Dienstag, 27. August 2013
Bagatelle 196 - Seitenwagen im Aufwind
terra40, 13:51h
Vor einigen Wochen ist Frau R. gestorben. Ich kannte sie nicht persönlich. Bis einige Verwandte, die der Beerdigung beigewohnt hatten, auf ihrem Rückweg bei mir vorbeikamen. Bei einer Tasse Tee sprach man über Frau R. Wie alt sie geworden sei (fast 95) und wie sie sich die letzten fünf Jahre ihres Lebens allmählig in eine geistliche Dunkelheit zurückgezogen habe. Wir sprachen auch über Herr R. der seiner Frau vor fast dreißig Jahren vorausgegangen sei. Und dann kam die Geschichte welche ich Ihnen wegen ihrer Kuriosität nicht enthalten kann.
Herr R. war in den Jahren 1935-1955 Elektrofachmann von Beruf: er arbeitete bei den provinziellen Elektrizitätswerken als Monteur. Er sorgte dafür daß der Strom von der Zentrale ungebremst fließend die Schalter in unseren Häusern erreichte. Bei Störungen sah man Herr R. in den Telegraphenstangen klettern - so mit eisernen Haken an den Schuhen - um den Drahtmischmasch zu entwirren.
Herr R. besaß nóch eine Besonderheit: er fuhr auf einem Motorrad (Marke DKW, BMW, Jawa, oder so etwas ähnliches) durch die Lande. Doppelt besonders war der Seitenwagen. Herr R. konnte wenn er denn wollte drei Personen von A nach B befördern: sich selber, ein Passagier hinten drauf und der zweite im Seitenwagen.
Dann, 1940, kam der Krieg. Nach einiger Zeit begann die Besatzungsmacht alle Motorräder (und Fahrräder) zu beschlagnahmen. Wer konnte, versuchte sein Rad irgendwo zu verstecken. So auch der Herr R.
Vielleicht erinnern Sie sich der Zeit wo der Strom überirdisch von Pfahl zu Pfahl unterwegs war. Hier und da stand ein was wir Transformatorhäuschen nannten. Ein kleines hohes Bauwerk, wo an der einen Seite der Strom mit 10.00 Volt hineinkam und anderswo mit 220 Volt wieder verließ. Das Betreten eines Transformatorhäuschens war um verständlichen Gründen strengstens verboten. Nicht aber für Herr R. der ja bei der Stromgesellschaft tätig war. Er nutzte seine Stelle als Versteckmöglichkeit indem er sein Motorrad inklusive Seitenwagen in dem Transformatorhaus verbarg. Stärker noch: mit Hilfe irgendwelcher Hebegeräte (Leinen, Tauen, Kabel, fragen Sie mich bitte nicht wie, denn ich war nicht dabei,) beförderte er sein Rad bis auf die oberste Etage.
Als, am 28. März 1945, die Alliierten (Tommies, sagten wir) uns befreiten, war eine der ersten Taten des Herrn R. die Befreiung seines Motorrades. Mit einem Kanister bettelte er dann bei den Kanadier und Briten um Benzin, säuberte sein Rad nebst Seitenwagen vom vielen angesammelten Staub, und fuhr dann fröhlich durch die Gegend. Seine Schwiegermutter hatte inzwischen von Lappen und Tüchern einen Nationalflagge (rot-weiß-blau) hergestellt welche frisch im Winde verwehte.
Verzeihung, aber wie weißt du das alles? Das hat mir der Herr erzählt der nach der Beerdigung der Frau R. bei mir zu Besuch war. Er war es nämlich der als sehr kleiner Junge im Seitenwagen mitfahren durfte. Und dann muß die Geschichte wohl stimmen. Und wenn nicht, dann ist sie schön erfunden.
So ein Motorrad meine ich:
Herr R. war in den Jahren 1935-1955 Elektrofachmann von Beruf: er arbeitete bei den provinziellen Elektrizitätswerken als Monteur. Er sorgte dafür daß der Strom von der Zentrale ungebremst fließend die Schalter in unseren Häusern erreichte. Bei Störungen sah man Herr R. in den Telegraphenstangen klettern - so mit eisernen Haken an den Schuhen - um den Drahtmischmasch zu entwirren.
Herr R. besaß nóch eine Besonderheit: er fuhr auf einem Motorrad (Marke DKW, BMW, Jawa, oder so etwas ähnliches) durch die Lande. Doppelt besonders war der Seitenwagen. Herr R. konnte wenn er denn wollte drei Personen von A nach B befördern: sich selber, ein Passagier hinten drauf und der zweite im Seitenwagen.
Dann, 1940, kam der Krieg. Nach einiger Zeit begann die Besatzungsmacht alle Motorräder (und Fahrräder) zu beschlagnahmen. Wer konnte, versuchte sein Rad irgendwo zu verstecken. So auch der Herr R.
Vielleicht erinnern Sie sich der Zeit wo der Strom überirdisch von Pfahl zu Pfahl unterwegs war. Hier und da stand ein was wir Transformatorhäuschen nannten. Ein kleines hohes Bauwerk, wo an der einen Seite der Strom mit 10.00 Volt hineinkam und anderswo mit 220 Volt wieder verließ. Das Betreten eines Transformatorhäuschens war um verständlichen Gründen strengstens verboten. Nicht aber für Herr R. der ja bei der Stromgesellschaft tätig war. Er nutzte seine Stelle als Versteckmöglichkeit indem er sein Motorrad inklusive Seitenwagen in dem Transformatorhaus verbarg. Stärker noch: mit Hilfe irgendwelcher Hebegeräte (Leinen, Tauen, Kabel, fragen Sie mich bitte nicht wie, denn ich war nicht dabei,) beförderte er sein Rad bis auf die oberste Etage.
Als, am 28. März 1945, die Alliierten (Tommies, sagten wir) uns befreiten, war eine der ersten Taten des Herrn R. die Befreiung seines Motorrades. Mit einem Kanister bettelte er dann bei den Kanadier und Briten um Benzin, säuberte sein Rad nebst Seitenwagen vom vielen angesammelten Staub, und fuhr dann fröhlich durch die Gegend. Seine Schwiegermutter hatte inzwischen von Lappen und Tüchern einen Nationalflagge (rot-weiß-blau) hergestellt welche frisch im Winde verwehte.
Verzeihung, aber wie weißt du das alles? Das hat mir der Herr erzählt der nach der Beerdigung der Frau R. bei mir zu Besuch war. Er war es nämlich der als sehr kleiner Junge im Seitenwagen mitfahren durfte. Und dann muß die Geschichte wohl stimmen. Und wenn nicht, dann ist sie schön erfunden.
So ein Motorrad meine ich:
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Mittwoch, 31. Juli 2013
Bagatelle 193 - Festgenagelt
terra40, 23:40h
Da stehen sie: die Teilnehmer des high diving-Wettbewerbes auf den Schwimmweltmeisterschaften 2013 in Barcelona. Die zierlichen Damen befinden sich zwanzig, die nicht weniger zierlichen männlichen Athleten sage und schreibe siebenundzwanzig Meter oberhalb der Wasseroberfläche im Hafen von Barcelona.
Doch, Sie haben mich gut verstanden: 27 Meter beträgt die Distanz zwischen Plattform und Wasser. Mit einer Geschwindigkeit von nahezu 90 km/h, und nach etlichen Schraubensaltos und anderen unnachahmlichen Bewegungen erreichen die Springerinnen und Springer das Wasser. Der Eintauchvorgang selber soll möglichst spritzfrei vonstatten gehen. Man möchte überhaupt nicht daran denken was alles in dieser Tauchphase schief gehen kann. Welche schlimme Verletzungen kann ein unglücklicher Patzer nicht zur Folge haben!
Jedes Mal wenn ein Taucher sich auf dem Plattform befindet und sich nach dem Rande begibt, möchte ich ihm zurufen: Bitte, tu es nicht! Kehr um, wo es gerade noch kann! Alles umsonst. Nach drei-und-ein-halber Kontrasalto mit doppelter Schraube (gehechtet) landet der Springer unversehrt ins kühle Hafenwasser.
