Mittwoch, 12. März 2014
Bagatelle 219 - Schuhwerk
Pünktlich, einmal die Woche, meistens am Mittwochnachmittag, kommt er angefahren: der Werbeprospektbringer. Er hält bei unserem Briefkasten an der Landstraße an, steigt gutes Mutes aus während er den Automotor ruhig weiter laufen lässt, und schiebt ein Werbeprospektpaket so gut wie es geht in den Kasten. Weil ich ziemlich nahe an der Staatsgrenze wohne, ist die Zahl heiterer Werbungsblätter extra groß. Denn sowohl niederländische als auch deutsche Firmen versuchen mir etwas zu verkaufen und stöhnen gleichsam vor Unglaube wenn mir ihr Angebot nicht passt.

Diese Woche stand das Schuhwerk im Brennpunkt. Auf vielen Seiten wurden mir die schönsten und bequemsten Schuhe vorgestellt. Und ich staunte nicht schlecht als ich sah für welchen Preis man bereit war mir das Inhaberrecht zu überlassen. Achtundvierzig Euro und lumpige fünfundneunzig Cents für ordentlich aussehende, feinlederne, sauber geputzte Schuhe, das kann doch nicht wahr sein? Oder gilt der Preis nur der linke Schuh, so dass man für das rechte spiegelbildliche alter ego nochmal denselben Preis zu zahlen hat?

Irren Sie sich nicht, sagte mir der Fachmann. Vieleicht ist es unechtes Material aus Plastik worüber man – in China versteht sich - eine dünne Schicht Kunstleder gespritzt hat. Nach drei Tagen tun Ihnen die Zehe weh und lässt die Flexibilität nach. Nein, sagte der Schumachermeister, jede Ware hat seinen Preis. Bestes Leder braucht man und maßgeschneidert muss es sein. Dass italienische Schuhe manchmal einige Hundert Euro das Stück kosten, mag wohl stimmen, aber eine Fußbedeckung samt Gehhilfe braucht natürlich nicht unbedingt ein eleganter Schuhferrari oder ein imponierender Stiefelmaserati zu sein.



Diese Schuhgeschichte erinnert mich an meiner Studentenzeit, vor vielen Jahren. Jahre worin wir (Mann, Frau, zwei kleine Kinder) an allem wie es nur ging sparten. Jahre wo jeder Gulden und jeder Cent zählte. Da habe ich, gegen besser Wissen, einmal schwer gesündigt indem ich mir ein Paar neue Schuhe kaufte welche fast zweihundert Gulden kosteten. Für die damalige Zeit und in der damaligen Situation unglaublich unverantwortlich. Wie ich dazu gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Wohl weiß ich bis heute, dass ich diesen Kauf niemals bereut habe. Nie hat mir ein Paar Schuhe so gut gefallen und nie konnte ich auf diesen Schuhen so gut gehen. Jahre lang und unzählbare Kilometer weit haben sie mir begleitet und das alles unter beiderseitiger Freude. Mindestens drei Male habe ich diese Wunderschuhe versohlen lassen. Jedes Mal sagte mir der Schumachermeister dass es sich lohnte. So kann es gehen.

Heute geht die Schuhwerbung an mir vorbei. Wenn unbedingt nötig geht die Reise in ein gutes Schuhgeschäft wo man mich fachmännisch und fachfraulich berät. Zuhause dann kommen die neugekaufte Schuhe in den Schuhschrank, wartend auf Sonn- und Feiertage. Denn meistens gehe ich auf Holzschuhen. Oder barfuß auf Socken.

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