Mittwoch, 23. Juni 2010
Bagatelle LX - Oranjeblind


Oranje ist zweierlei. Erstens ein kleines Fürstentum, im tiefen innern Frankreichs gelegen, in der Nähe von Lyon etwa. Der Landesfürst René von Artois, kinderlos bis zum Ende seines Lebens, vermacht irgendwo im 16. Jahrhundert seinen Besitz seinem Neffen Willem. Dieser Willem ist einer der zahllosen Prinzen in den deutschen Landen, wohnhaft damals auf der Dillenburg in Nassau. Die gegen die Spanier aufständischen Niederländer bieten ihm einen Posten als ihr Anführer und politischer Leiter. In den “lagen Landen” bekam er den Titel “Stadthalter”. König konnte er nicht werden, denn die Landespolitiker, besonders die aus Holland, waren zutiefst republikanisch. Der Prinz Wilhelm willigte ein, zog um nach Delft, heiratete vier mal mehr oder weniger glücklich, und gab dem niederländischen Königshaus den Namen: von Oranje-Nassau. Darum wundert es nicht, daß Beatrix und Willem-Alexander nebst Familie bis heute so heißen.

Oranje ist zweitens eine Farbe. Etwas zwischen einem grünlichen Rot und einem rötlichen Grün. Zusammen mit ein wenig rosa und gelb ergibt das eine Nationalfarbe. Meiner Meinung nacht eine schlecht gelungene Mischung, aber ich wage es kaum das öffentlich zu sagen. Vor allem nicht wenn etwas sportliches auf der Tagesordung steht. Wenn also die niederländische Nationalmannschaft fußballt, hockey spielt, schwimmt oder 10.000 Meter schnelläuft, geschieht das meistens in orangefarbigen Gewändern. Die Fans hüllen sich in orange und schwenken ihre rot-weiß-blaue Fahnen.

Eine kleine Gruppe steht einsam und verlassen am Rande des Geschehens. Sie schauen zu ohne genau zu verstehen was dieses Getue soll. Es sind unsere farbenblinde Landsleute. Für sie gibt es kein oranje. Selbst wenn die Nachbarn während der Fußballweltmeisterschaften ihr ganzes Haus in oranje einwickeln und mit Vuvuela-artigen Lärmtrompeten die Nachbarschaft erschrecken, wissen sie nicht was den anderen treibt. Bis einer kommt und sagt: tröstet euch, es dauert nicht mehr lange. Die nächste Niederlage steht schon vor der Tür.

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