Freitag, 24. Mai 2013
Bagatelle 188 - Abschlußprüfung
Hierzulande ist der Wonnemonat Mai ein richtiger Schreckensmonat weil Examenmonat. Viele 16 bis 20jährige Schüler und Studenten aus dem dreigeteilten Sekundarbereich: VMBO (bei Ihnen Hauptschule), HAVO (Realschule) und VWO (Gymnasium) bemühen sich das beste aus sich herauszuholen um die Abschlußprüfungen zu bestehen. Wir leiden mit ihnen und wundern uns über die Schwierigkeitsgrad der Examenfragen und Aufträge. Und wir freuen uns sehr wenn am Ende die Klassenlehrerin, der Mentor oder sogar der Direktor himself die gute Nachricht überbringt: du hast bestanden! Doch, du bist durchgekommen! Herzlichen Glückwunsch! Uns bald weht draußen aus dem Fenster die Nationalflagge neben dem jetzt leeren Schulbuchranzen.

Um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln was so eine Abschlußprüfung beinhaltet, folgt hier nun ein Beispiel. Es ist ein Teil der Prüfung derjenigen Realschüler die sich für das Wahlfach Deutsch entschieden haben. Nachdem sie einen kurzen Text gelesen haben, müßten die Kandidaten eigentlich die zwei folgenden Aufgaben meistern. (Die Aufgabe ist in der Tat authentisch: HAVO-examen Duits 2013)


Als das Liedberger Landgasthaus vor fünf Jahren seinen ersten Sieg bei der Tour de Menu Düsseldorf mit einem Galadinner feierte, trat Franziska Maderecker so (1) auf, dass der anwesende Sternekoch Jean-Claude Bourgueil sie (2) mit "Frau Kollegin" begrüßte.
Die Antwort des Mädchens verblüffte den Meister: "So weit ist es noch nicht. Aber wenn ich meinen Chef heute nicht blamiere, bekomme ich vielleicht einen Ausbildungsvertrag!"
Peter Schmitt, Patron des renommierten Restaurants in Korschenbroich, war vom Talent seiner 15-jährigen Praktikantin schon damals überzeugt.


1) Welche Ergänzungen passen in die Lücken (1) und (2)?
A. auffallend - ironisch
B. bescheiden - mitleidig
C. enttäuschend - abwertend
D. überzeugend - respektvoll

2) In welcher Funktion begann die Franziska Maderecker mit ihrer Arbeit im Liedberger Landgasthaus? Begründe deine Antwort bitte mit einem Zitat aus dem Text.

Nun, was halten Sie von dieser Aufgabe?

Man kann die Sache auch umdrehen. Nehmen wir an: Sie machen die Abschlußprüfung im Fach Niederländisch und ich liefere Ihnen hierbei die folgende Aufgabe: lesen Sie bitte den Text und versuchen Sie die zwei Fragen richtig zu beantworten.

Onlangs vierde Jan Gerritsen, eigenaar/kok van het gerenommeerde restaurant "De Parel" in Sleeswijk, het (1) feit dat hij vijf jaar geleden voor het eerst een Michelin-ster behaalde. Dit jaar zag hij het aantal sterren zowaar verdubbeld.
Zoals wij allen weten is de heer Gerritsen een ingetogen, beleefd en (2) mens die meer waarde hecht aan de kwaliteit van het eten en van de tevredenheid van zijn gasten dan aan de beloning in de vorm van een ster méér.


1. Vervang (1) en (2) door een passend woordenpaar. Kies uit:

A. onverwachte - ongeduldig
B. heuglijke - bescheiden
C. nieuwe - arrogant
D. onbelangrijke - intelligent

2. Hoe oud was de heer Gerritsen toen hij zijn eerste Michelin-ster behaalde?
Beredeneer je antwoord met behulp van de tekst.


Lösung Aufgabe 1. Die Ergänzungen bei B. sind die richtigen.
Lösung Aufgabe 2: Aus dem Text kann man das Alter des Herrn Gerritsen nicht ableiten. (Verzeihung: es war eine Fangfrage.)

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Samstag, 18. Mai 2013
Bagatelle 187 - Pomp, sowie Pracht und Prahl


In dieser Zeit, wo der eine Monarch - in unserem Fall eine Königin - abdankt, und der andere sein hohes Amt antritt, erscheinen, fast unbemerkt aber unaufhaltsam, die ersten offiziellen Staatsfotos des Königs Willem-Alexander samt seiner Gemahlin, die Königin Maxima. Wer will kann sich die Bilder downloaden und danach selber ausdrucken und an die Wand hängen.

Das können wir aber noch besser, muß unser Pfau Jeroen gedacht haben als er den Herrn Terra, den Hoffotografen wohl bekannt, bat von ihm solch ein offizielles Porträtfoto zu machen worauf er in all seiner Herrlichkeit und Schönheit zu sehen ist.

Eine Augenweide, finden Sie auch nicht? Mir fehlen die Worte. Aber das Bild genügt. Jedes erläuternde und erklärende Wort ist hier fehl am Platze.

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Montag, 6. Mai 2013
Bagatelle 186 - Flittertage
In diesen schönen Maitagen habe ich endlich der Bitte des Herrn pastiz - Sie wissen: einer unserer immer so gut gesonnenen blogger.de-Freunde - entsprochen. Er war es eben, der mich freundlich aber auch etwas dringend gebeten hatte für unseren Pfauhahn Jeroen, der nach dem Versterben seines Dutzfreundes Hahn-Ohne-Namen alleine auf weiter Flur bei uns verweilte, eine passende Partnerin zu suchen.

Am ersten Mai, bei Ihnen ein Tag der Arbeit, wo alle dennoch die Arbeit ruhen lassen oder von derselben ausruhen, sollte alles Geplante sich abspielen. Am diesem ersten Mai also, morgens kurz vor neune, fuhr ich mit meiner alten Schulfreundin Frau Magda S. nach einem ihrer zahlreichen Bekannten um dort eine Pfauendame abzuholen.

Zwischendurch und ganz nebenbei: die Frau Magda S., kenne ich seit meiner Geburt: wir saßen sechs Jahre lang zusammen in derselben Grundschulklasse. Frau Magda ist auch diejenige die alle zehn Jahre ein Schülertreffen unserer Klasse organisiert und auch sonst dafür sorgt daß wir uns nicht aus den Augen verlieren. Sie ist immer hilfsbereit und sie hatte eine Adresse für mich entdeckt wo vielleicht eine Pfauenhenne zu bekommen war. Eine andere Eigenschaft der Frau Magda ist daß sie jeden kennt und jeder sie kennt. Zweitens ist sie besser im Reden als im Zuhören.

