Sonntag, 23. Juni 2013
Bagatelle 190 - Unpassendes Familienbild
terra40, 15:45h
Kürzlich, an einem Sonntagabend, geht das Telefon.
"Lieber Herr Terra, ich rufe Sie an wegen einer einigermaßen verzwickten Geschichte welche ich Ihnen in kürze erzählen werde, wenn Sie denn Zeit für mich haben.
Die Sache ist folgendermaßen. Mein Name ist Herr Henk G. Wohnhaft in Amstelveen, das liegt in der Nähe von Amsterdam wie Sie natürlich wissen. Vor sehr vielen Jahren, es war die Zeit der Besatzung, im Kriegsjahr 1943, fuhr meine Mutter auf dem Fahrrad (mit den massiven Reifen) in die östliche Niederlande um bei den dort lebenden Bauern Nahrung und Essen zu kaufen. Wie so viele andere aus den Städten. Nach einer Fahrt von rund 150 Km erreichte sie die Gegend wo Sie jetzt wohnen. Und, raten Sie mal, sie landete bei einem freundlichen Bauern der denselben Nachnamen trug wie Sie! Ich weiß das genau, denn ein Jahr später, in 1944, begleitete ich meiner Mutter auf derselben Strecke. Ich war damals zehn Jahre alt. Ihre Gegend war für mich ein Land voll Milch und Honig. Der Bauer erlaubte uns so viele Pflaumen zu essen wie wir mochten!
Später, nach dem Kriege, sind wir mit unserer Familie noch einige Male in ihre Gegend gezogen. Die Kontakte blieben bis sie, wie das manchmal so geht, plötzlich abbrachen. Bei einem unserer Besuche hat mein Vater diese Familienbilder von der hilfsbereiten Bauersfamilie gemacht die ich Ihnen, als Beilage in einem e-mail, zeigen werde. Ich fand die Bilder beim aufräumen zuhause. Könnte das Ihre Familie sein? Oder, kennen Sie vielleicht diese Leute? Ich weiß nicht mal mehr wie diese sehr hilfsbereite Bauersleute mit Vornamen hießen, nur meine ich daß die Bauersfrau Trui oder Trude hieß."
Ich öffne die Beilage bei der gesandten e-mail und sehe die Bilder. Das erste zeigt ein Ehepaar das schüchtern gegen die Sonne schaut. Das andere zeigt mir offenbar Vater und Söhne. Obwohl sie meinen Nachnamen tragen, sind es keine Verwandten. Ich kenne die Familie nicht. Durch nachfragen, nachlesen, nachdenken, abwägen, reduzieren und deduzieren folgere ich schließlich zu dieser Auffassung welche ich dem Herrn Henk G. aus Amstelveen, Jahrgang 1934, fast 80 also, vorlege.
"Lieber Herr Henk G. Nein, es sind nicht meine Verwandten und ich kenne die Leute nicht. Aber mit 90% Sicherheit möchte ich behaupten, daß diese Familie sehr wohl in unserer Gegend gewohnt hat. Der Bauer heißt mit Vorname Arend-Jan und seine Frau heißt in der Tat Trui (Gertrude auf Deutsch). Sie wohnten auf einem Bauernhof hier in der Gegend, sind aber um 1970 umgezogen. Die Frau verstarb in 1976 und der Bauer selber in den neunziger Jahren. Wo die Söhne abgekommen sind, ob die noch leben und wie und wo, weiß ich leider nicht."
Soweit die Geschichte. Nur noch zwei Kurzbemerkungen.
(1) Diese Bagatelle nennt sich ein unpassendes Familienbild. Das verweist nur auf die Tatsache daß die Verbindung zwischen Bild und Geschichte in meinem Fall nicht zutrifft. Daß der Herr Henk G. aus Amstelveen sich Mühe macht um diese Verbindung wohl herzustellen ist ganz und gar nicht unpassend, sondern sehr lobenswert und liebenswürdig. Und welch eine herrliche Geschichte ergibt sich aus solch einer Suchtour!
(2) Von einem der abgebildeten Söhne weiß ich, daß der auf der Landwirtschaftsschule schon als fleißig und gutmütig, aber auch als nicht sehr intelligent angesehen wurde. Dennoch, sagte der Schuldirektor einst zu mir: das wird ein guter Bauer. Wenn abends mal die Kühe im Stall sich unwohl fühlen und viel Lärm machen, geht der in den Stall und sofort kehrt Ruhe ein. Die Kühe wissen genau wen sie vertrauen können.
