Samstag, 29. Oktober 2011
Bagatelle 130 - Leserecht
Vor einigen Wochen, beim stöbern durch neulich geborene blogger-de-Beiträge, stand plötzlich unterstehende Mitteilung auf meinem Bildschirm:



Man sagte mir, daß ich kein Recht hätte diese Adresse zu besuchen. Das Problem läge nicht bei mir. Auch nicht beim Blog das ich geplant hatte mit meinem Besuch zu verehren. Das Problem läge, wie kann es anders, beim System.

Wenn Sie erwarten, daß ich nun in Wutanfällen ausbrechen oder laut schreiend die Gegend unsicher machen würde, irren Sie sich. Gefühle von Unwissendheit, Mitleid und Sorge mischten sich mit Gedanken wie: das kann jedem (System) passieren. Also: keine Wut, keine Schadenfreude, keine Schimpfkanonade.

Was bleibt, ist eine Frage. Nämlich: was stand eigentlich in dem Blog das mir vom System aus verweigert wurde einzusehen? Eine schöne Erzählung? Eine Kurznovelle vielleicht? Eine Fotoreportage wie so oft in dieser digitalen Umgebung? Oder sogar eine wichtige Mitteilung der Frau X. die zu wissen gibt, daß es um die Erkältung von gestern gar nicht gut steht?

Niemals, vermute ich, werde ich es wissen. Sei es drum. Es bleibt genügend anderes Lesenswertes übrig, hier in dieser angenehmen Blog-Gegend.

... link (1 Kommentar)   ... comment


Freitag, 7. Oktober 2011
Bagatelle 127 - Himmelsrichtungenfotografie
Nein, ich mag sie nicht: diese Panoramabilder die heutzutage fast jede Digitalkamera auf Wunsch produziert. Abscheulich, diese grausame Versuche alles 360 Grad sehbare auf einmal in einem Bild festhalten zu wollen. Verwerflich, diese krummgezogene Fassaden in einem fast unzulässigen Versuch Übersichtlichkeit und Räumlichkeit zu vermitteln. Wenn schon die Digitalfotografie imstande ist natürliche Eigenschaften alles Abgebildete zu vertuschen, wir sollten sie nicht noch weiter ermutigen die Welt rundum so ekelhaft darzustellen. (Über das völlig unsinnige, ja unselige 3D-Phänomen schreib ich lieber nicht, sonst rege ich mich zu viel auf und das, sagt meine Kardiologin, sei schlecht fürs Herz.)

Kritik alleine hilft einem nicht weiter, also biete ich Ihnen eine Alternative. Gerne möchte ich an Hand eines Beispiels Werbung machen für die bisher noch ziemlich unbekannt gebliebene Himmelsrichtungenfotografie. Sie stellen sich hin auf einem selbstgewählten Fleckchen Erde, ungeachtet wo und wann, und machen sage und schreibe vier (4) Bilder, nicht mehr oder weniger, eins in jede Himmelsrichtung. Einfacher und besser geht's nicht.
Das folgende Beispiel stammt aus März 2010; die vier Bilder sind höchstpersönlich von mir gemacht worden, etwa vierhundert Meter von meinem Wohnsitz entfernt. Immer vom selben Standpunkt aus. Nur bewegte der Fotograf sich nach jedem Bild 90 Grad nach rechts.

Bild 1. Richtung Osten
sehen wir den schön restaurierten Bauernhof einer fast-Nachbarin. So hinter den Erlen und anderem Gewächs eine Augenweide.



Bild 2. Richtung Süden
ein außerordentliches Naturphänomen. Zwei junge Eichen haben sich zu einander bekannt und standesamtlich erklärt bis ihnen der Tod scheidet zusammen durchs Leben gehen zu wollen. Seht bitte wie sie die Arme um einander schlagen!



Bild 3. Richtung Westen
läßt sich die halb-unterirdische Wohnung unseres berühmten Nachbars und zugleich Gartenarchitekten Harry E. bewundern. Wunderbar, mit einem gerade angelegten Teich der alles Regenwasser auffängt. Im Hintergrund, kaum sichtbar aber tatsächlich anwesend, eine alte Windmühle. Und im Sommer überall Kornblumen blau. Dann und wann mäht ein Roboter die Wiese auf dem Dach.