Die Autofahrt zum Pfauenkaufhof dauerte nur zehn Minuten. Und auch diese Zeit wurde gefüllt mit Aussagen der Frau M. Sie weiß wer wo wohnt, kennt alle Eigenschaften und Tücken der Bewohner der Wegstrecke die wir zusammen ablegen und scheut auch sonst kein einziges Thema. Zehn nach neun überquerten wir die niederländische Staatsgrenze und viertel nach neun erreichten wir den Hof dessen Bauer und Bäuerin mit der Frau Magda telefonisch verabredet hatten, daß wir dort für gutes Geld eine Pfauenhenne kaufen könnten.

Der hilfsbereite Bauer hatte die Henne für uns schon eingefangen und in einem Sack aufbewahrt den er mir à raison von sage und schreibe 15 Euro überreichte. In dem Gespräch, daß die Frau M. inzwischen mit der freundlichen Bäuerin angefangen hatte - über alle beiderseitigen Bekannten und sonstigen Weltenbummler - fiel der Name Jetta. (Offiziell natürlich Henriette.) In Gedanken gab ich meiner Pfauenhenne schon diesen Namen. Nach vieles hin und her Palaver nahmen wir Abschied, bedankten uns für den Empfang und für die bereitwillige Freigabe der Pfauendame und fuhren zurück nach Hause.

Die Jetta ist also eine deutsche Pfauenhenne. Sie emigriert sozusagen nach uns, ins Ausland, in die Niederlande. Es macht mir gar nichts aus. Wir, die wir unser ganzes Leben an der Grenze verbracht haben, läßt die Frage nach der Staatsangehörigkeit ziemlich kalt. Uns interessiert nur die Frage ob und wie der Pfauenhahn Jeroen mit der Pfauendame Jetta auskommt. Werden die sich mögen? Oder werden sie Erzfeinde? Um Streitigkeiten zu vermeiden habe ich die Jetta zuerst in einem offenen leerstehenden Hühnerstall eingeschlossen. Mit offener Tür, aber so daß sie nicht fliehen konnte. Mein Gefühl sagte mir, daß es vielleicht keine so schlechte Idee war, daß die beiden sich wohl sehen, aber nicht berühren konnten.

Den folgenden Tag, frühmorgens, habe ich den beiden die Möglichkeit geboten sich näher kennen zu lernen. Die Henne war anfangs sehr schüchtern, aber nach einer Weile stapfte sie munter hin und her. Von dem Pfauenhahn nahm sie komischerweise kaum Notiz. Der Hahn Jeroen tat sein bestes: er zeigte sich in all seiner Schönheit, ließ seiner prächtigen Federpracht den freien Lauf - die richtigen Pfauenkenner pflegen dann wohl zu sagen: er schlägt ein Rad - und versuchte schon bei diesem ersten Treffen seine männliche Potenz unter Beweis zu stellen (Was ihm nur mäßig gelang.) Dann trennten sich ihre Wege.

Nachmittags, als ich einem Besucher die Henne zeigen wollte, war die Jetta verschwunden. Überall gesucht, aber nirgends eine Spur. War sie zurück in die Heimat? Hatte sie Heimweh? Ich fragte den Jeroen, aber der wußte auch von nichts. Irgendwo tat es mir leid. Nach zwei Tagen schon verschwunden. Tot und begraben vielleicht? Man denkt in solchen Fällen an alles mögliche.

Abends, kurz vor Sonnenuntergang machte ich noch einmal meinen Rundgang über den Hof. Und raten Sie mal was ich dann sah. In der weitesten Ecke, dort wo sich ein baufälliger Hühnerstall verbirgt hinter Erlenbäumen und vielem Unkraut, sah ich zwei Vögel. Der eine war meine Pfauendame Jetta. Sie war auf das Dach des Hühnerstalls geflogen und von da aus hatte sie sich einen Platz zum Schlafen gesucht und gefunden in einem Baum. Und an der anderen Seite des Erlenstammes saß eine kleine Feldeule. Eine von dem Eulenpaar das schon viele Jahre unseren Hof besucht und hier nistet. Er hüpfte hin und her als ob er die Pfauendame vor mir warnen wollte.

Seitdem hat sich die Situation kaum geändert. Die zwei Pfauen gehen getrennte Wege. Tagsüber verbleibt die Jetta im Gebüsch an der entlegensten Stelle des Hofes, während der Jeroen am anderen Ende des Geländes hin und her geht und ab und zu laut von sich hören läßt. Abends fliegt die Jetta in einen Baum und setzt sich dort zur Ruhe. Jeroen schläft wie gewohnt auf der Pergola. Wir alle sind gespannt wie lange dieser Status-quo-Zustand anhält.

Und wo bleibt die Antwort auf die meist naheliegende Frage unsererseits?, mögen Sie einbringen. Wo ist der Beweis daß es sie wirklich gibt, die Jetta?
Ich kann dienen mit zwei Bildern. Das eine zeigt die Jetta bei ihren ersten Ausflügen außerhalb des Hühnerstalls. In dem anderen sehen wir den Jeroen der morgens beim Kaffeetrinken um ein kleines Stückchen Kuchen bittet.
Sie leben bis heute in zwei Welten. Wenn sich die Sachverhalte ändern sollten, werde ich Ihnen darüber unterrichten.




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Mittwoch, 1. Mai 2013
Bagatelle 185 - Royal Werbung
Karg ist ein Wort das zum unterstehenden Bild paßt.
Karg ist die Beleuchtung des Zimmers. Die alte weißharige Dame, die wir hier hinter ihrem königlichen Schreibtisch nachdenkend sitzen sehen, erhält das Licht zum Lesen nur von der einsamen "Bankers"lampe links von ihr und den Rest von der Tischlampe in der rechten Ecke. Karg und schlicht ist auch die Einrichtung des Zimmers. Ein geräumiger Schreibtisch samt Stuhl genügen offenbar. Karg ist auch das Getränk: nur eine Tasse feiner Ceylon Tee und ein Glas Wasser. Die Tasse ist aus Royal Doulton oder exquisitem Wedgwood Porzellan, das schon.

Links von uns aus gesehen und rechts von der Dame ein Stapel noch zu bearbeitenden Dokumenten und sonstige Schriftstücke. Einige erfordern eine Korrektur, andere eine Signatur. Rechts von uns und links von Ihrer Majestät ein kleiner Haufen schon fertiggestellte Ministerialgeschriften oder andersartige Gesetzesvorschläge. Trotz ihres Alters liest die Majestät noch ohne Brille. Falls nötig - manche Geschriften sind so exorbitant schlecht geschrieben und gedruckt daß man eine Brille braucht um sie zu lesen, und Verstand und Fingerspitzengefühl um sie zu verstehen.

