Samstag, 17. Juli 2010
Bagatelle LXIII - RIP auf flämisch
Dann und wann, aber unabwendbar und unaufhaltsam, wird man mit dem Tode konfrontiert. Die Gestalt mit der Sense steht verborgen hinterm Deich oder Wall und gerade als wir denken, daß das Leben so etwa in Ordnung sei, schlägt er zu. Oft trifft es den Unbedachten, den Unbeteiligten, den Unschuldigen, denjenigen der nichts dafür kann.

Wie dieser Gast, der seit Monaten bei uns umher zieht, bei anderen Vögel die Eier wegzustehlen versucht, und jetzt einem Unfall zum Opfer gefallen ist. Und gerade als ich sie alle, die kleinen Säugekreaturen nebst den zahlreichen Sing- und anderen Vögel rundums Haus vor den Gefahren des vorbeirasenden Verkehrs gewarnt hatte. (Wir wohnen in einer Plattelandsgegend wo man schnellstens und höchstens 60 km/h fahren darf, aber keiner tut ‘s. Ich selber auch nicht.)

Und da schlägt das Unheil oder sogar das unselige Schicksal zu. Man fliegt gegen eine Windschutzscheibe die eigentlich eine Vogelschutzscheibe hätte sein sollen. Ein Knall wobei einige Fetzen fliegen und vorbei ist das junge Leben dieses Eichelhähers, Tannenhähers, wie immer sie ihn heißen mögen. Wir nennen ihn den Markolf, oder in hochniederländisch: de Vlaamse Gaai. Den flämischen Häher also, oder den flandrischen.

Wenn Sie mich fragen: wieso und was hat dieser wunderbar aussehende Schreivogel mit Flandern zu tun, so muß ich Ihnen die Antwort schuldig bleiben bis nächste Woche. (Ich brauche Zeit zum nachdenken.) Ich könnte jetzt eine Verhandlung über das Hass-Liebe-Verhältnis zwischen den Niederlanden und Flandern abhalten und verweisen auf die auffallend ähnlichen Charaktereigenschaften eines Markolves und einem mittleren Einwohner von Gent oder St. Niklaas. Aber das tue ich nicht, denn ich möchte keinen Ärger und gar kein Ärgernis verbreiten. Aber es kann kein Zufall sein daß sowohl Markolve als Flamingen (vor allem die Flaminganten) komischen und vermeidbaren Unfällen passieren.



Über einen Toten nichts als gutes. Das gilt selbstverständlich diesem so ruhig dahinliegenden Vogelfreund. Wahrscheinlich verweilt er in Gedanken schon im Vogelnirwana. Ich nehme ihn vorsichtig auf und lege ihn in einen trockenen Graben, wo einige Aasfresser sich um ihn kümmern werden.
Asche zu Asche, Erde zu Erde, Staub zu Staub. Requiescat in flämischer pace.

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Samstag, 27. Juni 2009
Bagatelle IV - Freunde fürs Leben
Fünf sind es. Fünf, wovon drei sich zu dem weiblichem und zwei sich zum männlichen Geschlecht rechnen. Ich meine jetzt die Hühnerschar, die Sie tag für tag um unser Haus herumspazieren sehen und unterwegs dann und wann ein Würmchen, eine Blumenknospe oder ein Steinchen zu sich nehmen.



Unser Haus hat das Vorrecht ein alter Bauernhof zu sein. Und zu solch einem Hof gehören selbstredend frei umher laufende Hühner. Allerdings waren es am Anfang mehr. Wie viel genau kann ich Ihnen nicht sagen, denn es mag wohl angehen dass an schlechten Tagen unerwartet ein Huhn verschwindet. Entweder wird es von einem Räuber (auf vier Beinen) angegriffen und getötet, oder es kommt ein Vogel geflogen, ein Bussard zum Beispiel, der ein kleines unschuldiges Huhn als Nahrung zu sich nimmt. Das Gegenteil passiert auch: manchmal kommt ein Huhn aus dem Gebüsch mit hinter sich eine Schar kleine Küken die von der Mutter in die neue Welt eingeführt werden.
So wechseln sich frohe Geburtstage mit Todesfällen ab. So ist die Natur eben und wir sind der Auffassung dass sie, die Natur, selber ausgezeichnet im Stande ist derartige Lebenskonflikte zu lösen. Deshalb mischen wir uns so wenig wie nötig ein.

Auch über den genauen Familienverhältnissen kann ich Sie leider nicht präzise informieren. Wer genau Tante, Onkel, dessen Vetter oder deren Nichte ist, ist unklar. Der Verdacht es seien einige Spuren von Inzucht anwesend, ist nicht von der Hand zu weisen. Wie Sie zweifellos wissen, gibt es eine Pickordnung unter den Hühnern, was zu kleinen Streitigkeiten führt. Im großen und ganzen herrscht dennoch Friede und Freude.