Kann man nichts dagegen unternehmen? Kann man die Damen und Herren Taucher nicht irgendwie aufhalten? Ihnen unterwegs etwas im Wege legen das ihnen den Weg zur Wasseroberfläche versperrt?
Doch, man kann. Vor einigen Jahren wurde in Amsterdam ein derartiges Tauchen veranstaltet. Man sprang von einer Brücke in den darunter ruhig dahinfließenden Amstel. An beiden Ufern standen einige Hochhäuser. Sehen Sie wie großartig ein Fotograf einen Sprung ins Bild gebracht hat. Brücke und Fluß sieht man nicht, die Hochhäuser desto mehr.
Das Bild wurde am nächsten Tag in einer der bedeutendsten holländischen Zeitungen und zwar auf zwei Seiten abgedruckt. Allerdings mitten in der Zeitung, so daß die Maschine welche für die Heftklammer zuständig ist sich genötigt sah den Taucher irgendwo zwischen Absprung und Landung fest zu nageln. Sehen Sie nur die Klammer am linken Schulterblatt und linker Hüfte.
Niemals wird dieser Taucher das Wasserziel erreichen. Er ist verdammt bis zu seinem Lebensende von seiner vernagelten Position aus die Welt zu betrachten. Kein schlechtes Thema für eine neue Wagneropera in diesem Jahr! Der Lohn ist ein verletzungsfreier, ewig währender Freisprung.
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Freitag, 28. Juni 2013
Bagatelle 191 - Claas und Freunde
terra40, 22:47h
Den Klaus kennen wir alle. Denn jeder hat wohl jemand in dem Verwandten-, Freundes- oder Familienkreis mit diesem Vornamen. Und wenn nicht, dann gibt es noch den Santa Claus der uns allen sicher wohl bekannt ist. Oder der Störtebeker Klaus der bei uns Klaas heißt. Genau wie der Große Klaas und der Kleine Klaas, die wir uns alle erinnern als Hauptpersonen in einem der berühmtesten Märchen Andersens.
Die wenigen Bauern unter uns werden auch den Claas kennen. Claas mit großem C geschrieben. Bekannt wegen den vielen landwirtschaftlichen Maschinen welche die Firma mit diesen Namen seit eh und je produziert. Wenn ich, Nicht-Bauer von Hause aus, meinem bäuerlichen Nachbar nach der Marke frage, sagt der: Claas? Gut und teuer. Gute, solide, deutsche Facharbeit also.
Die Firma Claas ist auch bei uns in den Niederlanden vertreten. Und wie in jedem Jahr organisiert die Firma auch anno 2013 vier Veranstaltungen hier und dort irgendwo im Lande, wo alle Neuigkeiten demonstriert werden. Denn auch in der mechanisierten Landwirtschaft hört die Entwicklung niemals auf. Und bei diesen vier Gelegenheiten können interessierte Bauern in der Praxis sehen welche neue Mähdrescher, Ballenpressen oder Feldhäcksler es dieses Jahr gibt. Alle selbstverständlich versehen von allen technischen (sprich computerisierten) Finessen. Und jedes Jahr sind die Maschinen größer, breiter, schwerer und teurer.
Vorige Woche durfte ich erleben daß die Firma Claas eine ihrer vier Demonstrationsveranstaltungen bei mir vor der Haustür durchführte. An einem Freitagabend, von halb acht bis kurz nach zehn. Auf der großen Wiese gegenüber meiner schlichten Behausung versammelten sich Dutzende von Bauern und andere Liebhaber die nicht aus dem Staunen heraus kamen. Denn eins muß gesagt werden: die Firma Claas weiß wie man solch eine happening fehlerlos organisiert. In einigen Stunden wurde alles mögliche demonstriert: vom Gras mähen bis zum Ballen pressen und aufladen. Mit allen Mitteln und Maschinen worüber die Claas Gruppe verfügt. Zügig und fließend ging alles vonstatten, aber ohne Stress. Dann und wann nahm ein freundlicher Claas-Mitarbeiter das Mikrophon und erläuterte in Worten alles was wir sahen. So gut, daß sogar ein Nichtswisser wie ich etwas zu verstehen begann.
Natürlich war meine Camera auch dabei. Die zwei ersten Bilder geben einen doppelten Eindruck des Geschehens. Auf dem ersten sehen Sie wie sich die Maschinen aufstellen zum Gras mähen. (Übrigens, im Hintergrund sehen Sie mein Haus. Der Ort wo ich meine Bagatellen schreibe.) Das zweite Bild bringt eigentlich nichts neues, sei es daß es genau von der anderen Seite gemacht worden ist, nämlich von meinem Arbeitszimmer im Haus aus.
Als die Bilder gemacht wurden, war es etwa 21.30 Uhr. Weil es der längste Tag des Jahres war, der 21. Juni, wurde es nicht völlig dunkel. Daher die etwas gespenstige Atmosphäre und die üppige Beleuchtung auf den vielen Maschinen. Eindrucksvoll aber war es allemal.
Das dritte Bild zeigt uns die Zuschauerschar und den Nachwuchs. Glauben Sie mir: alle Väter die wir hier sehen, haben in ihrer Kindheit mit Modellen von Claas-Maschinen gespielt. Und ihre Kinder tun dasselbe. Heute Abend sehen sie mit eigenen Augen wie sich die mechanisierten Mitglieder der Claas-Familie in der praktischen Wirklichkeit benehmen. Kenner und Liebhaber. Die Freude sprießt ihnen aus den Augen.
Die wenigen Bauern unter uns werden auch den Claas kennen. Claas mit großem C geschrieben. Bekannt wegen den vielen landwirtschaftlichen Maschinen welche die Firma mit diesen Namen seit eh und je produziert. Wenn ich, Nicht-Bauer von Hause aus, meinem bäuerlichen Nachbar nach der Marke frage, sagt der: Claas? Gut und teuer. Gute, solide, deutsche Facharbeit also.
Die Firma Claas ist auch bei uns in den Niederlanden vertreten. Und wie in jedem Jahr organisiert die Firma auch anno 2013 vier Veranstaltungen hier und dort irgendwo im Lande, wo alle Neuigkeiten demonstriert werden. Denn auch in der mechanisierten Landwirtschaft hört die Entwicklung niemals auf. Und bei diesen vier Gelegenheiten können interessierte Bauern in der Praxis sehen welche neue Mähdrescher, Ballenpressen oder Feldhäcksler es dieses Jahr gibt. Alle selbstverständlich versehen von allen technischen (sprich computerisierten) Finessen. Und jedes Jahr sind die Maschinen größer, breiter, schwerer und teurer.
Vorige Woche durfte ich erleben daß die Firma Claas eine ihrer vier Demonstrationsveranstaltungen bei mir vor der Haustür durchführte. An einem Freitagabend, von halb acht bis kurz nach zehn. Auf der großen Wiese gegenüber meiner schlichten Behausung versammelten sich Dutzende von Bauern und andere Liebhaber die nicht aus dem Staunen heraus kamen. Denn eins muß gesagt werden: die Firma Claas weiß wie man solch eine happening fehlerlos organisiert. In einigen Stunden wurde alles mögliche demonstriert: vom Gras mähen bis zum Ballen pressen und aufladen. Mit allen Mitteln und Maschinen worüber die Claas Gruppe verfügt. Zügig und fließend ging alles vonstatten, aber ohne Stress. Dann und wann nahm ein freundlicher Claas-Mitarbeiter das Mikrophon und erläuterte in Worten alles was wir sahen. So gut, daß sogar ein Nichtswisser wie ich etwas zu verstehen begann.
Natürlich war meine Camera auch dabei. Die zwei ersten Bilder geben einen doppelten Eindruck des Geschehens. Auf dem ersten sehen Sie wie sich die Maschinen aufstellen zum Gras mähen. (Übrigens, im Hintergrund sehen Sie mein Haus. Der Ort wo ich meine Bagatellen schreibe.) Das zweite Bild bringt eigentlich nichts neues, sei es daß es genau von der anderen Seite gemacht worden ist, nämlich von meinem Arbeitszimmer im Haus aus.