Hier sehen wir Ihre Majestät Elisabeth II. Herrscherin über das United Kingdom. Viele unter uns hatten das schon geahnt, weil sie in der Ferne hinter dem Fensterglas die beleuchtete Uhr des Londoner Big Ben vermuteten. Sie haben recht. Auch an der tadellosen Haltung und Ausstrahlung, an der echten Perlenkette und an die Coiffure erkennen wir die königliche Majestät.

Geheimnisvoll sind die Worte - oder sind es Gedanken? - welche frei in der Luft herumschweben. Es erinnert uns ein wenig an die alte Geschichte vom Profeten Daniel, (derselbe der sich einige Zeit später zwischen den Löwen zurückfand,) und dem König Balsasar aus dem fernem Nineveh. Sie wissen: damals wo die Worte und Buchstaben die des Königs Ende ankündigten, an die Wand erschienen.
Auf unserem Bild sind es die Gedanken der Königin Elisabeth die da lauten (einigermaßen frei übersetzt): "… hätte jeder nur so eine Rente! …"

Die Gedanken sind frei und die Rede ist hier von der niederländischen Königin Beatrix, die sich dieser Tage nach drei-und-dreißig Jahren von der Regierung verabschiedet hat. Daran denkt die Königin Elisabeth. Sie kann es sich offenbar nicht leisten ihren Thron dem englischen Kronprinzen Charles zu überlassen. Nein, denkt sie, die liebe Kollegin Beatrix hat gut reden. Die bekommt von Staatswegen nach ihrer Abdankung eine passende Rente. Die kann ruhig in Pension gehen.

Das Bild der nachdenklichen Königin Elisabeth erschien heute in den großen holländischen Tageszeitungen. Es war eine amüsante Werbung eines der bekanntesten Versicherungsgesellschaften in unserem Lande. Es geschah just ein Tag nachdem uns ein neuer König Willem-Alexander und eine neue Königin Maxima geschenkt wurde. Es war der erste Mai. Bei Ihnen ein Tag der Arbeit, wo alle die Arbeit ruhen lassen. Bei uns ein normaler Werktag. Für unsere Altkönigin Beatrix - jetzt wieder Prinzessin Beatrix - der erste Tag ihrer von Elisabeth II so beneideten Pension.


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Donnerstag, 18. April 2013
Bagatelle 184 - Taubnesselalbumblatt
Wegen des langen, anhaltenden Winters - so sagen uns die meteorologischen Sachverständige sowie die sonstigen klimatologischen Besserwisser - ist der Frühling fast um drei Wochen ins Hintertreffen geraten. Daher kommt es auch, daß wir so lange auf die Frühlingsblumen draußen haben warten müssen. Das Schneeglöckchen zum Beispiel war dieses Jahr so spät dran, daß es sogar daran dachte dieses Jahr nicht (mehr) zu erscheinen. Und heute, wir schreiben Mitte April, zeigen die Scharbockskräuter ihre köstlichen gelben Sternblüten so schön wie sonst im Februar.

Sie mögen anders urteilen, aber nach meiner Meinung ist die weiße Taubnessel eine der schönsten wilden Frühlingsblumen. Sie blüht jetzt noch nicht, gerade wegen der besagten Wetterverzögerung, aber jeden Tag schweife ich herum, den Gräben und Wegrändern entlang, und suche ihre feste Blumenstengel und ihre himmlische Blüte. Laut Botaniker ist die Blütenkrone zweilippig, wobei die Oberlippe behaart ist. Und das untere Kronblatt ist ein ausgezeichneter Anflugplatz für herumstreifende Nektarsucher wie Bienen und Hummel. Und noch immer, wenn ich eine Taubnessel sehe, nehme ich die Blüte zwischen Daumen und Zeigefinger um die Lippen bewegen zu lassen.



Es geschah vor vielen, vielen Jahren, auf der pädagogischen Hochschule die ich damals besuchte, daß der dortige Biologie- und Botaniklehrer uns aufforderte verwilderte und wildwachsende Blumen in freier Wildbahn zu studieren. Wir bekamen den Auftrag mindestens zwanzig - aber fünfzig war eine bessere Zahl - Blumenarten äußerst vorsichtig aus dem Boden zu buddeln, diese zu Hause zwischen Spezialpapier unter Druck zu trocknen und sie schließlich in einem Spezialalbum aufzubewahren. Der Lehrer nannte so etwas ein Herbarium: ein Sammelsurium für Blumen und Pflanzen, komplett mit Fundort, lateinischem Namen und inklusive Besonderheiten.

Von diesem Tag an konnte man mich, alleine oder mit Freunden, durch die Wälder, Auen und Wiesen gehen sehen um Blumen zu sammeln. Und wie es jedem Sammler vergeht: man vergnügte sich nicht mit allen normalen, üblichen Blumensorten die es in große Mengen gab. Nein, man suchte seltene Stücke, rare Funde, Blumen die sonst keiner in seiner Sammlung hatte. Nicht daß wir sehr seltene Pflanzen dem Boden entrückten. Das war uns, gerade von dem genannten Lehrer, strengstens untersagt. Und eine Klassenfreundin, die aus Versehen - sie wußte nicht welche Missetat sie begangen hatte weil sie die Pflanze nicht kannte - eine seltene Orchidee gepflückt und getrocknet hatte, bekam gar dafür eine leichte Rüge. Trotzdem suchten wir alle nach besonderen Blumen und Pflanzen.

So auch ich. Und ich fand diese weiße Taubnessel. Nicht verwandt oder verschwägert mit dem Brennessel. Gefunden, zum trocknen gelegt und in einem Herbarium für die Ewigkeit aufgehoben, in Mai 1957. Immer noch bildschön.

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Donnerstag, 11. April 2013
Bagatelle 183 - Kaffeesatzgeflüster
Wie Sie ihren Kaffee machen, darüber wage ich mich nicht zu äußern. Wir gönnen selbstverständlich jedem Herrn seinen eigenen Geschmack und jeder Dame ihre individuelle und nicht zu bestreitende Kaffeebereitungsart.
Nein, laßt uns besser einige alte Kaffeetraditionen und die dazu zugehörenden Kaffeeutensilien in den Vordergrund stellen um etwas zu erfahren was sonst keiner Gewahr wird. Vielleicht bringen wir die aus Plastik Bechern trinkenden Espresso-Generationen auf bessere Gedanken. Es folgen vier aufschlußreiche Bilder.

