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Sonntag, 24. Juni 2012
Bagatelle 165 - Einzeln oder doppelt
terra40, 14:16h
Natürlich wissen Sie noch aus der Schule daß das komische Zeichen > nichts wichtigeres bedeutet als: größer als. Wir schreiben 6.7 > 2.4, weil es klar ist daß die erste Zahl etwas größer ist als die zweite. (Man merkt es wenn man auf Staatsanleihen statt 2.4% nun 6.7% Zinsen zahlt, wie die Spanier es uns heute vormachen.)
Wie auch immer, einzeln oder doppelt, Unterschiede müssen sein. Es gibt double-blind research und früher das doppelte Lottchen wenn ich mich gut entsinne. Es gibt Einzelhaft und doppelten Whiskey. Es gibt einzelne Sünden und Sünder und Doppelfehler. Übrigens, Doppelfehler: die sollte man, jetzt wo Wimbledon vor der Tür steht, schnellstens und für immer ausrotten und verbieten. Im Tennis meine ich. In welcher Sportart sonst bekommt man zwei Gelegenheiten aufzuschlagen? Nicht beim Rugby und auch nicht im Wasserball.
Ein Fall für sich ist die einzeln/doppelt-Diskussion bei Blumen. Ich bin zwar und überhaupt kein Kenner, aber ein großer Liebhaber. Oft sind mir die Doppelblumigen (oder wie sie heißen) zu viel vom guten: diese unnötige und übertriebene Üppigkeit! Und sagt nicht das Sprichwort: nicht das Viele ist gut, sondern das Gute ist viel?
Nehmen wir die Klatschrose (oder den Klatschmohn) die jetzt in diesen Tagen überall rundum erscheint und uns sehr erfreut. Sehen Sie selber wie unendlich viel schöner die Einzelklatschrose ist als der doppelte Klatschmohn! Hier gilt: einzeln > doppelt. Da sind wir uns einig.
Wie auch immer, einzeln oder doppelt, Unterschiede müssen sein. Es gibt double-blind research und früher das doppelte Lottchen wenn ich mich gut entsinne. Es gibt Einzelhaft und doppelten Whiskey. Es gibt einzelne Sünden und Sünder und Doppelfehler. Übrigens, Doppelfehler: die sollte man, jetzt wo Wimbledon vor der Tür steht, schnellstens und für immer ausrotten und verbieten. Im Tennis meine ich. In welcher Sportart sonst bekommt man zwei Gelegenheiten aufzuschlagen? Nicht beim Rugby und auch nicht im Wasserball.
Ein Fall für sich ist die einzeln/doppelt-Diskussion bei Blumen. Ich bin zwar und überhaupt kein Kenner, aber ein großer Liebhaber. Oft sind mir die Doppelblumigen (oder wie sie heißen) zu viel vom guten: diese unnötige und übertriebene Üppigkeit! Und sagt nicht das Sprichwort: nicht das Viele ist gut, sondern das Gute ist viel?
Nehmen wir die Klatschrose (oder den Klatschmohn) die jetzt in diesen Tagen überall rundum erscheint und uns sehr erfreut. Sehen Sie selber wie unendlich viel schöner die Einzelklatschrose ist als der doppelte Klatschmohn! Hier gilt: einzeln > doppelt. Da sind wir uns einig.
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Samstag, 16. Juni 2012
Bagatelle 164 - Geheimschrift
terra40, 22:31h
Wir lieben alle die Geheimniskrämerei, geben wir's doch zu. Das fing schon an in der Grundschule wo wir uns gegenseitig scheinbar unlesbare Briefe schrieben. Manchmal mit einer Tinte die erst nach einer Spezialbehandlung lesbar wurde, manchmal in einer Sprache welche für Nichteingeweihte völlig unverständlich war. Ein Brief zum Beispiel in lauter Zahlen und Ziffern, wobei man eine Art Geheimniskode brauchte um alles in leserlicher Sprache dekodieren zu können.
Was Sie hier oben sehen mag Ihnen vorkommen als sei es so eine Art Geheimschrift: Zahlen in einer ziemlich komischen Notenpartitur, mit Haken und Ösen so zu sehen. Der aus fünf Linien bestehende Notenbalken kommt uns bekannt vor, ebenso wie die Noten selber und die Maßeinteilung. Aber, bitte schön, was soll die Zahl 982 im ersten Takt? Wichtigtuerei, oder wie?
Nein, meine lieben unmusikalischen Bagatellenleserinnen und -Leser, das hier ist ein wunderbares, klangvolles musikalisches Meisterwerk. Es ist ein Rheinländer, und zwar der von Basel über Köln beziehungsweise Düsseldorf bis zu Kleve berühmte Brummbär Rheinländer. (Damit wird der unwiderlegbare Beweis geliefert daß im Rheinland von eh und je Braun- und Schwarzbären ihr Zuhause hatten.)
Das habe ich mir gedacht: jetzt fordern Sie von mir daß ich Ihnen die Lösung des Geheimkodes verrate. Ich werde mich aber hüten. Nur zwei kleine Hinweisen gebe ich Ihnen mit auf dem Weg zur endgültigen Aufklärung.
(1) In der Tat: es ist eine Art Notenschrift und zwar eine Griffschrift. Die Zahlen und Ziffern bei den Noten zeigen Ihnen welche Knöpfe Sie auf einem bestimmten Musikinstrument berühren sollen damit eine ordentliche rheinländische Melodie zu hören ist.
(2) Das Musikinstrument für das diese Griffschrift entworfen ist, sehen Sie hier unten. Die Finger beider Hände, sowohl die linke für die Begleitstimmen als die rechte für die Hauptmelodie, können, wenn Sie mögen, Knöpfe (ein Knopf oder auch einige zusammen) eindrücken und wieder loslassen. Ein Blasebalgen sorgt für die erforderliche Luftströmungen wie bei einer Mundharmonika. Die gewünschten Töne erreichen Sie, wenn Sie die den korrekten Knopf bei der angegebenen Ziffer erkennen und drücken. Man kann Ihnen nur raten: üben und nochmals üben! Und wenn die Übung eine Meisterin oder einen Meister aus Ihnen gemacht hat, wird das rheinische Gebromm des Bären unglaublich schön innerhalb ihren vier Wänden zu hören sein!
Nachklang: wie ich das alles weiß? Ich habe mir vor Jahren das Spielen auf solch einem Instrument versucht eigen zu machen. Das ist einigermaßen gelungen. Und wenn Sie einmal bei uns vorbeikommen, werde ich es Ihnen beweisen.
Was Sie hier oben sehen mag Ihnen vorkommen als sei es so eine Art Geheimschrift: Zahlen in einer ziemlich komischen Notenpartitur, mit Haken und Ösen so zu sehen. Der aus fünf Linien bestehende Notenbalken kommt uns bekannt vor, ebenso wie die Noten selber und die Maßeinteilung. Aber, bitte schön, was soll die Zahl 982 im ersten Takt? Wichtigtuerei, oder wie?
Nein, meine lieben unmusikalischen Bagatellenleserinnen und -Leser, das hier ist ein wunderbares, klangvolles musikalisches Meisterwerk. Es ist ein Rheinländer, und zwar der von Basel über Köln beziehungsweise Düsseldorf bis zu Kleve berühmte Brummbär Rheinländer. (Damit wird der unwiderlegbare Beweis geliefert daß im Rheinland von eh und je Braun- und Schwarzbären ihr Zuhause hatten.)
Das habe ich mir gedacht: jetzt fordern Sie von mir daß ich Ihnen die Lösung des Geheimkodes verrate. Ich werde mich aber hüten. Nur zwei kleine Hinweisen gebe ich Ihnen mit auf dem Weg zur endgültigen Aufklärung.
(1) In der Tat: es ist eine Art Notenschrift und zwar eine Griffschrift. Die Zahlen und Ziffern bei den Noten zeigen Ihnen welche Knöpfe Sie auf einem bestimmten Musikinstrument berühren sollen damit eine ordentliche rheinländische Melodie zu hören ist.
(2) Das Musikinstrument für das diese Griffschrift entworfen ist, sehen Sie hier unten. Die Finger beider Hände, sowohl die linke für die Begleitstimmen als die rechte für die Hauptmelodie, können, wenn Sie mögen, Knöpfe (ein Knopf oder auch einige zusammen) eindrücken und wieder loslassen. Ein Blasebalgen sorgt für die erforderliche Luftströmungen wie bei einer Mundharmonika. Die gewünschten Töne erreichen Sie, wenn Sie die den korrekten Knopf bei der angegebenen Ziffer erkennen und drücken. Man kann Ihnen nur raten: üben und nochmals üben! Und wenn die Übung eine Meisterin oder einen Meister aus Ihnen gemacht hat, wird das rheinische Gebromm des Bären unglaublich schön innerhalb ihren vier Wänden zu hören sein!
Nachklang: wie ich das alles weiß? Ich habe mir vor Jahren das Spielen auf solch einem Instrument versucht eigen zu machen. Das ist einigermaßen gelungen. Und wenn Sie einmal bei uns vorbeikommen, werde ich es Ihnen beweisen.
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Sonntag, 10. Juni 2012
Bagatelle 163 - Cello
terra40, 15:20h
Vieles sagen sie aus, die alten Schulzeugnisse die ich mir aufgehoben habe. Vieles, aber einiges sehr interessantes nicht. Das erzähl ich Ihnen hier. Die Geschichte spielt in meiner glücklichen Jugend. In der Zeit wo ich, sieben/acht Jahre alt, mit vollen Zügen die Kenntnisse aufsog die mir die Schule damals zu vermitteln versuchte.
Das Schulzeugnis der zweiten Klasse meiner Grundschule, das Sie hier sehen, bietet in der Tat vieles zum lesen und vieles um sich darüber im Nachhinein zu wundern. Dreimal im Jahr - im August, beim Anfang der Sommerferien; im Dezember, zu Weihnachten; und März/April, zu Ostern - bekamen wir von unseren Klassenlehrern und -Lehrerinnen ein Zeugnis mit nach Hause um den Eltern klar zu machen wie gut oder wie schlecht es um unseren Schulleistungen stehe. Links die Sachgebiete: Religionsunterricht, Lesen, Schreiben, Mathematik, Muttersprache (Niederländisch), Vaterlandsgeschichte, Geographie, Naturwissen, Musik (vor allem Singen), Zeichnen, Nützliche Handarbeiten (für die Mädchen) und Auswendig Lernen. Unter dem Strich die drei für meine Eltern wichtigsten Zeugnisdaten: das Benehmen (dem Lehrer gegenüber), der Fleiß, und schließlich die Sauberkeit. Für einige Fächer gab es nur in den höheren Klassen eine Benotung.
Übrigens lief/läuft diese Benotung bei uns von eins (1) = völlig ungenügend, über die fünf (5) = so zwischen ungenügend und genügend, zweifelhaft also, bis zu zehn (10) ausgezeichnet!
Ganz rechts von oben nach unten gab der Klassenlehrer am Ende der zweiten Klasse den Eltern das Fazit bekannt: Gaat over! und das heißt einfach aber schwerwiegend: der Schüler wird in die nächste Klasse versetzt!
Links unten sehen Sie die zierliche und dennoch kräftige Unterschriften meines Vaters, Terra Senior, der hiermit der Schule bekannt gab, daß er nicht weniger als drei Mal das Zeugnis gesehen und begutachtet hat (und sich vielleicht auf passende Maßnahmen besann, was bei meinem Vater niemals der Fall war. Warum auch.)
Rechts unter die Unterschrift des Klassenlehrers. In diesem Fall der Klassenlehrer. Es sind nämlich zwei.
Der erste Lehrer in der zweiten Klasse hieß Herr Bannink. Von ihm weiß ich nicht viel, aber einiges werde ich niemals vergessen. Wenn Sie mich abends bitte Ihnen am Sternenhimmel den Großen Bären zu zeigen, so kann ich das. Auch der Kleine Bär ist kein Problem. Das hat uns der Herr Lehrer Bannink beigebracht.
Im Laufe der zweiten Klasse kam plötzlich ein neuer Lehrer. Warum der Lehrer Bannink verschwunden ist, weiß ich bis heute nicht, aber eines Tages stand der Herr Lehrer Stockhuyzen vor uns. Mit vornamen J. F., vielleicht Johannes Franciscus, oder Jacob Fritz, wer weiß. Die Lehrer wurden damals nicht, wie heute wohl, bei ihren Vornamen angesprochen. Der Gedanke daran schon war äußerst gefährlich. Der Herr Lehrer J.F. Stockhuyzen (bitte nicht zu verwechseln mit Herr K. Stockhausen) übernahm also die Klasse. Und die achtunddreißig Zweitklässler staunten nicht wenig.
