Donnerstag, 6. November 2014
Bagatelle 243 - Marmor, Glas und Blech
terra40, 15:28h
Wenn das Geld fehlt um sich mit wirklich schönen Sachen zu bereichern, begnüge man sich mit Surrogat. So etwa muss meine Schwiegergroßmutter gedacht haben als sie sich nach neuem Waschmobiliar umsah: sie fand schließlich einen kleinen Tisch mit aufstehendem Spiegel und dazu passendem Regal. Die Tischplatte und die Spiegelumrandung sind bei Leibe nicht aus feinem italienischen Marmor wie es den Anschein hat. Beim näheren Betrachten sieht man es auch: es ist eine Fälschung, weil nur schlichtes, bemaltes Kiefernholz. Ein Quasi-Fachmann, in einer Mischung von grobem Anstreicherkönnen und feinsinniger Malermeistertätigkeit, hat versucht uns reinzulegen.
In dem (schwieger)großelterlichen Schlafzimmer hat sich in dem letzten Jahrhundert – außer der eingetretener Zentralheizung vor vierzig Jahren – fast nichts geändert. Das Waschmobiliar mit der unechten Marmortischplatte steht immer noch an seinem geordneten Platz. Und die Waschutensilien sind alle noch da. Nur das wichtigste fehlt: das Wasser. (Dieses Schlafzimmer war nie auf der Wasserleitung angeschlossen. Man holte sich das Wasser aus der benachbarten Küche.)
Das Glaswerk auf dem kleinen Regal besteht vornehmlich aus einigen kölnisch-Wasser-Fläschen. Nur ist die Marke nicht 4711, sondern die eines der Konkurrenten mit Namen Tosca. Man sieht es vor sich. Am Sonntagmorgen, vor dem Kirchgang, stellt sich die Großmutter vor dem Spiegel, begutachtet ihr Aussehen und gießt vorsichtig einige köstliche Toscatropfen auf ihr frischgebügeltes weißes Taschentuch. Diese Prozedur ließe sich Anno 2014 wiederholen, denn die Flasche ist noch halb voll. Wenn sie den kleinen Schraubdeckel aufdrehen, kommt Ihnen der unverkennbare Tosca(ner)duft entgegen, auch jetzt noch.
In dem kleinen Behälter aus Steingut befinden sich einige merkwürdig anmutende Stückchen Blech. Es sind eine Art Quittungsmarken, metallene Bescheinigungen, die beweisen sollen, dass man die Fahradsteuer für einen bestimmten Zeitraum bezahlt hat. Diese Blechmarken sind aus den Jahren 1934/35. Doch, auch damals gab es schon eine Maut. Nicht von deutschen Besserwissern uns, eifrigen Grenzgängern, auferlegt, sondern von der eigenen, holländischen, Steuerbehörde verordnet. Ich vermute dass dieser Blechstreifen, nachdem er beim Steueramt für teures Geld erworben war, irgendwo am Fahrrad befestigt wurde. Wahrscheinlich wurde eine Stange feierlich umklemmt.
Das Schlafzimmer wurde seit Lebens immer von meinen Schwieger(groß)eltern benutzt. Jetzt nur noch selten, wenn liebe Gäste einen Platz zum Schlafen brauchen. Dann erzähl ich denen auch immer die Geschichte von Marmor, Glas und Blech.
In dem (schwieger)großelterlichen Schlafzimmer hat sich in dem letzten Jahrhundert – außer der eingetretener Zentralheizung vor vierzig Jahren – fast nichts geändert. Das Waschmobiliar mit der unechten Marmortischplatte steht immer noch an seinem geordneten Platz. Und die Waschutensilien sind alle noch da. Nur das wichtigste fehlt: das Wasser. (Dieses Schlafzimmer war nie auf der Wasserleitung angeschlossen. Man holte sich das Wasser aus der benachbarten Küche.)
Das Glaswerk auf dem kleinen Regal besteht vornehmlich aus einigen kölnisch-Wasser-Fläschen. Nur ist die Marke nicht 4711, sondern die eines der Konkurrenten mit Namen Tosca. Man sieht es vor sich. Am Sonntagmorgen, vor dem Kirchgang, stellt sich die Großmutter vor dem Spiegel, begutachtet ihr Aussehen und gießt vorsichtig einige köstliche Toscatropfen auf ihr frischgebügeltes weißes Taschentuch. Diese Prozedur ließe sich Anno 2014 wiederholen, denn die Flasche ist noch halb voll. Wenn sie den kleinen Schraubdeckel aufdrehen, kommt Ihnen der unverkennbare Tosca(ner)duft entgegen, auch jetzt noch.
In dem kleinen Behälter aus Steingut befinden sich einige merkwürdig anmutende Stückchen Blech. Es sind eine Art Quittungsmarken, metallene Bescheinigungen, die beweisen sollen, dass man die Fahradsteuer für einen bestimmten Zeitraum bezahlt hat. Diese Blechmarken sind aus den Jahren 1934/35. Doch, auch damals gab es schon eine Maut. Nicht von deutschen Besserwissern uns, eifrigen Grenzgängern, auferlegt, sondern von der eigenen, holländischen, Steuerbehörde verordnet. Ich vermute dass dieser Blechstreifen, nachdem er beim Steueramt für teures Geld erworben war, irgendwo am Fahrrad befestigt wurde. Wahrscheinlich wurde eine Stange feierlich umklemmt.
Das Schlafzimmer wurde seit Lebens immer von meinen Schwieger(groß)eltern benutzt. Jetzt nur noch selten, wenn liebe Gäste einen Platz zum Schlafen brauchen. Dann erzähl ich denen auch immer die Geschichte von Marmor, Glas und Blech.
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pastiz,
Mittwoch, 12. November 2014, 17:57
Herr Terra, dies ist eine wunderschöne Geschichte, die mir von Verbundenheit und Erdnähe erzählt, eine die einem sagt, woher man kommt, was vorher war.
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