Bild 1. Zuerst zeige ich Ihnen ein uraltes Kaffeetafelgeschirr, das heißt: was noch davon übrig ist. Es gehörte Frau Terras Großmutter. Und die Familiengeschichte will, daß die Oma mitten im kalten Winter das Geschirr in einem aus Weiden geflochtenen Korb mit in die Nachbarschaft nahm, wo es in der Jahresvisite von Nutzen war. (Die liebe Nachbarin hatte selbst eben nicht genug Tassen und Schüssel.) In Deutschland heißt dieses Tafelgeschirr wohl 'Sächsisches Steingut'; bei uns schlicht 'blau sachs'. Mann sieht einige Tassen und Schüssel, ein Milchkännchen und einen eleganten Zuckertopf. Auf dem sachsblauen Teller liegt Spekulatius, eine winterliche Leckernei. Denn zu einer guten Tasse Kaffee gehört etwas Gebackenes: ein Stückchen Schwarzwalder Kirsch oder Spekulatius mit dem Bildnis des guten Sankt Nikolaus.




Bild 2. Das hier ist nicht gerade der Kaffee der mich anmacht. Zuviel und zuviel Milch hineingeschüttet. (Und wahrscheinlich mindestens zwei Zuckerwürfel, was die Sache nicht besser macht.) Sie als guter Observator haben das natürlich gleich bemerkt: die Tasse ist voll bis zum Rand, fast überlaufend. Wir nennen das in unserer Mudart Borkulose Maote, was so viel heißen will als 'nach Borkeloer Maß". Borculo ist ein unbedeutendes Dorf hier in der Umgebung. Dort wohnten (und wohnen) Leute die kein Maß kannten und kennen, und auch weiterhin nicht auf ein Maß mehr oder weniger achten. Aber das müssen die natürlich selber wissen.





Bild 3. Der Kaffee wird gemeinsam (auch in Bachs Kaffeekantate) wie die Suppe nicht so heiß getrunken als er eingegossen wird. Sagt der Volksmund, so muß es wohl stimmen. Aber es gibt tatsächlich Leute die das Warten verlernt haben und ihren Kaffee abzukühlen versuchen indem sie ihn in ihre Schüssel gießen. Dann wird kurz darüber geblasen en trinkt der Trinker - die Schüssel mit beiden Händen festhaltend - genießend den Kaffee. Diese Art Kaffee zu trinken sah man oft bei den Bauern in der Sommererntezeit - Der Roggen mußte schnellstens gemäht werden bevor der Regen kam! - die sich nicht die Zeit nahmen für ein gemütliches Kaffee(viertel)stündchen.





Bild 4. Hier sehen wir die Antwort auf die Frage der Gastgeberin (Sie steht da neben Ihnen mit der Kaffeekanne in der Hand) "Soll ich dir noch einmal einschenken?" Statt laut und deutlich zu antworten: "Nein, vielen Dank, lieb von dir, aber mir reicht's", stellt der Gast seine Tasse kopfüber, umgekehrt also, auf die Schüssel.
Sagen Sie bitte nicht, daß so eine Gebärde ein Zeichen von Hochmut oder Überheblichkeit ist. Nein, es ist lauter Gewohnheit. Sagen Sie auch nicht daß so etwas nicht vorkommt. Es hab es früher bei meinem Großvater oftmals gesehen. Dann pflegte er manchmal zu mir zu sagen: "Junge, ich rate dir: trink nicht soviel Kaffee. Davon kriegt man krumme Beine."
Davon hab' ich aber bis heute noch nichts gemerkt. Aber es kann ja noch kommen. Im Kaffeesatz liegt die Antwort.

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Freitag, 29. März 2013
Bagatelle 182 - Wortwechsel
Heute ist Karfreitag. Heute wird des Tages gedacht, wo laut christlichen Glaubens Jesus von Nazareth an der Schädelstätte Golgatha gekreuziget wurde. Lange ist's her, aber gerade noch in unserer Zeitrechnung. Etymologisch, wiederum laut meines/meinem treuen Duden(s), stammt das karge im Wortteil Kar(freitag) von einem verschwundenen mittelhochdeutsches Wort das etwa 'Sorge' bedeutete. So wie das englische care.

Vór dem Karfreitag steht zeitlich gesehen der Grüne Donnerstag. Und nach ihm kommt der Ostersamstag, obwohl Ostern zwar vor der Tür, aber noch keinen Eintritt gehalten hat. Diese ganze Leidenswoche schon wurden wir hier bei uns in den Niederlanden von Passionen überflutet. Seien es die Bachsche Matthäus oder Johannes, sei es die moderne Passion, wo tausende und Abertausende live sahen wie abends Freiwillige ein Kreuz durch die Innenstadt von Den Haag, die Parlementsgebäude entlang, trugen, dabei begleitet von Jungstars die Gospelsongs und Ähnliches tausendmal verstärkt in die Menge warfen. Geschätzte Zuschauerzahlen am Bildschirm: mehr als zwei Millionen (und das will in einem so kleinen Land etwas heißen.)

Mir geht es trotzdem nicht um das Leidensspektakel, sondern um die Wortwahl. Karfreitag heißt bei uns Guter Freitag (Goede Vrijdag). Ihr Ostersamstag ist bei uns ein 'stiller Zaterdag' (Für einen Moment vergessen wir die Massen in den großen Verkaufs- und Gartenzentren und den vorösterlichen Ansturm in die Freizeitparks.) Und der deutsche Grüne Donnerstag hat grenzüberschreitend seine Farbe gewechselt: bei uns heißt er trefflich der Weiße Donnerstag (Witte Donderdag).



Dieses Jahr war der Donnerstag tatsächlich weiß. Weiß wie Schnee. Sogar am Karfreitag morgens wurden wir alle von einer neuen Schneedecke erfreut. Wir machen uns schon Sorge ob und wann der Frühling kommt. Oder kommt er überhaupt nicht?
Wie auch immer: Zeit für gute Wünsche muß immer sein. Deshalb, in grün oder in weiß: frohe Ostern!

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Mittwoch, 20. März 2013
Bagatelle 181. Mißgeschick
Unter diesem Titel schrieb mir mein Pfau, den Sie unter dem Namen Jeroen kennen, (Siehe Bagatelle 160), heute diesen offenen Brief, den ich mit seinem Einverständnis die Ehre habe Ihnen hier vorzulesen.



Lieber Terra,
Doch, man kann es so nennen. Die Geschicke welche mir dieser Tage widerfahren kann man nicht ohne weiteres als pures Pech bezeichnen. Dafür sind die Ereignisse zú wichtig, zú gravierend und zú eingreifend als daß man sie als negative Zufälligkeiten bezeichnen könnte.