"Lieber Herr Terra, ich rufe Sie an wegen einer einigermaßen verzwickten Geschichte welche ich Ihnen in kürze erzählen werde, wenn Sie denn Zeit für mich haben.
Die Sache ist folgendermaßen. Mein Name ist Herr Henk G. Wohnhaft in Amstelveen, das liegt in der Nähe von Amsterdam wie Sie natürlich wissen. Vor sehr vielen Jahren, es war die Zeit der Besatzung, im Kriegsjahr 1943, fuhr meine Mutter auf dem Fahrrad (mit den massiven Reifen) in die östliche Niederlande um bei den dort lebenden Bauern Nahrung und Essen zu kaufen. Wie so viele andere aus den Städten. Nach einer Fahrt von rund 150 Km erreichte sie die Gegend wo Sie jetzt wohnen. Und, raten Sie mal, sie landete bei einem freundlichen Bauern der denselben Nachnamen trug wie Sie! Ich weiß das genau, denn ein Jahr später, in 1944, begleitete ich meiner Mutter auf derselben Strecke. Ich war damals zehn Jahre alt. Ihre Gegend war für mich ein Land voll Milch und Honig. Der Bauer erlaubte uns so viele Pflaumen zu essen wie wir mochten!
Später, nach dem Kriege, sind wir mit unserer Familie noch einige Male in ihre Gegend gezogen. Die Kontakte blieben bis sie, wie das manchmal so geht, plötzlich abbrachen. Bei einem unserer Besuche hat mein Vater diese Familienbilder von der hilfsbereiten Bauersfamilie gemacht die ich Ihnen, als Beilage in einem e-mail, zeigen werde. Ich fand die Bilder beim aufräumen zuhause. Könnte das Ihre Familie sein? Oder, kennen Sie vielleicht diese Leute? Ich weiß nicht mal mehr wie diese sehr hilfsbereite Bauersleute mit Vornamen hießen, nur meine ich daß die Bauersfrau Trui oder Trude hieß."
Ich öffne die Beilage bei der gesandten e-mail und sehe die Bilder. Das erste zeigt ein Ehepaar das schüchtern gegen die Sonne schaut. Das andere zeigt mir offenbar Vater und Söhne. Obwohl sie meinen Nachnamen tragen, sind es keine Verwandten. Ich kenne die Familie nicht. Durch nachfragen, nachlesen, nachdenken, abwägen, reduzieren und deduzieren folgere ich schließlich zu dieser Auffassung welche ich dem Herrn Henk G. aus Amstelveen, Jahrgang 1934, fast 80 also, vorlege.
"Lieber Herr Henk G. Nein, es sind nicht meine Verwandten und ich kenne die Leute nicht. Aber mit 90% Sicherheit möchte ich behaupten, daß diese Familie sehr wohl in unserer Gegend gewohnt hat. Der Bauer heißt mit Vorname Arend-Jan und seine Frau heißt in der Tat Trui (Gertrude auf Deutsch). Sie wohnten auf einem Bauernhof hier in der Gegend, sind aber um 1970 umgezogen. Die Frau verstarb in 1976 und der Bauer selber in den neunziger Jahren. Wo die Söhne abgekommen sind, ob die noch leben und wie und wo, weiß ich leider nicht."
Soweit die Geschichte. Nur noch zwei Kurzbemerkungen.
(1) Diese Bagatelle nennt sich ein unpassendes Familienbild. Das verweist nur auf die Tatsache daß die Verbindung zwischen Bild und Geschichte in meinem Fall nicht zutrifft. Daß der Herr Henk G. aus Amstelveen sich Mühe macht um diese Verbindung wohl herzustellen ist ganz und gar nicht unpassend, sondern sehr lobenswert und liebenswürdig. Und welch eine herrliche Geschichte ergibt sich aus solch einer Suchtour!
(2) Von einem der abgebildeten Söhne weiß ich, daß der auf der Landwirtschaftsschule schon als fleißig und gutmütig, aber auch als nicht sehr intelligent angesehen wurde. Dennoch, sagte der Schuldirektor einst zu mir: das wird ein guter Bauer. Wenn abends mal die Kühe im Stall sich unwohl fühlen und viel Lärm machen, geht der in den Stall und sofort kehrt Ruhe ein. Die Kühe wissen genau wen sie vertrauen können.
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pastiz,
Montag, 24. Juni 2013, 19:29
Eine schöne Geschichte, die Vergangenheit und Gegenwart verbindet.
