überhaupt nichts passiert, glaub' ich zu wissen. Und wenn die städtische Straßenbahn nach viel palavern und hin und her überlegen ein neues Katastrophenplan ausgedacht hat, geschieht ein Unfall, wobei man nachher feststellt, daß an einiges wichtiges nicht gedacht worden ist. Ungewollt natürlich, aber dennoch.

Den nächsten Morgen fragt mich meine Frau: "Nun, woran denkst du zuerst, wenn hier im Hause unverhofft ein Brand ausbricht?" Ich erwidere: "An nichts, denn seit keiner hier im Haus mehr raucht, ist die mathematische Chance daß ein Feuer ausbricht, gleich null." "Gut," sagt sie, "ich weiß es. Zuerst müssen die Fotoalben gerettet werden." "Oké," beschließen wir, "somit ist nun Punkt Eins der Tagesordnung erledigt. Wer von uns beiden die Alben rettet, sehen wir wenn 's dann so weit ist."

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Samstag, 3. Dezember 2011
Bagatelle 135 - Heiliger Niklaas
Den heiligen Nicolaus kennen wir schon seit unserer frühesten Kindheit, eigentlich von Geburt an. Offiziell: Sankt Nicolaus, Bischof von Myra. Das scheint irgendwo in der Türkei zu liegen, aber uns, kleinen Kindern, wurde immer vorgehalten, daß er aus Spanien kam. Am 6. Dezember ist sein Heiligentag, aber viel wichtiger ist der Abend vorher: Sankt Nicolausabend. Bei uns: Sinterklaasavond. Oder 'pakjesavond', weil an diesem Abend die Geschenke (pakjes) ausgetauscht werden.
So weit so gut. Sie in Deutschland kennen den alten Herrn natürlich auch. Bei ihnen heißt er schlicht Nicolaus. Er wird von einem Knecht begleitet der sich Ruprecht nennen läßt. Bei uns liegt die Sache etwas komplizierter.



Um 1820 schrieb ein Amsterdamer Schulmeister ein moralistisches Kinderbüchlein, worin er erzählte von einem Bischof welcher ein Mal pro Jahr per Dampfschiff nach Holland reiste und einige Tage vor seinem Heiligentag dort ankam. Begleitet von einem, aber meist mehreren Helfern (Zwarte Pieten - Schwarzer Peter). Dort arriviert, ritt er abends auf seinem Schimmel über den Dächern und überall wo unter den Schornsteinen liebe und fleißige Kinder wohnten, warf sein Knecht Pieter Geschenke nach unten. (Daher blieb der Kamin an diesem Abend kalt und dunkel.) Meistens hatten die dort unten wohnhaften Kinder schon Tage vorher einen Schuh (ledernen oder hölzern) am Kamin gestellt worin für Nicolaus sein Pferd eine Karotte und ein bißchen Heu.

Auf den hohen, hohen Dächern
reitet Sankt Nikolaus mit seinem Knecht.
Wollt ihr wissen, liebe Kinder,
was er zu seinem Knechte sagt?
- Schau mal eben, bester Piet,
ob du unartige Kinder siehst!

So sangen und singen die Kinder.



Der heilige Nicolaus hatte eine Vorliebe für ziemlich reiche und wohlhabende Leute, denn dort ging er auch zur Türe hinein. Bei den ärmeren lief er ums Haus, schlug mit einer eisernen Kette gegen die Mauer und in die Luft umher, nur um zu zeigen daß er da war. In den Zimmern unterdessen herrschte leichte Angst und Furcht. Denn der Sankt Nicolaus hatte ein Buch bei sich, worin alle Kinder mit Name und Zuname aufgeführt waren, zusammen mit allen großen und kleinen im vergangenem Jahr begangenen Sünden. Kindern, welche sehr unartig gewesen sein sollen, wurden mit einer Rute gedroht. Die allerschlimmsten, so war allgemein bekannt, mußten in einem Sack zusammen mit den Gästen die Zurückreise nach Spanien antreten. (Und dort, sagten die gemeinsten Eltern, drohte ein Sklavendasein.) Wie groß dann die Erleichterung: nach einer kleinen Buße bekam man nebst Vergebung die so sehr gewünschten Geschenke.
In den Häusern wo der Nikolaus nicht kam (keine Zeit, Sie wissen), konnten die Kinder die Geschenke am Morgen des 6. Dezember in ihren Schuhen begrüßen. Wahrscheinlich in einem Tausch mit dem Heu und der Karotte für den Schimmel.

Heutzutage wird in meinem Lande das Sankt Nikolausfest überall wie vorher gefeiert. Zwar schwer kommerzialisiert wie alles im Leben, aber dennoch. Der heilige Mann aus Spanien landet immer noch mit seinem Dampfer in einen niederländischen Hafen. Die Helfer sind immer noch schwarz, was jedes mal Anlaß zu Leserbriefen gibt von Leuten die einem ein unschuldiges Kinderfest mißgönnen, worin auf angeblich vorhandenen diskriminierenden Zügen hingewiesen wird.
Noch immer wird mit Sack und Rute gedroht. Und noch immer braucht keiner Angst zu haben wirklich nach Spanien verschleppt zu werden. Denn es ist ja in den hunderten Jahren wo das Fest nun schon gefeiert wird, noch nie vorgekommen. Noch immer wird der Sankt Nicolaus und seinen schwarzen 'Pietermannen' am Hafen zugesungen und zugewunken.
Erwachsene geben einander im Namen von Sankt Nicolaus kleine, liebe Geschenke. (Ich schreibe meiner Gattin eine Bagatelle und schenke ihr einen Kalender mit selbstgemachten Fotos: wie originell!) Wenn möglich werden die Geschenke von einem Gedicht begleitet. Oft ein krummes Vers das immerhin Liebe und Zuneigung vermitteln soll.

