Donnerstag, 18. April 2013
Bagatelle 184 - Taubnesselalbumblatt
Wegen des langen, anhaltenden Winters - so sagen uns die meteorologischen Sachverständige sowie die sonstigen klimatologischen Besserwisser - ist der Frühling fast um drei Wochen ins Hintertreffen geraten. Daher kommt es auch, daß wir so lange auf die Frühlingsblumen draußen haben warten müssen. Das Schneeglöckchen zum Beispiel war dieses Jahr so spät dran, daß es sogar daran dachte dieses Jahr nicht (mehr) zu erscheinen. Und heute, wir schreiben Mitte April, zeigen die Scharbockskräuter ihre köstlichen gelben Sternblüten so schön wie sonst im Februar.

Sie mögen anders urteilen, aber nach meiner Meinung ist die weiße Taubnessel eine der schönsten wilden Frühlingsblumen. Sie blüht jetzt noch nicht, gerade wegen der besagten Wetterverzögerung, aber jeden Tag schweife ich herum, den Gräben und Wegrändern entlang, und suche ihre feste Blumenstengel und ihre himmlische Blüte. Laut Botaniker ist die Blütenkrone zweilippig, wobei die Oberlippe behaart ist. Und das untere Kronblatt ist ein ausgezeichneter Anflugplatz für herumstreifende Nektarsucher wie Bienen und Hummel. Und noch immer, wenn ich eine Taubnessel sehe, nehme ich die Blüte zwischen Daumen und Zeigefinger um die Lippen bewegen zu lassen.



Es geschah vor vielen, vielen Jahren, auf der pädagogischen Hochschule die ich damals besuchte, daß der dortige Biologie- und Botaniklehrer uns aufforderte verwilderte und wildwachsende Blumen in freier Wildbahn zu studieren. Wir bekamen den Auftrag mindestens zwanzig - aber fünfzig war eine bessere Zahl - Blumenarten äußerst vorsichtig aus dem Boden zu buddeln, diese zu Hause zwischen Spezialpapier unter Druck zu trocknen und sie schließlich in einem Spezialalbum aufzubewahren. Der Lehrer nannte so etwas ein Herbarium: ein Sammelsurium für Blumen und Pflanzen, komplett mit Fundort, lateinischem Namen und inklusive Besonderheiten.

Von diesem Tag an konnte man mich, alleine oder mit Freunden, durch die Wälder, Auen und Wiesen gehen sehen um Blumen zu sammeln. Und wie es jedem Sammler vergeht: man vergnügte sich nicht mit allen normalen, üblichen Blumensorten die es in große Mengen gab. Nein, man suchte seltene Stücke, rare Funde, Blumen die sonst keiner in seiner Sammlung hatte. Nicht daß wir sehr seltene Pflanzen dem Boden entrückten. Das war uns, gerade von dem genannten Lehrer, strengstens untersagt. Und eine Klassenfreundin, die aus Versehen - sie wußte nicht welche Missetat sie begangen hatte weil sie die Pflanze nicht kannte - eine seltene Orchidee gepflückt und getrocknet hatte, bekam gar dafür eine leichte Rüge. Trotzdem suchten wir alle nach besonderen Blumen und Pflanzen.

So auch ich. Und ich fand diese weiße Taubnessel. Nicht verwandt oder verschwägert mit dem Brennessel. Gefunden, zum trocknen gelegt und in einem Herbarium für die Ewigkeit aufgehoben, in Mai 1957. Immer noch bildschön.

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Stimmt, das ist sie. Ich mag die Taubnessel auch sehr. Erinnert mich außerdem an Kindertage, in denen wir uns gegenseitig hinters Licht führten, indem wir die Blüten der Taubnesseln abzupften und dann den anderen damit "drohten", sie mit der vermeintlich echten Brennnessel auf den Armen zu "verbrennen". "Oh mann, das ist doch 'ne Taubnessel!", kam dann hinterher die Erkenntnis, und einiges Gelächter.

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