Sonntag, 28. Januar 2018
Bagatelle 310 - Höhere Mathematik
Neulich, beim Durchstöbern einer meiner Büchersammlungen, hielt ich vors erste Mal nach vielen Jahren wieder einmal ein altes Mathematikbuch in der Hand. Gleich kamen mir die alten Geschichten und Begebenheiten ins Gedächtnis. Was war der Fall?

Um 1975 etwa beschloss ich eine Studie der Psychologie anzufangen. Und zwar an der Uni zu Nimwegen. Man erlaubte mir Eintritt, obschon ich keinen Abschluss mit Abitur besaß, sondern schon ein Studium an einer Pädagogischen Hochschule erfolgreich abgeschlossen hatte. Nur die Fakultät der Sozialen Wissenschaften (Psychologie, Soziologie und Pädagogik) kam in Frage.



"Bedenk, bitte, welche Schwierigkeiten dir auf deinem Studienweg begegnen werden!" sagte man mir. Und zwar so oft und so dringend, dass es man es schon für wahr halten musste. "Weißt du, um nur éine Schwierigkeit zu nennen, dass das Fach Statistik als Form der Höheren Mathematik – innerhalb der Psychologie offenbar unentbehrlich - für viele Studenten ein echter Stolperstein bedeutet?" Das sagte auch ein freundlicher Professor während des ersten Hörkolleg dem ich zusammen mit 220 Studenten – Frau und Mann - beiwohnte. "Für Studenten mit einer unzureichender Mathematikvorbildung gibt es allerdings sogenannte Auffrischkurse" sagte er auch noch. "Das ist etwas für mich!" dachte ich.

"Was hast du überhaupt an Mathematik gelernt während deiner früheren Ausbildung?" fragte mich der Student-Assistent der von dem Mathematikprofessor beauftragt war für zwanzig Studenten einen Auffrischkurs zu organisieren. Munter antwortete ich dass ich ungefähr wusste was ꞌZerlegen in Faktorenꞌ heisse und was eine Gleichung sei. Ebenso munter erwiderte der Kursleiter dann: "Herr Terra, ich gebe Ihnen einen guten Rat: bitte, fangen Sie nicht mit diesem Studium an. Denn das wird nix. Ich bedauere das sehr, und ich teile Ihre Enttäuschung, aber so ist es halt eben."

Diesen Nachmittag, unterwegs nach Hause in meiner treuen Ente (ein Citroën 2CV wie Sie wissen,) überlegte ich was zu tun. "Das wäre doch gelacht," hielt ich mir selber vor, "wie viele Studenten gibt es nicht, die diese mathematischen Anforderungen ohne Schwierigkeit erfüllen? Warum sollte ich nicht einer derjenigen sein?" Das sagte ich auch meiner Frau, als ich zu Hause war. Aber das Unbehagen blieb.



Bitte, fragen Sie mich nicht wie ich in diesem ersten Universitätsjahr die statistischen Mathematikprüfungen bestanden habe. Sehen Sie nur auf die Blut- und Schweißflecken auf dem Teppichboden meines Arbeitszimmer. Aber das Schlussexamen Statistik nach einem Jahr Psychologiestudium bestand ich mit der Note: ꞌgenügendꞌ. Der Student-Assistent zugleich Auffrischkursleiter Mathematik war sehr erstaunt. Er gratulierte jedoch von Herzen.

Später habe ich die Angst vor der mathematischen Psychologie verloren. Im Gegenteil, ich bekam Freude daran. Nicht wegen der Zahlenspielerei oder um die Anwendung mathematischer Formel. Sondern wegen der Möglichkeit menschliches Verhalten kreativ zu analysieren. Denn, wie der Mathematikprofessor in seiner ersten Vorlesung in etwa sagte: es geht in der Psychologie um menschliches Verhalten, um Gefühle und Gedanken, nicht um Mathematik.

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