Zum Schluß erzähl ich Ihnen von einer Panne. Jedes Jahr geschieht so etwas. Der Gutheiligmann landete dieses Jahr schon am 12. November in der alten Stadt Dordrecht. (So hatte der Mittelstand Gelegenheit sich werblich und gewerblich auf den Käufersturm vorzubereiten.) Am Kai bestieg er seinen Schimmel und ritt die fröhliche Kinderschar mit den ebenso begeisterten Eltern entlang. Schade war, daß er seinen Bischofshut verkehrt rum auf hatte. Ein guter Beobachter - ein alter Katholik sicherlich - am Fernseher meldete sich telefonisch um auf den Fehler aufmerksam zu machen. So sieht man, wie die kirchlichen Kenntnisse und Sitten allmählich verschwinden. Aber der Nicolaus bleibt für ewig.

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Sonntag, 27. November 2011
Bagatelle 134 - Selbstbild
Innerhalb der Skala an genres in der klassischen Malerei nimmt das Selbstporträt eine besondere Stelle ein. Wir sehen - nur ein Beispiel aus hunderten - den jungen Rembrandt van Rijn aus Leiden, der sich auf den Weg macht nach Amsterdam um dort die Welt zu erobern. Bevor er das tut, schaut er in den Spiegel und malt virtuos seine wilden Haarlocken. Jahre später sieht er was von ihm geworden ist: berühmt, anerkannt, aber auch einsam, müde und umgeben von materiellen Sorgen. Seine späteren Selbstbilder sind dunkel und düster. Seine Augen dennoch vergessen Sie nie wenn Sie die einmal gesehen haben.

Man kann natürlich auch ein Bild von sich selbst anfertigen, indem man sich fotografiert. Am besten mit einer Kamera, einem Stativ und dem Selbstauslöser. Man schätzt die Zeit die notwendig ist um sich richtig und vornehm vor die Kamera zu postieren, drückt auf dem Aufnahmeknopf, eilt zur vorab abgemachten Stelle, nimmt seine Sonntagspose ein, und in wenigen Sekunden ist die Sache gelaufen, manchmal begleitet von wenig Donner und viel Blitz.

Nein, selber mag ich das nicht, diese Selbstbildfotografie, diese - auch wenn Sie das nicht wahr haben wollen - innere Selbstverherrlichung. Überhaupt habe ich es nicht gerne, wenn man mich fotografiert. Wenn schon, dann irgendwo am Rande oder inmitten einer tausendfachen Menge wo niemand mich findet.

Bitte, betrachten Sie das Bild hier unten und sagen Sie mir was Sie sehen. (Schaut hin, sagte der Philosoph, man sieht nicht was man sieht!)
Die menschliche Figur, in einem dezenten schwarz, bin ich. An der rechten Seite ist die Silhouette eines Baumes zu entdecken. Das hier ist ein Selbstbildnis. Wieso ein Selbstbild?



Die Sache ist die. Ich wandere, wie so oft, durch die Auen und Wälder in der Umgebung. Die Kamera ist immer dabei. Ich gehe einen ziemlich breiten Graben entlang. An dieser Seite befindet sich ein Waldgebiet, andersrum sieht man Weiden und Äcker. Im Wald an dieser meiner Seite steht eine Eiche samt Hochsitz. Zu dieser Sitzfläche führt eine eiserne Leiter, gegen die Eiche angelehnt. Auf dem Bild sehen Sie die Hochsitzgelegenheit so etwa rechts neben meinem schwarzen Kopf.

Jetzt kommt sie. Die Lösung des Rätsels. Ich steige auf der eisernen Leiter empor in Richtung Hochsitz. Auf der fünften Stufe bleib ich stehen. Mein linkes Bein schwingt fröhlich nach links, mein rechtes findet festen Fuß auf der Stufe. Aus dem komischen Stand meiner Arme kann man vermuten (und für wahr annehmen), daß ich die Kamera vor meinen Augen halte. Die niedrig stehende Novembersonne scheint mir gerade im Rücken, wodurch der Schatten meiner Person sichtbar wird auf dem Boden an der anderen Seite des Grabens. Ich fotografiere nicht mich selber, ich fotografiere meinen Schatten! In der Tat, das hier ist ein schattiges Selbstbild.

Sehen Sie, so einfach und doch so überzeugend ausdrucksvoll kann ein Selbstporträt sein. Man muß es nur sehen.





Nachschrift: das Nennen und Verwenden einer Leiter eines Hochsitzes bedeutet nun nicht daß ich mit der Jagd etwas am Hut habe. Die Jagd wird für mich nur dann, sportlich gesehen, interessant wenn man dem Hasen auch ein Gewehr gibt.

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