Montag, 21. September 2009
Bagatelle XVII - Wäschevorschrift
Wenn Sie mich fragen: ich bin kein Liebhaber von Vorschriften. Hand aufs Herz: Schriften lese ich gerne, nur lasse ich mich ungern vorschreiben was zu tun oder zu lassen. Das nämlich bestimme ich am liebsten selber. Alles natürlich innerhalb der geltenden Gesetze, alles innerhalb moralischer Grenzen, aber alles mit Maßen.

Es scheint dass der heute lebende Mensch nicht mehr ohne Vorschriften auskommt. Die Welt ist zwar komplex und schwierig zu verstehen, aber wir können uns gerne ein Beispiel nehmen an unsere Vorfahren aus früheren Zeiten, die sich gut zurecht fanden in einer Welt ohne an der Wand gemalten schriftlichen Vorschriften. Auch die Wäschefrauen verstanden ihr Handwerk, und sogar ohne Anleitung, Vorschrift oder Gebrauchsanweisung.

Apropos, Wäschefrauen und Waschen von Kleidung: ein gutes Beispiel für die ungebremste Zahl an Vorschriften. Kaufe ich mir einen neuen Pyjama, so kaufe ich auch ein Vorschrift wie dieser Pyjama zu waschen sei. Und die erste und wichtigste Waschvorschrift heißt: beachten Sie bitte die beiliegende Wäschevorschrift!!

Zuerst kommt die Länderbezeichnung, gefolgt von den Vorschriften in den betreffenden Sprachen. Zum Beispiel bei meinem Pyjama:

D (Deutschland) – AT (Österreich) – CH (die Schweiz) :
100% Baumwolle / separat waschen / von links waschen und bügeln / nach dem Waschen in Form ziehen /

Danach folgt dasselbe in anderer Sprache.



Selber benütze ich die Wäschevorschriften gerne um meine Kenntnisse von Fremdsprachen zu verbessern und zu erweitern. Fragt mich einer aus Jutland (DK) was denn vrangsiden heiße, so antworte ich sofort: von links, von der falschen Seite. Und ich bilde mir ein, dass ein unsichtbarer Lehrer mir zufügt: sehr gut!, ausgezeichnete Antwort!

Im Grunde ist es einfach. Man spricht die Wörter der verschiedenen Sprachen laut vor sich her (so klangvoll dass der Nachtbar nebenan auch noch was lernen kann) und lernt so viel möglich auswendig. Wie früher in der Grund- und Volksschule, damals als in der Schule noch gepaukt, gelehrt und gelernt wurde. Ein kleines Beispiel lehrt uns dass ich inzwischen sage und schreibe mindestens elf (11) Bezeichnungen für Baumwolle in meinen Wortschatz habe aufnehmen können.

Baumwolle, cotton, coton, pamuk, bavina, bombaz, puuvilla, algodão, cotone, katoen, bawelna

Wie man etwas lernen kann! Und das alles bei 37 Grad Körpertemperatur, trocken, ohne Wasser und Seife, ohne zu waschen. Man glaubt es kaum. Und alles ohne Vorschrift.

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Mittwoch, 15. Juli 2009
Bagatelle VII - Kopf über
Manchmal verstehe ich die Welt nicht mehr. Denkt man: alles sei richtig, ordentlich, gerade und in Ordnung, stellt sich heraus dass es nicht ist wie es ist. Diese, durch ihre Schlichtheit wunderschöne Amish-Frau, in blau und violett gekleidet, mit ihrer weißen Mütze und den sich seitwärts bewegenden Schleifen, ist ein Vorbild ehrlicher Aufrichtigkeit. Man glaubt ihr auf ihr Wort.



Was aber, wenn sie sich ihre Röcke über den Kopf schwingt und sich vertikal 180° dreht? Einen Kopfstand macht sozusagen? Sich dermaßen bewegt, dass sie die Welt von einer ganz anderen Seite sieht und die Welt sie ebenfalls?
Es erscheint eine andere Person. Eine blühende, blumenreiche Dame in voller Farbenpracht. Ihre Mütze mit den drei Ecken verkörpert ihre optimistischer Einstellung zum Leben. Sie stammt aus Suriname, eine frühere holländische Kolonie, irgendwo in Süd-Amerika. Wir die sie kennen, nennen sie eine Creoolse Mutter. Sie ist das Gegenbild der einfachen, ernsten Amish-lady der wir gerade begegnet sind. Sie ist eine frohe Natur und wer sie einmal kennengelernt hat, wird sie nimmermehr aus den Augen lassen.



Wir sehen eine sogenannte Topsy Turvy, zwei Gegensätze in Person. Stoffpuppen sind es an denen wir unsere große Freude haben. Manchmal, wenn wir uns in einem besinnlichen Zustand befinden und nachdenken über unser Schicksal in dieser bösen Welt, zeigt sich die Amish-Dame. Sie tröstet uns und hilft uns beim Suchen nach dem richtigen Weg. Aber wenn wir schwelgen in Übermut und wir vor Freude nicht wissen was zu tun, erscheint vor unseren Augen die frohe Creoolmutter. Zusammen, sie und wir, teilen wir die Freude in unseren Herzen.