Als die Bilder gemacht wurden, war es etwa 21.30 Uhr. Weil es der längste Tag des Jahres war, der 21. Juni, wurde es nicht völlig dunkel. Daher die etwas gespenstige Atmosphäre und die üppige Beleuchtung auf den vielen Maschinen. Eindrucksvoll aber war es allemal.
Das dritte Bild zeigt uns die Zuschauerschar und den Nachwuchs. Glauben Sie mir: alle Väter die wir hier sehen, haben in ihrer Kindheit mit Modellen von Claas-Maschinen gespielt. Und ihre Kinder tun dasselbe. Heute Abend sehen sie mit eigenen Augen wie sich die mechanisierten Mitglieder der Claas-Familie in der praktischen Wirklichkeit benehmen. Kenner und Liebhaber. Die Freude sprießt ihnen aus den Augen.
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Donnerstag, 11. April 2013
Bagatelle 183 - Kaffeesatzgeflüster
terra40, 22:31h
Wie Sie ihren Kaffee machen, darüber wage ich mich nicht zu äußern. Wir gönnen selbstverständlich jedem Herrn seinen eigenen Geschmack und jeder Dame ihre individuelle und nicht zu bestreitende Kaffeebereitungsart.
Nein, laßt uns besser einige alte Kaffeetraditionen und die dazu zugehörenden Kaffeeutensilien in den Vordergrund stellen um etwas zu erfahren was sonst keiner Gewahr wird. Vielleicht bringen wir die aus Plastik Bechern trinkenden Espresso-Generationen auf bessere Gedanken. Es folgen vier aufschlußreiche Bilder.
Bild 1. Zuerst zeige ich Ihnen ein uraltes Kaffeetafelgeschirr, das heißt: was noch davon übrig ist. Es gehörte Frau Terras Großmutter. Und die Familiengeschichte will, daß die Oma mitten im kalten Winter das Geschirr in einem aus Weiden geflochtenen Korb mit in die Nachbarschaft nahm, wo es in der Jahresvisite von Nutzen war. (Die liebe Nachbarin hatte selbst eben nicht genug Tassen und Schüssel.) In Deutschland heißt dieses Tafelgeschirr wohl 'Sächsisches Steingut'; bei uns schlicht 'blau sachs'. Mann sieht einige Tassen und Schüssel, ein Milchkännchen und einen eleganten Zuckertopf. Auf dem sachsblauen Teller liegt Spekulatius, eine winterliche Leckernei. Denn zu einer guten Tasse Kaffee gehört etwas Gebackenes: ein Stückchen Schwarzwalder Kirsch oder Spekulatius mit dem Bildnis des guten Sankt Nikolaus.
Bild 2. Das hier ist nicht gerade der Kaffee der mich anmacht. Zuviel und zuviel Milch hineingeschüttet. (Und wahrscheinlich mindestens zwei Zuckerwürfel, was die Sache nicht besser macht.) Sie als guter Observator haben das natürlich gleich bemerkt: die Tasse ist voll bis zum Rand, fast überlaufend. Wir nennen das in unserer Mudart Borkulose Maote, was so viel heißen will als 'nach Borkeloer Maß". Borculo ist ein unbedeutendes Dorf hier in der Umgebung. Dort wohnten (und wohnen) Leute die kein Maß kannten und kennen, und auch weiterhin nicht auf ein Maß mehr oder weniger achten. Aber das müssen die natürlich selber wissen.
Bild 3. Der Kaffee wird gemeinsam (auch in Bachs Kaffeekantate) wie die Suppe nicht so heiß getrunken als er eingegossen wird. Sagt der Volksmund, so muß es wohl stimmen. Aber es gibt tatsächlich Leute die das Warten verlernt haben und ihren Kaffee abzukühlen versuchen indem sie ihn in ihre Schüssel gießen. Dann wird kurz darüber geblasen en trinkt der Trinker - die Schüssel mit beiden Händen festhaltend - genießend den Kaffee. Diese Art Kaffee zu trinken sah man oft bei den Bauern in der Sommererntezeit - Der Roggen mußte schnellstens gemäht werden bevor der Regen kam! - die sich nicht die Zeit nahmen für ein gemütliches Kaffee(viertel)stündchen.
Bild 4. Hier sehen wir die Antwort auf die Frage der Gastgeberin (Sie steht da neben Ihnen mit der Kaffeekanne in der Hand) "Soll ich dir noch einmal einschenken?" Statt laut und deutlich zu antworten: "Nein, vielen Dank, lieb von dir, aber mir reicht's", stellt der Gast seine Tasse kopfüber, umgekehrt also, auf die Schüssel.
Sagen Sie bitte nicht, daß so eine Gebärde ein Zeichen von Hochmut oder Überheblichkeit ist. Nein, es ist lauter Gewohnheit. Sagen Sie auch nicht daß so etwas nicht vorkommt. Es hab es früher bei meinem Großvater oftmals gesehen. Dann pflegte er manchmal zu mir zu sagen: "Junge, ich rate dir: trink nicht soviel Kaffee. Davon kriegt man krumme Beine."
Davon hab' ich aber bis heute noch nichts gemerkt. Aber es kann ja noch kommen. Im Kaffeesatz liegt die Antwort.
Nein, laßt uns besser einige alte Kaffeetraditionen und die dazu zugehörenden Kaffeeutensilien in den Vordergrund stellen um etwas zu erfahren was sonst keiner Gewahr wird. Vielleicht bringen wir die aus Plastik Bechern trinkenden Espresso-Generationen auf bessere Gedanken. Es folgen vier aufschlußreiche Bilder.
Bild 1. Zuerst zeige ich Ihnen ein uraltes Kaffeetafelgeschirr, das heißt: was noch davon übrig ist. Es gehörte Frau Terras Großmutter. Und die Familiengeschichte will, daß die Oma mitten im kalten Winter das Geschirr in einem aus Weiden geflochtenen Korb mit in die Nachbarschaft nahm, wo es in der Jahresvisite von Nutzen war. (Die liebe Nachbarin hatte selbst eben nicht genug Tassen und Schüssel.) In Deutschland heißt dieses Tafelgeschirr wohl 'Sächsisches Steingut'; bei uns schlicht 'blau sachs'. Mann sieht einige Tassen und Schüssel, ein Milchkännchen und einen eleganten Zuckertopf. Auf dem sachsblauen Teller liegt Spekulatius, eine winterliche Leckernei. Denn zu einer guten Tasse Kaffee gehört etwas Gebackenes: ein Stückchen Schwarzwalder Kirsch oder Spekulatius mit dem Bildnis des guten Sankt Nikolaus.
Bild 2. Das hier ist nicht gerade der Kaffee der mich anmacht. Zuviel und zuviel Milch hineingeschüttet. (Und wahrscheinlich mindestens zwei Zuckerwürfel, was die Sache nicht besser macht.) Sie als guter Observator haben das natürlich gleich bemerkt: die Tasse ist voll bis zum Rand, fast überlaufend. Wir nennen das in unserer Mudart Borkulose Maote, was so viel heißen will als 'nach Borkeloer Maß". Borculo ist ein unbedeutendes Dorf hier in der Umgebung. Dort wohnten (und wohnen) Leute die kein Maß kannten und kennen, und auch weiterhin nicht auf ein Maß mehr oder weniger achten. Aber das müssen die natürlich selber wissen.