Manchmal ergibt sich aus der Namesgleichheit Kurioses. Als Student erhielt ich dereinst zu Semesterbeginn mein Testatbuch von der Uni, das wohl auf meinen Namen lautete, aber nicht meins war. Also stellte ich mich in der Quästur in die Schlange der Studenten, um die Sache aufzuklären. Der Komilitone vor mir gab am Schalter an, dass er ein Testatbuch auf seinen Namen erhalten habe, das aber doch nicht seins sei. Welch ein Zufall, dass ich genau in diesem Moment hinter ihm in der Warteschlange stand.
Einige Jahre später erhielt ich einen Brief aus USA, in welchem mir für dies und das gratuliert wurde. Als Beigabe fiel mir ein Scheck über 25$ in die Hände. Aber auch hier betraf es wiederum diesen mir von früher bekannten Namensdoppelgänger, den ich bis heute nicht wirklich kenne (mit Ausnahme der kurzen Begegnung in der Quästur).
P.S. Natürlich habe ich den Scheck nicht eingelöst, sondern zurückgesandt. Ich bekam dafür überschwängliche Danksagung, ebenfalls von völlig unbekannt.
Manchmal ergibt sich aus der Namesgleichheit Kurioses. Als Student erhielt ich dereinst zu Semesterbeginn mein Testatbuch von der Uni, das wohl auf meinen Namen lautete, aber nicht meins war. Also stellte ich mich in der Quästur in die Schlange der Studenten, um die Sache aufzuklären. Der Komilitone vor mir gab am Schalter an, dass er ein Testatbuch auf seinen Namen erhalten habe, das aber doch nicht seins sei. Welch ein Zufall, dass ich genau in diesem Moment hinter ihm in der Warteschlange stand.
Einige Jahre später erhielt ich einen Brief aus USA, in welchem mir für dies und das gratuliert wurde. Als Beigabe fiel mir ein Scheck über 25$ in die Hände. Aber auch hier betraf es wiederum diesen mir von früher bekannten Namensdoppelgänger, den ich bis heute nicht wirklich kenne (mit Ausnahme der kurzen Begegnung in der Quästur).
P.S. Natürlich habe ich den Scheck nicht eingelöst, sondern zurückgesandt. Ich bekam dafür überschwängliche Danksagung, ebenfalls von völlig unbekannt.
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terra40,
Montag, 24. Juni 2013, 23:26
Bekannt und unbekannt
Lieber Herr pastiz, das besondere in ihrem Fall ist wohl, dass zwei Personen mit denselben Nachnamen, unwissend, hinter einander in einer großen Menge stehen. Und der kuriose Brief aus USA mit dem Dollar-Scheck ist eine extra Erzählung wert!
Mein (verstorbener) Bruder hätte so etwas wieder ein Fall von Synchronizität genannt: Geschehnisse, die an sich nichts mit einander zu tun haben, treffen sich auf einer besonderen Weise.
Gruß, T.
PS: habe ihre Cuba-Geschichten mit den schönen Bildern sehr genossen!
Mein (verstorbener) Bruder hätte so etwas wieder ein Fall von Synchronizität genannt: Geschehnisse, die an sich nichts mit einander zu tun haben, treffen sich auf einer besonderen Weise.
Gruß, T.
PS: habe ihre Cuba-Geschichten mit den schönen Bildern sehr genossen!
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pastiz,
Mittwoch, 26. Juni 2013, 18:51
Mein Namensdoppelgänger führt nicht nur denselben Familiennamen, sondern hat auch denselben Vornamen; da kann eine Verwechslung schon einmal vorkommen.
Es freut mich, dass Ihnen die Cuba-Geschichten gefallen haben. Es wird noch eine oder zwei davon geben. Allerdings komme ich in der letzten Zeit einfach zu wenig zum Schreiben. Aber ich halte mich dabei an das philosophische Wort "Gut Ding will Weile haben".
Es freut mich, dass Ihnen die Cuba-Geschichten gefallen haben. Es wird noch eine oder zwei davon geben. Allerdings komme ich in der letzten Zeit einfach zu wenig zum Schreiben. Aber ich halte mich dabei an das philosophische Wort "Gut Ding will Weile haben".
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terra40,
Donnerstag, 22. August 2013, 17:13
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Lesen Sie bitte auch die Bagatelle 195, wo beschrieben wird wie diese Geschichte sich schließlich zum Guten entwickelt hat.
Gruß, T.
Gruß, T.
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