Sie staunten noch mehr als der Lehrer Stockhuyzen eines Tages mit einer ziemlich großen Geige vor die Klasse trat. Er sagte: es sei ein Cello. Dann schraubte er ein dünnes metallenes Stehbein in das Instrument, setzte sich auf einen Stuhl, nahm die Cello zwischen die Knie sodaß die nicht weglaufen konnte, nahm weiterhin einen Streichstock aus einem Koffer, legte die linke Hand auf die Saiten neben seinem Ohr und fing an mit dem Streichstock in der rechten Hand die Saiten zu berühren. Der Lehrer Stockhuyzen spielte. Er spielte Cello.
Ein vollkommen neues Gefühl kam über uns. Niemals hatten wir so etwas gehört, gewöhnt als wir waren an das was ein Posaunenchor oder etwas ähnliches unseren Ohren zu hören gab. Aber jetzt diese Töne! Manchmal ein wunderbares, hohes Singen; manchmal ein dunkles, dumpfes Brummen. Was auch der Herr Stockhuyzen gespielt haben mag, es war unbeschreiblich imponierend. Wir, die Kinder aus der zweiten Klasse, wußten schon, daß einige Lehrer aus höheren Klassen auf einer Geige herumfiedelten, aber wir hatten einen Lehrer der Cello spielte! Das war von keiner anderen Klasse zu überbieten.
Zu Ostern wurden wir alle versetzt. Nein nicht alle, ein paar Mitschüler mußten die Klasse wiederholen, sagten die Lehrer. Das konnte man auch den Zeugnissen entnehmen. Statt "Gaat over!" stand rechts geschrieben: "Bleibt sitzen!".
Wir dagegen gingen frisch und fröhlich in die nächste Klasse. Schade nur, daß unser Cellist Stockhuyzen in seiner zweiten Klasse blieb. Ich vermißte ihn sehr. Wegen seines Cellospiels.
Das Schulzeugnis der zweiten Klasse meiner Grundschule, das Sie hier sehen, bietet in der Tat vieles zum lesen und vieles um sich darüber im Nachhinein zu wundern. Dreimal im Jahr - im August, beim Anfang der Sommerferien; im Dezember, zu Weihnachten; und März/April, zu Ostern - bekamen wir von unseren Klassenlehrern und -Lehrerinnen ein Zeugnis mit nach Hause um den Eltern klar zu machen wie gut oder wie schlecht es um unseren Schulleistungen stehe. Links die Sachgebiete: Religionsunterricht, Lesen, Schreiben, Mathematik, Muttersprache (Niederländisch), Vaterlandsgeschichte, Geographie, Naturwissen, Musik (vor allem Singen), Zeichnen, Nützliche Handarbeiten (für die Mädchen) und Auswendig Lernen. Unter dem Strich die drei für meine Eltern wichtigsten Zeugnisdaten: das Benehmen (dem Lehrer gegenüber), der Fleiß, und schließlich die Sauberkeit. Für einige Fächer gab es nur in den höheren Klassen eine Benotung.
Übrigens lief/läuft diese Benotung bei uns von eins (1) = völlig ungenügend, über die fünf (5) = so zwischen ungenügend und genügend, zweifelhaft also, bis zu zehn (10) ausgezeichnet!
Ganz rechts von oben nach unten gab der Klassenlehrer am Ende der zweiten Klasse den Eltern das Fazit bekannt: Gaat over! und das heißt einfach aber schwerwiegend: der Schüler wird in die nächste Klasse versetzt!
Links unten sehen Sie die zierliche und dennoch kräftige Unterschriften meines Vaters, Terra Senior, der hiermit der Schule bekannt gab, daß er nicht weniger als drei Mal das Zeugnis gesehen und begutachtet hat (und sich vielleicht auf passende Maßnahmen besann, was bei meinem Vater niemals der Fall war. Warum auch.)
Rechts unter die Unterschrift des Klassenlehrers. In diesem Fall der Klassenlehrer. Es sind nämlich zwei.
Der erste Lehrer in der zweiten Klasse hieß Herr Bannink. Von ihm weiß ich nicht viel, aber einiges werde ich niemals vergessen. Wenn Sie mich abends bitte Ihnen am Sternenhimmel den Großen Bären zu zeigen, so kann ich das. Auch der Kleine Bär ist kein Problem. Das hat uns der Herr Lehrer Bannink beigebracht.
Im Laufe der zweiten Klasse kam plötzlich ein neuer Lehrer. Warum der Lehrer Bannink verschwunden ist, weiß ich bis heute nicht, aber eines Tages stand der Herr Lehrer Stockhuyzen vor uns. Mit vornamen J. F., vielleicht Johannes Franciscus, oder Jacob Fritz, wer weiß. Die Lehrer wurden damals nicht, wie heute wohl, bei ihren Vornamen angesprochen. Der Gedanke daran schon war äußerst gefährlich. Der Herr Lehrer J.F. Stockhuyzen (bitte nicht zu verwechseln mit Herr K. Stockhausen) übernahm also die Klasse. Und die achtunddreißig Zweitklässler staunten nicht wenig.
Sie staunten noch mehr als der Lehrer Stockhuyzen eines Tages mit einer ziemlich großen Geige vor die Klasse trat. Er sagte: es sei ein Cello. Dann schraubte er ein dünnes metallenes Stehbein in das Instrument, setzte sich auf einen Stuhl, nahm die Cello zwischen die Knie sodaß die nicht weglaufen konnte, nahm weiterhin einen Streichstock aus einem Koffer, legte die linke Hand auf die Saiten neben seinem Ohr und fing an mit dem Streichstock in der rechten Hand die Saiten zu berühren. Der Lehrer Stockhuyzen spielte. Er spielte Cello.
Ein vollkommen neues Gefühl kam über uns. Niemals hatten wir so etwas gehört, gewöhnt als wir waren an das was ein Posaunenchor oder etwas ähnliches unseren Ohren zu hören gab. Aber jetzt diese Töne! Manchmal ein wunderbares, hohes Singen; manchmal ein dunkles, dumpfes Brummen. Was auch der Herr Stockhuyzen gespielt haben mag, es war unbeschreiblich imponierend. Wir, die Kinder aus der zweiten Klasse, wußten schon, daß einige Lehrer aus höheren Klassen auf einer Geige herumfiedelten, aber wir hatten einen Lehrer der Cello spielte! Das war von keiner anderen Klasse zu überbieten.
Zu Ostern wurden wir alle versetzt. Nein nicht alle, ein paar Mitschüler mußten die Klasse wiederholen, sagten die Lehrer. Das konnte man auch den Zeugnissen entnehmen. Statt "Gaat over!" stand rechts geschrieben: "Bleibt sitzen!".
Wir dagegen gingen frisch und fröhlich in die nächste Klasse. Schade nur, daß unser Cellist Stockhuyzen in seiner zweiten Klasse blieb. Ich vermißte ihn sehr. Wegen seines Cellospiels.
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Montag, 4. Juni 2012
Bagatelle 162 - Ein Mantel aus Eisen
terra40, 23:21h
Heute eine Bagatellgeschichte zum lesen und zum vorlesen. Eine Geschichte für jeden, für jung und alt, für Leserinnen und Leser jeden Alters, von drei bis etwa drei-und-neunzig. Vor allem für die jüngsten unter uns.
Die Hauptperson in dieser Geschichte ist ein lieber russischer Bär. Die Geschichte ist in kurzen Sätzen geschrieben, der Autor hat sich extra bemüht, so gut wie möglich - mit hier und dort einigen zu verzeihenden Fehlern - in einfachen Worten, sodaß jedermann sie lesen kann. Und wenn nicht, ist meistens immer einer da der dir hilft beim lesen und verstehen.
das hier ist Bär
ein Braunbär aus Rußland
er heißt Bär und er ist Bär
von Haus aus und von Geburt an -
Bär ist nicht sein echter Name
aber er mag nicht
daß sein richtiger Name in der Zeitung steht
oder im internet
er hat uns seinen Rücken zugewandt
das kommt daher, daß er auch nicht mag
daß die Zeitungsleser sein Gesicht sehen
und jeder sagt: das ist Bär, den kennen wir -
aber wenn du ihn freundlich bittest
sich umzudrehen
tut er das
Bär ist Schumachermeister A D
A D heißt: Außer Dienst
Er schlägt mit einem Holzhammer
Holznägel in die Ledersohlen deiner Schuhe
Bär hat seinen Hammer verloren
darum ist er heute Außer Dienst
gestern ist es passiert
verloren
oder irgendwo liegen gelassen
das kann jedem wohl mal passieren
Bär sitzt voller Haare
wie alle anderen Bären auch
Haare von Kopf bis Fuß
Haare vom Scheitel bis zur Sohle
Haare von oben bis unten
überall Haare
nichts wie Haare
Bärs Haare sind wie ein Mantel
schön warm im Winter
schön kühl im Sommer -
Bär kann etwas
was andere Bären nicht können:
er kann seinen Mantel ausziehen
doch: seinen Haarmantel
Bärs Mantelbauch hat einen langen Reißverschluß
den öffnet er
wenn er abends ins Bett geht
seinen Haarmantel hängt er an den Garderobeständer
an den Mantelhaken
alte Menschen haben oft grauweiße Haare
alte Bären sonst auch
nur unser Bär nicht
dessen Haare bleiben braun
und werden sehr hart
hart wie Eisen
wie eiserne Nägel
seht nur
Bär hat seinen Mantel ausgezogen
der liegt flach auf dem Boden:
Außenseite oben, Innenseite unten
links kannst du sehen wo sein Kopf sitzt
und seine Vorderbeine -
Vorderpfoten, sagt Bär -
weiter nach hinten siehst du seine Hinterpfoten
und sein Schwänzchen
siehst du?
wißt ihr, was lästig ist? fragt Bär
mein Mantel wird sehr schwer
wegen dieser eisernen Nägelhaare
vielleicht wird es einmal besser
besser zu tragen, meint Bär
der Mantel ist eine Last
und morgen?
morgen geht Bär auf der Suche
geht sein Hämmerchen suchen
immer mit Mantel, niemals ohne
so sieht's aus
Nachsatz: dieses künstliche, künstlerische Nägelbärenfell hat der Autor für Sie entdeckt im Atelier von Fritz Russ irgendwo im österreichischen Kärntnen.
Die Hauptperson in dieser Geschichte ist ein lieber russischer Bär. Die Geschichte ist in kurzen Sätzen geschrieben, der Autor hat sich extra bemüht, so gut wie möglich - mit hier und dort einigen zu verzeihenden Fehlern - in einfachen Worten, sodaß jedermann sie lesen kann. Und wenn nicht, ist meistens immer einer da der dir hilft beim lesen und verstehen.
das hier ist Bär
ein Braunbär aus Rußland
er heißt Bär und er ist Bär
von Haus aus und von Geburt an -
Bär ist nicht sein echter Name
aber er mag nicht
daß sein richtiger Name in der Zeitung steht
oder im internet
er hat uns seinen Rücken zugewandt
das kommt daher, daß er auch nicht mag
daß die Zeitungsleser sein Gesicht sehen
und jeder sagt: das ist Bär, den kennen wir -
aber wenn du ihn freundlich bittest
sich umzudrehen
tut er das
Bär ist Schumachermeister A D
A D heißt: Außer Dienst
Er schlägt mit einem Holzhammer
Holznägel in die Ledersohlen deiner Schuhe
Bär hat seinen Hammer verloren
darum ist er heute Außer Dienst
gestern ist es passiert
verloren
oder irgendwo liegen gelassen
das kann jedem wohl mal passieren
Bär sitzt voller Haare
wie alle anderen Bären auch
Haare von Kopf bis Fuß
Haare vom Scheitel bis zur Sohle
Haare von oben bis unten
überall Haare
nichts wie Haare
Bärs Haare sind wie ein Mantel
schön warm im Winter
schön kühl im Sommer -
Bär kann etwas
was andere Bären nicht können:
er kann seinen Mantel ausziehen
doch: seinen Haarmantel
Bärs Mantelbauch hat einen langen Reißverschluß
den öffnet er
wenn er abends ins Bett geht
seinen Haarmantel hängt er an den Garderobeständer
an den Mantelhaken
alte Menschen haben oft grauweiße Haare
alte Bären sonst auch
nur unser Bär nicht
dessen Haare bleiben braun
und werden sehr hart
hart wie Eisen
wie eiserne Nägel
seht nur
Bär hat seinen Mantel ausgezogen
der liegt flach auf dem Boden:
Außenseite oben, Innenseite unten
links kannst du sehen wo sein Kopf sitzt
und seine Vorderbeine -
Vorderpfoten, sagt Bär -
weiter nach hinten siehst du seine Hinterpfoten
und sein Schwänzchen
siehst du?
wißt ihr, was lästig ist? fragt Bär
mein Mantel wird sehr schwer
wegen dieser eisernen Nägelhaare
vielleicht wird es einmal besser
besser zu tragen, meint Bär
der Mantel ist eine Last
und morgen?
morgen geht Bär auf der Suche
geht sein Hämmerchen suchen
immer mit Mantel, niemals ohne
so sieht's aus
Nachsatz: dieses künstliche, künstlerische Nägelbärenfell hat der Autor für Sie entdeckt im Atelier von Fritz Russ irgendwo im österreichischen Kärntnen.
