Freitag, 2. Mai 2014
Bagatelle 225 - Federdaten
Manche mögen’s genau, präzise und punktuell. Manchmal fast bis ins Übertriebene. Nehmen wir den Fall an, dass einer von denen mich nach der Tageszeit fragt. Ich, der seit Jahren keine Uhr mehr trägt, könnte antworten: wie spät? Ich schätze, so etwa zwischen drei und halb vier, vielleicht auch etwas später. Dem Fragenden genügt das aber nicht, denn er erwartet eine Antwort wie: auf die Sekunde genau 15 Uhr, 24 Minuten und 32 Sekunden.
Wenn wir einen Bericht lesen oder uns eine Geschichte anhören, gilt oft dasselbe. Es gibt Leute die álles wissen wollen, auch jede, noch so unwichtig scheinende Einzelheit. Sie geben sich mit einer globalen, zusammenfassenden Berichterstattung nicht zufrieden. Nein, sie wollen bitte schön gerne alle Details erfahren.

Glauben Sie bitte nicht, dass ich mit dieser bagatellarischen Feststellung ein moralistisches Urteil abgeben möchte. Die Unpünktlichen sind mir ebenso lieb wie die Alleswissenwoller. Ich kam auf die Frage als ich die vorige Bagatelle wieder einmal las. Sie wissen, das war die Geschichte um den verschwundenen Federschweif unseres Pfauhahns Jeroen. Ich dachte: vielleicht gibt es einige Personen in der Bagatellleserschaft die jetzt aber alles genau auf den Punkt gebracht sehen möchten. Sowohl in Fakten als in Zahlen. Damit kann ich dienen.

Zuerst das Gefieder, wobei wir die zahllosen kleinen Daunenfedern außer Betracht lassen, denn die sind legio, das heisst: unzählbar. Nein, wir betrachten nur die Deckfedern. Von dieser Sorte gibt es dreierlei: die Endfeder, die Seitenfeder, und die Augenfeder. Die letztgenannte Sorte gibt es in verschiedenen Längen. (Die Bezeichnungen sind übrigens von mir persönlich erfunden worden; sie sind in wissenschaftlichen Pfauenkreisen unbekannte Größen.)

Die längste Pfauenfedersorte ist die Endfeder. Sie bilden, wenn ein Pfauhahn seinen Schweif prahlend empor hebt, gleichsam einen Halbumkreis. Achten Sie bitte auf die typische Endform. Eine Endfeder hat kein Auge.



Wunderschön sind die Seitenfedern. Zahllose zusammengereihte Perlemutterstäbchen bilden eine grandiose Umrandung links und rechts des Halbkreises. Sie sehen hier auch noch eine Vergrößerung die es in sich hat. Keine Symmetrie und auch kein Auge.





Die Mehrzahl bilden die Augenfedern. Wie Dachziegel liegen sie auf einander: die längeren unten und die kürzeren oben. Warum wir diese Sorte Augenfeder nennen, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erklären. In den vorigen Jahrhunderten konnte man diese Augenfedern in großen delfterblauvasen auf Bauernschränken finden.



Nach der Qualität die Quantität. Wieviel Federn – raten Sie mal - hat so ein erwachsener protzender Pfauhahn? Beim Sammeln der ausgebissenen Federn unseres Pfauhahnes Jeroen kam ich schließlich zu der folgenden Liste:

Anzahl Sorte Federlänge
43 Endfeder etwa 140 Zentimeter
15 Seitenfeder 60 bis 120 Zentimeter
36 Augenfeder 80 bis 120 Zentimeter
40 Augenfeder 40 bis 80 Zentimeter

Jetzt können Sie sich bedient fühlen. Alle Pfaufakten und Federdaten liegen jetzt auf dem Tisch. Wenn Sie die Person sind, die sich um alles Wissenswerte bemüht und sich über jedes Datum und jede Zahl freut, ist dieser Tag ein gelungener und guter Tag. Oder?

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Ihr Humor und Ihre Gelassenheit sind bewundernswert und bestimmt unübertrefflich! Andere würden sich im schäumenden Zorn winden, dem Übeltäter auf die Spur zu kommen versuchen, nach Gerechtigkeit rufen, aber Sie analysieren die Überbleibsel Jeroen's Pracht und bereichern die Wissenschaft gleich noch mit neuen Fachausdrücken. Ich muss zugestehen, das erstaunt und erfrischt zugleich. Wahrscheinlich war der Tag des Überfalls irgendwie doch ein guter oder mindestens derjenige der bislang weltunbekannten Analyse.

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Pfiffig!
Grüße, M.

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Ich schließe mich Herrn Pastiz an.
Toll, wie Sie aus dem Geschehen so eine schöne Bagatelle herausholen.

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