Freitag, 13. August 2010
Bagatelle LXVII - Recht und Schön
terra40, 16:14h
Obwohl kein Sprachwissenschaftler von Haus aus – weder durch Geburt noch durch eine Vererbung, weder durch Bildung noch durch Erziehung – bin ich der Meinung zugetan, daß man mit Texten auf sehr verschiedenen Weisen umgehen kann. Mann kann die Qualität, die Bedeutung, des Ausgesagten auf sich einwirken lassen, was dann wiederum zu Empörung, Einverständnis, Wut, Anerkennung oder Glücksgefühle Anlaß geben kann. Mann kann natürlich auch einen Text bis auf den kleinsten Buchstaben analysieren und herunterschaufeln. Man kann schließlich auch Texte lesen.
Spezielle Texte, Texte zu einem gegebenen Anlaß, verdienen eine spezielle Umgangsform, Handhabe und Behandlung. Ich meine jetzt die Gattung: das Gelegenheitsgedicht. Solch ein Vers verdient es mit größter Sorgfalt aufgeschrieben zu werden. Sorgfalt nach zwei Seiten: die Rechtschreibung muß stimmen und, was ich für unbedingt notwendig halte, der Text sollte schön geschrieben und schöngeschrieben, also kalligraphiert sein. Wie üblich in solchen Bagatellen folgt jetzt ein Beispiel.
In deftigen, gotische Buchstaben ist hier der Wunsch kalligraphiert, den meine Großeltern väterlicherseits zu ihrem 25. Hochzeitstag von ihren Kindern erhielten. Ich übersetze den Text für Sie, wobei Sie bitte darauf achten sollten, daß es bei diesen Gedichten gerade nicht um irgendeine literarische Qualität geht. Es steht geschrieben:
Liebe Eltern,
Gott hat Sie bewahrt,
Ein Viertel Jahrhundert gespart;
Daß auch nun Seine Sorgen nicht mindern
Hoffen Ihre dankbare Kinder.
1900 - 13 Mai - 1925
Dieses unselig schöne Vers hat also fast hundert Jahre überdauert. Und wenn sich nichts trübt, folgen noch etliche Jahrhunderte. Man kann von diesem Familientext sagen was man will, aber nicht, daß es nicht passend und mit Liebe gemacht worden ist. Doppelte Verneinungen sind stilistisch niemals schön, aber wohl wahr. Wir werden dieses Stück selbstgemachtes Familienerbgut bis an unser Lebensende – und darüber hinaus – sorgfältig pflegen, hüten und bewahren.
Wieso Familie und wieso selbstgemacht? Nun, mein Vater, Terra Sr. also, den wir auf dem unteren Bild links-oben sehen, hat den Text kalligraphiert und die wunderbaren Blumenverziehrungen gezeichnet. Und mein Großvater, links unten, hat mit eigenen Bauershänden in mühsamer winterlicher Handarbeit den Rahmen hergestellt. Mit kleinen Streifen Holz, Leim und Schnitzereien hat er ein Bauwerk erschaffen das die Jahrhunderte trotzen wird. Ohne Zweifel. Damit der Text, recht- und schöngeschrieben, im Rahmen bleibt.
Spezielle Texte, Texte zu einem gegebenen Anlaß, verdienen eine spezielle Umgangsform, Handhabe und Behandlung. Ich meine jetzt die Gattung: das Gelegenheitsgedicht. Solch ein Vers verdient es mit größter Sorgfalt aufgeschrieben zu werden. Sorgfalt nach zwei Seiten: die Rechtschreibung muß stimmen und, was ich für unbedingt notwendig halte, der Text sollte schön geschrieben und schöngeschrieben, also kalligraphiert sein. Wie üblich in solchen Bagatellen folgt jetzt ein Beispiel.
In deftigen, gotische Buchstaben ist hier der Wunsch kalligraphiert, den meine Großeltern väterlicherseits zu ihrem 25. Hochzeitstag von ihren Kindern erhielten. Ich übersetze den Text für Sie, wobei Sie bitte darauf achten sollten, daß es bei diesen Gedichten gerade nicht um irgendeine literarische Qualität geht. Es steht geschrieben:
Liebe Eltern,
Gott hat Sie bewahrt,
Ein Viertel Jahrhundert gespart;
Daß auch nun Seine Sorgen nicht mindern
Hoffen Ihre dankbare Kinder.
