Mittwoch, 1. Februar 2017
Bagatelle 293 - Alptraum an der Grenze
Einmal nach Wesel fahren: das habe ich seit Lebens immer gewollt. Sie wissen: Wesel am Rhein, am Niederrhein. Das ist von uns aus gesehen nicht sehr weit. Mit dem Fahrrad, zuerst die Bundesgrenze überquerend, dann über Rees den Rhein entlang weiter stromaufwärts, es dauert höchstens eine Stunde.

Sie hätten mich fragen können was ich überhaupt in Wesel zu suchen hatte. Dann hätte ich geantwortet: "Mal schauen ob der König von Wesel wirklich ein Esel ist, was immer wieder behauptet wird. Das liebe Fräulein im Kindergarten sagte es schon. Und dasselbe tat der Echobrunnen in der Nähe von Apeldoorn, wo wir mit dem Schulausflug oftmals landeten. Doch, wenn man - sich beugend über das Wasser des Brunnens - laut rief: "Was ist der König von Wesel?", dann hörte man laut und deutlich die Antwort: "Esel …, Esel …"

Heute morgen war es dann so weit. Ich hatte meinen alten Rucksack vollgepackt mit allerhand Esswaren, worunter Brötchen mit Käse und welche mit Schinken.
Sieben Uhr dreißig war es als ich mich auf den Weg machte und zehn Minuten später erreichte ich schon die Grenze. Und da fing das Missgeschick richtig an.

Was war der Fall? Deutsche Grenzkontrolleure, Douaniers genannt, hatten den Schlagbaum – der immer als Andenken in der Wiese herum stand – mitten auf den Weg gestellt.
Auf meine berechtigte Frage: "Kann jemand mir sagen was das zu bedeuten hat?" sprach ein schwer gewappneter Douanier: "Seit Donald J. Trump in den Vereinigten Staaten das Sagen hat, ist es auch hier bei uns nicht sicher. Deshalb ist die Grenze von heute an geschlossen für alle Reisende."
"Aber ich habe einen Reisepass, seht nur!" erwiderte ich. (Mir wurde allmählich ziemlich unheimlich. Sie wissen wie das geht: von den kleinen Zehen aus nach oben kriecht die Wut empor bis in die Haarspitzen.)
"Nein, du darfst nicht rein. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Außerdem ist das Gültigkeitsdatum deines Reisepasses schon längst überschritten."

Da wurde ich so wütend, dass ich meinen Verstand verlor. Obwohl man mich kennt als ein sanfter, liebenswerter Mensch der keine Fliege etwas antut, geriet ich in solcher Rase dass ich den Douanier einen Schlag verpasste der ihn rücklings in den dort fließenden Strom landen ließ. Mit der Folge dass sich nun alle anwesende Douaniers auf mich stürzten. Undank meines tapferen Widerstandes wurde ich an Händen und Füßen gefesselt und in das nächstgelegene Wirtshaus gebracht, wo ich hinter Schloss und Riegel kam.

Just an dém Augenblick wurde ich wach wegen der Glocke der Dorfkirche die aus aller Macht zu lauten anfing. (Ob es die morgendliche Achtuhrglocke war oder die abendliche Neunuhrglocke vermag ich nicht zu sagen.) Triefnass vom Angstschweiß bemerkte ich, dass ich alles nur geträumt hatte. Es war ein Alptraum gewesen. Den Krach konnte man bis in Wesel hören.


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