Bild 3. Der Kaffee wird gemeinsam (auch in Bachs Kaffeekantate) wie die Suppe nicht so heiß getrunken als er eingegossen wird. Sagt der Volksmund, so muß es wohl stimmen. Aber es gibt tatsächlich Leute die das Warten verlernt haben und ihren Kaffee abzukühlen versuchen indem sie ihn in ihre Schüssel gießen. Dann wird kurz darüber geblasen en trinkt der Trinker - die Schüssel mit beiden Händen festhaltend - genießend den Kaffee. Diese Art Kaffee zu trinken sah man oft bei den Bauern in der Sommererntezeit - Der Roggen mußte schnellstens gemäht werden bevor der Regen kam! - die sich nicht die Zeit nahmen für ein gemütliches Kaffee(viertel)stündchen.
Bild 4. Hier sehen wir die Antwort auf die Frage der Gastgeberin (Sie steht da neben Ihnen mit der Kaffeekanne in der Hand) "Soll ich dir noch einmal einschenken?" Statt laut und deutlich zu antworten: "Nein, vielen Dank, lieb von dir, aber mir reicht's", stellt der Gast seine Tasse kopfüber, umgekehrt also, auf die Schüssel.
Sagen Sie bitte nicht, daß so eine Gebärde ein Zeichen von Hochmut oder Überheblichkeit ist. Nein, es ist lauter Gewohnheit. Sagen Sie auch nicht daß so etwas nicht vorkommt. Es hab es früher bei meinem Großvater oftmals gesehen. Dann pflegte er manchmal zu mir zu sagen: "Junge, ich rate dir: trink nicht soviel Kaffee. Davon kriegt man krumme Beine."
Davon hab' ich aber bis heute noch nichts gemerkt. Aber es kann ja noch kommen. Im Kaffeesatz liegt die Antwort.
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Sonntag, 17. Februar 2013
Bagatelle 179 - Schweinejagd
terra40, 19:09h
Unlängst las ich in meiner in allen Belangen treuen und vertrauten Regionalzeitung, daß ein Mitbewohner einer unserer Plattelandsnachbargemeinden bei der Gemeindeverwaltung einen nicht alltäglichen Antrag gestellt hatte. Er bat um Erlaubnis hinter seinem schon zwanzig Jahre existierenden privaten Tierfriedhof ein Tierkrematorium bauen zu dürfen. Weil, so behauptete er, viele Mitbürger das Bedürfnis hätten ihre Lieblingstiere, seien es große oder kleinere, nach deren Tod einäschern zu lassen.
Da staunte ich nicht schlecht. Aber nicht sehr lange. Weil, wenn es schon so lange spezielle Tierfriedhöfe gibt, alle offiziell gestattet und zugelassen, warum dann auch nicht ein Tierkrematorium?
Selber würde bei mir niemals der Gedanke aufkommen solches zu tun. Unsere gestorbenen Haustiere: Hunde, Katzen, Hühner etc. wurden immer feierlich von mir persönlich beerdigt. Hinter dem Hof ein Loch in der Erde mit manchmal einen großen Kieselstein obendrauf damit ich mir die genaue Stelle besser merken konnte. Und bei unseren Nachbarn, die noch richtig ihren Bauernberuf nachgehen, werden die toten sogenannten "Gebrauchs"tiere wie Kühe, Schafe und Schweine immer noch von einem Kadaverwagen - wie wir ihn nennen - abgeholt und zum Destruktor gefahren. Für diese Tiere kein Friedhof und auch kein Krematorium also.
Doch, ich bin ein Tierfreund. Ich mag sie und kann noch keine Fliege etwas antun. Fragen Sie unseren (jetzt einzigen) Hahn. Oder unseren Pfau Jeroen der vor sieben Monaten bei uns zugelaufen kam und seitdem unseren Hof als sein rechtmäßiger Wohnsitz betrachtet. Aber ich entferne mich geistig ein wenig von Leuten die so mit ihren Haustieren umgehen als wären es Menschen. Sie wissen was ich meine. Dieser Meinung nach sollte man tierisch mit ihnen umgehen und nicht menschlich, sonst würde es fast bestialisch.
Daher werde ich auch niemals ein Mitglied der Partei-für-die-Tiere, die es tatsächlich bei uns gibt (!), aber wenn einer bei uns an der Türe kommt und freundlich und um eine kleine Spende bittet für den örtlichen Tierschutzverein, dann bekommt er worauf er sich freut.
Der Umgang mit Tieren ist übrigens ein heikles Thema, finden Sie nicht auch? Was soll man in bestimmten Situationen machen? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: vorige Woche bei uns vor der Haustür wirklich so passiert. Am dritten Tag der zweiten Februarwoche landeten auf den grünen Winterwiesen vor unserem Haus plötzlich hunderte, was sag ich denn, tausende von Gänsen die sich an dem köstlichen Gras sehr erfreuten. Abends kamen die Jäger aus der Umgebung und ballerten zusammen den Gänseschwarm in Scharen in ein nächstliegendes Gefilde.
Geben wir es zu: zú viele Tiere von einer und derselben Sorte werden zu einer Plage. Heute sind es die Gänse, morgen die Hasen und Kaninchen und übermorgen die Wildschweine. Soll man sie töten und wie soll das denn vonstatten gehen? Die Frage bleibt offen.
Zum Schluß habe ich noch eine schöne Schweinejagdgeschichte für Sie.
Früher, vor sehr langer Zeit, aber ich kann mich noch daran erinnern als kleiner Junge dabei anwesend gewesen zu sein, wurde an Volksfesten am Königinnentag (damals den 31. August, mitten im Sommer) auf der Festwiese ein kleiner Metallzaun aufgestellt, so etwa zwanzig bei zwanzig Kwadratmeter Wiese umfassend. Darin wurde dann ein kleines Ferkel, das man vorher gründlich mit grüner Seife eingeschmiert hatte, losgelassen. Danach kamen die Bauersjungens, bei denen die Augen verbunden waren, hinter dem Zaun um das arme Schweinchen zu fangen. Der blinde Teilnehmer der als erster das aalglatte Schwein in seinen Armen davon trug, war der große Gewinner. Er durfte das Glücksschweinchen mit nach Hause nehmen. Und die tobende Menge genoß es, vor allem wenn die Burschen nicht das Schweinchen sondern sich selber bei den Ohren festhielten.
Heute wäre das glücklicherweise nicht mehr denkbar. Denn mit Tieren sollte man keine Spielchen machen welche manchmal schlimme Folgen haben können. Dafür sind sie uns zu viel Freund geworden. Aber wenn ich das alte Zeitungsfoto sehe, wo ein Ferkel sich aus dem Zaun befreit hat und sich auf den Weg zur Dorfsschule macht, bejubelt von der Blaskapelle im Hintergrund, kann ich mir ein herzliches Lachen nicht verkneifen. Wie damals.
Da staunte ich nicht schlecht. Aber nicht sehr lange. Weil, wenn es schon so lange spezielle Tierfriedhöfe gibt, alle offiziell gestattet und zugelassen, warum dann auch nicht ein Tierkrematorium?
Selber würde bei mir niemals der Gedanke aufkommen solches zu tun. Unsere gestorbenen Haustiere: Hunde, Katzen, Hühner etc. wurden immer feierlich von mir persönlich beerdigt. Hinter dem Hof ein Loch in der Erde mit manchmal einen großen Kieselstein obendrauf damit ich mir die genaue Stelle besser merken konnte. Und bei unseren Nachbarn, die noch richtig ihren Bauernberuf nachgehen, werden die toten sogenannten "Gebrauchs"tiere wie Kühe, Schafe und Schweine immer noch von einem Kadaverwagen - wie wir ihn nennen - abgeholt und zum Destruktor gefahren. Für diese Tiere kein Friedhof und auch kein Krematorium also.
Doch, ich bin ein Tierfreund. Ich mag sie und kann noch keine Fliege etwas antun. Fragen Sie unseren (jetzt einzigen) Hahn. Oder unseren Pfau Jeroen der vor sieben Monaten bei uns zugelaufen kam und seitdem unseren Hof als sein rechtmäßiger Wohnsitz betrachtet. Aber ich entferne mich geistig ein wenig von Leuten die so mit ihren Haustieren umgehen als wären es Menschen. Sie wissen was ich meine. Dieser Meinung nach sollte man tierisch mit ihnen umgehen und nicht menschlich, sonst würde es fast bestialisch.