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Sonntag, 27. Mai 2012
Bagatelle 161 - Text und Bild
terra40, 12:36h
Heute ein kleiner Beitrag aus der Reihe Literarische Telepathie, oder wie es mein Bruder je formulierte: "Ein historisch-literarisches Unikat, unverständlich unbegreiflich, aber trotzdem historisch validiert," womit er eine Ereignis meinte, welches nach menschlichem Ermessen niemals stattgefunden haben könnte, aber das undank dessen in Wirklichkeit tatsächlich so passiert sei. Und zu mir fast immer den Satz hinzufügend: "Es geschieht so viel mehr zwischen Himmel und Erde, aber das wirst du, mit deinen nur auf Empirie gerichteten Augen, niemals sehen."
Es ist die Geschichte von Leo Tolstoi und Pasternak. (Nicht der Boris P., sondern der Illustrator M. Pasternak.) Wichtig ist zu wissen, daß im 19. Jahrhundert die Romane der europäischen Spitzenkategorie (die Schriftsteller meine ich) mit realistisch-expressionistischen Bildern illustriert wurden, weil sie dann, laut Meinung der Verleger, der Leserschaft attraktiver und zugänglicher vorgestellt werden konnten. Tolstois Verleger hatte hierzu mit dem damals berühmten Illustrator M. Pasternak einen Kontrakt geschlossen. Anhand der Druckproben des neuen Romanes entwarf der Herr Pasternak attraktive Zeichnungen. Vor Erscheinen des Buches war der Illustrator laut kontraktueller Absprache verpflichtet die Bewilligung des Autors einzuholen. So auch geschehen mit Tolstois 1899 vollendeten Roman Auferstehung. Es war übrigens Tolstois letzter Roman.
Dies hier ist der schwer dekadente Prinz Nechljudow (Dimitri Iwanowitsch, genannt Mitja) eine der Hauptpersonen in Tolstois Roman. Tolstoi fragte den Illustrator Pasternak ob dieser den Prinzen N. gekannt habe. Er, Tolstoi, hätte den tatsächlich existierenden Prinzen N. als Vorbild genommen für seine Romanfigur. "Sie müssen ihn gekannt haben!", sagte Tolstoi zu Pasternak. "Sonst hätten Sie ihn nicht so nach dem Leben zeichnen können. Er ist es: kein Zweifel darüber."
Das ist es was mein Bruder in Erregung versetzte. Daß eine Zeichnung, die schließlich nur mit Hilfe der Texte eines Korrekturbogens zu Stande gekommen ist, so lebensecht sein kann. Da muß die Telepathie mitgespielt haben.
Daß die Geschichte sich wirklich so abgespielt hat, ergibt sich aus dem Anhang in der französischen Übersetzung. Hier unten zu lesen. Ohne telepatische Beigedanken.
Es ist die Geschichte von Leo Tolstoi und Pasternak. (Nicht der Boris P., sondern der Illustrator M. Pasternak.) Wichtig ist zu wissen, daß im 19. Jahrhundert die Romane der europäischen Spitzenkategorie (die Schriftsteller meine ich) mit realistisch-expressionistischen Bildern illustriert wurden, weil sie dann, laut Meinung der Verleger, der Leserschaft attraktiver und zugänglicher vorgestellt werden konnten. Tolstois Verleger hatte hierzu mit dem damals berühmten Illustrator M. Pasternak einen Kontrakt geschlossen. Anhand der Druckproben des neuen Romanes entwarf der Herr Pasternak attraktive Zeichnungen. Vor Erscheinen des Buches war der Illustrator laut kontraktueller Absprache verpflichtet die Bewilligung des Autors einzuholen. So auch geschehen mit Tolstois 1899 vollendeten Roman Auferstehung. Es war übrigens Tolstois letzter Roman.
Dies hier ist der schwer dekadente Prinz Nechljudow (Dimitri Iwanowitsch, genannt Mitja) eine der Hauptpersonen in Tolstois Roman. Tolstoi fragte den Illustrator Pasternak ob dieser den Prinzen N. gekannt habe. Er, Tolstoi, hätte den tatsächlich existierenden Prinzen N. als Vorbild genommen für seine Romanfigur. "Sie müssen ihn gekannt haben!", sagte Tolstoi zu Pasternak. "Sonst hätten Sie ihn nicht so nach dem Leben zeichnen können. Er ist es: kein Zweifel darüber."
Das ist es was mein Bruder in Erregung versetzte. Daß eine Zeichnung, die schließlich nur mit Hilfe der Texte eines Korrekturbogens zu Stande gekommen ist, so lebensecht sein kann. Da muß die Telepathie mitgespielt haben.
Daß die Geschichte sich wirklich so abgespielt hat, ergibt sich aus dem Anhang in der französischen Übersetzung. Hier unten zu lesen. Ohne telepatische Beigedanken.
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Sonntag, 20. Mai 2012
Bagatelle 160 - Neue Freundschaften
terra40, 13:04h
Gestatten Sie, liebe Bagatellenleserinnen und -Leser, daß ich Ihnen den Pfaule vorstelle. Vor zehn Tagen erschien er bei uns auf den Hof, unangemeldet und aus heiterem Himmel. Zuerst etwas schüchtern und vorsichtig, inzwischen aber ist er ein vertrauter und lieber Gast der sich den Angewohnheiten des Hauses und dessen Bewohner angepaßt zu haben scheint. Er zieht seine Kreise rundum den Hof, frißt ab und zu von den guten Gaben welche ihm die Natur bietet und freut sich sichtlich wenn der Hausherr ihn mit einem Handvoll Saat verwöhnt.
Weil ich vermutete, daß unser Pfauengast nicht aus dem Lande mit dem Pfauenthron, sondern aus der Nachbarschaft stammte, fuhr ich zum Nachbar der fünfhundert Meter von hier seinen Wohnsitz hat. Der versicherte mir, daß der Pfaule ihm zwar bekannt vorkam, (er, der Pfau, hätte auch bei ihm, meinem Nachbar, seine Spuren hinterlassen,) daß er dennoch nicht sein Besitzer, geschweige denn sein Schutzpatron war. Mein Nachbar hätte den Pfaule gerne behalten wollen, aber der wiederum hätte es sich anders überlegt: er reiste - wie ich hier oben geschildert habe - weiter nach Terras Gefilden. Der Pfaule ist also ein Reisender; ein Mitglied der fahrenden und reisenden Zunft. Vorläufig wohnt er bei uns. Kann sein daß er eines Tages in irgendwo eine Richtung verschwindet.
Einige unter Ihnen wissen vielleicht daß wir, die Terras, schließlich nur noch fünf Hühner besaßen. Zwei Herren und drei Damen. (In der Bagatelle IV (römisch 4) war davon die Rede.) Inzwischen hat der natürliche Lauf der Dinge es so geregelt, daß nur noch ein (römisch 1) Hahn übrig ist. Sein Name ist kurz und klar HON. Eine Abkürzung von: Hahn Ohne Namen. Die anderen vier sind aus unserem Blickfeld verschwunden. Entweder sind sie von einem Raubtier (einem Bussard zum Beispiel) als Nachspeise auserwählt; oder sie sind auf natürliche Weise gestorben, wonach ich sie feierlich begraben habe. Der HON aber lebt immer noch und ist munter und frohen Mutes. Für ihn war das Erscheinen von Pfaule doppelt überraschend. Auf einen Pfau als Nebenbuhler hatte er nicht gerechnet.
Aber siehe da: das Wunder geschah. Man verträgt sich. Der Pfaule und der HON verkehren zusammen ohne ernsthafte Zwischenfälle. Frühmorgens und spätabends essen sie zusammen was ich ihnen vorsetze. Ab und zu erwidert der Paule das HONsche Krähen mit einem kräftigen unmusikalischen Pfauenschrei der, wie wir alle wissen, den kommenden Regen vorhersagt. Nachts zieht der eine sich in den Hühnerstall zurück, während der andere sich irgendwo im Gebüsch einen Platz zum schlafen sucht. Und beim Sonnenaufgang morgens ist die Luft voll von ihren Weckrufen.
Neuerdings kann man beobachten, daß sich der Pfaule bei uns tatsächlich zu Hause fühlt. Dann tritt er in den Vordergrund, sucht sich einen geeigneten Hintergrund, und fängt an seine Flügel zu heben und zu spreizen. Wie das denn ausseht! Diese Farbenpracht! Eine Augenweide: dieses unglaublich schöne Blau gegen den grünen Hintergrund. Kaum zu glauben. Das meint auch der HON, der zugeben muß, daß er noch nie so etwas schönes gesehen hat.
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Samstag, 12. Mai 2012
Bagatelle 159 - Fußballaußenseiter
terra40, 00:00h
Während dieser Tage in Deutschland die Fußballsaison mit dem Pokalendspiel beendet wird, fangen wir allmählig an uns auf die kommenden Europameisterschaften, welche in Polen und der Ukraine gespielt werden, zu freuen. Viele betrachten den Fußball ja als die schönste Nebensache der Welt, andere können sich nichts Ekelhaftigeres vorstellen, so hat jeder seinen Geschmack. Und welche Position vertritt der Bagatellenschreiber Terra? könnten Sie fragen. Nun, werde ich erwidernd zugeben, ab und zu werde ich mich fürs Fernsehen setzen und mir ein Spiel ansehen, denn ich bin zwar kein guter Kenner und Sachverständiger, aber schon ein Liebhaber. Und wenn unsere Mannschaft gewinnt, freue ich mich ebenso wie Sie, auch wenn es nicht dieselbe Mannschaft ist.
Zwei ehrenwerte Männer, die sich beruflich dem edlen Fußballspiel widmen, Spieler also, möchte ich Ihnen wieder mal vorstellen dürfen. Es sind beide Niederländer: der eine weiß, der andere dunkel. Aber das, wissen Sie, tut bei uns nicht zur Sache. Die beiden Spieler haben noch zwei Gemeinsamkeiten. Erstens spielen sie beide im Angriff, und zweitens spielen sie beide in der deutschen Bundesliga. Der eine, mit Nachnamen Huntelaar, spielt bei Schalke 04 und heißt schlicht und einfach Klaas-Jan. Den anderen, mit Nachnamen Babel (seine Ururahnen kommen höchstwahrscheinlich aus der Region zwischen Euphrat und Tigris) nennen wir meistens Ryan. Unser Ryan Babel spielt linksaußen bei Hoffenheim. Und wo der Klaas-Jan spielt, habe ich Ihnen schon erzählt. Klaas-Jan ist weltweit bekannt wegen seiner Torgefährlichkeit.
In ihren letzten Spielen in dieser Saison traten die beiden noch einmal in den Vordergrund. Ryan Babel wurde mit zwei mal rot des Feldes verwiesen, worauf er (vielleicht nicht ganz und gar zu Unrecht) behauptete, der Schiedsrichter hätte unter Drogeneinfluß gepfiffen, denn die zweite gelbe Karte war ganz sicher keine. Klaas-Jan Huntelaar zeigte mal wieder, daß er aus der Gegend kommt wo ich, ihr untertänigster Terra, wohne. Er wurde mit sage und schreibe 29 Toren Torschützenkönig. Na also!
Warum sind die beiden, Ryan Babel sowohl als auch Klaas-Jan Huntelaar, im gewissen Sinne Außenseiter? Weil es nicht unmöglich ist daß sie beide, wie bei der vorigen EM in 2008, jetzt in 2012 wohl zu dem erweiterten Aufgebot gehören, aber vielleicht nicht einmal zum Einsatz kommen. In der Tat, da staunt man. Es kommt daher, erklärt mir der Fußballkenner beim Fernsehen, daß die Konkurrenz zu groß ist. Anscheinend gibt es noch bessere Spieler.
