Sonntag, 15. November 2020
Bagatelle 354 - Neuerscheinung
Vorige Woche ist ein kleines Büchlein erschienen. Titel: Schoppendag & zommerraegen. Untertitel: Korte verhalen in de streektaal. Es hat sage und schreibe achtundachtzig Seiten; es enthält nicht weniger als fünfzig (sehr) Kurzgeschichten (vergleichbar mit Bagatellen, aber anders), wovon die meisten von einer Abbildung oder Farbfoto begleitet werden. Es ist in einer niederländischen mundartlichen Dialektversion der niedersächsischen Sprache geschrieben worden.

Interessierte Bagatellenleser(innen) mögen eine Mail mit ihrer Postadresse schicken an theodoorboland@gmail ; wir werden dann sehen was sich da machen läβt.


... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 8. Oktober 2020
Bagatelle 352 - Fall oder Kasus
An, in, auf, und zwischen
über, unter, vor und zwischen
gehen mit dem vierten Fall,
wenn man fragen kann: wohin?
Mit dem dritten gehen sie dann
Wenn man fragen kann: wo? oder wann?
Nur auf und über nehmen dann
fast regelmäßig den vierten an.


Für Sie, liebe Leser(innen), die von jung auf vertraut sind mit der deutschen Sprache, ist es kein Problem. Und für Sie, liebe Blogfreunde(innen), in Deutschland gebürtig, sei es in Ost- oder West, in der Schweiz oder Österreich, mit Deutsch als Muttersprache, auch nicht. Aber für uns, Ausländer und Außenseiter, deren Mütter uns eine andere Sprache gelehrt haben, ist und bleibt es ein ewigdauernde Frage. In diesem Fall: Genitiv, Dativ oder Akkusativ? Das Fall-oder-Kasus-Problem also.

Der Deutschlehrer in der Sekundarstufe hat uns – niederländischen Schülern mit wenig Ahnung – empfohlen Verse oder Eselsbrücken zu lernen, und zwar auswendig, und diese ständig und dauernd zu üben und zu wiederholen. Es sei die einzige Methode. Und mit ‘dauernd’ meinte er ‘lebenslänglich‘.

Mindestens zwei Gründe gibt es welche die Fall-oder-Kasus-Frage für uns so schwer machen. Erstens sind die Fälle in der niederländischen Sprache und Grammatik schon vor langer Zeit abgeschafft worden. Die Behörden fanden sie schwierig und nicht unbedingt notwendig. Zweitens fehlt – unseres Erachtens – oft die Logik. Ein Beispiel: Können Sie mir bitte erklären warum der Satz ‘Ich grüße dich‘ richtig und der Satz: ‘Ich gratuliere dich‘ falsch ist? Mein Deutschlehrer würde sagen: “Gratulieren geht nur mit Dativ. Warum, weiß ich auch nicht.“

Trotzdem, ich liebe die deutsche Sprache; auch gerade wegen den Fällen. Sie bringen etwas das (was?) unserer Sprache fehlt. Schwierig, das schon, aber nicht unüberwindlich. Und wenn nichts mehr geht besuche ich meinen treuen Großen Duden (Hauptschwierigkeiten).

Um Ihnen zu beweisen dass mit meinem Langzeitgedächtnis nichts besonderes los ist, nenne ich zum Schluss noch einmal die vor Jahren auswendig gelernte Eselsbrücke zum vierten:

durch, für, ohne, um,
entlang, bis, gegen, und wider
gehen mit dem vierten Fall.
Ohne Zweifel. So ist es.



... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 11. März 2019
Bagatelle 330 - Gruselig grauenhaft
Fällt Ihnen auch nicht auf, dass es viele fürchterliche und furchterregende Wörter gibt welche mit den Buchstaben GR… anfangen? Ein kleiner flüchtiger Blick ins Wörterbuch genügt: gram, grauenhaft, grübeln, Gräueltat, Griesgram, usw.

Vorige Woche war bei uns die Woche der Muttersprache mit wie immer viel Aufmerksamkeit für das regionale,niedersächsische Dialekt. Wie jedes Jahr gab es auch ein Thema: diesmal war es die Gruselgeschichte. Da fiel es mir nicht schwer einen Beitrag zu schreiben über die Relation zwischen dem Fürchterlichen in Texten und den Anfangsbuchstaben GR…

Heute dann erschien ein Büchlein namens "Flonkergood" mit einigen ausgewählten Einsendungen. Jede(r) Kaufer(in) eines Buches in der Dialektsprache bekam es umsonst dazu. Wie immer.