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Samstag, 11. Juli 2009
Bagatelle VI - Deutschstunde
Natürlich weiß ich dass Siegfried Lenz der Autor ist. Und selbstverständlich hat diese Bagatelle auf keinen Fall etwas gemeinsam mit dem großen literarischen Werk. Ich bin nur so frei den Titel des Romans zu verwenden um ihnen etwas erzählen zu können über meine eigene Deutschstunden. Denn als Ausländer, wie Sie unschwer bemerkt haben, habe ich mir mit Mühe und Not einige Kenntnisse über die deutsche Sprache erlernen müssen. Und zwar in der Realschule, ab meinem zwölften Lebensjahr, jede Woche eine oder zwei Deutschstunden.

Für Sie, liebe Leserin und lieber Leser, sind die Fälle natürlich kein Problem. Ich meine nicht die Fälle die der Tatortkommissar zu lösen hat, ich meine die Fälle aus der deutschen Grammatik: der Nominativ, der Genitiv, der Dativ und der Akkusativ. Der erste, zweite, dritte und vierte Fall also. Für uns, die wir nicht die Deutsche Sprache als Muttersprache kennen, sind diese grammatische Fälle so schwer dass wir eine Eselsbrücke oder eine Faustregel brauchen um sie zu lernen und zu verwenden. Zum Beispiel: nach den Präpositionen

durch, für, ohne, um, entlang, bis, gegen, wider

erscheint der Akkusativ, der vierte Fall. Wir spazieren also durch den Wald und es ist uns strengstens untersagt durch der Wald zu spazieren. Aber warum? Keiner ist gekommen uns zu sagen wieso und weshalb diese acht Wörtchen nicht ohne den Akkusativ auskommen. Und gerade weil keiner uns einen guten Grund gibt, müssen wir diese acht Wörter als eine Einheit auswendig lernen und in unserem Gedächtnis einprägen.

Viele solcher Reihen haben wir unserem Gehirn anvertraut. Die meisten kenne ich bis auf den heutigen Tag. Wir haben auch Deutsche Gedichte auswendig lernen müssen. Wenn Sie mich heute Nacht um drei aufwecken und mich auffordern Schillers Gedicht von den zwei Grenadieren aufzusagen, so kann ich das, trotz meines Bedenken über das ganze Militärgetue, fehlerlos.



…..
was schert mich Weib, was schert mich Kind,
mich treibt ein bess’res Verlangen,
lass sie betteln gehen, wenn sie hungrig sind.
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!


Gut dass wir jedenfalls zwar keinen Kaiser, sondern noch eine richtige Königin haben!

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Donnerstag, 2. Juli 2009
Bagatelle V - Gesucht und gefunden: Name
Es ist so leicht gesagt: “Er hat sich einen Namen gemacht mit …“ (Womit, mit dem Schreiben dieses Berichtes sicherlich nicht ...!). Aber was tun, wenn man keinen Namen hat, keinen offiziellen, meine ich.

Bitte hört mir zu, was ein angenehmer Mensch in Uniform mir dazu erzählte. Wir waren in Süd-Afrika, an einer Grundschule, mitten im Urwald sozusagen. Und wir schreiben das Jahr 1998. Auf dem ersten Bild erscheint eine imposante Gesellschaft. (Schade nur dass ich selber nicht auf dem Foto erscheine. Einer muss schliesslich das Bild machen..)



Der Herr in Uniform links, neben der Schuldirektorin und der Elternvertretung, ist kein Postbote, kein Gefängniswärter, im Gegenteil. Er übt eine sehr wichtige Funktion aus und hat eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Er ist Sprecher der hiesigen Schulbehörde. Der blaue Stern an seiner imposanten Mütze verrät uns zugleich dass er auch Laienprediger ist. In Versammlungen und Gottesdiensten hat er das Sagen. Er tut dies immer freundlich und mit Nachsicht. Sein Name ist Mr. Quality. Ihm zu Ehre habe ich sein Porträt hier nochmals vergrößert veröffentlicht.



“Als ich ein kleiner Junge war,” erzählt er mir, “stand diese Provinz unter Englischer Aufsicht. Eines Tages fand die damalige Obrigkeit dass er an der Zeit war dass alle Einwohner über einen Namen verfügten, einen echten, einen offiziellen. Natürlich hatten wir schon einen eigenen Namen den unser Vater uns bei der Geburt gegeben hatte, aber den Standesbeamten war das alles viel zu undurchsichtig und kompliziert. Jeder möge doch bitte endlich einen offiziellen Nachnamen haben, forderten sie.
Darauf fragte mich der Lehrer in der Schule wie ich denn heisse. Weiss nicht, sagte ich ehrlich und zugleich betrübt. Denn geh' nach Hause und frag' deine Mutter, sagte der Lehrer.

So getan. Unterwegs nach Hause fand ich am Straßenrand einen Fetzen Papier, einen Wickel der sich von seiner Dose mit Süßigkeiten gelöst hatte. Ohne weiter nachzudenken steckte ich den Papierfetzen in meine Hosentasche.

Zuhause fragte ich meine Mutter wie mein richtiger Nachname lautete. Der Lehrer in der Schule habe das wissen wollen. Meine Mutter sagte: nehm den Fetzen Papier aus deiner Hosentasche. Siehst du: darauf steht QUALITY. Das sei von nun an dein Name.

Zurück im Klassenzimmer fragte der Lehrer, während er seine Feder in die Tinte taufte: Na, und …? Ich antwortete: mein Name ist Quality. Und das ist so geblieben bis auf den heutigen Tag.”



Quality Street ist eine uralte Marke. In der Dose befinden sich leckere Süßigkeiten (wenn man ’s mag) Toffees und feine Karamellsachen. Für unsere Hauptperson war allein das Wort Quality ausreichend.

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