Bild 4. Richtung Norden
ein Bauwerk aus metallenen, mit einander verbundenen Röhren und darüber ein Assortiment Wahlplakate in Kunststoff. Man wirbt für die niederländische Arbeiterpartei. (Ob es der Partei geholfen hat, weiß man nicht, denn nach zwei Tagen hat ein Westersturm den Turm weggefegt. Ein schlechtes Omen also.)



Zusammenfassend kann man die Vorteile der Himmelsrichtungenfotografie nicht länger leugnen. Es braucht nur vier Aufnahmen, erfordert keine unnötigen Wanderungen um den besten Standplatz auszumachen, und das wichtigste von allem: man lernt wieder (ein) zu sehen wie ungemein schön die Gegend ist!
Auch der Beweis der Authentizität der Bilder kann ich Ihnen liefern. Innerhalb fünf Minuten wurden diese Aufnahmen gemacht an einem Dienstag, den 2. März 2010, morgens zehn nach zehn. Sie mögen es überall nachfragen. Weil Sie darauf beharren, liefere ich Ihnen sogar die Koordinaten: 51º 54' 03'' Nord; 6º 30' 39'' Ost.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 4. September 2011
Bagatelle 122 - Dreieckiges
Nein, ich bin kein Kaballist. Auch nie gewesen. Mit Zahlen und deren mutmaßlich geheimnisvollen Eigenschaften hab' ich nichts. Die Zahl dreizehn löst keine fürchterlichen Unlustanfälle aus. Noch verspüre ich Jubelempfindungen und Glücksgefühle bei der Zahl sieben.

Aber, seien wir ehrlich: die Zahl drei (III oder 3) hat etwas. Etwas unvollkommenes (drei separate Elemente) und trotzdem etwas Vollendetes. Die heilige Dreifaltigkeit, das nicht weniger heilige kölnische Dreigestirn, eine Mozart-Klaviersonate in drei Sätzen: immer (und mit Recht) drei. Ein richtiges Dreieck, vorzugsweise ein Gleichseitiges, hat alles was es braucht. Die Figur ist zwar äußerst schlicht und einfach, aber nichts fehlt ihr.



Viele unter ihnen kennen das unmögliche Dreieck des schwedischen Graphikers Oscar Reutersvärd. Wenn nicht, zeige ich es Ihnen noch einmal. Die Figur besteht aus einem Dreieck aus drei mal fünf gleich großen Würfeln. (Die Eckwürfel zählen wir bequemlichkeitshalber doppelt...) Wenn der Betrachter beim untersuchen wie dieses merkwürdige Kubusgebäude in einander steckt, ausruft: Völlig unmöglich! hat er recht und auch nicht. Hier ist die Rede von Augenwischerei. Wir sind einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen. (Spielen Sie mit mir das herrliche Augenspielchen: von der einen Oberseite eines Würfels auf die daneben liegende springen (und so weiter und so fort) um zu erfahren, daß man auf einem zweidimensionalen Blatt sich dreidimensional bewegen kann.)

Reutersvärds Dreieck wurde so bekannt, daß sogar der schwedische Postminister anordnete, daß dieses fremde graphische Geschöpf auf einer Briefmarke abgebildet werden sollte. Worauf tausende Swedinnen und Schweden abertausende von unmöglichen Briefmarken auf ihren Briefen klebten.

Das unmögliche Dreieck wurde ein Welterfolg. So sehr, daß Reutersvärd sich bemühte so viel wie möglich Dreiecksvarianten zu entwerfen. Er nannte sie: perspectives japonaise. Er blieb dabei freundlich und hilfsbereit. So entwarf er (ungebeten; als Zugabe) für Herrn Terracidus ein Logo. Die so-und-so-vielste Variante des originellen unmöglichen Dreiecks. Sehen Sie nur.



Daß auch der jüngst verstorbene deutsche Kabarettist und Fernsehkünstler Loriot sich von Reutersvärds Dreieck inspirieren ließ, zeigt sich aus dem Bild des Denkers. Vielleicht sehen Sie mehr Rodin. Ich aber sehe sofort Reutersvärds Dreieck.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 27. August 2011
Bagatelle 121 - Düdeljoho: Loriot zum Gedenken
Sehr frei übersetzt klingt das memorabele Vers (es ist eine Canon in zwei Teilen) etwa folgendermaßen:

(1) Kommt mit, nach draußen, alle Mann (bzw. Frau),
dann suchen wir die Goldamsel,
und finden wir diesen Musikant,
dann ist wieder Sommer im Land.
(2) Düdel-jo-ho, klingt sein Lied,
Düdel-jo-ho klingt sein Lied,
Düdel-jo-ho und sonst nichts.


