Freitag, 19. Januar 2018
Bagatelle 309 - Nationalhymne
Dann und wann, ab und zu, aber unvermeidlich jedes so vielte Jahr, bricht in meinen Niederlanden eine Diskussion aus über die Meinung, dass es höchste Zeit für eine Erneuerung unserer alten Nationalhymne sei, vielleicht besser noch eine definitive und komplette Abschaffung und Ersetzung durch eine zeitgerechtes, modernes Nationallied. Wieso und weshalb?

Unsere Nationalhymne, (im Übrigen und nebenbei die älteste der Welt,) vor vierhundert Jahren gedichtet von einem gewissen Marnix von Sint Aldegonde, ist quasi ein Loblied auf Willem von Nassau, später Willem von Oranje-Nassau genannt. Dieser Willem, geboren 1533 auf der Dillenburg in Hessen, ist einer der Gründer der späteren Niederlande. Er war der Vertreter und Anführer der Holländer welche den Aufstand gegen den spanischen König Philipp probten. Was, wie wir heute wissen, nach 80 Jahren voller Kriege, mit dem Frieden von Münster 1648, wie auch der 30-Jährige Krieg, zu einem guten Ende kam.

Der Dichter erfand zu Ehren Willems ein Namensgedicht: sein Loblied umfasst gleich viel Strophen als Willems Namen Buchstaben hat, nämlich fünfzehn. Es entstand das Wilhelmus, seit eh und je unsere Nationalhymne, oder wie wir sagen und singen unser ꞌVolksꞌlied. Von den fünfzehn Strophen wird meistens nur die erste und selten auch noch die sechste gesungen. Die Melodie ist vielleicht noch älter als der Text: es ist ein uraltes volkstümliches Lied wovon die profanen Worte verloren gegangen sind. Anders als wie bei anderen Nationalhymnen, wie die Spanische, wird das Wilhelmus Lied, wenn es dann mal gespielt wird, im allgemeinen laut und deutlich mitgesungen. Jedenfalls von Leuten die den Text noch kennen.

Bis vor nicht allzu langer Zeit war es bei uns die Gewohnheit sogar ein profanes Hochzeitsfest mit dem Wilhelmus zu schließen. Wenn es abends zwölf hieß im Festsaal und die Musik den letzten Tanz beendete, blieben alle Anwesende auf der Tanzfläche stehen, wendeten sich noch einmal dem Brautpaar zu und als die Musik anfing die Nationalhymne zu spielen sangen all frisch und fröhlich mit. Auch die weniger Tanzlustigen erhoben sich von ihren Sitzen und taten ihr Bestes. Manche Leute waren um diese Uhrzeit nicht mehr im Stande richtig sauber und maßgerecht zu singen. Aber keiner meldete einiges Missfallen und alles im allen ging alles seinen ordentlichen Gang. Vor allem weil man wusste dass nach der Hymne die traditionelle Kaffee-mit-Brötchen Mahlzeit wartete.

Ich war selber nicht dabei, aber bei uns erzählt man heute noch die Geschichte von den Hochzeitsgästen die eine halbe Stunde vor Mitternacht an einem Hochzeitsfest beim Nachbarn eine Ziege aus dem Stall holten. Man wollte sie (die Ziege also) in orangenfarbigem Papier - orange ist die Nationalfarbe - einwickeln. Weil aber kein orange Papier vorhanden war, begnügte man sich mit kristallweißem Toilettenpapier. Beim Spielen der Nationalhymne um zwölf Uhr stellte man die Ziege mitten im Saal. Alle umringten die köstlich eingepackte Ziege und brüllten laut mit. Manche konnten vor Lachen gar nicht singen. Aber das schmälerte die feierliche Vorstellung keinesfalls.


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Sonntag, 23. Juli 2017
Bagatelle 302 - Handtuchhalter
Um 1550 war Arnt von Tricht (seine Ahnen stammten höchstwahrscheinlich aus Utrecht) einer von vielen Holzschnitzlern die sich am Niederrhein, so zwischen Nimwegen und Köln, über Kleve und Xanten, niedergelassen hatten. Unser Arnt hatte seine Ateliers in Kleve und Kalkar, wo er sich mit seinen Lehrlingen bemühte Kirchen mit ihren Holzschnittarbeiten zu verschönern. Was ihm wundervoll glückte, was wir heute noch staunend bejahen, wenn wir eines seiner Hochaltäre oder ein Heiligenbild aus feinem Eichenholz sehen.