Ob das stimmt, kann ich Ihnen nicht sagen. Die ganze Nation, außer mir, weiß besser Bescheid. Jeder weiß es besser. Wissen die auch daß es wichtigeres gibt als ein Fußballspiel?
Über die Bilder: so ein Bild machten sich die unvermeidlichen Werbefachleute vor vier Jahren. Klaas-Jan Huntelaar und Ryan Babel vor der EM 2008. Und wie in 2008 lautet auch jetzt die Parole: unsere Zeit kommt noch!
Zwei ehrenwerte Männer, die sich beruflich dem edlen Fußballspiel widmen, Spieler also, möchte ich Ihnen wieder mal vorstellen dürfen. Es sind beide Niederländer: der eine weiß, der andere dunkel. Aber das, wissen Sie, tut bei uns nicht zur Sache. Die beiden Spieler haben noch zwei Gemeinsamkeiten. Erstens spielen sie beide im Angriff, und zweitens spielen sie beide in der deutschen Bundesliga. Der eine, mit Nachnamen Huntelaar, spielt bei Schalke 04 und heißt schlicht und einfach Klaas-Jan. Den anderen, mit Nachnamen Babel (seine Ururahnen kommen höchstwahrscheinlich aus der Region zwischen Euphrat und Tigris) nennen wir meistens Ryan. Unser Ryan Babel spielt linksaußen bei Hoffenheim. Und wo der Klaas-Jan spielt, habe ich Ihnen schon erzählt. Klaas-Jan ist weltweit bekannt wegen seiner Torgefährlichkeit.
In ihren letzten Spielen in dieser Saison traten die beiden noch einmal in den Vordergrund. Ryan Babel wurde mit zwei mal rot des Feldes verwiesen, worauf er (vielleicht nicht ganz und gar zu Unrecht) behauptete, der Schiedsrichter hätte unter Drogeneinfluß gepfiffen, denn die zweite gelbe Karte war ganz sicher keine. Klaas-Jan Huntelaar zeigte mal wieder, daß er aus der Gegend kommt wo ich, ihr untertänigster Terra, wohne. Er wurde mit sage und schreibe 29 Toren Torschützenkönig. Na also!
Warum sind die beiden, Ryan Babel sowohl als auch Klaas-Jan Huntelaar, im gewissen Sinne Außenseiter? Weil es nicht unmöglich ist daß sie beide, wie bei der vorigen EM in 2008, jetzt in 2012 wohl zu dem erweiterten Aufgebot gehören, aber vielleicht nicht einmal zum Einsatz kommen. In der Tat, da staunt man. Es kommt daher, erklärt mir der Fußballkenner beim Fernsehen, daß die Konkurrenz zu groß ist. Anscheinend gibt es noch bessere Spieler.
Ob das stimmt, kann ich Ihnen nicht sagen. Die ganze Nation, außer mir, weiß besser Bescheid. Jeder weiß es besser. Wissen die auch daß es wichtigeres gibt als ein Fußballspiel?
Über die Bilder: so ein Bild machten sich die unvermeidlichen Werbefachleute vor vier Jahren. Klaas-Jan Huntelaar und Ryan Babel vor der EM 2008. Und wie in 2008 lautet auch jetzt die Parole: unsere Zeit kommt noch!
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Sonntag, 6. Mai 2012
Bagatelle 158 - Spielangst & Spielfreude
terra40, 14:03h
Damals, vor vielen Jahren, verbrachte ich einige meiner Tage an der Fakultät der Sozialwissenschaften, und zwar an der Subfakultät Psychologie und mehr im besonderen im Fachbereich Entwicklungspsychologie. Als Student. Das klingt alles sehr ernst und steif, war es aber nicht. Es gab Tage, da saß ich zwischen Kleinkindern im Grundschulalter und spielte mit ihnen die schönsten Spiele. Zum Beispiel ein Spiel mit einem mit Nägeln bestückten Glückskasten, einigen leeren pappkartonnenen Bechern und ein paar fröhlich getupften Tischtennisbällchen. In den zwei vorhergegangenen Bagatellgeschichten (hier unten nachzulesen) habe ich Ihnen davon erzählt.
Die Frage war - die Psychologie besteht zum übergrößten Teil aus schwer zu beantwortenden Fragen und aus noch viel schwieriger zu verstehenden Antworten - ob Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren überhaupt mit solch einem Gerät - das sie noch nie in ihrem Leben gesehen haben - spielen werden wenn sie dazu in der Gelegenheit sind.
Meine Idee war es mich selber mit dem Kasten inmitten einer Gruppe Kinder zu stellen und zusammen mit ihnen der Frage nachzugehen ob es sich mit solch einem sonderbaren Glaskasten, den Tischtennisbällchen und den Bechern überhaupt spielen läßt. Dazu baute ich mir das uralte Wirtshausglücksspiel nach. Das ganze geschah in einem kleinen Forschungsprojekt wobei Studenten selber ihre Theorien, Thesen und Paradigmen auf ihrer Brauchbarkeit und Relevanz prüfen konnten. Das Thema der Forschung konnten wir, die Studenten, uns selber aussuchen: ich entschied mich für das Thema Spielangst & Spielfreude.
Was glauben Sie: werden Kinder mit solch einem Glückskasten samt allen Utensilien spielen oder werden sie es als Spielzeug verwerfen? Und wenn sie spielen, welche (eigens bedachte) Spielregeln werden sie berücksichtigen? Ich frage nur. Damals und jetzt wieder.
Ich will hier nicht Ihre kostbare Lesezeit verschwenden indem ich über alles genauestens berichte. Über alle Observationen und über alle Ergebnisse. Ich will nur einiges sagen über die Spielängste und Spielfreuden.
Die Theorie will, daß Kinder (Menschen allgemein) in eine meist sanfte Erregung gebracht werden wenn sie alleine oder zusammen mit anderen ein Spiel spielen. "Arousal" nennt man so etwas. Das Spiel (der Spielablauf) verläuft nach Wunsch, und man freut sich am spielen. Jeder von uns kann sich dabei etwas vorstellen. Die Erregung ist sanft und leise, denn 'es ist ja nur ein Spiel'. Und jeder Spieler ist sich davon bewußt. Daher ist verlieren oder gewinnen auch nicht so schlimm. Wenn aber zuviel auf dem Spiel steht, nähert der Erregungsgrad seinen kritischen Punkt. Zum Beispiel wenn der Einsatz (zu) hoch ist. Oder wenn man zu sehr zweifelt über die Karte welche auf den Tisch geworfen werden soll.
Kinder, so lautet die Theorie weiter, entwickeln ein ziemlich hohen Grad an negativer Erregung wenn sie bei einem Spiel vermuten daß es Spielregeln gibt, die aber nicht kennen. Oder sich nicht sicher sind welche Spielregel gelten. Dann werden sie das Spiel aufgeben und sich um etwas anderes, etwas bekanntes vertrautes, bemühen. Einiges wissen wir auch ziemlich sicher: Kinder werden nur zum freien Spiel kommen wenn sie sich sicher und geborgen fühlen. Die Umgebung muß stimmen.
Alles das sahen wir beim Spielen mit dem Glückskasten. Einige Kinder, meist die jüngeren, fühlten sich unheimisch und unsicher weil sie nicht wußten was mit dem Spielzeug anzufangen. Einige andere spielten zwar eine Zeitlang, wußten aber nicht ob sie die richtigen Regeln verwendeten, und hörten schließlich auf. Einige, die ältesten, aber nicht nur die, kamen mit originellen Lösungen und veranstalteten sogar kleine Wettkämpfe.
Was, fragen Sie sich vielleicht, sollen wir mit dieser Spielerei? Welchem Ziel dient diese gespielte Forschung? Gibt es irgendeinen Nutzen?
Die Antwort lautet schlicht: nein. Aber das ist gerade des Pudels Kern. Der homo ludens, der spielende Mensch, braucht keinen Nutzen. Er spürt keine Utilitätszwänge. Die Frage wozu dies alles gut sei, tut nicht zur Sache. Nur die Spielfreude zählt.
Zum Schluß zeige ich Ihnen ein anderes uraltes Spiel. Wetten daß Sie es je gespielt haben? Gefolgt von einem dazu passenden, englischen Spielvers. (Weil so viel Englisch inzwischen in die deutsche Sprache hineingedrungen ist, dürfte das kein Problem sein.)
All day I play at hopscotch,
And hop, and hop, and hop,
And when I go to bed at night,
I dream I never stop,
And all the world and everything
Is one big hopscotch square,
With one tired little girl (or boy),
Hopping here, and hopping there.
Die Frage war - die Psychologie besteht zum übergrößten Teil aus schwer zu beantwortenden Fragen und aus noch viel schwieriger zu verstehenden Antworten - ob Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren überhaupt mit solch einem Gerät - das sie noch nie in ihrem Leben gesehen haben - spielen werden wenn sie dazu in der Gelegenheit sind.
Meine Idee war es mich selber mit dem Kasten inmitten einer Gruppe Kinder zu stellen und zusammen mit ihnen der Frage nachzugehen ob es sich mit solch einem sonderbaren Glaskasten, den Tischtennisbällchen und den Bechern überhaupt spielen läßt. Dazu baute ich mir das uralte Wirtshausglücksspiel nach. Das ganze geschah in einem kleinen Forschungsprojekt wobei Studenten selber ihre Theorien, Thesen und Paradigmen auf ihrer Brauchbarkeit und Relevanz prüfen konnten. Das Thema der Forschung konnten wir, die Studenten, uns selber aussuchen: ich entschied mich für das Thema Spielangst & Spielfreude.
Was glauben Sie: werden Kinder mit solch einem Glückskasten samt allen Utensilien spielen oder werden sie es als Spielzeug verwerfen? Und wenn sie spielen, welche (eigens bedachte) Spielregeln werden sie berücksichtigen? Ich frage nur. Damals und jetzt wieder.
Ich will hier nicht Ihre kostbare Lesezeit verschwenden indem ich über alles genauestens berichte. Über alle Observationen und über alle Ergebnisse. Ich will nur einiges sagen über die Spielängste und Spielfreuden.
Die Theorie will, daß Kinder (Menschen allgemein) in eine meist sanfte Erregung gebracht werden wenn sie alleine oder zusammen mit anderen ein Spiel spielen. "Arousal" nennt man so etwas. Das Spiel (der Spielablauf) verläuft nach Wunsch, und man freut sich am spielen. Jeder von uns kann sich dabei etwas vorstellen. Die Erregung ist sanft und leise, denn 'es ist ja nur ein Spiel'. Und jeder Spieler ist sich davon bewußt. Daher ist verlieren oder gewinnen auch nicht so schlimm. Wenn aber zuviel auf dem Spiel steht, nähert der Erregungsgrad seinen kritischen Punkt. Zum Beispiel wenn der Einsatz (zu) hoch ist. Oder wenn man zu sehr zweifelt über die Karte welche auf den Tisch geworfen werden soll.
Kinder, so lautet die Theorie weiter, entwickeln ein ziemlich hohen Grad an negativer Erregung wenn sie bei einem Spiel vermuten daß es Spielregeln gibt, die aber nicht kennen. Oder sich nicht sicher sind welche Spielregel gelten. Dann werden sie das Spiel aufgeben und sich um etwas anderes, etwas bekanntes vertrautes, bemühen. Einiges wissen wir auch ziemlich sicher: Kinder werden nur zum freien Spiel kommen wenn sie sich sicher und geborgen fühlen. Die Umgebung muß stimmen.
Alles das sahen wir beim Spielen mit dem Glückskasten. Einige Kinder, meist die jüngeren, fühlten sich unheimisch und unsicher weil sie nicht wußten was mit dem Spielzeug anzufangen. Einige andere spielten zwar eine Zeitlang, wußten aber nicht ob sie die richtigen Regeln verwendeten, und hörten schließlich auf. Einige, die ältesten, aber nicht nur die, kamen mit originellen Lösungen und veranstalteten sogar kleine Wettkämpfe.
Was, fragen Sie sich vielleicht, sollen wir mit dieser Spielerei? Welchem Ziel dient diese gespielte Forschung? Gibt es irgendeinen Nutzen?
