Donnerstag, 11. April 2013
Bagatelle 183 - Kaffeesatzgeflüster
Wie Sie ihren Kaffee machen, darüber wage ich mich nicht zu äußern. Wir gönnen selbstverständlich jedem Herrn seinen eigenen Geschmack und jeder Dame ihre individuelle und nicht zu bestreitende Kaffeebereitungsart.
Nein, laßt uns besser einige alte Kaffeetraditionen und die dazu zugehörenden Kaffeeutensilien in den Vordergrund stellen um etwas zu erfahren was sonst keiner Gewahr wird. Vielleicht bringen wir die aus Plastik Bechern trinkenden Espresso-Generationen auf bessere Gedanken. Es folgen vier aufschlußreiche Bilder.

Bild 1. Zuerst zeige ich Ihnen ein uraltes Kaffeetafelgeschirr, das heißt: was noch davon übrig ist. Es gehörte Frau Terras Großmutter. Und die Familiengeschichte will, daß die Oma mitten im kalten Winter das Geschirr in einem aus Weiden geflochtenen Korb mit in die Nachbarschaft nahm, wo es in der Jahresvisite von Nutzen war. (Die liebe Nachbarin hatte selbst eben nicht genug Tassen und Schüssel.) In Deutschland heißt dieses Tafelgeschirr wohl 'Sächsisches Steingut'; bei uns schlicht 'blau sachs'. Mann sieht einige Tassen und Schüssel, ein Milchkännchen und einen eleganten Zuckertopf. Auf dem sachsblauen Teller liegt Spekulatius, eine winterliche Leckernei. Denn zu einer guten Tasse Kaffee gehört etwas Gebackenes: ein Stückchen Schwarzwalder Kirsch oder Spekulatius mit dem Bildnis des guten Sankt Nikolaus.




Bild 2. Das hier ist nicht gerade der Kaffee der mich anmacht. Zuviel und zuviel Milch hineingeschüttet. (Und wahrscheinlich mindestens zwei Zuckerwürfel, was die Sache nicht besser macht.) Sie als guter Observator haben das natürlich gleich bemerkt: die Tasse ist voll bis zum Rand, fast überlaufend. Wir nennen das in unserer Mudart Borkulose Maote, was so viel heißen will als 'nach Borkeloer Maß". Borculo ist ein unbedeutendes Dorf hier in der Umgebung. Dort wohnten (und wohnen) Leute die kein Maß kannten und kennen, und auch weiterhin nicht auf ein Maß mehr oder weniger achten. Aber das müssen die natürlich selber wissen.





Bild 3. Der Kaffee wird gemeinsam (auch in Bachs Kaffeekantate) wie die Suppe nicht so heiß getrunken als er eingegossen wird. Sagt der Volksmund, so muß es wohl stimmen. Aber es gibt tatsächlich Leute die das Warten verlernt haben und ihren Kaffee abzukühlen versuchen indem sie ihn in ihre Schüssel gießen. Dann wird kurz darüber geblasen en trinkt der Trinker - die Schüssel mit beiden Händen festhaltend - genießend den Kaffee. Diese Art Kaffee zu trinken sah man oft bei den Bauern in der Sommererntezeit - Der Roggen mußte schnellstens gemäht werden bevor der Regen kam! - die sich nicht die Zeit nahmen für ein gemütliches Kaffee(viertel)stündchen.





Bild 4. Hier sehen wir die Antwort auf die Frage der Gastgeberin (Sie steht da neben Ihnen mit der Kaffeekanne in der Hand) "Soll ich dir noch einmal einschenken?" Statt laut und deutlich zu antworten: "Nein, vielen Dank, lieb von dir, aber mir reicht's", stellt der Gast seine Tasse kopfüber, umgekehrt also, auf die Schüssel.
Sagen Sie bitte nicht, daß so eine Gebärde ein Zeichen von Hochmut oder Überheblichkeit ist. Nein, es ist lauter Gewohnheit. Sagen Sie auch nicht daß so etwas nicht vorkommt. Es hab es früher bei meinem Großvater oftmals gesehen. Dann pflegte er manchmal zu mir zu sagen: "Junge, ich rate dir: trink nicht soviel Kaffee. Davon kriegt man krumme Beine."
Davon hab' ich aber bis heute noch nichts gemerkt. Aber es kann ja noch kommen. Im Kaffeesatz liegt die Antwort.

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Das Kaffeeservice erinnert mich ein wenig an das meiner Mutter - "Dorothea China Blau". Es ist immer wieder toll, wie liebevoll Sie Gebräuche und Sitten beschreiben und manchmal fällt einem dadurch auch wieder etwas längst Verschollenes ein. Bei uns stippten die Älteren oftmals ihr Brot in den Kaffee. Ich finde dies zwar nicht unbedingt appetitlich, zumal der Kaffee dann nach Butter oder Marmelade schmeckt, aber ich denke, der Brauch beruhte darauf, dass es mit den Zähnen nicht mehr allzu gut stand im Alter.

Vor kurzem habe ich mir auf unserem Wochenmarkt "Kaffeebrot" gekauft. Das ist eine Art Zwieback mit einer Zuckerglasurschicht, der mir eigentlich gar nicht so besonders schmeckt, aber es erinnert mich an meine frühe Kindheit, wo es Torten nur zu festlichen Anlässen gab. Ansonsten gab es dann allenfalls Butterkuchen (das ist allerdings so ziemlich das Leckerste auf der Welt) oder eben - Kaffeebrot. Und dieses Kaffeebrot wurde dann, da es auch relativ hart ist, ebenfalls in den Kaffee gestippt.

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Ich bin entzückt von diesem Blick in die Sitten. Schön, dankesehr.

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