Nun kann der Bogen nicht immer gespannt bleiben. So dachte der Arnt eines Tages. "Heute," sprach er zu sich selber, "heute wird etwas Profanes statt Sakrales hergestellt." Und machte sich an die Arbeit.

Eben heute dann sehen wir das Endprodukt vor unseren Augen. Es ist ein Handtuchhalter. Ein Stock sozusagen, den uns ein freundliches Dienstmädchen gerade vorhält. Just an diesem Moment kommt ihr Freier in die Küche geschlichen um sie gründlich zu verwöhnen. Zögernd wehrt das Mädchen ihn ab, aber wir sehen sofort, dass sie das nicht wirklich meint. Wie herrlich hat unser Holzschnittmeister diesen Augenblick eingefangen!

Wenn Sie mich fragen: ein Meisterwerk. Wir können es in einem Klever Museum bewundern. Es ist von hinten flach, so dass man es an der Wand aufhängen kann. Von vorne aber, wie es sich gehört, wohlgeformt und rundig. Nach so viel hundert Jahren immer noch viel zu schade um ein nasses Handtuch darauf zum trocknen aufzuhängen. Finde ich.



Nachgedanke: Achten Sie bitte auch auf die kleinen Musikanten welche den überwältigenden Eindruck mit ihrer Musik noch verstärken!




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Mittwoch, 5. April 2017
Bagatelle 296 - Frühstücksflocken


Wenn Sie ein herzhaftes, gesundes Frühstück lieben, kennen Sie vielleicht diesen lieben Herrn, dessen Bildnis sich auf der Verpackung befindet. Es ist ein amerikanischer Quaker (sprich: Kweker). Seine Vorfahren segelten vor dreihundert Jahren von England aus in die Neue Welt. Angekommen in die damals noch nicht Vereinigten Staaten, ließen sie sich in Pittsburgh (Pennsylvania) nieder, wo sie den Anbau von Getreide anfingen um daraus ihre berühmten Haferflocken zu bereiten. Dieselbe Flocken welche wir heutzutage benutzen damit wir unseren Gästen ein gesundes Haferflockenbreifrühstück offerieren können.

Nebenbei sei gesagt, dass die Quäker meine Sympathie tragen. Erstens weil sie eine anti-trump-artige, friedfertige, fromme, keusche und hilfsbereite Sekte bilden die vieles für ihre Mitbürger, denen es nicht so gut geht, tut. Und zweitens weil sie den Aufforderungen der weltlichen Obrigkeit mit Argwohn begegnen und notfalls ihren eigenen Gang gehen. Ein richtiger Quäker, so scheint mir, kann noch keine Fliege etwas antun, so sieht’s aus.

Anfangs bereiteten die Kwekers ihre Flocken ausschließlich aus Hafer. Neuerdings aber verwenden sie nicht weniger als vier Getreidesorten in ihren serials und zwar: Weizen, Mais, Reis und Hafer. Dazu kommen Zutaten wie Honig, Glucose, Salz, Vanille-Aroma und einige andere Sachen mit unaussprechbaren Namen. Auch Fetten kann man begegnen, sei es in sehr kleinen Mengen. Das Resultat ist, wie die Quaker es gerne zugeben, eine gesunde, köstliche, nahr- und schmackhafte Frühstücksmahlzeit.
(Frau Klothilde Nebenbuhler, laut Einsendebrief in der Raunener Rundschau, behauptet zwar, dass sie nach dem Essen einer Portion Quäker Viergetreideflockenbrei zahllose Kalorien hin und her laufend auf ihrem Tellerrand gesehen haben will. Das nun scheint mir schwer übertrieben.)




Jetzt etwas ganz anderes. Zweifellos wissen Sie, dass die westliche Menschheit zunehmend an Übergewicht leidet. Obesitas ist fast Volkskrankheit Nummer Eins. Wir essen zu viel und bewegen zu wenig. Und da kommt nun der Professor Franz Quadfliegs von der Uni aus Raunen an der Luhre und erklärt vehement als sei die Quaker-Company in Pittsburgh (PA) schuld an der zugenommenen Schwereleibigkeit. Wörtlich: ꞌWir verklagen die Quaker, weil sie ihren Viergetreideflockenbrei zu schmackhaft gemacht haben." In seinen Schriften beklagt er die Tatsache, dass das neue Frühstücksmahl so lecker ist, dass wir viel, viel zu viel, davon verzehren. Er geht soweit, dass er die Quakers gerichtlich aufgefordert hat die Produktion der Viergetreidesortenflocken zu drosseln und allmählich völlig zu unterbinden.