Daher werde ich auch niemals ein Mitglied der Partei-für-die-Tiere, die es tatsächlich bei uns gibt (!), aber wenn einer bei uns an der Türe kommt und freundlich und um eine kleine Spende bittet für den örtlichen Tierschutzverein, dann bekommt er worauf er sich freut.
Der Umgang mit Tieren ist übrigens ein heikles Thema, finden Sie nicht auch? Was soll man in bestimmten Situationen machen? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: vorige Woche bei uns vor der Haustür wirklich so passiert. Am dritten Tag der zweiten Februarwoche landeten auf den grünen Winterwiesen vor unserem Haus plötzlich hunderte, was sag ich denn, tausende von Gänsen die sich an dem köstlichen Gras sehr erfreuten. Abends kamen die Jäger aus der Umgebung und ballerten zusammen den Gänseschwarm in Scharen in ein nächstliegendes Gefilde.
Geben wir es zu: zú viele Tiere von einer und derselben Sorte werden zu einer Plage. Heute sind es die Gänse, morgen die Hasen und Kaninchen und übermorgen die Wildschweine. Soll man sie töten und wie soll das denn vonstatten gehen? Die Frage bleibt offen.
Zum Schluß habe ich noch eine schöne Schweinejagdgeschichte für Sie.
Früher, vor sehr langer Zeit, aber ich kann mich noch daran erinnern als kleiner Junge dabei anwesend gewesen zu sein, wurde an Volksfesten am Königinnentag (damals den 31. August, mitten im Sommer) auf der Festwiese ein kleiner Metallzaun aufgestellt, so etwa zwanzig bei zwanzig Kwadratmeter Wiese umfassend. Darin wurde dann ein kleines Ferkel, das man vorher gründlich mit grüner Seife eingeschmiert hatte, losgelassen. Danach kamen die Bauersjungens, bei denen die Augen verbunden waren, hinter dem Zaun um das arme Schweinchen zu fangen. Der blinde Teilnehmer der als erster das aalglatte Schwein in seinen Armen davon trug, war der große Gewinner. Er durfte das Glücksschweinchen mit nach Hause nehmen. Und die tobende Menge genoß es, vor allem wenn die Burschen nicht das Schweinchen sondern sich selber bei den Ohren festhielten.
Heute wäre das glücklicherweise nicht mehr denkbar. Denn mit Tieren sollte man keine Spielchen machen welche manchmal schlimme Folgen haben können. Dafür sind sie uns zu viel Freund geworden. Aber wenn ich das alte Zeitungsfoto sehe, wo ein Ferkel sich aus dem Zaun befreit hat und sich auf den Weg zur Dorfsschule macht, bejubelt von der Blaskapelle im Hintergrund, kann ich mir ein herzliches Lachen nicht verkneifen. Wie damals.
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Dienstag, 5. Februar 2013
Bagatelle 178 - Schnellkunstlauf
terra40, 12:00h
Der Unterschied könnte nicht größer sein. Die deutschen Jungen nahmen ihre komplett-eisernen, kurzen Schlittschuhe und schraubten die mit einem kleinen Schlüsselchen unter ihre Schuhsohlen. Fertig. Die holländischen Burschen hatten hölzerne Blöcke bei sich mit darunter ein längliches Eisen, sogenannte 'Friesische Läufer', mit an der Vorderseite lederne Zehstücke und hinten ebenso lederne Hackenstützen, welche wir mit baumwollenen Bändern so gut wie's nur ging unter unseren Schuhen und Stiefel banden.
Und dann fing das Schlittschuhlaufen an. Wir, zehnjährige Jungens aus der Grenzregion, taten es auf befrorenen, unter Wasser stehenden Wiesen auf deutsches Territorium, ein Kilometer von der Landesgrenze entfernt. Spätnachmittags, wenn's bei uns schulfrei war, fuhren wir zur deutschen Eisfläche um mit tödlich erkälteten Händen zu versuchen unsere Schlittschuhe anzuziehen. In seltenen Fällen war meine ältere Schwester so gut um mir dabei behilflich zu sein.
Die Länge bestimmte der zweite Unterschied. Die Länge der Eisen unter den Schuhen versteht sich. Die Deutschen waren uns Holländer in den kleinen kurzen Bewegungen auf dem Eis total überlegen. Drehen, einen kunstvollen Bogen machen, umdrehen, wenden, fix und schnell anhalten, das alles konnte man auf den kurzen deutschen Eisen tausendmal besser. Daher gewannen die Deutschen auch immer beim Ländereishockeyspiel. Wenn es aber galt eine gerade Strecke von mindestens einhundert Metern so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, gewannen meistens die Holländer. In Deutschland hieß es daher auch immer Eiskunstlaufen, während man bei uns eigentlich nur das Eisschnellaufen kannte.
[Bild: Hendrick Avercamp (um 1615): Winterlandschaft mit Schlittschuhläufer]
Doch, das Schlittschuhschnelllaufen sitzt den Holländern in den Genen. Das war im Mittelalter so, im Goldenen Zeitalter nicht weniger, in Friedens- und Kriegszeiten, ebenso wie in Zeiten konjunktureller Aufschwung oder Krise. Heute ist es nicht anders. Sobald es zu frieren anfängt bekommen wir das Schlittschuhfieber.
Zum Schlittschuhlaufen im Freien braucht man aber einen Winter. Dieses Jahr dauerte der ungefähr vierzehn Tage. Wenn man berücksichtigt, daß es wohl zehn Tage dauert bis viele Kanäle und Seen so zugefroren sind daß sie eine große Menge von Schlittschuhläufern tragen, hatten wir Holländer nur vier Tage um von dieser herrlichen Eispracht zu genießen. Hier und dort wurden Fahrten organisiert wobei man einhundert Kilometer Eisfläche zurücklegt und am Finish eine kupferfarbige Medaille oder ein anderes Andenken bekommt das man zu Hause sorgfältig aufbewahrt. Und in einigen seltenen Wintern kommt es vor, daß man 220 Kilometer entlang elf Friesische Städte eisschnelllaufen kann. Der Gewinner dieser Rundfahrt bekommt ewigen Ruhm und einen festen Platz in den schulischen Geschichtsbüchern.
Anno 2013 war der Andrang Schlittschuh zu fahren auf den Seen und Kanälen so groß, daß vielerorts die Menge vom Eis mußte weil es sonst zu gefährlich wurde. Aber keine Not: sieht, da kommt schon ein Trecker mit Anspann der alle Schlittschuhfahrtteilnehmer mitnimmt zurück zum Parkplatz wo man bei einem "koek-und-zopie" Eisbude heiße Schokoladenmilch zu trinken bekommt.
'Schlittschuhlaufen' heißt bei uns schlichtweg 'schaatsen'. Das ist für deutsche Zungen unaussprechbar; es ist ein sjibboleth-Wort. Statt ein richtiges SCH hört man bei den deutschen Gästen ein komisch rauschendes SJ…. Die Deutschen haben aber auch etwas voraus: sie können tausendmal besser eiskunstlaufen als wir Eischnellläufer.
Und dann fing das Schlittschuhlaufen an. Wir, zehnjährige Jungens aus der Grenzregion, taten es auf befrorenen, unter Wasser stehenden Wiesen auf deutsches Territorium, ein Kilometer von der Landesgrenze entfernt. Spätnachmittags, wenn's bei uns schulfrei war, fuhren wir zur deutschen Eisfläche um mit tödlich erkälteten Händen zu versuchen unsere Schlittschuhe anzuziehen. In seltenen Fällen war meine ältere Schwester so gut um mir dabei behilflich zu sein.