Das Wort 'düdeljoho' erinnert einem sofort an die unvergeßliche Loriot-Szene in der eine Volkshochschulklasse voller lauter engagierte Amateur-Jodler(innen) einen Jodler-Kurs absolviert. Unter den Studenten befinden sich natürlich auch der Herr Loriot höchstpersönlich und seine unzertrennliche Begleiterin Renate. Urkomisch (und auch musikalisch nicht zu unterschätzen) ist die Art und Weise wie sich die Teilnehmer bemühen sich den richtigen Jodler zu merken. (Nicht 'hü-dü-düdel-dü', sondern 'hü-dü-düdel-dö'!!)



Was Sie wahrscheinlich nicht wußten, ist daß der Herr Loriot, V. von Bülow meine ich selbstverständlich, der diese Woche im hohen Alter verstarb, auch im Ausland seine Bewunderer und Verehrer hatte. Die Familie Terra zum Beispiel. Wir ließen uns keine Gelegenheit nehmen um uns eine Radio-Bremen-Sendung der ARD, worin er seine Zeichen- und andere Tricks ausspielte, anzusehen. Und wie oft hat meine Frau mich nicht wieder vom Boden aufheben müssen, wenn ich mal wieder vor Lachen vom Stuhl gefallen war? Wir haben längst nicht alles Schöpferische gesehen, aber die klassischen Loriotszenen (der Heiratsantrag mit der Nudel im Gesicht, oder das Bettprobeliegen beim Kaufhof) kennen auch wir fast auswendig. Nicht zu vergessen natürlich die unnachahmlichen Zeichentrickbeiträge. Ach, warum sage ich Ihnen das alles: Sie kennen sich natürlich tausendmal besser aus.

Ist Loriots Humor typisch Deutsch? frag' ich mich. Ein bißchen Gesellschaftskritik, ein wenig Spießbürgerspott, etwas unerwartetes Komisches in durchaus normalen Situationen. Würden Spanier aber lachen können über zwei ehrenwerte nackte Männer in einer leeren Badewanne trotz des amüsanten Dialogs? Ich frag' nur.



Der Herr Loriot hieß so, so hab' ich mir sagen lassen, weil eine Goldamsel (oder: ein Pirol) Teil seines Familienwappens ist. Auf Französisch heißt so ein Spaßvogel un loriot. Bei uns heißt er: de wielewaal, und sein herrlicher Gesang geht ungefähr so, wie im Lied hier oben: düdel-jo-ho.



Sehen Sie, das habe ich mir immer schon gedacht. Loriot hat etwas französisches in sich. Wie sonst ist es zu erklären, daß ich bei manchen Szenen und lustigen Streichen an einen anderen Franzosen denken muß? An Jacques Tati. Ja doch, manchmal haben der französische monsieur Hulot und der deutsche Herr Loriot etwas gemeinsam. Nicht nur die Endbuchstaben -ot.

... link (1 Kommentar)   ... comment


Sonntag, 31. Juli 2011
Bagatelle 117 - Terra Gladiola
Die Gladiole, ich meine die gezüchtete Gartengladiole (gladiolus hortulanus) und nicht die wilde oder verwilderte Schwertblume, stammt aus der Familie der Schwertliliengewächse. Dieser erster Satz mag den Anschein erwecken, daß hier ein Kenner, Liebhaber und vielleicht sogar ein Botaniker spricht. Das Gegenteil ist der Fall: ich weiß ebenso wenig von Blumen und Pflanzen als die meisten unter uns. Aber ich liebe und genieße sie. Das schon.



Mit der Gladiole verbindet mich ein Haß-Liebe-Verhältnis. Einerseits hasse ich ihre Üppigkeit: es ist alles viel zu viel vom guten. Sehen Sie sich die unsagbar schöne Farben an. Mehr als genug für éine Blume, dies wunderbare rot-orange, aber warum müssen es so viele, mindestens fünf und meistens fünfzehn, an nur einem Stiehl sein? Und diese herrliche Linien und Formen! An den Blättern kann man sich, wenn man will, schneiden, aber trotzdem bildschön!