So beißt die Schlange im eigenen Schwanz. Wollten die Quaker uns einen Gefallen tun, indem sie unsere Flocken unweigerlich schmackhaft machen, kommt der Gesetzgeber und verbietet es ihnen. Die umgekehrte Welt, möchte ich meinen. Oder?

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Montag, 20. Februar 2017
Bagatelle 294 - Wappentiere und anderes Getue
Dann und wann entbrennt hierzulande ein Streit über unsrige Nationalhymne, das niederländische Volkslied. Mit Namen: het Wilhelmus. Uralt, entstanden um 1580. Das hat man davon wenn ein Dichter namens Marnix van Sint Aldegonde sich aufmacht ein Loblied zu schreiben in 15 Versen auf Willem von Nassau, genauso viele Verse wie sein Name an Buchstaben zählt. Sie wissen: dieser Willem war derjenige Fürstenprinz von der Dillenburg der die Holländer vom spanischen Joch befreit hat, damals im 80-jährigen Krieg. (Entschuldigung für diese schlecht komponierten und unnötig komplizierten drei Anfangssätze, aber sie standen schon aufs Papier bevor ich es bemerkt hatte.)

Die Nationalhymnegegner beklagen vor allem die Referenz an die deutsche Abstammung des Prinzen von Oranien. Wenn im ersten Vers gesungen wird: " .. bin ich von deutschem Blut …" scheiden sich die Geister. Ein Viertel der Bevölkerung möchte aus historischen Gründen die Verweisung auf die deutsche Herkunft des Prinzen stehen lassen, ein Viertel ist vehement dagegen und wünscht sich eine andere, sprich modernere, Hymne und der Rest ist schweigend. (Entweder sie wissen nicht was sie singen oder es lässt ihnen kalt.) Ich gehöre zum größten Teil der ersten Gruppe an, aber mehr aus praktischen als aus ideologisch geprägten prinzipiellen Gründen. (Gerade für uns Senioren ist es nicht leicht sich eine neue Nationalhymne zu merken, zumal wir alle mindestens zwei Verse aus der alten Hymne auswendig mitsingen können.)

Eigentlich wollte ich mit Ihnen nicht über de Nationalhymne sondern über ein anderes Nationalsymbol sprechen. Nein, nicht die Fahne (Rot, Weiß und Blau), ist gemeint und auch nicht die Nationalfarbe oranje. Wenn sich überhaupt einem Nationalsymbol kritischen Äußerungen gefallen lassen muss, ist es der niederländische Löwe. Wenn Sie mich fragen: ein ekelhaftes Tier. Dieser von der Gicht geplagte Vierfüßler mit hölzernem Säbelchen und nur sieben stumpfhaften Pfeilen. Seht wie er sich stellt in seiner unnachahmlicher Pose – en profil – mit der Zunge aus dem Maul und dem Schwanz für einen Moment nicht zwischen sondern oberhalb der gekrümmten Hinterbeine. Ein Tier das sich stützt auf eine französische Unterschrift. Und das will unser nationales Wappentier sein!

Aber es kann noch schlimmer kommen. Einige Länder nah und fern kennen statt Löwe den Adler als nationales Wappentier. Was ist zum Beispiel Polen ohne rotweiß-Adler? Habsburg und die Donaumonarchie hatten sogar einen Doppeladler. Zwei Köpfe: einer blickt links Richtung SPD und Linke, der andere schielt CDU/CSU-rechtsrheinisch. Dann doch lieber ein bescheidener Vogel. Warum nicht der Zaunkönig als Wappentier?

Am besten wäre es vielleicht alles, ich wiederhole: álles Nationalgetue in die Alte Pinakothek zu verbannen. Keine heraldische Wappentiere mehr, keine schwingende Fahnen, kein scheinheiliger Löwe. Nur éin Zeichen wollen wir uns gönnen: eine kleine Schleife in der Farbe oranje am Kragen, die getragen wird wenn der König Geburtstag feiert. (Neben allen nicht-karnevalesken Orden.) Und die alte Nationalhymne wollen wir auch beibehalten. Wir werden sie künftig sanft, leise und schön mitsummen.