Die Länge bestimmte der zweite Unterschied. Die Länge der Eisen unter den Schuhen versteht sich. Die Deutschen waren uns Holländer in den kleinen kurzen Bewegungen auf dem Eis total überlegen. Drehen, einen kunstvollen Bogen machen, umdrehen, wenden, fix und schnell anhalten, das alles konnte man auf den kurzen deutschen Eisen tausendmal besser. Daher gewannen die Deutschen auch immer beim Ländereishockeyspiel. Wenn es aber galt eine gerade Strecke von mindestens einhundert Metern so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, gewannen meistens die Holländer. In Deutschland hieß es daher auch immer Eiskunstlaufen, während man bei uns eigentlich nur das Eisschnellaufen kannte.
[Bild: Hendrick Avercamp (um 1615): Winterlandschaft mit Schlittschuhläufer]
Doch, das Schlittschuhschnelllaufen sitzt den Holländern in den Genen. Das war im Mittelalter so, im Goldenen Zeitalter nicht weniger, in Friedens- und Kriegszeiten, ebenso wie in Zeiten konjunktureller Aufschwung oder Krise. Heute ist es nicht anders. Sobald es zu frieren anfängt bekommen wir das Schlittschuhfieber.
Zum Schlittschuhlaufen im Freien braucht man aber einen Winter. Dieses Jahr dauerte der ungefähr vierzehn Tage. Wenn man berücksichtigt, daß es wohl zehn Tage dauert bis viele Kanäle und Seen so zugefroren sind daß sie eine große Menge von Schlittschuhläufern tragen, hatten wir Holländer nur vier Tage um von dieser herrlichen Eispracht zu genießen. Hier und dort wurden Fahrten organisiert wobei man einhundert Kilometer Eisfläche zurücklegt und am Finish eine kupferfarbige Medaille oder ein anderes Andenken bekommt das man zu Hause sorgfältig aufbewahrt. Und in einigen seltenen Wintern kommt es vor, daß man 220 Kilometer entlang elf Friesische Städte eisschnelllaufen kann. Der Gewinner dieser Rundfahrt bekommt ewigen Ruhm und einen festen Platz in den schulischen Geschichtsbüchern.
Anno 2013 war der Andrang Schlittschuh zu fahren auf den Seen und Kanälen so groß, daß vielerorts die Menge vom Eis mußte weil es sonst zu gefährlich wurde. Aber keine Not: sieht, da kommt schon ein Trecker mit Anspann der alle Schlittschuhfahrtteilnehmer mitnimmt zurück zum Parkplatz wo man bei einem "koek-und-zopie" Eisbude heiße Schokoladenmilch zu trinken bekommt.
'Schlittschuhlaufen' heißt bei uns schlichtweg 'schaatsen'. Das ist für deutsche Zungen unaussprechbar; es ist ein sjibboleth-Wort. Statt ein richtiges SCH hört man bei den deutschen Gästen ein komisch rauschendes SJ…. Die Deutschen haben aber auch etwas voraus: sie können tausendmal besser eiskunstlaufen als wir Eischnellläufer.
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Sonntag, 6. Januar 2013
Bagatelle 175 - Neues Rätsel
terra40, 12:00h
So am Anfang eines neuen Jahres - heute kommen die drei Magier aus dem Morgenland vorbei - komme ich schon bald zu der Einsicht, daß zwar die Jahreszahl sich geändert, daß aber sonst fast alles beim alten geblieben ist. Neu sind allerdings meine Benehmens- und sonstige Umgangsformen welche ich mich - wie gewohnt - zu jedem Jahresbeginn vornehme zu ändern. Besser gesagt: zu verbessern.
Zum Beispiel meine Neigung Bücher zu kaufen ohne sie tatsächlich zu lesen. Jetzt ist Schluß. Ab heute wird zuerst gelesen und dann erst gekauft. In jedem Bücherschrank befindet sich wohl ein kleiner Stapel Lesestoff der darum bittet gelesen zu werden. Dieses Jahr ist es soweit. Ich verspreche es hierbei feierlich und Sie sind alle Zeuge.
Es gibt also genug zu tun. Auch für Sie. Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute und viel Erfolg. (Wünschen kann man bekanntlich den ganzen Monat Januar.) Und wenn Sie sich dennoch langweilen? Dann versuchen Sie mal nachzuforschen in welchen Sprachen hier unten das Wort 'NEU' geschrieben steht. "Neu", hier gemeint als Kürzel für 'ein glückliches neues Jahr". Wenn fertig, ist fast wieder ein Tag vorbei.
Zum Beispiel meine Neigung Bücher zu kaufen ohne sie tatsächlich zu lesen. Jetzt ist Schluß. Ab heute wird zuerst gelesen und dann erst gekauft. In jedem Bücherschrank befindet sich wohl ein kleiner Stapel Lesestoff der darum bittet gelesen zu werden. Dieses Jahr ist es soweit. Ich verspreche es hierbei feierlich und Sie sind alle Zeuge.
Es gibt also genug zu tun. Auch für Sie. Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute und viel Erfolg. (Wünschen kann man bekanntlich den ganzen Monat Januar.) Und wenn Sie sich dennoch langweilen? Dann versuchen Sie mal nachzuforschen in welchen Sprachen hier unten das Wort 'NEU' geschrieben steht. "Neu", hier gemeint als Kürzel für 'ein glückliches neues Jahr". Wenn fertig, ist fast wieder ein Tag vorbei.
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Freitag, 30. November 2012
Bagatelle 172 - Vorher, nachher
terra40, 18:03h
Die Situation ist uns allen bekannt: rechts steht der bekannte Sachverständige Dr. Dr. Klaus Kannstmichmal, anerkannter Uhrenkenner; daneben Frau Dr. Hannelore Kärstener, die das Programm für uns moderiert und die durch manchen pointierten Fachausdruck zeigt, daß sie dem eingeladenen Sachverständigen fachfräulich im nichts nachsteht. Ganz links Frau Vonderhandgewiesen geborene Schubert, die stolz und erwartungsvoll vieles Wissenswertes über das Objekt in der Mitte über sich ergehen läßt. Das Objekt selbst ist eine bieder anmutende Rokoko-Uhr und die Sendung heißt Kunst und Krempel.
Freilich, ich sehe wenig fern, aber solche Sendungen lasse ich mir nicht nehmen. Wie herrlich, dieser Gesichtsausdruck bei der Frau V. geborene S., wenn sie aus dem Munde des sachverständigen Doppeldoktoren erfährt, daß ihre Uhr um 1832 in Lours-sur-Seine zusammengebaut worden ist. Und daß das Blattgold auf der Pendelscheibe tatsächlich echt ist. Sie aber hat eigentlich nur diesen éinen Wunsch: zu wissen wieviel Euro die Uhr wert ist. Nach fünf Minuten und virtuell 1200 Euro reicher verläßt sie - die Uhr feste in den Armen geschlossen - glücklich die Fernsehbühne. Ihr folgt der Herr Augenstern aus Lauen an der Luhre der eine herrliche Spitzweg-Kopie mitgebracht hat und deshalb einen anderen Sachverständigen braucht. (Nebenbei: in der Bagatelle LVIII konnten Sie übrigens schon etwas mehr von der Spannung erfahren welche diese Sendungen umgeben.)
Bei uns heißt die Sendung Kunst & Kitsch. Aber wie sich die Bilder gleichen! Beim ersten Betrachten eines Ölgemäldes rät unser Sachkenner Hubert van Scheveningen immer eines: zuerst wird gesäubert! Er nimmt sich ein Wattenstäbchen, feuchtet es ein wenig in Alkohol an - wenn kein Alkohol da ist nimmt er seine eigene Spucke - und putzt sehr behutsam und vorsichtig über Firnis und Farbe, und wenn das Reinemachen sein Ende gefunden hat, strahlt uns das Bild im neuen Glanz entgegen!