Die Antwort lautet schlicht: nein. Aber das ist gerade des Pudels Kern. Der homo ludens, der spielende Mensch, braucht keinen Nutzen. Er spürt keine Utilitätszwänge. Die Frage wozu dies alles gut sei, tut nicht zur Sache. Nur die Spielfreude zählt.
Zum Schluß zeige ich Ihnen ein anderes uraltes Spiel. Wetten daß Sie es je gespielt haben? Gefolgt von einem dazu passenden, englischen Spielvers. (Weil so viel Englisch inzwischen in die deutsche Sprache hineingedrungen ist, dürfte das kein Problem sein.)
All day I play at hopscotch,
And hop, and hop, and hop,
And when I go to bed at night,
I dream I never stop,
And all the world and everything
Is one big hopscotch square,
With one tired little girl (or boy),
Hopping here, and hopping there.
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Sonntag, 29. April 2012
Bagatelle 157 - Glückssache Teil II
terra40, 15:30h
Ein jeder, der sich unvorbereitet in dieser Bagatellenreihe verirrt hat und sich fragt: wieso Teil II? können wir nur raten hier unten auch die vorherige Bagatelle 156 zu lesen. Da war die Rede von einem uralten Glücksspiel, welches von einem gewissen Terra mehr oder weniger geschickt nachgebaut worden war. Die Frage war nach den wichtigsten Spielregeln.
Jetzt ist die Zeit gekommen für unpolitische, aufrichtige, ehrliche Antworten. Vorher aber einige kurze Bemerkungen.
(1) Wenn Sie ein Bällchen durch das Loch in der Oberseite seine Freiheit geben, fällt es auf den mittleren Nagel der zweiten Reihe. Entweder linksum oder rechtsum verfolgt es seinen Weg nach unten. Jetzt kann man beweisen daß die Chance daß der Ball sich schließlich unten in der Mitte wiederfindet größer ist als links oder rechts an der Seite. (Mit 100 Bällchen entsteht unten eine echte Gauß-Kurve.)
(2) Dies ist und bleibt ein Glücksspiel. Glauben Sie mir: weder Kraft, Intelligenz, Beredsamkeit noch Durchsetzungskraft hilft. Nur Glück, dás braucht man.
(3) Was die festen Spielregeln angeht: die gibt es nicht. Besser gesagt: jede Gruppe Spielender bestimmt vorher selber die Regel. Ist das keine Demokratie, oder irre ich mich?
Variationen und verschiedene Spielweisen gibt es deshalb viele. Ich gebe Ihnen drei Beispiele.
Variation I. (Wahrscheinlich die älteste und originellste.) Ein Spiel mit einem Ball pro Runde und mit einem Becher ohne Zahl.
Anzahl der Spieler: zwischen 2 und ± 8
Einsatz: nach Belieben individueller Spieler (geht in den Einsatztopf)
Jeder Spieler der an der Reihe ist, wählt zuerst wo er den einen Becher unten hinstellt. Er läßt einen Ball fallen. Der Spieler dessen Ball in den Becher fällt gewinnt den Einsatz. Bei einem Gleichstand (ex aequo) spielen die Gewinner noch einmal gegen einander (ohne neuen Einsatz).
Variation 2: Das Spiel mit sieben Bechern und einem / oder mehr Bälle.
Sieben numerierte Becher in der Reihenfolge 1-2-5-10-5-2-1
Anzahl der Spieler: zwischen 2 und ± 8
Anzahl der Runden: laut vorheriger Abmachung
Zahl der Bälle pro Runde: laut Absprache
Einsatz: nach individueller Wahl (kommt in den Topf)
Resultat: Totalzahl der Becherpunkte
Das Resultat aller Spieler in allen Runden wird fleißig notiert. Derjenige der nach den abgemachten Runden die höchste Punktzahl erreicht hat, gewinnt den Pott.
Variation 2a: Spielen um das niedrigste Resultat
Variation 2b: jeder Spieler bestimmt selber die Reihenfolge der Becher
Variation 2c: Spielen mit einem Ball-mit-Tupfern bringt eine doppelte Punktzahl.
Variation 3 (und mein Favorit): Neunzehnern (oder neunzehn werfen). Spiel mit sieben Bechern in der Reihenfolge 1-2-5-10-5-2-1 und mit mehreren Bällen.
Anzahl der Spieler: zwischen 2 und ± 8
Zahl der Bälle: nach Belieben individueller Spieler
Einsatz: keiner
Endpunktzahl: Summe der einzelnen Becherpunkte
Ziel: Jeder Spieler versucht eine Totalpunktzahl von 19 zu werfen (oder so nahe an 19 dran) Wer mehr als 19 erreicht, hat sowieso verloren.
Zum Beispiel: vier Spieler
Spieler A - mit zwei Bällen einmal 10 und einmal 5 bringt die Punktzahl: 15 (ein wohl sehr vorsichtiger Spieler)
Spieler B - mit drei Bällen 5 - 10 - 1 bringt die Punktzahl 16 (weniger vorsichtig)
Spieler C - mit vier Bällen 5 - 2 - 10 - 5 bringt die Punktzahl 22 (hat verloren weil mehr als 19)
Spieler D - mit vier Bällen 2 + 10 + 2 + 5 bringt die Punktzahl 19 (gewonnen und richtig gepokert)
Wer als erster dreimal verliert, gibt eine Runde aus.
Jetzt wissen Sie Bescheid. In der nächsten Bagatelle werde ich Ihnen erzählen wann und wieso ich dazu kam mir so ein altes Glücksspiel nachzubauen. Dann wird dieser Zweiteiler eine richtige Trilogie.
Jetzt ist die Zeit gekommen für unpolitische, aufrichtige, ehrliche Antworten. Vorher aber einige kurze Bemerkungen.
(1) Wenn Sie ein Bällchen durch das Loch in der Oberseite seine Freiheit geben, fällt es auf den mittleren Nagel der zweiten Reihe. Entweder linksum oder rechtsum verfolgt es seinen Weg nach unten. Jetzt kann man beweisen daß die Chance daß der Ball sich schließlich unten in der Mitte wiederfindet größer ist als links oder rechts an der Seite. (Mit 100 Bällchen entsteht unten eine echte Gauß-Kurve.)
(2) Dies ist und bleibt ein Glücksspiel. Glauben Sie mir: weder Kraft, Intelligenz, Beredsamkeit noch Durchsetzungskraft hilft. Nur Glück, dás braucht man.
(3) Was die festen Spielregeln angeht: die gibt es nicht. Besser gesagt: jede Gruppe Spielender bestimmt vorher selber die Regel. Ist das keine Demokratie, oder irre ich mich?
Variationen und verschiedene Spielweisen gibt es deshalb viele. Ich gebe Ihnen drei Beispiele.
Variation I. (Wahrscheinlich die älteste und originellste.) Ein Spiel mit einem Ball pro Runde und mit einem Becher ohne Zahl.
Anzahl der Spieler: zwischen 2 und ± 8
Einsatz: nach Belieben individueller Spieler (geht in den Einsatztopf)
Jeder Spieler der an der Reihe ist, wählt zuerst wo er den einen Becher unten hinstellt. Er läßt einen Ball fallen. Der Spieler dessen Ball in den Becher fällt gewinnt den Einsatz. Bei einem Gleichstand (ex aequo) spielen die Gewinner noch einmal gegen einander (ohne neuen Einsatz).
Variation 2: Das Spiel mit sieben Bechern und einem / oder mehr Bälle.
Sieben numerierte Becher in der Reihenfolge 1-2-5-10-5-2-1
Anzahl der Spieler: zwischen 2 und ± 8
Anzahl der Runden: laut vorheriger Abmachung
Zahl der Bälle pro Runde: laut Absprache
Einsatz: nach individueller Wahl (kommt in den Topf)
Resultat: Totalzahl der Becherpunkte
Das Resultat aller Spieler in allen Runden wird fleißig notiert. Derjenige der nach den abgemachten Runden die höchste Punktzahl erreicht hat, gewinnt den Pott.
Variation 2a: Spielen um das niedrigste Resultat
Variation 2b: jeder Spieler bestimmt selber die Reihenfolge der Becher
Variation 2c: Spielen mit einem Ball-mit-Tupfern bringt eine doppelte Punktzahl.
Variation 3 (und mein Favorit): Neunzehnern (oder neunzehn werfen). Spiel mit sieben Bechern in der Reihenfolge 1-2-5-10-5-2-1 und mit mehreren Bällen.
Anzahl der Spieler: zwischen 2 und ± 8
Zahl der Bälle: nach Belieben individueller Spieler
Einsatz: keiner
Endpunktzahl: Summe der einzelnen Becherpunkte
Ziel: Jeder Spieler versucht eine Totalpunktzahl von 19 zu werfen (oder so nahe an 19 dran) Wer mehr als 19 erreicht, hat sowieso verloren.
Zum Beispiel: vier Spieler
Spieler A - mit zwei Bällen einmal 10 und einmal 5 bringt die Punktzahl: 15 (ein wohl sehr vorsichtiger Spieler)
Spieler B - mit drei Bällen 5 - 10 - 1 bringt die Punktzahl 16 (weniger vorsichtig)
Spieler C - mit vier Bällen 5 - 2 - 10 - 5 bringt die Punktzahl 22 (hat verloren weil mehr als 19)
Spieler D - mit vier Bällen 2 + 10 + 2 + 5 bringt die Punktzahl 19 (gewonnen und richtig gepokert)
Wer als erster dreimal verliert, gibt eine Runde aus.
Jetzt wissen Sie Bescheid. In der nächsten Bagatelle werde ich Ihnen erzählen wann und wieso ich dazu kam mir so ein altes Glücksspiel nachzubauen. Dann wird dieser Zweiteiler eine richtige Trilogie.
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Sonntag, 22. April 2012
Bagatelle 156 - Glückssache
terra40, 20:43h
Jeder, der einigermaßen geschickt mit den Händen schaffen kann, macht ihn selber. Diesen prähistorischen Glückskasten, der vor Hunderten von Jahren in manchem Wirtshaus den armen Bauern und Bürgern das Geld aus der Tasche zog. Was, wann, wie, wovon und warum erklär ich Ihnen hier unten.
Was? Ich baue mir selber ein Spiel, ein Glücksspiel. Die Idee ist nicht ganz originell, sie stammt aus den 17. Jahrhundert. Das Spiel wurde damals tatsächlich in einigen Wirtshäusern gespielt. Zu der Zeit gab es noch keine einarmigen Banditen mit denen man mittels das Ziehen eines Hebels drei Mal Karo sichtbar machen konnte, wonach zwanzig Zwei-Euro-Münzen klirrend in den Auffangbehälter fielen. Aber dieser Kasten war schon der Anfang.
Es ist ein hölzerner Kasten: 90 Zentimeter etwa hoch, 60 Zentimeter breit und 10 Zentimeter tief. Auf der Hinterwand sieht man einige Reihen Nägel. In der Mitte der Oberseite sehen wir ein rundes Loch. Die Vorderseite besteht aus Plexiglas. Das Glas ist etwas kürzer als die Hinterwand, so daß unten eine Öffnung entsteht. Zu diesem Spiel gehören weiter einige Becher (einige davon mit einer Nummer versehen) plus einige (meistens drei) Tischtennisbällchen. Der Holzkasten steht stabil auf einem Tisch oder hängt feste an der Wand.
Welches Material? Holz, Plexiglas und Metall (Eiserne Nägel) aus dem Baumarkt. Praktiker oder Hagedorn ist mir egal. Die Becher schneidet man am besten aus wenig umweltverträglichem Plastik.
Wie? Ganz einfach. Aber präzise. Ich säge die Wände in den vorgegeben Maßen, zeichne mir genauestens an wo die Nägel in der Hinterwand eingeschlagen werden sollen, schlage die Nägelreihen in die Hinterwand, fräse Rillen in den Seitenwänden wodurch ich später die gläserne Vorderwand schiebe. Klebe schließlich alles zusammen. Tischtennisbälle ('Ping-pong'-bälle nennen wir die) kauft man in einem Sportgeschäft. Die Becher schneidet man am besten aus simplen Kaffeebechern.
Noch mehr? Ja. Zeichnen Sie mit einem Filzstift die Zahlen 1, 2, 5, und 10 auf einigen Bechern. Einige andere kommen ohne Zahl aus. Male Tüpfelchen auf einem der Tischtennisbälle.
Wie läuft das Spiel? Man spielt zu zweit oder zu mehrt. Zuerst wird ein (oder mehrere) Becher unten in den offenen Teil des Kastens geschoben. Danach wird ein Bällchen durch das offene Loch oben fallen gelassen. Fallend passiert das Bällchen einen Nagel pro Reihe: links herum oder rechts herum. Schließlich folgt die Landung auf die untere Holzkante. Entweder genau in einen Becher oder daneben auf den Holzboden. Das ist alles.