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Mittwoch, 1. Februar 2017
Bagatelle 293 - Alptraum an der Grenze
Einmal nach Wesel fahren: das habe ich seit Lebens immer gewollt. Sie wissen: Wesel am Rhein, am Niederrhein. Das ist von uns aus gesehen nicht sehr weit. Mit dem Fahrrad, zuerst die Bundesgrenze überquerend, dann über Rees den Rhein entlang weiter stromaufwärts, es dauert höchstens eine Stunde.

Sie hätten mich fragen können was ich überhaupt in Wesel zu suchen hatte. Dann hätte ich geantwortet: "Mal schauen ob der König von Wesel wirklich ein Esel ist, was immer wieder behauptet wird. Das liebe Fräulein im Kindergarten sagte es schon. Und dasselbe tat der Echobrunnen in der Nähe von Apeldoorn, wo wir mit dem Schulausflug oftmals landeten. Doch, wenn man - sich beugend über das Wasser des Brunnens - laut rief: "Was ist der König von Wesel?", dann hörte man laut und deutlich die Antwort: "Esel …, Esel …"

Heute morgen war es dann so weit. Ich hatte meinen alten Rucksack vollgepackt mit allerhand Esswaren, worunter Brötchen mit Käse und welche mit Schinken.
Sieben Uhr dreißig war es als ich mich auf den Weg machte und zehn Minuten später erreichte ich schon die Grenze. Und da fing das Missgeschick richtig an.

Was war der Fall? Deutsche Grenzkontrolleure, Douaniers genannt, hatten den Schlagbaum – der immer als Andenken in der Wiese herum stand – mitten auf den Weg gestellt.
Auf meine berechtigte Frage: "Kann jemand mir sagen was das zu bedeuten hat?" sprach ein schwer gewappneter Douanier: "Seit Donald J. Trump in den Vereinigten Staaten das Sagen hat, ist es auch hier bei uns nicht sicher. Deshalb ist die Grenze von heute an geschlossen für alle Reisende."
"Aber ich habe einen Reisepass, seht nur!" erwiderte ich. (Mir wurde allmählich ziemlich unheimlich. Sie wissen wie das geht: von den kleinen Zehen aus nach oben kriecht die Wut empor bis in die Haarspitzen.)
"Nein, du darfst nicht rein. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Außerdem ist das Gültigkeitsdatum deines Reisepasses schon längst überschritten."

Da wurde ich so wütend, dass ich meinen Verstand verlor. Obwohl man mich kennt als ein sanfter, liebenswerter Mensch der keine Fliege etwas antut, geriet ich in solcher Rase dass ich den Douanier einen Schlag verpasste der ihn rücklings in den dort fließenden Strom landen ließ. Mit der Folge dass sich nun alle anwesende Douaniers auf mich stürzten. Undank meines tapferen Widerstandes wurde ich an Händen und Füßen gefesselt und in das nächstgelegene Wirtshaus gebracht, wo ich hinter Schloss und Riegel kam.

Just an dém Augenblick wurde ich wach wegen der Glocke der Dorfkirche die aus aller Macht zu lauten anfing. (Ob es die morgendliche Achtuhrglocke war oder die abendliche Neunuhrglocke vermag ich nicht zu sagen.) Triefnass vom Angstschweiß bemerkte ich, dass ich alles nur geträumt hatte. Es war ein Alptraum gewesen. Den Krach konnte man bis in Wesel hören.


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Freitag, 9. September 2016
Bagatelle 284 - Heimweh
Diese treue Vierfüßler sind, außer der Tatsache dass sie eineiige Zwillinge sind, Gegenstücke zu einander. Sie sind Gegenfüßler, oder wenn Sie wollen: Antipoden. Zwar können sie sich unabhängig voneinander bewegen und sich eine eigene Meinung erlauben, sie sind Spiegelbild und zu einander verurteilt bis zum Lebensende. Ohne den einen hat der andere keine Existenzberechtigung.