Du kennst die Geschichte. Natürlich kennst du sie, denn du bist ja eine der Hauptpersonen. Heute vor zehn Monaten kam ich auf meiner Weltreise - durch die Wälder, durch die Auen - zufälligerweise auf deinen Hof. Dort gefiel es mir so gut, daß ich beschloß dein Angebot hier zu bleiben anzunehmen. Dabei hatte ich das Glück, daß dein einziges noch lebende Haustier, der Hahn-ohne-Namen (HON), mich in seiner Gesellschaft duldete. Stärker noch: wir tranken Brüderschaft und wurden Freunde. Seitdem gingen wir unsere tägliche Runde um den Hof herum, wärmten uns zusammen in der Mittagssonne und verblieben beide in der schützenden Scheune wenn es draußen mal wieder blitzte und donnerte. Das Leben war gut. So weit.

Vorige Woche ist daran ein Ende gekommen. Plötzlich, aber nicht ganz unerwartet, ist unser gemeinsamer Freund HON - aus Altersgründen wohl - gestorben. Du weißt das, denn ich hab' mit meinen eigenen Augen gesehen wie du ihn vorsichtig und sorgsam der wartenden Erde anvertraut hast. Von diesem Zeitpunkt an war ich alleine und habe mich solo durchschlagen müssen.

Nein, ich beklage mich nicht. Du kannst nichts dafür. Aber was mir heute passierte brachte mich fast in Verzweiflung.
Heute ist der 20 März. Das weiß ich denn morgen ist es der 21. und das ist zugleich mit Frühlingsanfang dein Geburtstag. Ich wiederhole es noch einmal: heute ist der zwanzigste dritter anno 2013. In dieser Jahreszeit sollte die ganze Welt voll neues Leben sein. Üppige Frühlingsblumen sollten einen Hauch vom kommenden Sommer verbreiten; manche Vögel haben schon ihren Partner gewählt und das Nest vorbereitet. Ich gebe zu: auch ein Pfau ist nicht aus Eisen und im Frühling juckt es mich schon. So sehr daß ich dir vorige Woche schon mal meine wunderbare empor gerichtete Federpracht gezeigt habe.

Aber was geschah heute? Morgens um elf fing es an zu schneien. Das Wetter wurde so unangenehm, daß ich fast die ganze Zeit alleine im stillen Hühnerstall verbringen mußte. Und abends, als es kühle wurde und ich meinen Schlafsitz: die an deinem Hause angebaute hölzerne Pergola - aufsuchte, schneite es noch immer.
Da wurde es mir fast zu viel. Frühlingsanfang und dann fast zehn Zentimeter Neuschnee mit angemessener Kälte! Das kann ich mit gutem Willen nicht länger zufalliges Pech nennen. Oder?

Wie gut daß du mit deiner Digitalkamera kamst und alles für immer und ewig festgelegt hast. Jetzt kann ich beweisen daß am 20. März im Jahre 2013 der Winter Eintritt hielt.

herzlichst,
dein Jeroen

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Donnerstag, 7. März 2013
Bagatelle 180 - Habemus Lettore!
Ein dunkler Schatten fiel über uns allen herab als die beliebte niederländische Fernsehberichtansagerin Sacha de Boer der Fernsehvolksversammlung anvertraute sich, nach fast achtzehn Jahren dem Lande gedient zu haben als Nachrichtensprecherin bei den 8-Uhr-Nachrichten im Ersten Programm, ihrer eigentlichen Aufgabe widmen zu wollen: der Photographie. Kürzer und noch besser gesagt: ab den 1. Mai wechselt sie ihren Beruf. Nicht länger Hauptsprecherin der Nachrichten während prime time, sondern schlichte Fotografin. Nicht länger vollends der Öffentlichkeit ausgesetzt, sondern die Arbeit im Verborgenem. Sie, die Frau de Boer, ihr bezaubernd schönes Bildnis sehen Sie hier unten, wird sich daran gewöhnen müssen, und wir auch.



Nun hat der Zufall es so eingerichtet, daß gerade in diesen Tagen nóch eine weltweite Persönlichkeit sich von der (geistlichen) Weltbühne entfernt. Und zwar der Papst Benedikt, (der 16.), der freiwillig und um Gründen der Gesundheit abdankt und in die stille Studierkammer der Theologie zurückkehrt. Mehr als einhundert Kardinäle sind inzwischen aus aller Herren Ländern angereist um sich an der Wahl eines neuen Papstes zu beteiligen. Man wird sich einmauern in der sixtinischen Kapelle und dann erst wieder hervortreten wenn einstimmig ein neuer und nicht weniger Heiliger Vater gewählt worden ist. So weit so gut.

Dieser eine Gedanke läßt mich seitdem nicht mehr los. Nämlich: warum sollte das gemeine Volk hier bei uns nicht dem Vorbild der Kirchenhirten folgen und ebenfalls in einer Art Konklave eine neue Nachrichtensprecherin wählen dürfen? Eine grandiose Idee, nichtwahr?

Wir handhaben es folgendermaßen. Zuerst wählen wir, das ist die niederländische Bevölkerung plus alle Ausländer die sich gerufen fühlen mitzumachen, aus unserer Mitte eine RG-Hundertschaft (Abkürzung RGH wobei RG steht für Richtige Volksvertreter). Auf diesen hundert Landsleuten ruht dann unsere ganze Hoffnung. Weil sie schon unser Vertrauen bekommen haben, verzichten sie auf ein Gehalt. Die RGH ist vollkommen 'at random' zusammengesetzt. Und selbstverständlich sind die Bevölkerungsschichten und Gruppen relativ gleich groß und gleichermaßen vertreten. Also: Kinder und Erwachsene, Jung und Alt, Frau und Mann, Hetero und Homo, Weiß und Schwarz, Bürger und Bauer, Protestant und Katholik, Sunnitisch und Sjiitisch, Rot-Grün und Gelb-Schwarz, Dumm und Intelligent, und so weiter und und so fort: alle sind in der RGH repräsentiert.

Die erste Aufgabe der RGH besteht darin daß man im Internet eine RGH-site nebst einem facebook-account, einem linked-line account, einem twitter-account und einem hyves-account einrichtet. Danach stellen alle hundert gewählte Mitglieder sich auf der RGH-Internetseite dem Volke vor. Und wir alle wählen dann unseren eigenen RGH-Favoriten. Diese Person wählt quasi für uns die neue Nachrichtensprecherin wobei man aus folgenden Kandidatinnen wählen kann (nur zum Beispiel: es können sich noch andere Kandidatinnen melden).