Der Fall will, daß mein junger Bruder sich vor Jahren auf einer Auktion ein altes Gemälde schenkte. Für viel zu viel Geld, denn fast alles Materielle was ein richtiges Bild braucht, fehlte förmlich. Es gab keinen Rahmen und hier und da hatte sich auch schon die Farbe von der Leinwand gelöst. Dennoch zeigten viele Details eine Meisterhand. Sehen Sie selbst wie schön die Laube mit der Kletterrose gemalt worden ist. Wie fein das Mädchen dasitzt in der Abendsonne um ihre Arbeit (das Abziehen der Bohnen für die Abendmahlzeit) nachzugehen. Und wie selten gut getroffen ist der Hahn und seine Gefolgschaft! Nein, wir können uns gut vorstellen wie gerne mein Bruder das Bild haben wollte. So geht uns das eben auch. Hier unten sehen Sie das Bild in der Originalfassung. Über Herkunft und Zeit wußte man nichts. Es ist unsigniert, so daß mein Bruder seine Vermutung: das Bild sei englischer Herkunft, nicht beweisen konnte. Für eines brauchte man keinen Beweis: das Bild war total verschmutzt.
Da nahm ich mir die Worte des K&K-Sachverständigen zu Herzen. Ich bot meinem Bruder an das Bild zuerst gründlich zu reinigen. Aber wie und womit?
Manche schwören in solch einem Fall bei einem ungekochten aber geschälten und halbwegs durchgeschnittenen Kartoffel; andere bevorzugen am liebsten geknetetes und selbstgekautes Roggenbrot. Wieder andere verwenden 96%-Industriealkohol und einige Unverbesserlichen tun es mit ihrer Spucke oder was auch immer die Speicheldrüse hergibt. Weil ich gerne ein Gläschen trinke und mich daher mit der Ware auskenne fiel meine Wahl auf den Alkohol. Mit einem in Alkohol getränkten Wattenstäbchen wurde Zentimeter für Zentimeter gereinigt. Als diese Sisyphusarbeit getan war, bedeckte ich das Bild mit einer neuen, dünnen Firnisschicht. Das Resultat folgt auf dem Fuße. Die Bilder sind so naturgetreu möglich dargestellt; nichts ist wie wir es nennen 'gephotoshopt', künstlich verschönert also.
Ist 'nachher' besser als 'vorher'? Hat sich die Mühe gelohnt? Urteilen Sie selbst. Mein Bruder beurteilte die Reinigung als 'ziemlich zufriedenstellend, sei es daß die Atmosphäre ein wenig gelitten habe'. Er bedankte sich indem er mir das Bild schenkte. Jetzt hängt das Mädchen in der Rosenlaube, von Huhn und Hahn umgeben, in meinem Arbeitszimmer. Mit Freuden seh' ich es mir an, jeden Tag wohl ein Mal.
Freilich, ich sehe wenig fern, aber solche Sendungen lasse ich mir nicht nehmen. Wie herrlich, dieser Gesichtsausdruck bei der Frau V. geborene S., wenn sie aus dem Munde des sachverständigen Doppeldoktoren erfährt, daß ihre Uhr um 1832 in Lours-sur-Seine zusammengebaut worden ist. Und daß das Blattgold auf der Pendelscheibe tatsächlich echt ist. Sie aber hat eigentlich nur diesen éinen Wunsch: zu wissen wieviel Euro die Uhr wert ist. Nach fünf Minuten und virtuell 1200 Euro reicher verläßt sie - die Uhr feste in den Armen geschlossen - glücklich die Fernsehbühne. Ihr folgt der Herr Augenstern aus Lauen an der Luhre der eine herrliche Spitzweg-Kopie mitgebracht hat und deshalb einen anderen Sachverständigen braucht. (Nebenbei: in der Bagatelle LVIII konnten Sie übrigens schon etwas mehr von der Spannung erfahren welche diese Sendungen umgeben.)
Bei uns heißt die Sendung Kunst & Kitsch. Aber wie sich die Bilder gleichen! Beim ersten Betrachten eines Ölgemäldes rät unser Sachkenner Hubert van Scheveningen immer eines: zuerst wird gesäubert! Er nimmt sich ein Wattenstäbchen, feuchtet es ein wenig in Alkohol an - wenn kein Alkohol da ist nimmt er seine eigene Spucke - und putzt sehr behutsam und vorsichtig über Firnis und Farbe, und wenn das Reinemachen sein Ende gefunden hat, strahlt uns das Bild im neuen Glanz entgegen!
Der Fall will, daß mein junger Bruder sich vor Jahren auf einer Auktion ein altes Gemälde schenkte. Für viel zu viel Geld, denn fast alles Materielle was ein richtiges Bild braucht, fehlte förmlich. Es gab keinen Rahmen und hier und da hatte sich auch schon die Farbe von der Leinwand gelöst. Dennoch zeigten viele Details eine Meisterhand. Sehen Sie selbst wie schön die Laube mit der Kletterrose gemalt worden ist. Wie fein das Mädchen dasitzt in der Abendsonne um ihre Arbeit (das Abziehen der Bohnen für die Abendmahlzeit) nachzugehen. Und wie selten gut getroffen ist der Hahn und seine Gefolgschaft! Nein, wir können uns gut vorstellen wie gerne mein Bruder das Bild haben wollte. So geht uns das eben auch. Hier unten sehen Sie das Bild in der Originalfassung. Über Herkunft und Zeit wußte man nichts. Es ist unsigniert, so daß mein Bruder seine Vermutung: das Bild sei englischer Herkunft, nicht beweisen konnte. Für eines brauchte man keinen Beweis: das Bild war total verschmutzt.
Da nahm ich mir die Worte des K&K-Sachverständigen zu Herzen. Ich bot meinem Bruder an das Bild zuerst gründlich zu reinigen. Aber wie und womit?
Manche schwören in solch einem Fall bei einem ungekochten aber geschälten und halbwegs durchgeschnittenen Kartoffel; andere bevorzugen am liebsten geknetetes und selbstgekautes Roggenbrot. Wieder andere verwenden 96%-Industriealkohol und einige Unverbesserlichen tun es mit ihrer Spucke oder was auch immer die Speicheldrüse hergibt. Weil ich gerne ein Gläschen trinke und mich daher mit der Ware auskenne fiel meine Wahl auf den Alkohol. Mit einem in Alkohol getränkten Wattenstäbchen wurde Zentimeter für Zentimeter gereinigt. Als diese Sisyphusarbeit getan war, bedeckte ich das Bild mit einer neuen, dünnen Firnisschicht. Das Resultat folgt auf dem Fuße. Die Bilder sind so naturgetreu möglich dargestellt; nichts ist wie wir es nennen 'gephotoshopt', künstlich verschönert also.
Ist 'nachher' besser als 'vorher'? Hat sich die Mühe gelohnt? Urteilen Sie selbst. Mein Bruder beurteilte die Reinigung als 'ziemlich zufriedenstellend, sei es daß die Atmosphäre ein wenig gelitten habe'. Er bedankte sich indem er mir das Bild schenkte. Jetzt hängt das Mädchen in der Rosenlaube, von Huhn und Hahn umgeben, in meinem Arbeitszimmer. Mit Freuden seh' ich es mir an, jeden Tag wohl ein Mal.
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Sonntag, 23. September 2012
Bagatelle 167 - Zufallsgeburtstag
terra40, 14:22h
Einige Male habe ich Ihnen hier von einem Phänomen erzählt, das ich mittlerweise zu verdrängen versuche, das mich aber immer wieder vor die Füße tritt. Ich meine die Geschichten und Zustände um die Synchronizität. Sie wissen, daß es sich hierbei handelt um das gleichzeitig auftreten zweier Ereignisse, beide in völlig verschiedenen Kontexten, die jedoch undank aller Unterschiede zusammen passen.
So dachte ich vorige Woche Donnerstagabend daran, es war der 20. September, daß ich um Gottes Willen nicht vergessen sollte den nächsten Morgen, den 21. also, meinen Sohn Michiel zu gratulieren zu seinem Geburtstag. (Darüber, über das Vergessen eines Geburtstages, kann ich mich eben in schwarz kleiden und drei Wochen trauern, so schlimm finde ich das.)