Das mit dem Spiegelbild können Sie ruhig wörtlich nehmen. Es gibt einen Linkshund und einen Rechtshund. Beim einen wohnt die Sprachfunktion in der linken Hirnhälfte, beim anderen rechts. Der eine Hund – über die genaue Rasse lässt sich streiten – ist rechtshändig (rechtspfotig), der andere linkisch. Der eine geht so weit zu meinen sich AFD-Ideen leisten zu können, der andere bekennt sich mit Herz und Seele zu der altkommunistische Variante der SPD. Und so weiter und sofort. Diese äußerliche Gleichförmigkeit in Kombination mit der Ungleichheit der Charaktere führt zu spannenden Diskussionen, kann ich Ihnen mitteilen. Aber immer hart und fair, das schon.

In diesen Tagen leiden meine zwei Hunde an der klassischen Heimweh. Das kommt folgendermaßen. Ursprünglich verkehrten die zwei im Hause meines Bruders, wohnhaft in der schönen Stadt Bois-le-Duc, wo sie einen festen Platz hatten links und rechts auf dem Fensterbrett. Einige Jahre ist es her, da zogen sie um nach dem ostniederländischen Plattelande zu meinem Bauernhof. Dort wohnten sie in der guten Stube, zufrieden und glücklich.
Vor einigen Wochen sind sie mit mir verreist zu der neuen Wohnung wo sie sich - platziert links und rechts vor dem Vorfenster des Wohnzimmers - den Handel und Wandel im Zimmer ansehen. Sie schauen in Richtung Zimmerinneres, so dass die Passanten draußen auf dem Bürgersteig nur ihre feingeformte Rückenpartien sehen.

Dann und wann schlägt das Heimweh zu. Dann ziehen sie sich in eine Ecke des komfortablen Lehnstuhls zurück und starren betrübt vor sich hin. Denn die Erinnerung an die glücklichen Jahre in der besten Stube im Hof ist noch frisch und die Wunde, welche das Wegreißen aus dieser glückseligen Umgebung bewirkt hat, braucht Zeit zum heilen.

Solch ein Heimwehstündchen dauert nicht lange. Dann kommt der Meister selber herangelaufen, nimmt äußerst vorsichtig die porzellanen Hunde in die Hände und stellt sie zurück vor dem Fenster. Der eine links, der andere rechts. Oder auch umgekehrt.








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Samstag, 27. August 2016
Bagatelle 283 - PS, KS und MS
Hier bei uns gibt es so wohl das Wort ꞌVolkꞌ als auch das Wort ꞌPferdevolkꞌ. Nicht als Gegensatz gemeint zu ꞌFußvolkꞌ oder anders gesagt: ꞌLeute zu Fußꞌ. Nein, Leute die sich gerne zum Pferdevolk bekennen sind Menschen die Pferde halten und Pferde lieben. Mein Großvater väterlicherseits war so ein Pferdemann. Morgens fuhr er mit seinem Gespann (zwei schwarzfarbigen Friesen) im Leichenwagen den Sarg eines verstorbenen Mitbürgers von der Kirche zum Friedhof. Und mittags sah man die drei dann wie sie den Acker anbauten als Vorbereitung auf die anstehende Roggenernte.

Um einen Karren oder den Pflug ziehen zu können braucht ein Pferd ein wie wir es nennen ꞌHaamꞌ, ein oval förmiges, bewegbares Holzstück, quasi ein Hals joch, mit an der Unterseite eine Öffnung. Das Joch soll feste gegen die Pferdebrust anlehnen; dazu ist die Innenseite mit sanftem Leder bekleidet.
In unserem alten Bauernhof befand sich so ein Pferdehalsjoch. Dachten wir. Aber es war so klein, dass kein Pferd sein Haupt und Schulter hindurch hätte kriegen können. Ein Bekannter half mir: es ist kein Pferde-, sondern ein Kuh joch!
Das war es in der Tat. Kleine Bauern in unserer Plattelandsgegend konnten sich kein Pferd leisten. Deshalb zog die treue Kuh – die schon so vieles für die Familie tat indem sie Milch und Fleisch spendete – den Karren.
Diese Tatsache lehrt uns, dass es neben das Stärkemaß PS auch ein Maß KS geben muß.

Auf einem der Bilder hier unten sehen Sie solch ein Kuhjoch. Von mir fotografiert. Zwar in einem sehr schlechten Zustand, aber das kommt davon wenn man ein Gerät dutzende von Jahren ungebraucht in einer Ecke stehen lässt. Jetzt wird es bewohnt von Holzwürmern, Spinnen und sonstigem Gesindel.