Hier sind sie:

Astrid Kersseboom




Gülden Ilmaz




Hella Hueck




Mariëlle Tweebeeke




Eva Jinek





Ich sehe es schon vor mir. Tausende und Abertausende stürmen die RGH-internetseite, klicken auf ihre Favoriten und rufen ihm/ihr zu: "Wählt bitte die Hella!!" oder "Ich rate dir dringend: gib deine Stimme der Eva J.!!" Einige werden sogar frech: "Wagen Sie es nicht ihre Stimme der Astrid Kersseboom zu geben, sonst passiert etwas schreckliches!". Und wir werden uns gegenseitig beglückwünschen: Seht, so funktioniert eine richtige Demokratie!

Am Wahltag dann wird der Erste Vorsitzende der RGH in die Öffentlichkeit treten und ausrufen: "Wir haben eine neue 8-Uhr-Nachrichtensprecherin!! Habemus Lettore di News!! Und aus einem der Fernseh- und Rundfunkschornsteinen des Mediaparks in Hilversum wird inzwischen ein weißer Rauch empor kringeln.


***

Nachrede: Die Wahl fiel am 2. April. Und wie bei der Papstwahl fielen alle Favoriten raus. Anchorfrau bei den 8-Uhr Nachrichten bei Nederland I wird Annechien Steenhuizen. Schon wegen des wunderschönen Vornamen eine glückliche Wahl. Sehen Sie selbst:

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Sonntag, 17. Februar 2013
Bagatelle 179 - Schweinejagd
Unlängst las ich in meiner in allen Belangen treuen und vertrauten Regionalzeitung, daß ein Mitbewohner einer unserer Plattelandsnachbargemeinden bei der Gemeindeverwaltung einen nicht alltäglichen Antrag gestellt hatte. Er bat um Erlaubnis hinter seinem schon zwanzig Jahre existierenden privaten Tierfriedhof ein Tierkrematorium bauen zu dürfen. Weil, so behauptete er, viele Mitbürger das Bedürfnis hätten ihre Lieblingstiere, seien es große oder kleinere, nach deren Tod einäschern zu lassen.

Da staunte ich nicht schlecht. Aber nicht sehr lange. Weil, wenn es schon so lange spezielle Tierfriedhöfe gibt, alle offiziell gestattet und zugelassen, warum dann auch nicht ein Tierkrematorium?

Selber würde bei mir niemals der Gedanke aufkommen solches zu tun. Unsere gestorbenen Haustiere: Hunde, Katzen, Hühner etc. wurden immer feierlich von mir persönlich beerdigt. Hinter dem Hof ein Loch in der Erde mit manchmal einen großen Kieselstein obendrauf damit ich mir die genaue Stelle besser merken konnte. Und bei unseren Nachbarn, die noch richtig ihren Bauernberuf nachgehen, werden die toten sogenannten "Gebrauchs"tiere wie Kühe, Schafe und Schweine immer noch von einem Kadaverwagen - wie wir ihn nennen - abgeholt und zum Destruktor gefahren. Für diese Tiere kein Friedhof und auch kein Krematorium also.



Doch, ich bin ein Tierfreund. Ich mag sie und kann noch keine Fliege etwas antun. Fragen Sie unseren (jetzt einzigen) Hahn. Oder unseren Pfau Jeroen der vor sieben Monaten bei uns zugelaufen kam und seitdem unseren Hof als sein rechtmäßiger Wohnsitz betrachtet. Aber ich entferne mich geistig ein wenig von Leuten die so mit ihren Haustieren umgehen als wären es Menschen. Sie wissen was ich meine. Dieser Meinung nach sollte man tierisch mit ihnen umgehen und nicht menschlich, sonst würde es fast bestialisch.
Daher werde ich auch niemals ein Mitglied der Partei-für-die-Tiere, die es tatsächlich bei uns gibt (!), aber wenn einer bei uns an der Türe kommt und freundlich und um eine kleine Spende bittet für den örtlichen Tierschutzverein, dann bekommt er worauf er sich freut.

Der Umgang mit Tieren ist übrigens ein heikles Thema, finden Sie nicht auch? Was soll man in bestimmten Situationen machen? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: vorige Woche bei uns vor der Haustür wirklich so passiert. Am dritten Tag der zweiten Februarwoche landeten auf den grünen Winterwiesen vor unserem Haus plötzlich hunderte, was sag ich denn, tausende von Gänsen die sich an dem köstlichen Gras sehr erfreuten. Abends kamen die Jäger aus der Umgebung und ballerten zusammen den Gänseschwarm in Scharen in ein nächstliegendes Gefilde.

Geben wir es zu: zú viele Tiere von einer und derselben Sorte werden zu einer Plage. Heute sind es die Gänse, morgen die Hasen und Kaninchen und übermorgen die Wildschweine. Soll man sie töten und wie soll das denn vonstatten gehen? Die Frage bleibt offen.

Zum Schluß habe ich noch eine schöne Schweinejagdgeschichte für Sie.
Früher, vor sehr langer Zeit, aber ich kann mich noch daran erinnern als kleiner Junge dabei anwesend gewesen zu sein, wurde an Volksfesten am Königinnentag (damals den 31. August, mitten im Sommer) auf der Festwiese ein kleiner Metallzaun aufgestellt, so etwa zwanzig bei zwanzig Kwadratmeter Wiese umfassend. Darin wurde dann ein kleines Ferkel, das man vorher gründlich mit grüner Seife eingeschmiert hatte, losgelassen. Danach kamen die Bauersjungens, bei denen die Augen verbunden waren, hinter dem Zaun um das arme Schweinchen zu fangen. Der blinde Teilnehmer der als erster das aalglatte Schwein in seinen Armen davon trug, war der große Gewinner. Er durfte das Glücksschweinchen mit nach Hause nehmen. Und die tobende Menge genoß es, vor allem wenn die Burschen nicht das Schweinchen sondern sich selber bei den Ohren festhielten.

Heute wäre das glücklicherweise nicht mehr denkbar. Denn mit Tieren sollte man keine Spielchen machen welche manchmal schlimme Folgen haben können. Dafür sind sie uns zu viel Freund geworden. Aber wenn ich das alte Zeitungsfoto sehe, wo ein Ferkel sich aus dem Zaun befreit hat und sich auf den Weg zur Dorfsschule macht, bejubelt von der Blaskapelle im Hintergrund, kann ich mir ein herzliches Lachen nicht verkneifen. Wie damals.

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Dienstag, 5. Februar 2013
Bagatelle 178 - Schnellkunstlauf
Der Unterschied könnte nicht größer sein. Die deutschen Jungen nahmen ihre komplett-eisernen, kurzen Schlittschuhe und schraubten die mit einem kleinen Schlüsselchen unter ihre Schuhsohlen. Fertig. Die holländischen Burschen hatten hölzerne Blöcke bei sich mit darunter ein längliches Eisen, sogenannte 'Friesische Läufer', mit an der Vorderseite lederne Zehstücke und hinten ebenso lederne Hackenstützen, welche wir mit baumwollenen Bändern so gut wie's nur ging unter unseren Schuhen und Stiefel banden.