Wie im römischen Reich gibt es in meinem Lande die Gewohnheit einem Sieger Blumen zu schenken und zwar Gladiolen. Der frühere Radrennfahrer und Tour-de-France-Teilnehmer Gerrie Knetemann hat uns einen großartigen Ausdruck hinterlassen. Er sagte einmal, als er sich fast zum Tode quälte beim Versuch eine Tour-Etappe zu gewinnen: in diesem Augenblick war es für mich "der Tod oder die Gladiolen". Entweder leiden, verzagen, und aufgeben müssen, oder siegen, triumphieren und siebzehn Gladiolen in einem Bündel bekommen als Siegerpreis. Jahre später hat Louis van Gaal, ein nicht ganz unbekannter Fußballtrainer (FC Bayern kann ein Lied davon singen) diesen Spruch in Deutschland importiert.



Dicht gegen die Hinterseite unseres alten Bauernhofes lebt seit Jahren eine besondere Gladiole. Laut Madame Terra schon mehr als zwanzig Jahren. Sie verweilt zwischen mehr oder weniger verwilderten Pflanzen von denen ich den Namen schon nicht mehr weiß. Einiges Unkraut ist auch dabei. Im Juli jeden Jahres ist sie aber da! Sie streckt ihren wunderbaren Hals zum Himmel und zaubert einige grandiosen rötlich-orangefarbigen Blumen zum Vorschein. Im Herbst, wenn ich ihre dürre Blätter und längst ausgeblühten Blumen entfernt habe, verschwindet sie. Sie zieht sich zurück in die schützende Erde. Nichts von ihr läßt sich mehr blicken. Unsere Gladiole hat, wie alle andere Gladiolen auch, ein Überdauerungsorgan! So hat mir ein Fachmann das alles erklärt. Es sei eine Knolle, welche unserer Gladiole hilft den strengen Winter zu überstehen. Ach, wie gerne hätte auch ich solch ein Überdauerungsorgan!

Zwischen der Universitätsstadt Nimwegen und Kleve (am Niederrhein) führt eine fast gerade-gehende Straße. Über Donsbrüggen, Nütterden und Kranenburg. Es ist eine via romana, eine Straße welche römische Festungen (Nimwegen, Kleve, Xanten) mit einander verband. Wenn im Juli 2011 die tausenden Fußgänger und Wanderer die Vier-Tage-Märsche in Nimwegen (immerhin 4*40 Kilometer pro Tag im Schnitt) mit Erfolg vollendet haben, gehen sie über einen Teil dieser via romana. In Nimwegen ist es die Sankt Annastraße, aber in diesen Tagen besser bekannt als die Via Gladiola. Warum können Sie sich denken.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 4. Juni 2011
Bagatelle 108 - Dachschaden
Wenn Sie Bilderrätsel mögen, habe ich für Sie eine interessante Aufgabe. Hierunter zeige ich Ihnen zwei Bilder von ein und demselben Objekt. Was mag das wohl sein? Um Ihnen das Problem etwas zu erleichtern, mache ich aus der Aufgabe eine multiple-choice Version.





Wir sehen:
• eine Süd-ägyptische Wassermelone
• eine Münstersche Verkehrsampel im interbellum zwischen rot und grün
• eine aufgeblasene Schweineblase
• keins der obigen drei Alternativen

(Hier fünf Minuten Denkpause einlegen.)

Nein, es ist keine Wassermelone, keine orange-farbige Ampel, keine zum Fußballspielen aufgeblasene Schweineblase. Es ist - man möge mir verzeihen – mein eigenes, höchstpersönliches Scheiteldach. Fragen Sie mich bitte nicht wie es fotografiert worden ist. Ich weiß nur daß es von oben war. Es ist ein Selbstporträt.