Hier unten zeige ich Ihnen meinen Beitrag. Es wird Ihnen nicht schwer fallen ihn zu lesen und ihn zu verstehen. Leser(innen) dieser Bagatelle sind ja immer Sprachgewandt und Sprachwunder.

Abschließend ein wohlgemeintes Grußwort, das – alles zum Trotz – nichts Schauderhaftes oder Gruseliges in sich hat. Grüß Gott!



Gr….

Völt ow dat ook niet op? Dat t’r völle weurde in ’t nedersaksisch bunt, allemaole met de klank GR… veuran, die te maken hebt met angst en vrees? Zoas: groezelen, gruwelen en griezelen. D’r bunt t’r nog meer, niet allene in onze streektaal, ook in andere talen. Een heel afschuwwekkend grof woord is ’t Duutse ꞌgrausamꞌ.
Al dizze weurde begint met de klankcombinatie GR…. I-j zollen d’r bange van worden. Net as veur den leeuw den ow in Artis goeiendag zeg met een vreselek GR…!

Nem ook ’t veurbeeld van de vrouw op de tv, die, veur de gein en met een blinddoek veur de ogen, best een glibberege gifslange uut een kisjen wög te halen. "O, ’t groezelt mi-j!" zeg mien buurvrouw tegen mi-j a’w ’t t’r aover hebt, "de groezels zollen ow jo aover de rugge lopen!"

Dezelfde buurvrouw zeg, at ze weer een betjen tut röst is ekommen, en op de televisie een bosbrand zut in een heit Spanje: "Gruwelek, gruwelek, i-j mot t’r niet an denken um daor te wonen."
"Stel ow ’s an!" zeg eur dochter die toevalleg heuren wat moeder zei. "De luu hebt daor zelf veur ekaozen. Dan hadden ze maor argens anders motten gaon wonen. Hier bi-j ons an d’n Olden Iessel beveurbeeld. Of niet dan?"
"Zeg i-j maor niks" antwoordt mien buurvrouw die niet op eur mundjen is evallen, "wat zei i-j korts toen d’r ’s aovends een vrömden keerl langs ons huus liep? O, wat een griezel!"

Nae, weurde met gr… veuran mo’j manges niet te vake in de mond nemmen. Eigelek is d’r maor één woord met gr.. veuran dat ons goed in de oorne klunk. Dat is ’t woord ꞌgräölenꞌ. Heimelijk of besmuikt glimlachen beteikent dat in ’t zogezegde Standaard Nederlands. Wi’j gräölt bi-j ’t veuruutzicht da’w op een heiten zommerdag genieten könt van een komme watergruwel. Sommege luu vindt ’t maor een raar grei, maor ik lust d’r wel pap van.



... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 23. August 2018
Bagatelle 321 - Niedersächsisch
Unlängst verstarb mein Buch-Freund Jan Navis. Er wohnte auf einem Bauernhof in unserer Nachbarschaft. Wir kannten uns vor allem wegen der Bücher. Jan sammelte und liebte das Buch, vor allem wenn es Prosa in der Volkssprache betraf. Nach seinem Tode fragte mich einer seiner Söhne ob ich etwas aus seiner großen Büchersammlung haben möchte. Natürlich mochte ich: ich wählte u.a. die gesammelten Werke in einem Band von Ernst Reuter. Das heißt: die erste Übersetzung in der niederländischen Sprache aus dem Jahre 1891.

Ich merkte sofort dass die plattdeutsche Sprache aus Mecklenburg um 1848, zu lesen auf Internet, und mein Dialekt aus 2018 immer noch viel Ähnlichkeit besitzen. Beide zwar Varianten der niedersächsischen Volkssprache, aber sehr entfernt durch Zeit und Raum. Als Beispiel der Anfang des ersten Kapitels in das Platt-düütsche von Reuter und meine Übersetzung in die niederländische ꞌnedersaksischeꞌ Fassung anno 2018. Wie sich die Gedanken und Worte gleichen!


Wo ok en starken Mann an 'ne Aukschon un en Gräfniß binah tau Grunn' gahn kann; un dat de Hunn' aewer 'n siden Tun springen. Dat en ihrlich Mann sin Letzt hengiwwt un nich vertwifelt, wenn hei sin Kind up den Arm nimmt un mit en Witten Stock in de Welt geiht.