Jetzt wissen Sie was die Bezeichnung 1 KS bedeutet. Richtig: eine (1) Kuhstärke. Aber es kommt noch schlimmer. Lesen Sie nur ruhig weiter. Und sehen Sie sich die Bilder genauestens an.

Dies hier ist die Frau Klein Soerkamp die sich von ihrem Gatten befördern lässt. Sie benutzt den Amazonensitz: quer auf die Fahrtrichtung, die Füße nach einer Seite. So zu sehen fährt man zu einer prachtvollen Gelegenheit, vielleicht eine Hochzeit, denn die liebe Frau Klein Soerkamp trägt ihre weiße Sonntagsmütze samt schwarzer Untermütze. Weiter hat sie ihren selbstgehäkelten Umschlag umgeschlagen und zeigt uns ihre fein säuberlich geputzten Schuhe. Dauernd bespricht sie mit ihrem Gatten die Umgebung. "Siehst du Hendrik, wie schön bei Janssens der Roggen wächst!" Aber Hendrik murt dass sie nicht so viel reden soll. Und bitte still sitzen!

Der Dreiklang ist jetzt perfekt: PS (Pferdestärke), KS (Kuhstärke) und MS (Menschenstärke).







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Freitag, 1. April 2016
Bagatelle 279 - Geldwäsche
Mit tiefer Genugtuung und voller Freuden kann ich Ihnen, just an diesem gedenkwürdigen Tage, mitteilen, dass es den Niederlanden endlich und nach zäher Arbeit gelungen ist sich aus den Zwängen des Euros zu befreien.

In der Tat, Sie lesen es richtig: die Niederlande haben seit heute wieder eine eigene, völlig unabhängig operierende und funktionierende Währung. Der Gulden hat wieder Einzug gehalten und ist an seinem angestammten Platz zurückgekehrt. Dort wo er gehört. Der misslungene Euro wird sich aus den Börsen der Niederländer entfernen und sich beschämt in den Brüsseler Ecken der Eurozone zurückziehen müssen. Wohl oder übel.

Gerade heute Morgen bekam ich höchstpersönlich die Bestätigung des Brüsseler Eurofinanzministers. Beigefügt waren die ersten zahlungsberechtigten Guldenscheine. Ich zeige Ihnen voller Stolz die neue niederländische 25-Gulden Note mit dem Briefumschlag.

Selbstverständlich werden die nationalen und internationalen Multimediae heute ihre ganzen medialen Möglichkeiten einsetzen um dem Übergang von Euro zu Gulden zu würdigen. Die ganze Nation wird sich, wenn nicht auf twitter dann sicher auf facebook, vereinen und dadurch dem Ausland zeigen worin ein kleines Land zu Großem imstande ist.

Wie man hört sammeln sich schon die ersten Personen bei den Bankfilialen um ihre noch anwesende Euros für richtige, harte Gulden einzuwechseln. Schlange stehen für einen richtigen Gulden: wie lange haben wir nicht auf diesen Tag gewartet!




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Freitag, 31. Juli 2015
Bagatelle 266 - Dopingverdacht
Einige Sportsfreunde können mehr als andere: sie radeln schneller den Berg hinauf, sie schwimmen die 100 Meter Freistill einige Millisekunden zügiger, sie heben bis zu einem Kilo schwerere Gewichte, sie treffen mit ihrem Säbel besser als ihre Sportskollegen die dasselbe versuchen. Die Ursache dieser Unterschiede liegt in Faktoren als Talent, Eifer, bessere Sportfazilitäten, angeborene Eigenschaften, und manche mehr. Seit vielen Jahren, wissen wir, spielt auch die Medizin eine Rolle. Einige Sportler lassen sich vor einem wichtigen Wettkampf ihr Blut waschen oder bedienen sich mit einer Epo-pille. Wir kennen alle die Geschichten von anabole Steroiden und ihre Wirkung auf sportliche Leistungen.