Zwei Fragen zum Schluß:
(1) Wie bei jedem richtigen Spiel kann man auch bei diesem gewinnen oder verlieren. Aber wie? Wer gewinnt? Was sind die wichtigsten Spielregel? Überlegen Sie selber. Sie bekommen eine Woche von mir zum nachdenken.
(2) Wie bekommen Sie Antworten auf die oben gestellten Fragen? Lesen Sie die nächste Bagatelle. In einer Woche, so um den 30. April, werde ich all ihre Fragen beantworten. Dann nämlich erscheint der zweite Teil dieser Geschichte, die sich inzwischen besser als eine Quiz-Story lesen läßt, wobei man allerdings keinen müden Euro gewinnen kann.
Was? Ich baue mir selber ein Spiel, ein Glücksspiel. Die Idee ist nicht ganz originell, sie stammt aus den 17. Jahrhundert. Das Spiel wurde damals tatsächlich in einigen Wirtshäusern gespielt. Zu der Zeit gab es noch keine einarmigen Banditen mit denen man mittels das Ziehen eines Hebels drei Mal Karo sichtbar machen konnte, wonach zwanzig Zwei-Euro-Münzen klirrend in den Auffangbehälter fielen. Aber dieser Kasten war schon der Anfang.
Es ist ein hölzerner Kasten: 90 Zentimeter etwa hoch, 60 Zentimeter breit und 10 Zentimeter tief. Auf der Hinterwand sieht man einige Reihen Nägel. In der Mitte der Oberseite sehen wir ein rundes Loch. Die Vorderseite besteht aus Plexiglas. Das Glas ist etwas kürzer als die Hinterwand, so daß unten eine Öffnung entsteht. Zu diesem Spiel gehören weiter einige Becher (einige davon mit einer Nummer versehen) plus einige (meistens drei) Tischtennisbällchen. Der Holzkasten steht stabil auf einem Tisch oder hängt feste an der Wand.
Welches Material? Holz, Plexiglas und Metall (Eiserne Nägel) aus dem Baumarkt. Praktiker oder Hagedorn ist mir egal. Die Becher schneidet man am besten aus wenig umweltverträglichem Plastik.
Wie? Ganz einfach. Aber präzise. Ich säge die Wände in den vorgegeben Maßen, zeichne mir genauestens an wo die Nägel in der Hinterwand eingeschlagen werden sollen, schlage die Nägelreihen in die Hinterwand, fräse Rillen in den Seitenwänden wodurch ich später die gläserne Vorderwand schiebe. Klebe schließlich alles zusammen. Tischtennisbälle ('Ping-pong'-bälle nennen wir die) kauft man in einem Sportgeschäft. Die Becher schneidet man am besten aus simplen Kaffeebechern.
Noch mehr? Ja. Zeichnen Sie mit einem Filzstift die Zahlen 1, 2, 5, und 10 auf einigen Bechern. Einige andere kommen ohne Zahl aus. Male Tüpfelchen auf einem der Tischtennisbälle.
Wie läuft das Spiel? Man spielt zu zweit oder zu mehrt. Zuerst wird ein (oder mehrere) Becher unten in den offenen Teil des Kastens geschoben. Danach wird ein Bällchen durch das offene Loch oben fallen gelassen. Fallend passiert das Bällchen einen Nagel pro Reihe: links herum oder rechts herum. Schließlich folgt die Landung auf die untere Holzkante. Entweder genau in einen Becher oder daneben auf den Holzboden. Das ist alles.
Zwei Fragen zum Schluß:
(1) Wie bei jedem richtigen Spiel kann man auch bei diesem gewinnen oder verlieren. Aber wie? Wer gewinnt? Was sind die wichtigsten Spielregel? Überlegen Sie selber. Sie bekommen eine Woche von mir zum nachdenken.
(2) Wie bekommen Sie Antworten auf die oben gestellten Fragen? Lesen Sie die nächste Bagatelle. In einer Woche, so um den 30. April, werde ich all ihre Fragen beantworten. Dann nämlich erscheint der zweite Teil dieser Geschichte, die sich inzwischen besser als eine Quiz-Story lesen läßt, wobei man allerdings keinen müden Euro gewinnen kann.
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Sonntag, 15. April 2012
Bagatelle 155 - Nur zufällig
terra40, 00:03h
20 Uhr irgendeines Tages ist es und ich setze mich fürs viel zu groß geratene flatbildscreen um mich über alles mögliche menschliche Leiden, lokal und interlokal, informieren zu lassen. Also, über alles was die Nachrichtenwelt für so wichtig hält, daß es in der heutigen Tagesschau verkündet werden muß. Just an dem Augenblick da der Nachrichtensprecher uns mitteilt, daß die Kanadische Stadt Vancouver von einem schweren Erdbeben getroffen ist und wörtlich sagt: .. einige Tote und Verletze werden noch unter den Trümmerhaufen vermutet …, liest meine Gattin, die sich in ihre Leseecke zurückgezogen hat um ihren neuesten Thriller zu genießen, auf Seite 133 den Satz: …. der kanadische Ex-Gangster gab zu von seinem Leben einen Trümmerhaufen gemacht zu haben." Das in der Zeit gleichsam Zusammenfallen zweier völlig unterschiedener Gegebenheiten (hier das gesprochenen versus gelesene Wort "Trümmerhaufen" in ebenso völlig unterschiedenen Kontexten) könnte man unter der Rubrik 'Zufall' einordnen. Oder?
Nein, sagt meine Frau, es passiert mir zu oft. Ich lese ein Wort - in der Zeitung, in einem Buch, auf einem Plakat - und ausgerechnet in diesem Moment höre ich das gesprochene Äquivalent: in einem Gespräch von zwei mir unbekannten Supermarktkunden bei der Kasse, im Radio, im Fernsehen. Das kann kein Zufall sein.
Nein, würde mein verstorbener Bruder behaupten. (In der Tat: derselbe als der vom zerbrochenen Krug aus der Bagatelle hier unten.) Der behauptete immer wieder vehement, daß es vieles zwischen Himmel und Erde gibt das sich wissenschaftlich nicht beweisen ließe. Stärker: es gäbe Phänomene und Ereignisse welche sich jeder wissenschaftlichen Diskussion entzögen. Sachen welche nicht nur nicht in einem bestimmten wissenschaftlichen Rahmen paßten, sondern in keinem einzigem Rahmen. Es gäbe Phänomene die sich nur sprachlich beschreiben ließen. Zum Beispiel das zeitlich Zusammenfallen zweier unterschiedlicher Ereignisse. Er nannte dieses Phänomen schlicht "Synchronizität" (Bitte nicht zu verwechseln mit Synchronität: das gleichzeitig Ablaufen eines Vorganges, wie das Synchronspringen der Taucher im Schwimmbad.) Wenn meine Frau liest: Vancouver, und der Tagesschausprecher nennt zu gleicher Zeit Vancouver als Ort des Erdbebens, ist das als ein Exempel einer Synchronizität zu sehen. Behauptete mein Bruder. Daß es dir nicht auffällt, sagte er zu mir, kommt dadurch, daß du dich nicht für diese Ereignisse öffnest. Du betrachtest diese Sachen als normal. Als zufällig. Und das sind sie gerade nicht.
Nun behauptete mein Bruder nicht nur unbeweisbare Tatsachen, er sammelte sie auch. In einem Art Tagebuch, welches wir irgendwo in seiner Büchermasse gefunden haben, schrieb er seine Synchronizitätsbeispiele. Wie immer mit Tinte und Feder. Ein solches Ereignis werde ich nun für Sie nacherzählen.
Bei der Buchhandlung X sah ich - Abteilung Antiquariat - ein sehr schönes Buch über Kirchen/Religionen in den Niederlanden. Gerade etwas für Herrn R. Senior, dachte ich, nahm das Buch aus dem Stapel heraus, und fing an zu blättern. Auf dem Vorsatzblatt stand ein Dankeswort eines Doktoranden an Herrn Professor Poppesma als Zeichen des Dankes für seine Hilfe bei der Promotion. Auch ein Festlied für den neuen Herrn Doktor lag dabei. Ich dachte: das Buch stammt wahrscheinlich aus der Erbschaft dieses Professors. Seine Erben haben 'aufgeräumt', wie es denn so geht.
Irgendwo auf diesem Büchertisch lagen auch drei schwere deutsche Kunstbücher - die berühmte Springer Kunstgeschichte aus 1921 -. Die kaufte ich mir auch, weil ich zu Hause schon einen anderen Teil aus dieser Kunstreihe besaß.
Zufrieden fuhr ich dann nach Hause. Dort blätterte ich durch die drei Kunstbücher die ich noch nicht eingesehen hatte. Und was fällt plötzlich aus dem Mittelalter-Teil? Eine antike Ansichtskarte mit darauf dem Köllner Dom und gerichtet an: Den jungen Herrn J.O. Poppesma zu Vlagtwedde.
Als Nachspeise noch solch eine Synchronizitätsgeschichte.
Eine Reihe Bücher befindet sich oberhalb meines geöffneten Klaviers. Während ich diese Bücher abstaube (so mit einem großen Staubpinsel) höre ich mich einen LP des Baritons Max van Egmond an, der Schubert und Ravel singt. Er singt gerade Don Quixote, einen Liederzyklus von Ravel. Ich bin etwas wild im Bewegen des Pinsels und plötzlich fällt ein Buch herunter und trifft mit der schmalen Kante eine Klaviertaste welche laut mit exakt derselben Note mitklingt die Max van Egmond gerade singt: die tiefe Schlußnote aus der "Prière".
Das kann doch kein Zufall sein!
Nein, sagt meine Frau, es passiert mir zu oft. Ich lese ein Wort - in der Zeitung, in einem Buch, auf einem Plakat - und ausgerechnet in diesem Moment höre ich das gesprochene Äquivalent: in einem Gespräch von zwei mir unbekannten Supermarktkunden bei der Kasse, im Radio, im Fernsehen. Das kann kein Zufall sein.
Nein, würde mein verstorbener Bruder behaupten. (In der Tat: derselbe als der vom zerbrochenen Krug aus der Bagatelle hier unten.) Der behauptete immer wieder vehement, daß es vieles zwischen Himmel und Erde gibt das sich wissenschaftlich nicht beweisen ließe. Stärker: es gäbe Phänomene und Ereignisse welche sich jeder wissenschaftlichen Diskussion entzögen. Sachen welche nicht nur nicht in einem bestimmten wissenschaftlichen Rahmen paßten, sondern in keinem einzigem Rahmen. Es gäbe Phänomene die sich nur sprachlich beschreiben ließen. Zum Beispiel das zeitlich Zusammenfallen zweier unterschiedlicher Ereignisse. Er nannte dieses Phänomen schlicht "Synchronizität" (Bitte nicht zu verwechseln mit Synchronität: das gleichzeitig Ablaufen eines Vorganges, wie das Synchronspringen der Taucher im Schwimmbad.) Wenn meine Frau liest: Vancouver, und der Tagesschausprecher nennt zu gleicher Zeit Vancouver als Ort des Erdbebens, ist das als ein Exempel einer Synchronizität zu sehen. Behauptete mein Bruder. Daß es dir nicht auffällt, sagte er zu mir, kommt dadurch, daß du dich nicht für diese Ereignisse öffnest. Du betrachtest diese Sachen als normal. Als zufällig. Und das sind sie gerade nicht.
Nun behauptete mein Bruder nicht nur unbeweisbare Tatsachen, er sammelte sie auch. In einem Art Tagebuch, welches wir irgendwo in seiner Büchermasse gefunden haben, schrieb er seine Synchronizitätsbeispiele. Wie immer mit Tinte und Feder. Ein solches Ereignis werde ich nun für Sie nacherzählen.
Bei der Buchhandlung X sah ich - Abteilung Antiquariat - ein sehr schönes Buch über Kirchen/Religionen in den Niederlanden. Gerade etwas für Herrn R. Senior, dachte ich, nahm das Buch aus dem Stapel heraus, und fing an zu blättern. Auf dem Vorsatzblatt stand ein Dankeswort eines Doktoranden an Herrn Professor Poppesma als Zeichen des Dankes für seine Hilfe bei der Promotion. Auch ein Festlied für den neuen Herrn Doktor lag dabei. Ich dachte: das Buch stammt wahrscheinlich aus der Erbschaft dieses Professors. Seine Erben haben 'aufgeräumt', wie es denn so geht.