Hoe ook een starken man an een boelhuus en an een begreffenisse bi-jnao te gronde kann gaon; en dat de hunde aover d’n laege hegge springt. Hoe een eerleken man ꞌt letste wat e hef weggef en niet vertwiefelt at e zien kind op d’n arm nemt en met een witten stok (baedelstaf) de welt intrök.

Dat was in dat Johr 1829 up den Jehann'sdag, dunn satt en Mann in de deipste Trurigkeit in 'ne Eschenlauw' in en ganz verkamenen Goren. Dat Gaud, wotau de Goren hürte, was en Pachtgaud un lagg an de Peen tüschen Anclam un Demmin, un de Mann, de in den käuhlen Schatten von de Lauw' satt, was de Pächter – dat heit, hei was 't bet dorhen west; denn nu was hei afmeiert, un up sine Haw'städ' was hüt Aukschon, un sin Haw' un Gaud gung in alle vir Winn'.

ꞌt Was op d’n 24sten juni 1829, op Sint Jan, toen een man in de diepste treuregheid in een prieeltjen van essenloof in een gans verkommen häöfken zat. ꞌt Landgoed waor ꞌt häöfken bi-j heuren was een pachtgoed en lag an de Peene tussen Anclam en Demmin. De man den in de koele schemme van ꞌt prieeltjen zat was de pachter – dat heit: hie was ꞌt tut now toe ewest – want hie was now failliet en op ziene boerderi-je was vandage boedeldag en zien have en goed ging now alle vier windrichtingen op.


... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 27. August 2017
Bagatelle 303 - Beugen und biegen
Jedenfalls für einen Ausländer ist die Biegung oder Konjugation deutscher Zeitwörter manchmal schwierig um nicht zu sagen außerordentlich komplex. (Wie dieser erste Satz.)
Nehmen wir zum Beispiel das Verb kaufen das, wenn ich denn Recht habe, wie folgt gebogen wird: kaufen, kaufte, gekauft. Kein Problem bis soweit. Schwieriger wird es schon bei den starken und sehr starken Verben: laufen, lief, gelaufen; und: treten, trat, getreten.

Fast unmöglich ist die Beugung (Biegung?) trennbare Zeitwörter. Ich komme darauf weil ich in letzter Zeit in den Genuss gekommen bin von einer auf neu-deutsch genannten E-Bike. Ein Fahrrad das mich bei Gegenwind und Schnee ins Gesicht unterstützt und mir das Radeln leicht macht. Jahrelang habe ich mich fahren lassen von einer hybriden Fahrradgattung: eine Mischung aus Touren- und Stadtrad. Leicht, umgänglich, mit 3 Mal 8 Schaltmöglichkeiten. Neulich aber kam ich nach einer Fahrradtour bei schlechtem Wetter gebrochen nach Hause und da lag die Entscheidung für ein mehr oder weniger elektrisch angetriebenes Rad vor der Hand.

Bei einer meiner ersten E-Bike Fahrten befiel mir die Frage nach der Konjugation. Die Biegung radfahren, radfuhren,radgefahren schien mir nicht ganz richtig. Sagt man: ich habe wohl eine Stunde radgefahren? Geradfahrt vielleicht? Oder heißt es: es wird dringend empfohlen täglich mindestens eine Stunde Rad zu fahren? Oder hilft man sich wenn man sagt: mindestens 20 KM hab’ ich heute geradelt?

In meiner Hochdeutschen Sprachlehre (Spruyt, 1961, 18. Auflage) fand ich noch einige interessante Beispiele wie man offenbar starke deutsche Zeitwörter zu beugen hat:

Infinitiv Imperfekt Konjunktiv Part. Perfekt

backen buk büke gebacken
bersten barst börste geborsten
dringen drang dränge gedrungen
leiden litt litte gelitten
fließen floß flösse geflossen
usw usw usw usw

Man möge sich vorstellen wie viel Zeit es mir gekostet hat um dies alles und noch vieles mehr früher mal auswendig lernen zu müssen. Zeit genug um viele Radtouren zu machen.

Manchmal sieht man während einer Radtour interessante Mitbürger wie sie sich gerne fotografieren lassen, sowie hier in Rees am Rhein.