Mit einiger Zurückhaltung möchte ich um Ihre besondere Aufmerksamkeit bitten für die Dachbedeckung. Nennen wir’s beim Namen: für die wenigen noch verbliebenen Haare.
Früher war ich gesegnet mit einem, sagen wir normalen, schwarzfarbigen Haarwuchs. Später kam der Ober- und Unterlippenbart dazu. Im Laufe der Zeit haben sich zwei Sachen drastisch geändert. Erstens ist die Anzahl Scheitelhaare stark reduziert. Jetzt gibt es nur noch einige dünne Haarsträhne, die ich mir so kurz wie möglich schneiden lasse. Zweitens gibt es die Haarfarbemetamorphose: von tiefschwarz über quasi-intelligent-grau zu einem leuchtend weiß. Das grau-weiße deutet auf das zunehmende Alter und die abnehmende Schlagfertigkeit. So hat jedes Alter seine eigene Haare.






Auffallend sind auch die anwesende Narben auf meinem Scheitel. Zeugen früherer Unfälle. Eins kann ich Ihnen versichern: je älter man wird, je mehr Kopfhaare man verliert, je mehr man sich den Kopf verwundet. Ich gehe in den leeren Hühnerstall um meine Gartenutensilien abzustellen, und wieder einmal stoße ich mir den Kopf weil ein Balken mir nicht aus dem Wege gehen will. Es geschieht viel öfter als früher.

Ach, sagen Sie vielleicht, was schert mich Terra mit seinem Dachschaden. Ich hab’ schon andere Sachen am Kopf! Und recht haben Sie.

... link (2 Kommentare)   ... comment


Samstag, 23. April 2011
Bagatelle 101 - Sachverstand
So ab und zu überfällt es einem: in einer alten Truhe findet man eine ebenso alte Schachtel mit einigen nicht jüngeren, fremd anmutenden Gegenständen. Aus der Eiszeit vermutlich, aber vielleicht ist das übertrieben. Was ich gefunden habe möchte ich Ihnen gerne bildlich vorstellen. Wir wollen es folgendermaßen handhaben: ich zeige Ihnen die Bilder und Sie sagen mir welche Bedeutung und Funktion der Gegenstand hat. Abgemacht?



Nein, so geht’s nicht. Aber das hier ist der gesamte Inhalt der Schachtel in der oben genannten Schublade. Durch kräftiges Blasen habe ich den meisten Staub entfernen können. Aber so gesehen und so auf einen Haufen geworfen ist es unmöglich Form, Funktion und Name einzelner Gegenstände zu nennen. Man bekommt Anfechtungen Vermutungen anzustellen: ist das da nicht ein napoleonischer Bücksenöffner, und das andere dort nicht solch ein komischer Korkenzieher aus dem Mittelalter?

Besser ist’s, wenn ich Ihnen hier unten die Gegenstände solo präsentiere. Dann können wir alle uns völlig und ausschließlich auf das eine Objekt konzentrieren. Und indem wir argumentieren, kombinieren, deduzieren, folgern und reduzieren (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge) gelangen wir schließlich zum Ziel: die Bedeutung des Gegenstandes.







Ich gebe es zu: von zwei von dreien wußte ich weder Namen noch Funktion. Aber mit Hilfe von Frau Terra wurde das Geheimnis gelöst. Und wie stolz auf mich selber war ich, daß meine – selbst erfundene - dritte Lösung die Richtige war!

Jetzt sind Sie dran. Wenn Sie mögen, teilen Sie mir hier unten Ihre Lösung in einem Kommentar mit. Viel Spaß beim Raten! Sie haben einige Ostertage zeit. Nachher werde ich Ihnen die Lösung sagen.

... link (2 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 17. April 2011
Bagatelle C - Kabinett der Nutzlosigkeit
Jeder, der etwas auf sich hält, sammelt. Manche suchen allerwegen nach Briefmarken aus subtropischen Ländern, manche andere bauen sich ein speziales Zimmer an der Wohnung, wo sie ihre Bierdeckelsammlung ausstellen. Ein beliebtes Sammelobjekt ist die hindenburgsche Streichholzschachtel oder, wenn man genug Geld und Muße hat, ein rembrandtesker Stich. Es gibt nichts auf der Welt was nicht gesammelt wird. Es seien denn die hochgiftigen Pilze aus den ostpolnischen Wäldern die man vorzugsweise aus dem Wege geht.