Irgendwo auf diesem Büchertisch lagen auch drei schwere deutsche Kunstbücher - die berühmte Springer Kunstgeschichte aus 1921 -. Die kaufte ich mir auch, weil ich zu Hause schon einen anderen Teil aus dieser Kunstreihe besaß.
Zufrieden fuhr ich dann nach Hause. Dort blätterte ich durch die drei Kunstbücher die ich noch nicht eingesehen hatte. Und was fällt plötzlich aus dem Mittelalter-Teil? Eine antike Ansichtskarte mit darauf dem Köllner Dom und gerichtet an: Den jungen Herrn J.O. Poppesma zu Vlagtwedde.
Als Nachspeise noch solch eine Synchronizitätsgeschichte.
Eine Reihe Bücher befindet sich oberhalb meines geöffneten Klaviers. Während ich diese Bücher abstaube (so mit einem großen Staubpinsel) höre ich mich einen LP des Baritons Max van Egmond an, der Schubert und Ravel singt. Er singt gerade Don Quixote, einen Liederzyklus von Ravel. Ich bin etwas wild im Bewegen des Pinsels und plötzlich fällt ein Buch herunter und trifft mit der schmalen Kante eine Klaviertaste welche laut mit exakt derselben Note mitklingt die Max van Egmond gerade singt: die tiefe Schlußnote aus der "Prière".
Das kann doch kein Zufall sein!
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Freitag, 6. April 2012
Bagatelle 154 - Puzzlescherben
terra40, 15:34h
Vorsichtig entnehme ich dem Kühlschrank das Kännchen Kaffeemilch. Die dazugehörende Schüssel wechselt ebenfalls ihren Standort, weil sie dummerweise wegen einiger Milchtropfen unten an dem Kännchen haften bleibt. Kaum außerhalb des Kühlschrankes geschieht das Unvermeidliche: Schüsselchen entfernt sich vom Kännchen weil die Haftung versagt - Schüsselchen zerschellt am Granitboden in mindestens sechsundzwanzig Stücken. Schade, es war schönes, altes Steingut.
Zwischendurch einiges über ein merkwürdige Begebenheit. Die Tatsache, daß von den inzwischen dutzenden Bagatellen just diese eine gerne gelesen wird, nämlich die Bagatelle welche vom Baukasten handelt. Das ultime Spielzeug das so viele gute Erinnerungen nach oben treiben läßt. Offenbar teilen viele Leserinnen und Leser mit mir diesen einen Gedanken: es gibt kein schöneres Spielzeug auf der Welt als einen Baukasten. (Vorzugsweise bestückt mit Grimmschen Märchenbildern.)
Man möge es mir verzeihen, aber ich bin der Meinung, daß es große, essentielle und grundlegende Unterschiede gibt zwischen einem Baukasten und einem (Lege)Puzzle, zwischen einerseits zwanzig in einem zauberhaften Märchen geordneten Würfeln und anderseits den ausgestanzten pappkartonnenen Plätzchen welche zusammen mit ihren tausend eine Mona Lisa zu bilden scheinen.
Nein, das Legen eines Puzzles (ein typisch deutsches Wort übrigens ..) ist nicht so meine Sache. Ich habe auch wenig Bewunderung für alte und junge Zeitgenossen welchen es gelungen ist aus 2345 Stückchen eine süd-bayrische Alpenlandschaft zu schaffen. Und Gnade dem, der es danach fertig gebracht hat diese Landschaft auf einer Holzplatte zu verleimen. (!)
Nur, weitere Verleumdungen oder sonstige herablassende Bemerkungen über Puzzle-legenden werden Sie nicht von mir hören. Denn anders als früher gönne ich jedem ihre oder seine Freizeitbeschäftigung, welche auch immer, so lange es einem anderen körperlich oder seelisch nicht schadet.
Früher, in meiner Studentenzeit und einige Jahre danach, als ich sowieso alles ja viel besser wußte, habe ich mal einen Aufsatz geschrieben über Arbeit und Spiel, über den homo faber und den homo ludens. Ich habe selber Spielzeug erdacht und konstruiert, und dann observiert ob und wie Kinder damit spielten. Und damals wußte ich mit Sicherheit: mit einem Baukasten kann man spielen, mit einem Puzzle nicht. Jetzt bin ich mir nicht so sicher.
Über das Verleimen von Puzzlestücken gibt es bei uns noch eine besondere Familiengeschichte. Mein - unlängst verstorbener - Bruder sah im Schaufenster eines Antiquariatsladen eine wunderbare Schale. Altes, kinesisches Porzellan. Er ging hinein und kaufte diese Schale für einen guten, angemessenem Preis. Der Verkäufer war so freundlich ihm die Schale in sanftem Papier und dann in einer plastik Tüte mit auf den Weg zu geben. Beim öffnen der Ladentür glitt meinem Bruder die Tüte aus der Hand. Die Schale zerschellte in vielen Stücken.
Mein Bruder jammerte nicht lange, nahm seinen Verlust, reiste nach Hause, leimte alle noch vorhandenen Schalestückchen zusammen und gab die zu neuem Leben gekommene Schale schließlich seiner Lieblingsschwägerin (meine Gattin also) als Geburtstagsgeschenk.
Hier sehen Sie die gebrochene Schale. Die Familiengeschichte macht jetzt ihren Wert aus. Hinter der Tür links befindet sich ein Innenraum mit vielen Bücherschranken und noch mehr Büchern. Eins davon ist Lessings Der gebrochene Krug, der beim näheren Hinsehen zerbrochen statt gebrochen ist, und statt Lessing offenbar von Heinrich von Kleist beschrieben wurde.
Zwischendurch einiges über ein merkwürdige Begebenheit. Die Tatsache, daß von den inzwischen dutzenden Bagatellen just diese eine gerne gelesen wird, nämlich die Bagatelle welche vom Baukasten handelt. Das ultime Spielzeug das so viele gute Erinnerungen nach oben treiben läßt. Offenbar teilen viele Leserinnen und Leser mit mir diesen einen Gedanken: es gibt kein schöneres Spielzeug auf der Welt als einen Baukasten. (Vorzugsweise bestückt mit Grimmschen Märchenbildern.)
Man möge es mir verzeihen, aber ich bin der Meinung, daß es große, essentielle und grundlegende Unterschiede gibt zwischen einem Baukasten und einem (Lege)Puzzle, zwischen einerseits zwanzig in einem zauberhaften Märchen geordneten Würfeln und anderseits den ausgestanzten pappkartonnenen Plätzchen welche zusammen mit ihren tausend eine Mona Lisa zu bilden scheinen.
Nein, das Legen eines Puzzles (ein typisch deutsches Wort übrigens ..) ist nicht so meine Sache. Ich habe auch wenig Bewunderung für alte und junge Zeitgenossen welchen es gelungen ist aus 2345 Stückchen eine süd-bayrische Alpenlandschaft zu schaffen. Und Gnade dem, der es danach fertig gebracht hat diese Landschaft auf einer Holzplatte zu verleimen. (!)
Nur, weitere Verleumdungen oder sonstige herablassende Bemerkungen über Puzzle-legenden werden Sie nicht von mir hören. Denn anders als früher gönne ich jedem ihre oder seine Freizeitbeschäftigung, welche auch immer, so lange es einem anderen körperlich oder seelisch nicht schadet.
Früher, in meiner Studentenzeit und einige Jahre danach, als ich sowieso alles ja viel besser wußte, habe ich mal einen Aufsatz geschrieben über Arbeit und Spiel, über den homo faber und den homo ludens. Ich habe selber Spielzeug erdacht und konstruiert, und dann observiert ob und wie Kinder damit spielten. Und damals wußte ich mit Sicherheit: mit einem Baukasten kann man spielen, mit einem Puzzle nicht. Jetzt bin ich mir nicht so sicher.
Über das Verleimen von Puzzlestücken gibt es bei uns noch eine besondere Familiengeschichte. Mein - unlängst verstorbener - Bruder sah im Schaufenster eines Antiquariatsladen eine wunderbare Schale. Altes, kinesisches Porzellan. Er ging hinein und kaufte diese Schale für einen guten, angemessenem Preis. Der Verkäufer war so freundlich ihm die Schale in sanftem Papier und dann in einer plastik Tüte mit auf den Weg zu geben. Beim öffnen der Ladentür glitt meinem Bruder die Tüte aus der Hand. Die Schale zerschellte in vielen Stücken.
Mein Bruder jammerte nicht lange, nahm seinen Verlust, reiste nach Hause, leimte alle noch vorhandenen Schalestückchen zusammen und gab die zu neuem Leben gekommene Schale schließlich seiner Lieblingsschwägerin (meine Gattin also) als Geburtstagsgeschenk.
Hier sehen Sie die gebrochene Schale. Die Familiengeschichte macht jetzt ihren Wert aus. Hinter der Tür links befindet sich ein Innenraum mit vielen Bücherschranken und noch mehr Büchern. Eins davon ist Lessings Der gebrochene Krug, der beim näheren Hinsehen zerbrochen statt gebrochen ist, und statt Lessing offenbar von Heinrich von Kleist beschrieben wurde.
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Montag, 26. März 2012
Bagatelle 153 - Buchwurm
terra40, 00:57h
Doch, wer heute in unseren niedrig gelegenen Landen lebt, hat weniger zu lachen. Während wir seit Lebens stolz waren auf unsere Gastfreundlichkeit, auf unsere Toleranz Minderheitsgruppen gegenüber, auf unsere unabhängige Meinung übers Weltgeschehen, über unsere fortschrittliche Attitüde in heftig diskutierten Sachen wie Homosexualität oder Euthanasie, und vor allem stolz waren auf die Tatsache, daß unser Land seit Jahrhunderten für Menschen, die anderswo wegen ihres Glaubens oder wegen ihrer politischer Überzeugung verfolgt wurden, immer ein Zufluchtsort war, seit einigen Jahren haben sich die Zeiten geändert.
Stolz ist vielleicht nicht der passende Begriff. Bewohner anderer Länder sind stolz auf ihr Land. Niederländer sehen das etwas einfacher: es gehört einfach zu uns. Es ist so unsere Art mit anderen Menschen umzugehen. Jetzt müßten wir fast sagen: es war unsere Art. Wenn bei uns eine Partei, die sich (schändlicherweise) Partei der Freiheit nennt, Menschen gegen einander aufhetzt, eine nicht geringe Zahl an Sitzen im Parlament erobert, wird es Zeit etwas dagegen zu tun. Aber verlassen wir bitte für heute dieses Thema, sonst rege ich mich zu viel auf. Und das, sagt meine liebe Kardiologin, sei schlecht fürs Herz.
Nicht alles ist faul im Staate der Niederlande. Einiges Gutes ist uns geblieben. Was heißt: in diesen Tagen geschieht allerhand bei uns das einzigartig in der Welt ist. Zwar nur auf einem bestimmten Gebiete, nämlich das Buch und der/die Lesende, aber immerhin.
Wir feierten mal wieder die jährlich stattfindende Buchwoche. Die dauert bei uns immer zehn Tage, weil eine Woche nicht ausreicht um allen Einwohnern noch mal davon zu überzeugen wie köstlich, herrlich, genußbringend, erhebend, lehrreich und amüsant das Lesen eines Buches ist.
Wo anderswo in den frühlingshaften Karnevalszeiten mit Kamellen um sich her geschmissen wird, so verteilen die niederländischen Buchhändler, die sich wie es sich gehört in einem Verein versammelt haben, unter ihren Lesern ein Buchwochengeschenk. Das funktioniert folgendermaßen: wenn Sie sich vorige Woche hier bei uns einen schweren Roman gegönnt hätten, oder sonst für lausige zwanzig Euro Lesematerialien gekauft hätten, wären Sie von der freundlichen Buchverkäuferin gratis und umsonst mit einer Novelle beschenkt worden. Noch besser: wenn Sie am vorigen Sonntag mit der Bahn durchs Land gereist waren, hatten Sie, wenn Sie dem Schaffner das Buchwochengeschenk vorzeigen konnten, freie und kostenlose Fahrt. Bahn fahren und Buch lesen paßt prima zusammen, wie alle Blogger hier wissen.