Und dann fing das Schlittschuhlaufen an. Wir, zehnjährige Jungens aus der Grenzregion, taten es auf befrorenen, unter Wasser stehenden Wiesen auf deutsches Territorium, ein Kilometer von der Landesgrenze entfernt. Spätnachmittags, wenn's bei uns schulfrei war, fuhren wir zur deutschen Eisfläche um mit tödlich erkälteten Händen zu versuchen unsere Schlittschuhe anzuziehen. In seltenen Fällen war meine ältere Schwester so gut um mir dabei behilflich zu sein.

Die Länge bestimmte der zweite Unterschied. Die Länge der Eisen unter den Schuhen versteht sich. Die Deutschen waren uns Holländer in den kleinen kurzen Bewegungen auf dem Eis total überlegen. Drehen, einen kunstvollen Bogen machen, umdrehen, wenden, fix und schnell anhalten, das alles konnte man auf den kurzen deutschen Eisen tausendmal besser. Daher gewannen die Deutschen auch immer beim Ländereishockeyspiel. Wenn es aber galt eine gerade Strecke von mindestens einhundert Metern so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, gewannen meistens die Holländer. In Deutschland hieß es daher auch immer Eiskunstlaufen, während man bei uns eigentlich nur das Eisschnellaufen kannte.



[Bild: Hendrick Avercamp (um 1615): Winterlandschaft mit Schlittschuhläufer]

Doch, das Schlittschuhschnelllaufen sitzt den Holländern in den Genen. Das war im Mittelalter so, im Goldenen Zeitalter nicht weniger, in Friedens- und Kriegszeiten, ebenso wie in Zeiten konjunktureller Aufschwung oder Krise. Heute ist es nicht anders. Sobald es zu frieren anfängt bekommen wir das Schlittschuhfieber.

Zum Schlittschuhlaufen im Freien braucht man aber einen Winter. Dieses Jahr dauerte der ungefähr vierzehn Tage. Wenn man berücksichtigt, daß es wohl zehn Tage dauert bis viele Kanäle und Seen so zugefroren sind daß sie eine große Menge von Schlittschuhläufern tragen, hatten wir Holländer nur vier Tage um von dieser herrlichen Eispracht zu genießen. Hier und dort wurden Fahrten organisiert wobei man einhundert Kilometer Eisfläche zurücklegt und am Finish eine kupferfarbige Medaille oder ein anderes Andenken bekommt das man zu Hause sorgfältig aufbewahrt. Und in einigen seltenen Wintern kommt es vor, daß man 220 Kilometer entlang elf Friesische Städte eisschnelllaufen kann. Der Gewinner dieser Rundfahrt bekommt ewigen Ruhm und einen festen Platz in den schulischen Geschichtsbüchern.
Anno 2013 war der Andrang Schlittschuh zu fahren auf den Seen und Kanälen so groß, daß vielerorts die Menge vom Eis mußte weil es sonst zu gefährlich wurde. Aber keine Not: sieht, da kommt schon ein Trecker mit Anspann der alle Schlittschuhfahrtteilnehmer mitnimmt zurück zum Parkplatz wo man bei einem "koek-und-zopie" Eisbude heiße Schokoladenmilch zu trinken bekommt.




'Schlittschuhlaufen' heißt bei uns schlichtweg 'schaatsen'. Das ist für deutsche Zungen unaussprechbar; es ist ein sjibboleth-Wort. Statt ein richtiges SCH hört man bei den deutschen Gästen ein komisch rauschendes SJ…. Die Deutschen haben aber auch etwas voraus: sie können tausendmal besser eiskunstlaufen als wir Eischnellläufer.

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Donnerstag, 31. Januar 2013
Bagatelle 177 - (Ge)danke
Heute, den 31. Januar, feiert unsere Königin Beatrix ihren 75. Geburtstag. Wir gratulieren herzlich. Genau vor drei Tagen hat sie uns kundgetan, daß sie uns am 30. April diesen Jahres als Staatsoberhaupt verlassen wird. Sie dankt ab zu Gunsten ihres Sohnes: dem Kronprinzen Willem-Alexander. In einer kurzen Rede, die auf allen Fernsehkanälen ausgestrahlt wurde, dankte sie uns daß sie so lange, fast 33 Jahre, unsere Königin sein durfte. Und wir, das Volk, danken ihr für die Art und Weise in der sie unsere Königin war. Von beiden Seiten richtig und ehrlich gemeint.



Es gibt in unserem Lande zwar Leute die behaupten, daß wir bestens auskämen ohne König und Königin, aber sogar die echten Republikaner danken der Königin. Sie und wir wissen nämlich - Umfragen bestätigen das auch noch - daß wenn unser Land eine Republik wäre und wir aufgefordert würden ein Staatsoberhaupt zu wählen, dann würde Beatrix zweifelsfrei mit großer Mehrheit unser neuer Präsident. Es liegt also nicht nur an dem Amt; es liegt auch an der Person die es inne hat.

Weder bin ich selber ein richtiger Orangist, noch kenne ich die Königin persönlich. Wir sind uns nie begegnet. Stärker: tausend Mal hab ich sie im Fernsehen gesehen, aber niemals in lebendigem Leibe. Als sehr kleiner Junge hab ich ihre Großmutter gesehen, die Königin Wilhelmina, wie die sich nach dem Krieg informierte über das Leben an der niederländischen Seite der Landesgrenze inmitten der Trümmerhaufen diesseits und jenseits des Stacheldrahts. Und die Mutter, Königin Juliana, hab ich gesehen in Den Haag, als ich 1963 dienstlich als Soldat am Straßenrand stehen mußte und sie in der goldenen Kutsche ohne zu winken an mir vorbei fuhr.

Und jetzt bereiten wir uns vor auf den neuen König. Wir hatten schon einige, alle Willem mit Namen, gefolgt von einer römischen Ziffer: König Willem I, Willem II, Willem III. Und alle im 19. Jahrhundert. Einige Historiker versuchen uns mit allerhand Beweisen und Beispielen deutlich zu machen, daß diese nicht unbedingt starke, fürstliche Persönlichkeiten waren. Nein, die darauf folgende Königinnen: Wilhelmina, Juliana, Beatrix, die waren richtig von Format.

Der neue König wird nicht Willem IV heißen. Auch nicht Willem-Alexander der Erste (I). Schlicht Willem-Alexander. Für Intimi wahrscheinlich King Alex.
Die inzwischen sehr beliebte Maxima wird unsere neue Königin. Das freut mich sehr. Alleine der Name schon: Königin Maxima! Das verspricht viel gutes.