... link (5 Kommentare)   ... comment


Bagatelle 303 - Beugen und biegen
Jedenfalls für einen Ausländer ist die Biegung oder Konjugation deutscher Zeitwörter manchmal schwierig um nicht zu sagen außerordentlich komplex. (Wie dieser erste Satz.)
Nehmen wir zum Beispiel das Verb kaufen das, wenn ich denn Recht habe, wie folgt gebogen wird: kaufen, kaufte, gekauft. Kein Problem bis soweit. Schwieriger wird es schon bei den starken und sehr starken Verben: laufen, lief, gelaufen; und: treten, trat, getreten.

Fast unmöglich ist die Beugung (Biegung?) trennbare Zeitwörter. Ich komme darauf weil ich in letzter Zeit in den Genuss gekommen bin von einer auf neu-deutsch genannten E-Bike. Ein Fahrrad das mich bei Gegenwind und Schnee ins Gesicht unterstützt und mir das Radeln leicht macht. Jahrelang habe ich mich fahren lassen von einer hybriden Fahrradgattung: eine Mischung aus Touren- und Stadtrad. Leicht, umgänglich, mit 3 Mal 8 Schaltmöglichkeiten. Neulich aber kam ich nach einer Fahrradtour bei schlechtem Wetter gebrochen nach Hause und da lag die Entscheidung für ein mehr oder weniger elektrisch angetriebenes Rad vor der Hand.

Bei einer meiner ersten E-Bike Fahrten befiel mir die Frage nach der Konjugation. Die Biegung radfahren, radfuhren,radgefahren schien mir nicht ganz richtig. Sagt man: ich habe wohl eine Stunde radgefahren? Geradfahrt vielleicht? Oder heißt es: es wird dringend empfohlen täglich mindestens eine Stunde Rad zu fahren? Oder hilft man sich wenn man sagt: mindestens 20 KM hab’ ich heute geradelt?

In meiner Hochdeutschen Sprachlehre (Spruyt, 1961, 18. Auflage) fand ich noch einige interessante Beispiele wie man offenbar starke deutsche Zeitwörter zu beugen hat:

Infinitiv Imperfekt Konjunktiv Part. Perfekt

backen buk büke gebacken
bersten barst börste geborsten
dringen drang dränge gedrungen
leiden litt litte gelitten
fließen floss flösse geflossen
usw usw usw usw

Man möge sich vorstellen wie viel Zeit es mir gekostet hat um dies alles und noch vieles mehr früher mal auswendig lernen zu müssen. Zeit genug um viele Radtouren zu machen.



Manchmal sieht man während einer Radtour interessante Mitbürger wie sie sich gerne fotografieren lassen, sowie hier in Rees am Rhein.


... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 18. Mai 2017
Bagatelle 299 - Deutschprüfung
Bei uns in den Niederlanden bemühen sich dieser Tage, so von Mitte Mai bis Mitte Juni, tausende Schüler aus der Sekundarstufe die Abschlussprüfung so gut wie es nur kann zu bestehen. Wie Sie sagen: es sind spannende Zeiten.

Gestern war das Fach Deutsch an der Reihe. Ich kann Ihnen nicht das gesamte Examen zeigen, aber vielleicht hilft ein Beispiel, eine Kostprobe. Ein Deutschexamen für das höchste Niveau der Hauptschule (bei uns VMBO-T).
Die Schüler bekommen eine Anzahl Texte (in deutscher Sprache selbstverständlich) welche über verschiedene Themas handeln. Man kann davon ausgehen, dass die Texte allesamt interessant genug sind für die Zielgruppe; das ist vorher genügend recherchiert.
Über jeden Text werden Fragen gestellt, und zwar multiple-choice. Die Schüler lesen den Text und wählen die, nach ihrem Leseverständnis gemessen, beste Antwort. Die Schüler dürfen, wenn sie wollen, ihr Wörterbuch benutzen um z.B. einige ihnen unbekannte Begriffe zu klären.

Lesen Sie bitte das Beispiel hier unten. Der Text handelt über neue Formen des Unternehmens. Zu meinem und Ihrem Vergnügen lass ich beiseite was wohl die gute, richtige und zwar beste Antwortalternative ist. (Die gebe ich Ihnen in zwei Wochen.)