Seit die Dopingautorität strenger vorgeht wissen wir dass die Dopingsünde auch Fußballer nicht unberührt lässt. So wunderte es mich nicht als ich neulich in meiner Morgenzeitung las dass der Fußballer K. van E. des Dopinggebrauchs bezichtigt wird. Bei einer unerwarteten Kontrolle seien in seinem Blut Spuren des verbotenen Mittels FUROSEMIDE gefunden. Er wurde mit sofortiger Wirkung suspendiert. Ihm droht ein jahrelanger Fussballentzug.



In tiefer Trauer und voller Scham muss ich Ihnen jetzt mitteilen, dass auch ich zu der Gruppe Menschen gehöre welche man Dopingsünder nennt. Ich hatte gehofft es für Sie verborgen halten zu können, aber der Zeitungsbericht gibt mir keine andere Wahl. Ja, auch ich habe offenbar schwer gesündigt. Ich habe bis auf den heutigen Tag jahrelang jeden Tag eine kleine weiße Furosemide-pille geschluckt. Ich gebe es zu und bereue es. Dass meine liebe Frau Kardiologin mir die Pille verordnet hat, kann man nicht zu möglich mildernden Umständen rechnen. Ich bin natürlich letztendlich selber und alleine verantwortlich.







Jetzt wissen Sie auch wie es kommt dass ich

a) neulich südwesteuropäischer Meister wurde in den Mensch-Ärger-Dich-Nicht Meisterschaften in Raunen an der Luhre;
b) zusammen mit meinem Kollegen Willie S. zweiter geworden bin beim 25 Meter Figur sägen in Ottebrõ (Nordfriesland);
c) und bei den diesjährigen Meisterschaften im Verfassen von Kurzgeschichten mit dieser Bagatelle die goldene Urkunde gewonnen habe.

Richtig: ich war gedopt.

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Samstag, 25. Juli 2015
Bagatelle 265 - Gestrickte Vorsorge
Die eine Hitzewelle löst der anderen ab: so sieht dieser Sommer 2015 einigermaßen aus. Extrem hohe Temperaturen und viel Trockenheit. Der Wärmerekord in dem Teil meines Landes wo ich wohne steht bei 38.6 Grad Celsius und datiert aus dem Jahre 1946. Vor zwei Wochen aber war dann doch die Zeit gekommen, dass ein neuer Hitzerekord fällig war. Dachte ich mir, denn auf einem meiner vielen Innen- und Außenthermometern und sonstigen Wetterstationen rundum den Hof wurde die magische Zahl 39 angezeigt. War aber eine Täuschung oder ein Irrtum sagte uns der Sprecher der offiziellen Wetterbehörde, weil unsere Messinstrumente offenbar nicht geeicht wären, sagte er. Womit er Recht hat. So steht der Rekord noch immer bei 38.6°.

Furchtbar heiß war es inzwischen doch. So wunderte es mich sehr, dass sich einige Leute bei diesen sommerlichen Temperaturen Sorgen zu machen scheinen über den kommenden Winter. Und zwar nicht über den Holzvorrat für den Kamingebrauch oder Vorverkäufe von Winterkleidern, sondern über die Frage: wie sorge ich dafür dass mein liebgewonnenes Fahrrad den kommenden Winter schmerzlos übersteht?

Die Lösung welche ich während einer kurzen Stadtwanderung (in der schönen Stadt Kleve am Niederrhein) sah, ließ mich fröhlich aufhorchen und voller Überraschung zustimmen. Natürlich: dás ist die Lösung! Was sah ich? Eine sehr künstlerisch, kreativ und handfertig veranlagte Frau (nehmꞌ ich mal an) hatte ihr liebes Fahrrad umhüllt in einem wollenen selbst-gestrickten Gewand. Das wollgewickelte Fahrrad stand da in einem Schaufenster und ich brauchte mindestens drei Minuten um a) zu sehen was ich sah, b) um die große Kreativität und Inventionskraft der Schöpferin in mir aufzunehmen und c) um die Originalität der hinter liegenden Gedanke zu bewundern.

Sehen Sie mal, wie herrlich schön und funktionsgerecht alle diverse Fahrradteile umstrickt sind. Daran kann auch einer wie ich, der nichts von stricken und Strickmustern weiß, sich erfreuen. Auch wenn es draußen fast 40 Grad Celsius ist!



Nachrede: Gerne hätte ich Ihnen den Namen der Klever Dame genannt die dieses Kunstwerk vollbracht hat. Aber es war an diesem Tage wirklich zu heiß um etwas vernünftiges zu unternehmen.





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