Dienstag, 30. März 2010
Bagatelle XLIX - Lieb und teuer
Immer schlechter steht es um die Handhabe der Werte welche unser tägliches Leben begleiten, beschützen und behüten. So wird der gute Brauch sich beim beantworten einer Lehrerfrage von seinem Sitzplatz zu erheben nur noch an fünfzig Prozent der Gesamtschulen in Ost-Bayern in Ehren gehalten. Und das ist nur der Anfang. Das Wort zum Sonntag wurde unlängst um eine ganze halbe Minute gekürzt zugunsten der Schokoladenwerbung. Das Wort “Ehrfurcht” wird nur noch in den wenigsten Fällen großgeschrieben. Und bei Boxveranstaltungen wird die deutsche Nationalhymne von einem aus lauter weiblichen Musikerinnen bestehendem Streichquartett gefiedelt, weil ein komplettes Polizeiregimentsorchester den Budget für musikalische Personalkosten sprengen würde.

Der vorläufige Tiefpunkt dieses Werteabfalls bildet die aufkommende öffentliche Neigung die figurative bildende Kunst hierzulande lächerlich machen zu wollen. Alles was uns in dieser Angelegenheit lieb und teuer ist, verschwindet in dunklen und düsteren Ecken des hiesigen städtischen Museums. Unwahr und Unsinn, sagen Sie? Ich werde es mit einem (aus tausenden möglichen) Beispiel illustrieren.

Wir alle kennen das berühmte Gemälde Le déjeuner sur l’herbe (übersetzt auf neudeutsch: Grasbrunch) welches uns der Maler Edouard Manet Ende des 19. Jahrhunderts geschenkt hat. Es mißt präzise 208 mal 265 Zentimeter, so daß es oberhalb ihrer Wohnzimmercouch nicht passen würde.
Was sehen wir? Eine Szene aus dem Bois de Boulogne. Die wichtigste Person ist eine frisch und fröhliche junge Dame, die uns zeigt, daß die neulich wieder eingetretene Sommerzeit an ihrem Körper keine nachhaltigen Spuren hinterlassen hat. Dann gibt es noch zwei ältere Herren die sich um den Wert der Daimler-Benz Aktien streiten. Links vorne eine allegorische Vorstellung mit Eßutensilien. Hinten ein Mädchen das virtuell Pilze sammelt, in Wirklichkeit aber das Gespräch genauestens verfolgt.
Mit Freuden zeige ich Ihnen das Gemälde. In reproduktiver Form zwar, aber wenn Sie sich nach der Quay d’Orsay begeben, zweihundert Meter weiter als das Polizeipräsidium, können Sie das Original bestaunen.



Zweifelsfrei ein Höhepunkt französischer Malerei des neunzehnten Jahrhunderts. Und eine wohlbekömmliche Illustration vom Leben auf französischer Art. Da hat der Herr Manet in der Tat ein glückliches und fachmännisches Händchen angelegt. Das Bild ist leicht reizend, aber in keiner Weise oder auf das geringste anstößig.

Was aber geschieht, wenn andersdenkende auf einer unzulässigen und groben Art sich dieser ländlichen Idylle bedienen, zeige ich Ihnen an Hand dreier Beispiele. Beim ersten, einem Bildversuch eines gewissen Pablo Picasso, möchten wir Sie bitten in diesem Fall Gnaden für Recht gelten zu lassen. Denn man kann nicht verneinen, daß dieser Picasso Manets Vorstellung in ein neues Licht erscheinen läßt. Immerhin, das ist doch was, möchte man meinen.



Die Folgen, wenn aber eine Popgruppe, die sich Bow Wow Wow nennen läßt, sich des Bildes annimmt, sehen wir am nächsten Beispiel. Gut, daß die Musik dieser Gruppe wenig genießbar, jedoch einigermaßen hörbar ist, sonst hätten wir vorgeschlagen sofort die städtische Reinigung anzurufen.



Der Gipfel der Dekadenz tut sich hervor wenn das geachtete Zeichentrickgilde sich des Subjekts bemächtigt. Sehen Sie nur! Hier werden Manets Ideen mit Füßen getreten und mit dem Boden gleichgemacht. Eine Schande! Wie wagt man es zu versuchen in dieser infamen Weise für den Verkauf von ekologischem Spinat zu werben! Dem Popeye kann man wenig vorwerfen: es sind seine Schöpfer die alles besser wissen wollen.



Laßt uns für einen Moment Besinnlichkeit betrachten und uns befragen wie es alles so weit hat kommen können. Seien wir ehrlich zu uns selber. Beantworten Sie bitte mit mir diese eine Frage: was habe ICH getan um diesen Zeitgeist vorzubeugen?

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