1900 - 13 Mai - 1925
Dieses unselig schöne Vers hat also fast hundert Jahre überdauert. Und wenn sich nichts trübt, folgen noch etliche Jahrhunderte. Man kann von diesem Familientext sagen was man will, aber nicht, daß es nicht passend und mit Liebe gemacht worden ist. Doppelte Verneinungen sind stilistisch niemals schön, aber wohl wahr. Wir werden dieses Stück selbstgemachtes Familienerbgut bis an unser Lebensende – und darüber hinaus – sorgfältig pflegen, hüten und bewahren.
Wieso Familie und wieso selbstgemacht? Nun, mein Vater, Terra Sr. also, den wir auf dem unteren Bild links-oben sehen, hat den Text kalligraphiert und die wunderbaren Blumenverziehrungen gezeichnet. Und mein Großvater, links unten, hat mit eigenen Bauershänden in mühsamer winterlicher Handarbeit den Rahmen hergestellt. Mit kleinen Streifen Holz, Leim und Schnitzereien hat er ein Bauwerk erschaffen das die Jahrhunderte trotzen wird. Ohne Zweifel. Damit der Text, recht- und schöngeschrieben, im Rahmen bleibt.
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behrens,
Sonntag, 29. August 2010, 16:51
Das, was Sie hier als ein schönes Beispiel anführen, ist für mich auch ein Beispiel für den sogenannten "Volksmund". Eben diesen Volksmund gibt es ja kaum noch, da Sprache mittlerweile mehr oder weniger konstruiert wird. Alles Deftige ist der Political Correctness zum Opfer gefallen. Damit ist die Sprach aber nicht mehr authentisch und gibt auch keinen Aufschluss mehr über die zugrunde liegende Bedeutung.
Meine Eltern und Großeltern haben noch Plattdeutsch gesprochen und ich habe gerade vorgestern auf unserem Norddeutschen Sender NDR 3 eine kleine Sendung über Kindheit an der Küste angesehen. Und einer der inzwischen Erwachsenen "het op Plattdütsch snackt", wobei auf hochdeutsch untertitelt wurde.
Mir ist bei der Sendung das erste Mal bewußt geworden, dass ich diese Sprache vermisse. Eine Sprache, die alles direkter und ohne Schnörkel wiedergibt - und gerade deswegen so schön ist. Holländisch ist ja übrigens auch sehr ähnlich und aufgrund meiner Plattdeutschkenntnisse verstehe ich manchmal ein wenig.
Sie schreiben hier zwar über Gedichte, aber irgendwie ist mir da über den Volksmund das Plattdeutsch - die Sprache meiner Kindheit - eingefallen, auch wenn das nicht genau das Thema Ihres Artikels ist. Sie mögen mir dies verzeihen - aber Ihre Beiträge lösen bei mir einfach auch oft Erinnerungen aus.
Meine Eltern und Großeltern haben noch Plattdeutsch gesprochen und ich habe gerade vorgestern auf unserem Norddeutschen Sender NDR 3 eine kleine Sendung über Kindheit an der Küste angesehen. Und einer der inzwischen Erwachsenen "het op Plattdütsch snackt", wobei auf hochdeutsch untertitelt wurde.
Mir ist bei der Sendung das erste Mal bewußt geworden, dass ich diese Sprache vermisse. Eine Sprache, die alles direkter und ohne Schnörkel wiedergibt - und gerade deswegen so schön ist. Holländisch ist ja übrigens auch sehr ähnlich und aufgrund meiner Plattdeutschkenntnisse verstehe ich manchmal ein wenig.
Sie schreiben hier zwar über Gedichte, aber irgendwie ist mir da über den Volksmund das Plattdeutsch - die Sprache meiner Kindheit - eingefallen, auch wenn das nicht genau das Thema Ihres Artikels ist. Sie mögen mir dies verzeihen - aber Ihre Beiträge lösen bei mir einfach auch oft Erinnerungen aus.
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terra40,
Montag, 30. August 2010, 22:18
Muttersprache
Seit eh und je sprechen wir zu Hause unser Dialekt das dem platt-düütschen ziemlich ähnelt. Und das westfälische Platt verstehen wir sehr wohl.
Die Kinder wurden zweisprachig erzogen. In der Schule Hoch-Holländisch und zu Hause Dialekt. Jetzt sprechen sie Hollandisch ohne Akzent.
Übrigens: das Dialekt verschwindet rapide. In 25 Jahren sprechen und verstehen nur die alten Leute das Dialekt.
Gruß, T.
Die Kinder wurden zweisprachig erzogen. In der Schule Hoch-Holländisch und zu Hause Dialekt. Jetzt sprechen sie Hollandisch ohne Akzent.
Übrigens: das Dialekt verschwindet rapide. In 25 Jahren sprechen und verstehen nur die alten Leute das Dialekt.
Gruß, T.
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