Spötter und Nörgler gibt es immer und überall. So sagen einige Landsleute, daß wir als Staatsoberhaupt nach Beatrix wieder eine Frau bekommen werden: Maxima. Wir werden sehen.

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Sonntag, 20. Januar 2013
Bagatelle 176 - Hindenburg
Ich bin ein schlechter Fernseher. Damit meine ich, daß ich ziemlich wenig, in den Augen mancher medialen Mitbürger víel zu wenig fernsehe. Es ist wahr: außer meinen Lieblingssendungen: Kunst & Krempel wie auch Lieb & Teuer - die bei uns übrigens Kunst & Kitsch heißen - welche ich mir selten nehmen lasse, sehe ich wenig fern. Die Ursachen liegen auf der Hand. Einerseits liegt es an mir, an meiner innerlichen Unruhe, die es mir kaum möglich macht mich länger als fünf Minuten auf eine Sendung wie 'Verstehen Sie Spaß' zu konzentrieren. Anderseits liegt es an dem zu üppigen Programmangebot - inzwischen Hunderte von Fernsehkanälen und ebenso viele larmoyante soaps - die es mir unmöglich machen zu wählen.

Meine besten Fernsehmomente entstehen zufälligerweise. So landete ich neulich unerwartet und ungeplant in eine ARTE-Sendung, wo einige Historiker und Zeitzeugen das Ende der Weimarer Republik mit Bildern und Analysen erläuterten. Die Hauptperson war Hindenburg. Der ehemalige General- Feldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg. Sie kennen ihn viel besser als ich.

Die historische Person Hindenburg wurde - anders als bei Ihnen - in unseren schulischen Geschichtsbüchern nur kurz und knapp erwähnt. Nicht aus Mangel an Ehrfurcht und Respekt, sondern einfach durch die Tatsache, daß es um einen deutschen Reichspräsidenten handelte und nicht über einen niederländischen. Gott, Kaiser und Armee sollen die drei Stützen gewesen sein worauf er sich das Deutsche Reich gebaut zu sein hoffte, so sprach mein Lehrer feierlich. Der Titel "Reichspräsident" sagte uns auch nicht viel, denn wir hatten etwas viel bedeutsameres: nämlich eine Königin.

Als Schuljunge machte ich mir von jeder historischen Figur ein innerliches Bild das ich immer beibehalten habe. So war Hindenburg in meiner Vorstellung ein weiser, alter, gebrechlicher Greis, im grauen Mantel fast bis auf die Füße, komplett mit Ritterorden und einer Haarmode die der haarigen Kopfbedeckung meines eigenen Vaters sehr ähnelte. Er litt sehr unter die Tatsache daß er den kommenden NS-Staat nicht verhindern konnte und das war ihm anzusehen. So dachte ich.

Die Sachverständigen in der Fernsehsendung haben mein Hindenburgbild ziemlich geändert. Wieso weise, alt und gebrechlich? Er konnte sehr wohl mit der Faust auf den Tisch hauen. Und im hohen Alter war er sehr auf der Höhe, physisch sowohl als psychisch. Einer der Historiker sagte, als es 1932 um die Wahl eines neuen Reichstagspräsidenten handelte: Hindenburg pokerte mit Hitler und verlor. Und ein Enkel Hindenburgs erzählte daß sein Großvater mit 84 noch ruhig vier Glas Wein trank ohne daß man es ihm ansah.

So eine Hindenburg-Sendung mag ich. Wegen der historischen Thematik die mich schon immer interessiert hat. Und wegen der multimedialen Möglichkeiten die es jetzt gibt solch eine Geschichtsanalyse interessant zu gestalten. Und natürlich lernt man. Man erobert neue Kenntnisse, man lernt was neues und man lernt obendrein, daß vieles was man früher in der Schule gelernt hat falsch war. Aber man ist ja nie zu alt um zu lernen.

Sehr gern mag ich die kleinen Anekdoten am Rande. So erzählte der Enkel Hindenburgs, daß Adolf H., Hindenburgs Nachfolger, wenn der auf Gut Neudeck zu Besuch kam, kein Fleisch vorgesetzt bekam, weil der Adolf H. bekanntlich Vegetarier war. Statt Fleisch gab es Käse. Und dás war etwas was die kleinen Kinder in der Weimarer hochbürgerlichen Gesellschaft nur selten auf den Tischen sahen.

Da erinnere ich mich plötzlich an ein Hindenburg-Bild das mein Bruder in seiner Amsterdamer Zeit bei Aufräumarbeiten des Verlagsarchivs vom Untergang in die städtischen Mülltonne gerettet hat. Das Bild, eine Zeitungsphotographie aus einer bedeutenden holländischen Tageszeitung, zeigt den Reichspräsidenten von Hindenburg bei einem munteren Spaziergang an seinem 70. Geburtstag. Wir schreiben das Jahr 1915, mitten im ersten Weltkrieg. Hintendrauf steht geschrieben: der General-Feldmarschall mit seiner Familie. Von links: eine Hofdame die sich mit einer Dienstbotin unterhält, der General-Feldmarschall. seine Gattin Frau von Hindenburg, Frau von Pentz (die Tochter) und Rittmeister von Pentz (Schwiegersohn und persönlicher Adjutant).


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Sonntag, 6. Januar 2013
Bagatelle 175 - Neues Rätsel
So am Anfang eines neuen Jahres - heute kommen die drei Magier aus dem Morgenland vorbei - komme ich schon bald zu der Einsicht, daß zwar die Jahreszahl sich geändert, daß aber sonst fast alles beim alten geblieben ist. Neu sind allerdings meine Benehmens- und sonstige Umgangsformen welche ich mich - wie gewohnt - zu jedem Jahresbeginn vornehme zu ändern. Besser gesagt: zu verbessern.

Zum Beispiel meine Neigung Bücher zu kaufen ohne sie tatsächlich zu lesen. Jetzt ist Schluß. Ab heute wird zuerst gelesen und dann erst gekauft. In jedem Bücherschrank befindet sich wohl ein kleiner Stapel Lesestoff der darum bittet gelesen zu werden. Dieses Jahr ist es soweit. Ich verspreche es hierbei feierlich und Sie sind alle Zeuge.

Es gibt also genug zu tun. Auch für Sie. Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute und viel Erfolg. (Wünschen kann man bekanntlich den ganzen Monat Januar.) Und wenn Sie sich dennoch langweilen? Dann versuchen Sie mal nachzuforschen in welchen Sprachen hier unten das Wort 'NEU' geschrieben steht. "Neu", hier gemeint als Kürzel für 'ein glückliches neues Jahr". Wenn fertig, ist fast wieder ein Tag vorbei.


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