Freitag, 9. September 2016
Bagatelle 284 - Heimweh
Diese treue Vierfüßler sind, außer der Tatsache dass sie eineiige Zwillinge sind, Gegenstücke zu einander. Sie sind Gegenfüßler, oder wenn Sie wollen: Antipoden. Zwar können sie sich unabhängig voneinander bewegen und sich eine eigene Meinung erlauben, sie sind Spiegelbild und zu einander verurteilt bis zum Lebensende. Ohne den einen hat der andere keine Existenzberechtigung.

Das mit dem Spiegelbild können Sie ruhig wörtlich nehmen. Es gibt einen Linkshund und einen Rechtshund. Beim einen wohnt die Sprachfunktion in der linken Hirnhälfte, beim anderen rechts. Der eine Hund – über die genaue Rasse lässt sich streiten – ist rechtshändig (rechtspfotig), der andere linkisch. Der eine geht so weit zu meinen sich AFD-Ideen leisten zu können, der andere bekennt sich mit Herz und Seele zu der altkommunistische Variante der SPD. Und so weiter und sofort. Diese äußerliche Gleichförmigkeit in Kombination mit der Ungleichheit der Charaktere führt zu spannenden Diskussionen, kann ich Ihnen mitteilen. Aber immer hart und fair, das schon.

In diesen Tagen leiden meine zwei Hunde an der klassischen Heimweh. Das kommt folgendermaßen. Ursprünglich verkehrten die zwei im Hause meines Bruders, wohnhaft in der schönen Stadt Bois-le-Duc, wo sie einen festen Platz hatten links und rechts auf dem Fensterbrett. Einige Jahre ist es her, da zogen sie um nach dem ostniederländischen Plattelande zu meinem Bauernhof. Dort wohnten sie in der guten Stube, zufrieden und glücklich.
Vor einigen Wochen sind sie mit mir verreist zu der neuen Wohnung wo sie sich - platziert links und rechts vor dem Vorfenster des Wohnzimmers - den Handel und Wandel im Zimmer ansehen. Sie schauen in Richtung Zimmerinneres, so dass die Passanten draußen auf dem Bürgersteig nur ihre feingeformte Rückenpartien sehen.

Dann und wann schlägt das Heimweh zu. Dann ziehen sie sich in eine Ecke des komfortablen Lehnstuhls zurück und starren betrübt vor sich hin. Denn die Erinnerung an die glücklichen Jahre in der besten Stube im Hof ist noch frisch und die Wunde, welche das Wegreißen aus dieser glückseligen Umgebung bewirkt hat, braucht Zeit zum heilen.

Solch ein Heimwehstündchen dauert nicht lange. Dann kommt der Meister selber herangelaufen, nimmt äußerst vorsichtig die porzellanen Hunde in die Hände und stellt sie zurück vor dem Fenster. Der eine links, der andere rechts. Oder auch umgekehrt.








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