Ichselber sammle seit meiner Kindheit. Es fing damit an, daß ein Schüler der sechsten Klasse verbreiten ließ, daß es eine Belohnung gäbe für jeden der eine Liste von tausend Automobilnummernschildern aufweisen konnte. Darauf setzten wir uns an der Straßenecke und notierten fleißig die Nummer der vorbeirasenden Fahrzeuge. Später, als sich zeigte, daß die angekündigte Belohnung eine Ente war, fing ich an kleine Sachen zu sammeln. Zum Beispiel Briefmarken aus den Niederlanden und Niederländisch-Indien (das es damals nicht mehr gab, aber trotzdem eigene Briefmarken kleben ließ.) Oder Zigarrenkistenaufkleber und Bilder von Fußballspielern oder Filmstars. (Zehn Fußballer für eine Ava Gardner.)

Heute sammle ich nur noch nutzlose Sachen. Das heißt: ich sammle nicht strategisch und wissenschaftlich verantwortet, sondern beiläufig. Wenn ein nutzloser Gegenstand mir auf den Weg kommt, wird er mein. Koste es was es wolle, aber umsonst oder für höchstens zehn Euro.
Es gibt drei Bedingungen:
- erstens soll der betreffende Gegenstand zu etwas in der Lage sein, etwas können also, was andere Gegenstände viel besser können. Eine Uhr die schätzungsweise angibt daß es etwas nach sieben Uhr ist, statt zu sagen: es ist genau 7.12 Uhr und 24 Sekunden, ist ein Beispiel und Vorbild.
- zweitens soll der Gegenstand zu irgendeiner Leistung imstande sein. Das lautere Dasein in Schönheit genügt nicht. Er muß den Anschein wecken das Leben des Erwerbers bereichern zu können. Einen Hauch von Nutzen verbreiten.
- Der Gegenstand muß seine Funktionstüchtigkeit mindestens einmal unter Beweis stellen. (Beispiel: wenn ein Apparat behauptet er würde um Hilfe schreien können, muß er mindestens einmal laut und von allen hörbar HILFE gerufen haben.)

Jetzt sind wir soweit daß wir für all unsere nutzlosen Sachen eine passende Bleibe bereitet haben. Es ist eine Art Vitrine, das wir stolz auf den Namen: das Kabinett der Nutzlosigkeit getauft haben.
Einige bewahren in ihrer Vitrine kostbares Meißen auf. Wir dagegen freuen uns auf den Anblick nutzloser Gegenstände. Wie der kleine keramik Rundfunkempfänger der höchstens einen Regionalsender empfangen kann – zwar bewiesen hat daß er es kann! – und außerdem von einem Kompaß versehen ist, womit man ungefähr den Weg gen Osten finden kann. Ersteigert für einen Preis von sage und schreibe 4 euro 95. Er kann eigentlich nichts: keinen Radiosender finden, keinen guten Ton von sich geben, keine Richtung angeben, er ist sehr unschön und völlig nutz- und sinnlos. Außer natürlich für uns die ihn sammeln.

PS: Auf dem Bild eine nutzlose Auswahl unserer nutzlosen vitrinären Gegenstände.

... link (1 Kommentar)   ... comment


Donnerstag, 3. März 2011
Bagatelle LXLIV - Eineichiger Zwilling


Jedesmal, wenn mein Blick vom Frühstückstisch hinaus zum Fenster gen Osten schweift, trifft er sie. Singular und Plural in einem. Ich sehe unsere Zwei-Einheit: ein Duo junge Eichen, das vor einigen Jahren plötzlich und unerwartet aus dem nichts entsprang und jetzt frisch und fröhlich die Landschaft ziert.

Wer es war der die Samen, die Eichel also, dort hat liegen lassen, weiß ich nicht. Ich vermute ein Eichhörnchen. Wegen seines Namens natürlich und wegen seines angeborenen Triebes mehrere geheime Vorräte zu bauen, womit er behauptet den strengen Winter überstehen zu können.

Dort wo der Acker unseres Nachbars anfängt und dort wo unser Eigentum aufhört, gibt es einen zwei Meter breiten Streifen. Hier wächst was wachsen will. Allerhand Pflanzen, Kräuter, Unkraut, Gebüsch und anderes Grün findet dort seinen Platz. Wir lassen es wachsen und gedeihen. Nur wenn eine einzige botanische Familie droht die Oberhand zu bekommen – und zwangsweise ihre Nachbarn das Licht in den Augen mißgönnt – greifen wir ein. Denn Vielfalt ist ein kostbarer Besitz.



