Sonntag, 25. Juli 2010
Bagatelle LXIV - Schoppentag


Wie ich mir hab’ sagen lassen, ist ein Schoppen entweder ein Inhaltsmaß oder eine Art Scheune. Ein Schuppen etwa, aber meistens halb offen. In meiner Dialektsprache heißt so etwas een schoppe. (Schoppe klein geschrieben, denn bei uns hat ein Substantiv nicht das Recht sich eines Kapitals zu bedienen.)
Ein schoppe ist ein überdachter Arbeits- und Sammelplatz. Dort werden alte, unbrauchbare Gegenstände für die Ewigkeit aufgehoben. Oder es ist ein Platz wo man schreinert, tischlert oder Ikeapakete zusammenzubauen versucht. Eine schoppe steht am Rande eines Bauernhofes, meistens an der eigentlichen Scheune angelehnt. Man hat ein Dach über dem Kopf, keine Mauer die das Licht hindert einzutreten und der frische Wind im Gesicht. Wir selber nutzen den Schoppen auch als Stellplatz fürs Auto, als carport sozusagen. Wenn ich einen Holzofen hätte, müßte ich dann und wann Holz hauen. So eine Arbeit würde ich gerne im Schoppen machen wollen.

Es gibt bei uns auch Schoppentage. Morgens früh dienen sie sich an. Graue Wolken kommen und verbreiten Regen. Manchmal regnet es den ganzen Tag. Leise, aber immerhin. Dann sagen wir zu einander: heute ist wieder ein Schoppentag. Das heißt in concreto: verbannt werden in den Schoppen und nicht tun können was man sich eigentlich vorgenommen hatte diesen Tag zu tun: die Hausfenster anstreichen oder die Dachrinne erneuern.

Es regnet also. Wir gehen in den Schoppen, denken eine Weile über den Sinn des Lebens nach und suchen uns dann die Arbeit die uns paßt. Leicht, vorübergehend, nicht dringend erforderlich, nicht unbedingt nötig. Ich putze das Fahrrad meiner Gattin, zum Beispiel. Oder ich repariere den uralten Lehnstuhl, den ich mir für fünf Euro auf dem Trödelmarkt hab’ verkaufen lassen. Wir hören dabei klassisches Radio 4 oder WDR-3 wenn es uns danach zu Mute ist, und WDR-4 wenn es gar nichts anderes gibt. Und zwischendurch ruinieren wir den alten Sessel sosehr, daß wir ihn am Ende des Tages auf den Scheiterhaufen werfen können.

Oft verläuft ein Schoppentag anders. Gegen elf etwa, nach dem Kaffeetrunk der heute noch länger dauert als sonst, wird es etwas heller. Der Regen hört allmählich auf und am Himmel erscheinen die ersten Blauflächen. Die Singvögel kündigen den Rest eines fröhlichen, sonnigen Tages an. Wir stehen auf, lassen das Werkzeug liegen wo es liegt, um am Abend zu vergessen es aufzuräumen und freuen uns auf die richtige, échte Arbeit. Die Schoppenarbeit kann warten. Bis ein neuer Schoppentag kommt. Und der kommt bestimmt.

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Amüsant
sind sie, Ihre Bagatellen und heitern oft - wie gerade jetzt - meinen Büroalltag auf. In den Dialekten des Oberrheins und der CH ist ein Schoppen die Milchflasche, die man den Kleinkindern gibt. Ob es da einen Zusammenhang gibt?

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Nederlands-Blog.
Sehr schön.

In anderen Sprachregionen geht der (früher ausnahmslos männliche) Mensch zum Frühschoppen. Die Südhessen beispielsweise trinken einen Schoppen Apfelwein, der Pfälzer trinkt ihn lieber von der Traube.

Der Holzhauer haut im Deutschen südsprachlich überwiegend den ganzen Baum um. Wenn er ihn zerkleinert, dann hackt er es, das Holz; das tut er auch in nördlichen Regionen.

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Hauen und hacken
Herr Stubenzweig, danke für ihre Ergänzungen! Ein Schoppen ist ein Inhaltsmaß, so viel wußte ich schon. Wieviel? Ein halber Liter?
Und wenn Sie mich je sehen wenn ich am holzhacken bin, sagen Sie: was der tut! Das nenne ich Holz hauen.
Gruß, T.

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Ich ließ mich - ganz unartig - von Ihrer wunderbaren Bagatelle von der Arbeit ablenken, während draußen der Regen die Kanäle überschwemmte und Lindenblüten vor sich hertrieb. Und wünschte mir irgendwie so einen Schoppentag, viel lieber als Büro und Bildschirm... Schöne Bilder übrigens.

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Hier eine Liste mit
alten Masseinheiten. Mit der Vermutung von 1/2 Liter liegen Sie ziemlich richtig. Der Frühschoppen, wie Herr Stubenzweig richtig erwähnt, wird im süddeutschen Raum oft ein "Viertele" genannt und in rustikalen Gläsern ("Römer") serviert, allerdings auf einen 1/4 Liter beschränkt. Wohl weil die Herren der Schöpfung nach dem Frühschoppen (nach der Messe) sonst Mühe gehabt hätten, aufrechten Ganges zum Mittagstisch zu gelangen.

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Der halbe Liter
hat unter Traditionsbewahrern nach wie vor Gültigkeit. Der Bayer auf dem Land oder im städtischen Stehausschank will weiterhin seine Halbe Bier, komme man dem bloß nicht mit solch einem kölschen Schnapsglas, und mein Lieblingspfälzer, der der «Macht des Essens» unterliegt, trinkt logischerweise auch den Wein aus dem Schoppen-Gemäß.

Aber ist es nicht so, daß der sogenannte Römer nur noch überall dort hingestellt wird, wo die Touristenmasse möglichst laut gesanglich bekundet, daß es am Rhein oder so ähnlich so schön sei? Das viertellitrige Weinglas ist doch bereits der Vorhut des anrollenden europäischen Globus' zum Opfer gefallen. Doch vielleicht gibt es ja Hüter des guten Alten, die ihn verteidigen wie andere den Rohmilchkäse. Die Zwangsabkömmlinge der alten Römer trinken allerdings schon lange aus dem petit ballon. Wie die Kölner mit ihren Fingerhüten voller Bier. Aber auch auf diese Weise geht ziemlich viel rein.

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Danksagung an den Bach
Danke allen für ihre Beiträge! Wie ein ordentliches, aber immerhin ziemlich ordinaires Wort wie Schuppen/Schoppen so viel Staub aufwirbeln kann!
Gruß, T.


PS. Bach, weil laut Schuberts schöne Müllerin Lieferant der größten Inhaltsmenge.

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