Mittwoch, 7. November 2012
Bagatelle 170 - Hochachtungsvoll gezeichnet
Mein Vater war ein guter Zeichner, ein sehr guter sogar. Das sagte ein jeder der wohl einmal eine seiner Radierungen gesehen hatte. Das sagten auch die Abiturexaminatoren welche im Jahre 1920 - so lange ist's her - seine Radierung bei der Abschlußprüfung im Zeichnen mit einer Zehn (eine 10: die best denkbare Note) benoteten.
Das mag uns heute fremd und übertrieben vorkommen, aber es besteht immer die Möglichkeit zu einer erneuten Wertschätzung, denn mein Vaters Radierungen sind irgendwo in familiären Schränken aufbewahrt worden, so daß wir auch jetzt noch feststellen können, daß das Examenurteil der damaligen Sachverständigen auch heute noch zutrifft.

Also, mein Vater zeichnete, besser gesagt: er zeichnete nach. Fand er irgendwo ein passendes Bild (eine Photographie, so schrieb man das damals) dann wurde die abgebildete Person von ihm mit Bleistift, in schwarz und weiß mit allen dazwischen liegenden Grautönen (nach)gezeichnet und für die Ewigkeit aufgehoben. Die Abgebildeten (Politiker, Künstler, etc) waren Leute vor denen man aus Ehrfurcht den Hut zieht und die man hochachtungsvoll grüßt. Selbst hab' ich wenig Ahnung und noch weniger Verstand von diesen Sachen, aber mein Auge sagt mir daß es auf dieser Abbildungswelt schlechteres gibt. Manchmal posiert eine Person etwas steif und sichtlich ungemütlich, aber das ist nicht notwendigerweise die Schuld des Künstlers, vermag ich zu behaupten.

Genug der Geschichte, es ist Zeit für Beispiele. Aus der Reihe: niederländische Politiker zwischen zwei Weltkriegen, sehen wir hier unten den damaligen Premier-Minister Hendrik Colijn, ein lupenreiner Christ-Demokrat. Damals, um 1935, bestimmte er so gut er konnte und wollte die Geschicke des Staates.



Weiter blätternd in der Sammlung sehen wir dann einen gewissen Herrn Posthuma. An dieser Stelle zögerte mein Vater wenn er uns, den kleinen, die weiteren Hintergründe erzählte. Die Zeichnung stammte aus 1933, aber der Herr Posthuma war zehn Jahre später, unter der deutschen Besatzung, Landwirtschaftsminister, und wurde 1943 wegen seiner Kollaboration von der hiesigen Resistance liquidiert. Die Ironie will, daß er, wie es der Brauchtum forderte, trotzdem mit allen Ehren von der Nachbarschaft zu Grabe getragen wurde.



Sowohl die Kollaboration als die Liquidierung sind gewiß nicht zu verzeihende Tatsachen. Und mein Vater schämte sich förmlich daß er die Zeichnung noch immer aufbewahrt hatte.

Schließen wir ab mit etwas fröhlicherem. Sie zeigen eine andere Seite meines Vaters. Erstens war er manchmal sehr humorvoll und zweitens liebte er Kinder, wenn er auch zögerte es zuzugeben. Davon zeugen diese zwei Zeichnungen welche ich Ihnen hierbei ehrfurchtsvoll und mit aller Hochachtung vorlege.






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