Einige Nörgler (die es ja offenbar immer gibt) könnten meinen, daß es sich hier um eine alberne, minderwertige Buchausgabe mit inferiorem Inhalt handelte. Im Gegenteil: der Autor ist ein viel gepriesener Flaming, einer aus Flandern also, wo das Niederländische die Muttersprache ist. Er verdient zweifelsfrei in zwanzig Jahren den Literaturnobelpreis. Und das Buch, fast hundert Seiten in einem harten Band, ist eine wunderbare Novelle. Ein Kunstwerk. Ein Kleinod. So bald sie ins Deutsche übersetzt wird, können Sie sich überzeugen.
Die Frankfurter Buchmesse kennt jeder. Aber die niederländische Buchwoche ist einzigartig. Runde 900.000 Exemplare des Buchwochengeschenkes sind gedruckt, verteilt und (hoffentlich) gelesen worden. Das kann kein einziges anderes Land behaupten. Darauf wollen wir stolz sein.
Stolz ist vielleicht nicht der passende Begriff. Bewohner anderer Länder sind stolz auf ihr Land. Niederländer sehen das etwas einfacher: es gehört einfach zu uns. Es ist so unsere Art mit anderen Menschen umzugehen. Jetzt müßten wir fast sagen: es war unsere Art. Wenn bei uns eine Partei, die sich (schändlicherweise) Partei der Freiheit nennt, Menschen gegen einander aufhetzt, eine nicht geringe Zahl an Sitzen im Parlament erobert, wird es Zeit etwas dagegen zu tun. Aber verlassen wir bitte für heute dieses Thema, sonst rege ich mich zu viel auf. Und das, sagt meine liebe Kardiologin, sei schlecht fürs Herz.
Nicht alles ist faul im Staate der Niederlande. Einiges Gutes ist uns geblieben. Was heißt: in diesen Tagen geschieht allerhand bei uns das einzigartig in der Welt ist. Zwar nur auf einem bestimmten Gebiete, nämlich das Buch und der/die Lesende, aber immerhin.
Wir feierten mal wieder die jährlich stattfindende Buchwoche. Die dauert bei uns immer zehn Tage, weil eine Woche nicht ausreicht um allen Einwohnern noch mal davon zu überzeugen wie köstlich, herrlich, genußbringend, erhebend, lehrreich und amüsant das Lesen eines Buches ist.
Wo anderswo in den frühlingshaften Karnevalszeiten mit Kamellen um sich her geschmissen wird, so verteilen die niederländischen Buchhändler, die sich wie es sich gehört in einem Verein versammelt haben, unter ihren Lesern ein Buchwochengeschenk. Das funktioniert folgendermaßen: wenn Sie sich vorige Woche hier bei uns einen schweren Roman gegönnt hätten, oder sonst für lausige zwanzig Euro Lesematerialien gekauft hätten, wären Sie von der freundlichen Buchverkäuferin gratis und umsonst mit einer Novelle beschenkt worden. Noch besser: wenn Sie am vorigen Sonntag mit der Bahn durchs Land gereist waren, hatten Sie, wenn Sie dem Schaffner das Buchwochengeschenk vorzeigen konnten, freie und kostenlose Fahrt. Bahn fahren und Buch lesen paßt prima zusammen, wie alle Blogger hier wissen.
Einige Nörgler (die es ja offenbar immer gibt) könnten meinen, daß es sich hier um eine alberne, minderwertige Buchausgabe mit inferiorem Inhalt handelte. Im Gegenteil: der Autor ist ein viel gepriesener Flaming, einer aus Flandern also, wo das Niederländische die Muttersprache ist. Er verdient zweifelsfrei in zwanzig Jahren den Literaturnobelpreis. Und das Buch, fast hundert Seiten in einem harten Band, ist eine wunderbare Novelle. Ein Kunstwerk. Ein Kleinod. So bald sie ins Deutsche übersetzt wird, können Sie sich überzeugen.
Die Frankfurter Buchmesse kennt jeder. Aber die niederländische Buchwoche ist einzigartig. Runde 900.000 Exemplare des Buchwochengeschenkes sind gedruckt, verteilt und (hoffentlich) gelesen worden. Das kann kein einziges anderes Land behaupten. Darauf wollen wir stolz sein.
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Freitag, 16. März 2012
Bagatelle 152 - Zum verwechseln ähnlich
terra40, 23:10h
Was ein Aneurysma ist wissen Sie. Natürlich wissen Sie das: es ist, grob gesagt, ein Riß eines Blutgefäßes, einer Ader, meist einer Schlagader. Solch ein Riß kann zu einer lebensgefährlichen, arteriellen Verblutung führen.
Das ist fast alles was ich über ein Aneurysma zu sagen weiß. Ich bin kein Arzt und, weil ich rundum gesund bin und mich auch so fühle, gibt es auch wenig Anlaß alles wichtige von Aneurysmen wissen zu wollen. Doch dann wird man plötzlich vom wirklichen Leben eingeholt.
Vor kurzem starb mein jüngerer Bruder. Inmitten eines normalen Gespräches mit einer ihn besuchenden Freundin - an einem Mittwochmorgen gegen zwölf - wurde er unwohl, und legte sich auf die Bank. Ein Aneurysma trat ein, eine Arterie zerplatzte und der Herzbeutel wurde mit Blut gefüllt. Die normale Herzfunktion wurde unmöglich und er verlor das Bewußtsein. Die Freundin alarmierte sofort den Notdienst und zusammen mit einer zugeeilten Nachbarin brachten die beiden Damen meinen Bruder per Notarztwagen mit Blaulicht und Sirene ins städtische Krankenhaus. Dort starb er, wenige Stunden später.
Mein Bruder war einige Jahre jünger als ich. Er lebte alleine - er war unverheiratet - in einer niederländischen Provinzhauptstadt. Bei einigen (wissenschaftlichen) Verlagen arbeitete er als "Buchmacher". Das heißt: wenn ein Autor - meistens aus den Sparten Wissenschaft, Kunst und Kultur - sein Manuskript fertig hatte, hätte er in den Verlag gehen können, wo mein Bruder aus dem geschriebenen oder gedruckten Manuskript ein wunderschönes fertiges Buch zauberte. Er illustrierte, korrigierte, kam mit alternativen Textvorschlägen und bereitete manchem Autor einiges Kopfzerbrechen, vor allem wenn er es besser wußte als der Autor selber.
Sonst war mein Bruder ein Dichter, Philosoph, ein Naturmensch, ein Katzenfreund, ein Opernfreund erster Güte, ein Briefeschreiber, ein Kenner und Liebhaber der schönen Künste und sonst ein angenehmer, lieber Mensch. Obwohl alleine lebend hatte er eine Schar von Freunden und Bekannten um sich versammelt mit denen er eine rege Korrespondenz führte. Und am Abend trank er ein gutes Glas Wein mit seinen lieben Nachbarn.
Wir, mein Bruder und ich sahen uns, weil wir weit aus einander wohnten, selten. Selten heißt in diesem Fall: einige Male pro Jahr. Aber wir unterhielten fast täglich e-mailkontakte; wir kannten uns von jung auf, der Kontakt ist nie verloren gegangen und wir mochten uns sehr. Körperlich gesehen ähnelten wir uns. Und wie älter wir wurden, wie mehr wir uns ähnlich sahen (sagten alle anderen). Wie sehr, zeigt folgende wahre Begebenheit.
Einige Tage nachdem mein Bruder verstorben war, waren meine Frau und ich wieder in seine Stadt gereist um die notwendigen Prozeduren zu erledigen. Sie wissen.
Meine Frau stand kurz vor der Abreise an der Nachbarstür um sich zu verabschieden und ich stand auf dem Bürgersteig neben der geöffneten Wagentür. Da kommt ein anderer Nachbar von gegenüber herangelaufen und sagt zu mir beim vorbeigehen: "Guten Tag, lieber Herr Nachbar, haben Sie sich von der Krankheit erholt? Ich habe den Notarztwagen vor ihrer Haustür gesehen und ich hab mich schon oft gefragt wie es Ihnen geht.(!)
Ich mußte ihn enttäuschen: "Lieber Herr Nachbar, ich bin es nicht. Ich bin sein Bruder. Mein Bruder von gegenüber ist vor einigen Tagen gestorben. Aber ich danke Ihnen sehr für ihr Interesse und Nachfrage."
Der Nachbar erschrak, entschuldigte sich tausendfach, und überbrachte mir sein tief gemeintes Beileid das ich gerne in Empfang nahm.
Auf dem Bild sehen Sie wie Frau Terra, meine Gattin also, von meinem Bruder seine neue Digitalkamera erklärt bekommt. So also sieh ich aus. Äußerlich. Etwa so ähnlich.
Das ist fast alles was ich über ein Aneurysma zu sagen weiß. Ich bin kein Arzt und, weil ich rundum gesund bin und mich auch so fühle, gibt es auch wenig Anlaß alles wichtige von Aneurysmen wissen zu wollen. Doch dann wird man plötzlich vom wirklichen Leben eingeholt.
Vor kurzem starb mein jüngerer Bruder. Inmitten eines normalen Gespräches mit einer ihn besuchenden Freundin - an einem Mittwochmorgen gegen zwölf - wurde er unwohl, und legte sich auf die Bank. Ein Aneurysma trat ein, eine Arterie zerplatzte und der Herzbeutel wurde mit Blut gefüllt. Die normale Herzfunktion wurde unmöglich und er verlor das Bewußtsein. Die Freundin alarmierte sofort den Notdienst und zusammen mit einer zugeeilten Nachbarin brachten die beiden Damen meinen Bruder per Notarztwagen mit Blaulicht und Sirene ins städtische Krankenhaus. Dort starb er, wenige Stunden später.
Mein Bruder war einige Jahre jünger als ich. Er lebte alleine - er war unverheiratet - in einer niederländischen Provinzhauptstadt. Bei einigen (wissenschaftlichen) Verlagen arbeitete er als "Buchmacher". Das heißt: wenn ein Autor - meistens aus den Sparten Wissenschaft, Kunst und Kultur - sein Manuskript fertig hatte, hätte er in den Verlag gehen können, wo mein Bruder aus dem geschriebenen oder gedruckten Manuskript ein wunderschönes fertiges Buch zauberte. Er illustrierte, korrigierte, kam mit alternativen Textvorschlägen und bereitete manchem Autor einiges Kopfzerbrechen, vor allem wenn er es besser wußte als der Autor selber.
Sonst war mein Bruder ein Dichter, Philosoph, ein Naturmensch, ein Katzenfreund, ein Opernfreund erster Güte, ein Briefeschreiber, ein Kenner und Liebhaber der schönen Künste und sonst ein angenehmer, lieber Mensch. Obwohl alleine lebend hatte er eine Schar von Freunden und Bekannten um sich versammelt mit denen er eine rege Korrespondenz führte. Und am Abend trank er ein gutes Glas Wein mit seinen lieben Nachbarn.
Wir, mein Bruder und ich sahen uns, weil wir weit aus einander wohnten, selten. Selten heißt in diesem Fall: einige Male pro Jahr. Aber wir unterhielten fast täglich e-mailkontakte; wir kannten uns von jung auf, der Kontakt ist nie verloren gegangen und wir mochten uns sehr. Körperlich gesehen ähnelten wir uns. Und wie älter wir wurden, wie mehr wir uns ähnlich sahen (sagten alle anderen). Wie sehr, zeigt folgende wahre Begebenheit.
Einige Tage nachdem mein Bruder verstorben war, waren meine Frau und ich wieder in seine Stadt gereist um die notwendigen Prozeduren zu erledigen. Sie wissen.
Meine Frau stand kurz vor der Abreise an der Nachbarstür um sich zu verabschieden und ich stand auf dem Bürgersteig neben der geöffneten Wagentür. Da kommt ein anderer Nachbar von gegenüber herangelaufen und sagt zu mir beim vorbeigehen: "Guten Tag, lieber Herr Nachbar, haben Sie sich von der Krankheit erholt? Ich habe den Notarztwagen vor ihrer Haustür gesehen und ich hab mich schon oft gefragt wie es Ihnen geht.(!)
Ich mußte ihn enttäuschen: "Lieber Herr Nachbar, ich bin es nicht. Ich bin sein Bruder. Mein Bruder von gegenüber ist vor einigen Tagen gestorben. Aber ich danke Ihnen sehr für ihr Interesse und Nachfrage."
Der Nachbar erschrak, entschuldigte sich tausendfach, und überbrachte mir sein tief gemeintes Beileid das ich gerne in Empfang nahm.
Auf dem Bild sehen Sie wie Frau Terra, meine Gattin also, von meinem Bruder seine neue Digitalkamera erklärt bekommt. So also sieh ich aus. Äußerlich. Etwa so ähnlich.
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