Wie vorgenommen, so getan. Am 21. September, morgens um zehn, setze ich mich hinter dem Monitor, gebe dem uralten Windows XP-Desktop Gelegenheit knurrend und quietschend zu starten, und da erscheinen schon die ersten vertrauten Bilder. Eines davon ist eine Werbung eines großen Internetkaufhauses, denn wie Sie wissen, erhalten Sie wenn Sie je einmal etwas unwichtiges gekauft haben, immer wieder gefragt und ungefragt Werbetexten ins Haus geliefert. Diesmal ist es eine Werbung für ein neues i-pad das man mit Rabatt kaufen kann. Und was sehe ich auf dem beigelieferten Bild wo das i-pad als Notizbuch verwendet wird? Sehen Sie selbst. (Korting = Rabatt; verjaardag = Geburtstag)
Die Internetfirma erinnert mich daran in ihrer i-padwerbung, daß ich heute bloß nicht vergessen soll Michiel zu seinem Geburtstag zu gratulieren! Wieso wissen die das? Wieso wissen die wie mein Sohn heißt? Wieso wissen die überhaupt daß ich Kinder habe? Wissen die Apple-leute denn alles über mich? Und woher weiß die Internetfirma, bei der ich einmal ein winziges kleines Buch gekauft habe, daß mein Sohn Geburtstag hat? Und gerade heute sind die so frei mich daran zu erinnern!
Entscheiden Sie selbst: Sein oder Nicht-Sein, Zufall oder Kein-Zufall?
So dachte ich vorige Woche Donnerstagabend daran, es war der 20. September, daß ich um Gottes Willen nicht vergessen sollte den nächsten Morgen, den 21. also, meinen Sohn Michiel zu gratulieren zu seinem Geburtstag. (Darüber, über das Vergessen eines Geburtstages, kann ich mich eben in schwarz kleiden und drei Wochen trauern, so schlimm finde ich das.)
Wie vorgenommen, so getan. Am 21. September, morgens um zehn, setze ich mich hinter dem Monitor, gebe dem uralten Windows XP-Desktop Gelegenheit knurrend und quietschend zu starten, und da erscheinen schon die ersten vertrauten Bilder. Eines davon ist eine Werbung eines großen Internetkaufhauses, denn wie Sie wissen, erhalten Sie wenn Sie je einmal etwas unwichtiges gekauft haben, immer wieder gefragt und ungefragt Werbetexten ins Haus geliefert. Diesmal ist es eine Werbung für ein neues i-pad das man mit Rabatt kaufen kann. Und was sehe ich auf dem beigelieferten Bild wo das i-pad als Notizbuch verwendet wird? Sehen Sie selbst. (Korting = Rabatt; verjaardag = Geburtstag)
Die Internetfirma erinnert mich daran in ihrer i-padwerbung, daß ich heute bloß nicht vergessen soll Michiel zu seinem Geburtstag zu gratulieren! Wieso wissen die das? Wieso wissen die wie mein Sohn heißt? Wieso wissen die überhaupt daß ich Kinder habe? Wissen die Apple-leute denn alles über mich? Und woher weiß die Internetfirma, bei der ich einmal ein winziges kleines Buch gekauft habe, daß mein Sohn Geburtstag hat? Und gerade heute sind die so frei mich daran zu erinnern!
Entscheiden Sie selbst: Sein oder Nicht-Sein, Zufall oder Kein-Zufall?
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Sonntag, 27. Mai 2012
Bagatelle 161 - Text und Bild
terra40, 12:36h
Heute ein kleiner Beitrag aus der Reihe Literarische Telepathie, oder wie es mein Bruder je formulierte: "Ein historisch-literarisches Unikat, unverständlich unbegreiflich, aber trotzdem historisch validiert," womit er eine Ereignis meinte, welches nach menschlichem Ermessen niemals stattgefunden haben könnte, aber das undank dessen in Wirklichkeit tatsächlich so passiert sei. Und zu mir fast immer den Satz hinzufügend: "Es geschieht so viel mehr zwischen Himmel und Erde, aber das wirst du, mit deinen nur auf Empirie gerichteten Augen, niemals sehen."
Es ist die Geschichte von Leo Tolstoi und Pasternak. (Nicht der Boris P., sondern der Illustrator M. Pasternak.) Wichtig ist zu wissen, daß im 19. Jahrhundert die Romane der europäischen Spitzenkategorie (die Schriftsteller meine ich) mit realistisch-expressionistischen Bildern illustriert wurden, weil sie dann, laut Meinung der Verleger, der Leserschaft attraktiver und zugänglicher vorgestellt werden konnten. Tolstois Verleger hatte hierzu mit dem damals berühmten Illustrator M. Pasternak einen Kontrakt geschlossen. Anhand der Druckproben des neuen Romanes entwarf der Herr Pasternak attraktive Zeichnungen. Vor Erscheinen des Buches war der Illustrator laut kontraktueller Absprache verpflichtet die Bewilligung des Autors einzuholen. So auch geschehen mit Tolstois 1899 vollendeten Roman Auferstehung. Es war übrigens Tolstois letzter Roman.
Dies hier ist der schwer dekadente Prinz Nechljudow (Dimitri Iwanowitsch, genannt Mitja) eine der Hauptpersonen in Tolstois Roman. Tolstoi fragte den Illustrator Pasternak ob dieser den Prinzen N. gekannt habe. Er, Tolstoi, hätte den tatsächlich existierenden Prinzen N. als Vorbild genommen für seine Romanfigur. "Sie müssen ihn gekannt haben!", sagte Tolstoi zu Pasternak. "Sonst hätten Sie ihn nicht so nach dem Leben zeichnen können. Er ist es: kein Zweifel darüber."
Das ist es was mein Bruder in Erregung versetzte. Daß eine Zeichnung, die schließlich nur mit Hilfe der Texte eines Korrekturbogens zu Stande gekommen ist, so lebensecht sein kann. Da muß die Telepathie mitgespielt haben.
Daß die Geschichte sich wirklich so abgespielt hat, ergibt sich aus dem Anhang in der französischen Übersetzung. Hier unten zu lesen. Ohne telepatische Beigedanken.
Es ist die Geschichte von Leo Tolstoi und Pasternak. (Nicht der Boris P., sondern der Illustrator M. Pasternak.) Wichtig ist zu wissen, daß im 19. Jahrhundert die Romane der europäischen Spitzenkategorie (die Schriftsteller meine ich) mit realistisch-expressionistischen Bildern illustriert wurden, weil sie dann, laut Meinung der Verleger, der Leserschaft attraktiver und zugänglicher vorgestellt werden konnten. Tolstois Verleger hatte hierzu mit dem damals berühmten Illustrator M. Pasternak einen Kontrakt geschlossen. Anhand der Druckproben des neuen Romanes entwarf der Herr Pasternak attraktive Zeichnungen. Vor Erscheinen des Buches war der Illustrator laut kontraktueller Absprache verpflichtet die Bewilligung des Autors einzuholen. So auch geschehen mit Tolstois 1899 vollendeten Roman Auferstehung. Es war übrigens Tolstois letzter Roman.
Dies hier ist der schwer dekadente Prinz Nechljudow (Dimitri Iwanowitsch, genannt Mitja) eine der Hauptpersonen in Tolstois Roman. Tolstoi fragte den Illustrator Pasternak ob dieser den Prinzen N. gekannt habe. Er, Tolstoi, hätte den tatsächlich existierenden Prinzen N. als Vorbild genommen für seine Romanfigur. "Sie müssen ihn gekannt haben!", sagte Tolstoi zu Pasternak. "Sonst hätten Sie ihn nicht so nach dem Leben zeichnen können. Er ist es: kein Zweifel darüber."
Das ist es was mein Bruder in Erregung versetzte. Daß eine Zeichnung, die schließlich nur mit Hilfe der Texte eines Korrekturbogens zu Stande gekommen ist, so lebensecht sein kann. Da muß die Telepathie mitgespielt haben.
Daß die Geschichte sich wirklich so abgespielt hat, ergibt sich aus dem Anhang in der französischen Übersetzung. Hier unten zu lesen. Ohne telepatische Beigedanken.
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