In dem genannten Streifen steht nun schon seit einigen Jahren unser Zwilling. Zwei Eichen die zusammen und verbindlich aufwachsen. Sie sind gleich groß und haben in etwa dieselbe Zahl Äste und Zweigen. In diesen Wintertagen, wo das Blätterdach fehlt, kann man gut erkennen wie sehr sich die beide Eichen gleichen. Im Sommer scheinen die beiden eine Einheit. Ein Zwilling. Ein eineichiger.

... link (1 Kommentar)   ... comment


Samstag, 12. Februar 2011
Bagatelle LXLI - Uhrzeit


Ich trage, wo ich gehe, stets eine Uhr bei mir
Wieviel es geschlagen habe, genau seh ich an ihr.


So komponierte einst Carl Loewe und so sang einst der Bariton Hermann Prey, weltweit mit Abstand der beste deutsche klassische Sänger unter den Sängern die dauernd an einer Erkältung leiden. Jeder kennt das Lied, ins besondere die Mitglieder der deutschen Liedertafel und die der westeuropäischen Männergesangsvereine. Und bei dem zweiten Satz denken alle daran wie intelligent der Dichter das Sehen (genau seh ich ..) und das Hören (es geschlagen habe ..) vereint hat.

Wie hilflos ist der Mensch, wenn er nicht irgendwo die genaue Uhrzeit ablesen oder abhören kann! Darum findet sich in jedem Hauszimmer, an und in jedem Gebäude, an allen Haushaltsgeräten, kurzum: in jedem Lebensbereich eine Uhr. Analog oder digital, mit einem römischen Zifferblatt verziert oder schlicht Ziffern andeutend, der Sonne folgend oder hinunter fallend wie Sandkörner in einem Glas. Man läßt uns keine Ruh’. Die Zeit drängt sich unaufhaltsam auf. Wir kommen nicht drum herum.

Vor Jahren habe ich der Zeit einen Streich gespielt. In meinem Arbeitszimmer, wohlgemerkt Zimmer 2.28 zweiter Stock, wo immer frische Blumen die Atmosphäre aufhellten und frohe Gedanken freikommen ließen, befand sich eine kleine Wanduhr. Eines Tages habe ich, so zwischen den Arbeiten hindurch, gezählt wie oft ich auf die Uhr schaue. Nur aus Angewohnheit, denn es drängte mich niemand. Und als wäre das nicht schon genug, wie oft drehte sich mein Kopf in Richtung meiner linken Hand. Dort wo sich die Armbanduhr aufhielt! So genau hab’ ich nicht gezählt, aber es würde mich nicht wundern, daß es sechzig Mal in einer Stunde war.

Der Beschluß war schnell gefaßt. Ich verbannte die Wanduhr in eine stille unauffällige Ecke, wo sie von niemandem gesehen werden konnte. Und ich entfernte meine Armbanduhr. Für ewig und immer. Bis auf den heutigen Tag ist sie nicht wieder auf ihren Platz zurückgekehrt. Ich vermute daß es etwas mit dem Zeitgeist zu tun hat.

Nein, ohne Scherz, Sie werden mich niemals sehen mit einer Armbanduhr. Weder links noch rechts, weder digital oder analog. Weder an Sonn- und Feiertagen, noch an sonstigen Ruhetagen. Und das schönste von der Geschichte ist: ich vermisse sie nicht. Den Streich habe ich der Zeit gespielt.

Aber, werden Sie fragen, was macht er wenn er unbedingt die genaue Uhrzeit wissen muß? Nun, werde ich antworten, wenn ich mich außerhalb der menschlichen Gesellschaft befinde, mitten auf der Lüneburger Heide zum Beispiel, gibt es keinen Grund genau zu wissen wie spät es ist. Und wenn: schau auf die Sonne oder vermute wo sie sich hinter den Wolken verbirgt.
In dem anderen Fall, wenn ich in der Nähe menschlicher Kreaturen bin, frage ich den ersten besten nach der genauen Zeit. Und weil alle anderen stets eine Uhr bei sich tragen, kann jeder dem ich begegne mir sagen wie die Glocke geschlagen hat.

... link (2 Kommentare)   ... comment