Zwei Hähne im Hühnerstall: das kann unmöglich gut gehen, werden die Kenner und Liebhaber unter ihnen sagen. Sie haben recht. Aber unsere zwei Hähne vertragen sich. Mehr noch: sie sind Freunde geworden. Der große, mächtige, mit Namen HON (das heisst Huhn-Ohne-Name) ist der Boss. Der andere, wir meinen unser Habakuk, akzeptiert sein Zweitrangigkeit und Unterlegenheit. Habakuk heisst nebenbei so, weil seine anfänglichen Bemühungen zu krähen dem Worte ha-ba-kuk sehr ähnelten. Jetzt aber ist er, wenigstens was das Krähvermögen betrifft, sein Freund HON überlegen.



Nein, wir freuen uns sehr über unsere Hühner. Sie halten uns wach (vor allem morgens in aller Frühe) und munter. Und am Abend sehen wir zufrieden zu wie sie sich zurückziehen in ihr Nachtgemach. Manchmal gehen die zwei Hähne – mit den Flügeln über ihres Nachbars Schulter - noch für einen Moment in die naheliegende Kneipe um einen zu kippen. Es sei ihnen gegönnt.

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Freitag, 26. Juni 2009
Bagatelle III : Mutig!
Ein verlassenes Maisfeld an einem dunklen Vorweihnachtstag bildet Rahmen und Hintergrund für eine besondere Leistung. Dem Anschein nach ist diese Amazone auf ihrem kleinen Schimmel allein auf weiter Flur. Aber es trügt: sie bildet das Schlusslicht einer großen Schar Reiter die zusammen eine Treibjagd abhalten. Die restlichen Reiter, voran der Jagdleiter mit der Hundemeute, sind ihr voraus geritten. Nur Sie und ich, Leser(in) und Autor nebst Fotograf, sehen was hier abläuft. Wir sind die einzigen die das Geheimnis dieses Bildes kennen.



Die Hauptperson ist zweifellos der kleine Schimmel. Und obschon das Bild ihn nicht von seiner schönsten Seite zeigt – der krumme Rücken zum Beispiel ist in Wirklichkeit weit weniger krumm – imponiert er uns sehr.
Zwischen dem Maisfeld und der Wiese vor unseren Augen liegt, fast unsichtbar, ein breiter Graben den es zu überspringen gilt. Sehen Sie was das kluge Pferd macht: es markiert mit den Augen genau die Stelle an der anderen Seite des Ufers wo es aufsetzen will. Es spannt seinen Rücken und angefeuert mit den Hinterbeinen geht der Sprung los. Unverfroren, mutig, vertrauend auf das eigene Können.

Und die Reiterin? Sie ist dem Mut und der Treue des Pferdes völlig übergeliefert und zeigt das auch auf dem Bild. Natürlich flüstert sie ihm anspornende Worte zu und versucht sich só zu halten dass sie, sozusagen, dem Schimmel nicht im Wege sitzt. Die Amazone ist unwichtig und sie weiss es.

Nach einem winzigen Augenblick sind Pferd und Reiterin wohlbehalten am anderen Ufer gelandet. Und nach drei Sekunden wird versucht die restlichen Reiter zu Gesicht zu bekommen. Die Belohnung für den Schimmel, einen Zuckerwürfel, bekommt er nachträglich von uns.

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Donnerstag, 25. Juni 2009
Bagatelle I : Vorwort und Gruss
Bagatellen sind normaler- und üblicherweise Kleinigkeiten. Unwichtig für das öffentliche Leben so wie es von Tag zu Tag von Statten geht. Niedlich, winzig und von geringer Bedeutung und Importanz.

Bagatellen - in diesem Falle - wollen aber auch zugleich sprachliche Besonderheiten sein. Klein, aber fein. Kostbarkeiten, in Worten gefasst, und prüfend und mit Vorsicht zu Papier gebracht. Sätze und Worte über die man nachdenken, sich freuen oder ärgern kann. Aber nur für einen Moment. Dafür sind es ja Bagatellen.

Meine Bagatellen handeln über die kleinen Geschehnisse in und um meinem Haus, einem alten Bauernhof. Es sind Kurz- und Sachgeschichten. Sie handeln von Menschen, Tieren, Blumen und Pflanzen, über die Gezeiten des Lebens, von Jahreszeiten und besonderen Tagen.

Diese meine Bagatellen sind wie gesagt klein und ohne grosse Bedeutung und ohne irgendeine Wichtigtuerei. Sie haben nicht den Anspruch irgendwas auf dieser unserer Welt zu verändern. Es sind einfache Geschichten: zum Lesen, mitnehmen und geniessen.

Die Bilder, Illustrationen und Photos welche Sie hier zuweilen antreffen, haben auch - passend genug zum Thema - Bagatellcharacter. Auch sie sind von geringer künstlicher Bedeutung, und von einer frohen Einfalt.

Meine erste Bagatelle handelt über einen Bussard. Aber diese Geschichte kann ich Ihnen hier nicht bieten. Dafür verweise ich Sie herzlich auf meine zweite Bagatelle. Die erscheint in einigen Tagen an dieser Stelle. Sonst würde dieser erste Beitrag den Bagatellrahmen sprengen. Finden Sie nicht auch?

Auf jeden Fall werde ich nicht versäumen die Leserinnen und Leser, die sich hier an dieser Webstelle verirrt haben, herzlich zu grüßen. Ich wünsche Ihnen viel Lesefreude und viel Leserglück.

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