Einige Anmerkungen.
Nachher wurde wieder einmal deutlich, dass nicht der Inhalt der Texte und Fragen, sondern die Vielheit der Aufgaben das größte Problem war. Da waren sich die Dozenten und Schüler einig. Davon kann ich nur sagen: das vernünftig umgehen mit einer Zahl Texte innerhalb einer bestimmten Zeit kann man vorher üben. Woher dann jedes Jahr wieder der Ärger über die Anzahl und Länge der Texte?
Die Bemerkung, dass diese Art zu prüfen eher das Leseverständnispotential misst als die Deutschkenntnisse-an-sich, trifft zu. Aber das ist bei diesen schriftlichen Prüfungen, auch bei anderen Fächern, immer der Fall. Im Allgemeinen hat sich diese Prüfungsmethode (Texte + multiple-choice Fragen) als gut, ehrlich, praktisch und ziemlich valide bewiesen.
Wie (schwierig) fanden Dozenten und Schüler diesmal die Prüfung? Auf einer Skala von A (leicht), B (mwah), C (schwierig) und D (unmöglich) lag der Mittelwert etwa bei B (mwah = geht schon).
Man sollte auch noch bedenken, dass das Deutschexamen dieses Jahr an einem Tag fiel, als das Thermometer Mittags die 30 Grad erreichte. Ein tropischer Tag Mitte Mai!



... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 17. September 2016
Bagatelle 285 - Fissematenten
Was nicht alles zum Vorschein kommt bei und vor allem nách einem Umzug! Was man nicht alles aufbewahrt hat bis zum jüngsten Tag! Das hat man davon wenn genug Platz da ist für allerhand Sachen die sonst im Wege stehen. Man entspricht den Wünschen der Familie, der Freunde und Bekannte die selber keinen Platz zum Aufbewahren haben und dann zu dir sagen: "Du, da auf deinem großen Bauernhof, du hast ja Räumlichkeiten genug um diese unsere Sachen für uns zu lagern und aufzubewahren. Und es ist natürlich nicht für alle Ewigkeit!"

Manchmal dauert eine Ewigkeit ziemlich lange. Das wirkliche Problem tut sich vor wenn das Ende da ist. Bei einem Umzug in eine viel kleinere Wohnung muss vieles Aufbewahrtes eben auch umziehen. Nur wohin wohl? In eine Altbüchersammlung, in eine Altkleidung-Deponie, zu einem Ort wo vieles offenbar noch verwendbar ist, als brauchbare Spende für Menschen denen es nicht sehr gut geht, aber nicht mehr in die neuen vier Wände. Alles mitnehmen ist völlig ausgeschlossen.

Aber das alles nur nebenbei. Diese Bagatelle handelt über ganz was anderes. Heute merkte ich dass ein kleines Büchlein mit mir umgezogen ist. (Ich tue mich immerhin sehr schwer beim Verabschieden von irgendeinem meiner Bücher …) Dieses kleine Buch mit nur 54 Seiten hat es geschaft mit mir umzuziehen. Es ist beim näheren Betrachten ein richtiges Schauspiel: ein Volksstück mit Gesang in vier Akten. Der Text stammt von einem gewissen Herrn Wilhelm Lindenberg, seines Lebens geachteter Einwohner von Bocholt (in Westfalen). Die Musik ist von Willy Langheinrich. (Wie kommt ein Mensch an so einem wunderbaren Nachnamen? Oder ist es ein Pseudonym?) Der Titel des Stückes lautet schlicht: Meister Brokamp. Es ist geschrieben in dem Dialekt das von der Bocholter Bevölkerung, damals in 1924, gerne gesprochen und gesungen wurde.

Meinen Sie nicht dass ich ein leidenschaftlicher Liebhaber von Volksstücken und sonstigen ohnsorgartigen Aufführungen bin. Ich habe nichts dagegen, ich habe auch nichts dafür. Mich interessiert aber sehr die Mundart. Die Stadt Bocholt lag und liegt förmlich neben der Haustür, an dieser und jener Seite der Landesgrenze, und ich wundere mich wie sehr das Bocholter Dialekt Anno 1924 das heutige, unsrige ähnelt.

