Sonntag, 27. November 2011
Bagatelle 134 - Selbstbild
Innerhalb der Skala an genres in der klassischen Malerei nimmt das Selbstporträt eine besondere Stelle ein. Wir sehen - nur ein Beispiel aus hunderten - den jungen Rembrandt van Rijn aus Leiden, der sich auf den Weg macht nach Amsterdam um dort die Welt zu erobern. Bevor er das tut, schaut er in den Spiegel und malt virtuos seine wilden Haarlocken. Jahre später sieht er was von ihm geworden ist: berühmt, anerkannt, aber auch einsam, müde und umgeben von materiellen Sorgen. Seine späteren Selbstbilder sind dunkel und düster. Seine Augen dennoch vergessen Sie nie wenn Sie die einmal gesehen haben.

Man kann natürlich auch ein Bild von sich selbst anfertigen, indem man sich fotografiert. Am besten mit einer Kamera, einem Stativ und dem Selbstauslöser. Man schätzt die Zeit die notwendig ist um sich richtig und vornehm vor die Kamera zu postieren, drückt auf dem Aufnahmeknopf, eilt zur vorab abgemachten Stelle, nimmt seine Sonntagspose ein, und in wenigen Sekunden ist die Sache gelaufen, manchmal begleitet von wenig Donner und viel Blitz.

Nein, selber mag ich das nicht, diese Selbstbildfotografie, diese - auch wenn Sie das nicht wahr haben wollen - innere Selbstverherrlichung. Überhaupt habe ich es nicht gerne, wenn man mich fotografiert. Wenn schon, dann irgendwo am Rande oder inmitten einer tausendfachen Menge wo niemand mich findet.

Bitte, betrachten Sie das Bild hier unten und sagen Sie mir was Sie sehen. (Schaut hin, sagte der Philosoph, man sieht nicht was man sieht!)
Die menschliche Figur, in einem dezenten schwarz, bin ich. An der rechten Seite ist die Silhouette eines Baumes zu entdecken. Das hier ist ein Selbstbildnis. Wieso ein Selbstbild?



Die Sache ist die. Ich wandere, wie so oft, durch die Auen und Wälder in der Umgebung. Die Kamera ist immer dabei. Ich gehe einen ziemlich breiten Graben entlang. An dieser Seite befindet sich ein Waldgebiet, andersrum sieht man Weiden und Äcker. Im Wald an dieser meiner Seite steht eine Eiche samt Hochsitz. Zu dieser Sitzfläche führt eine eiserne Leiter, gegen die Eiche angelehnt. Auf dem Bild sehen Sie die Hochsitzgelegenheit so etwa rechts neben meinem schwarzen Kopf.

Jetzt kommt sie. Die Lösung des Rätsels. Ich steige auf der eisernen Leiter empor in Richtung Hochsitz. Auf der fünften Stufe bleib ich stehen. Mein linkes Bein schwingt fröhlich nach links, mein rechtes findet festen Fuß auf der Stufe. Aus dem komischen Stand meiner Arme kann man vermuten (und für wahr annehmen), daß ich die Kamera vor meinen Augen halte. Die niedrig stehende Novembersonne scheint mir gerade im Rücken, wodurch der Schatten meiner Person sichtbar wird auf dem Boden an der anderen Seite des Grabens. Ich fotografiere nicht mich selber, ich fotografiere meinen Schatten! In der Tat, das hier ist ein schattiges Selbstbild.

Sehen Sie, so einfach und doch so überzeugend ausdrucksvoll kann ein Selbstporträt sein. Man muß es nur sehen.





Nachschrift: das Nennen und Verwenden einer Leiter eines Hochsitzes bedeutet nun nicht daß ich mit der Jagd etwas am Hut habe. Die Jagd wird für mich nur dann, sportlich gesehen, interessant wenn man dem Hasen auch ein Gewehr gibt.

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Ein äusserst gelungenes Selbstbildnis, Herr Terra, man könnte meinen, Sie seien unter die Stabpuppen gegangen!
Mit der Jagd habe ich es genau wie Sie, mehr Sportlichkeit wäre wirklilch nicht zu wenig verlangt, obwohl Jägerkeulen in Rotwein? - Ich weiss nicht so recht!

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Stabpuppen
Lieber Herr Pastiz, der Gedanke mit der Stabpuppe war auch bei mir schon aufgekommen. Aber sofort wieder verworfen. Denn: wo bleibt dann mein freier Wille? Wer hält den Stab in den Händen und lenkt meine Geschicke?
Ich möchte bitte schön auch noch einiges zu bestimmen übrig behalten.
Gruß, T.

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