Hier ein Beispiel. Die liebe gesprächige Frau Möllmann ist bei den Brokamps zu Besuch. Beim Kaffeetrinken erzählt sie diese schöne Geschichte:

"Mor dor muk ou doch noch es en Stücksken vertellen. Wasde doch te Moote kas kommen. Dor kümp dij ne Putze bij mij int Hus und säh, ich hadde de Gotte net ekehrt. Ick säh: Herr Polizei, ick hebbe de Gotte wall ekehrt. Do säh he: ick hadde se nit rein ekehrt. Ick gung daor ganz transkiel teggenan. Herr Polizei, ick hebbe de Gotte wall rein ekehrt. Do he wär: wenn Sie die Gotte nich rein kehren, dann mache ich Sie ein Protokoll. Ick säh: dat doh mor, ick kehre de Gotte gin twee mol; ens is genug.
Maor as ick mij de Gotte es bekieke, do hadden mij doch wahrhaftig de Blagen van de Spiekerse de Modde bis midden vör de Döre ekehrt! Was dat nit gemein? Dor was ick doch bolde vör in de Kaste kommen!"


Obwohl fast hundert Jahre alt kann ich dieses Bocholter Plattdüütsch, sei es mit einiger Mühe und Not, lesen und verstehen. Kein Wunder, denn die Stadt Bocholt liegt kaum zehn Kilometer an der anderen Seite der Landesgrenze. Die beiden Dialekte, das westfälische und das holländische, sind eben sehr verwandt.

Nur: von einigen Wörtern ist mir die Bedeutung ziemlich fremd. Bitte, helfen Sie mir. Was sind zum Beispiel Fissematenten und was in der Welt ist wohl ein Kastemänneken?




... link (2 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 5. März 2015
Bagatelle 255 - Freiwillig unfrei
Einmal in so und soviel Zeit verzichte ich auf das schönste und teuerste was ich besitze und begebe mich wissentlich in die Unfreiheit. Ich meine den Gang zum Frisör. Meistens so um die fünf Wochen überwinde ich mich selbst, verabrede einen Termin bei meinem festen Haareschneider und fahre anschließend zu der Damen- und Herrenfrisörsalon in A. um meiner haarigen Kopfbedeckung - oder was davon noch übrig ist - die gewünschte Fasson verleihen zu lassen. "Wieder mal wie das vorige Mal?" fragt mich der Frisör. Und wie immer nicke ich zustimmend.

An dem Augenblick wo du dich in den Frisörstuhl setzt, fängt das Elend an. Der Frisörmeister tritt den Stuhl auf die angemessene Höhe, bindet dir ein weißes Betttuch um den Hals, und öffnet danach seine Tasche mit den Haarschneide- und Rasierattributen. Mit Schere und Kamm, mit Haarschneidemaschine und Rasiermesser werden überflüssige Haare fachmännisch entfernt. Nur ich, unter dem weißen Betttuch, mit den Frisörhänden und Haarschneidegeräten auf meinem Kopf, leide schwer unter der Einsicht, dass ich meine Freiheit, auf die ich so stolz bin, dem Frisör ausgeliehen habe. Jedenfalls für zehn Minuten.

Wenn dir die Haare geschnitten werden, sollst du dich nicht bewegen, so lautet die Redensart. So ist es: du bist zu einer festen Sitzposition verdammt. Weder nach links noch nach rechts kannst du dich bewegen. Du bist quasi festgenagelt. Um dir eine Haltung zu verleihen besprichst du mit dem Frisör das Wetter und andere unwichtige Ereignisse. Die Tatsache ist, dass du nur an eines denkst: an den glückseligen Augenblick wo der Frisör seine Utensilien in seine Tasche steckt, deinen Stuhl erlaubt sich zu senken, das Betttuch zur Seite schwingt, einige lose Haare von deinem Mantel fegt und sagt: "So, das reicht wieder für einige Wochen."
Ich habe meine Freiheit wieder gewonnen. Ich bin mein eigener Meister. Und das für lausige 15 Euro. Kein Geld selbstverständlich für so etwas wertvolles wie die Freiheit.


Zugleich mit der Woche des Buches (Boekenweek) die nächste Woche anfängt, gibt es bei uns eine Woche des Dialektbuches. Für das niedersächsische Sprachgebiet erscheint dann 'Flonkergood', ein Büchlein mit 24 Kurzbeiträgen, dieses Jahr alle unter dem Thema: Freiheit. Auch der obige Beitrag über die Unfreiheit beim Frisör lässt sich in diesem Buch wiederfinden. Die Version in meinem Dialekt können Sie hier unten lesen.



Vri-jwillig onvri-j

Ens in de zovölle tied geef ik ’t mooiste en dierbaorste wa’k hebbe op en begeve mi-j willens en wettens in onvri-jheid. Ik bedoele mienen gang naor de kapper. Meestal zo elke vief waeke aoverwin ik mi-jzelf, maak een afspraak met mienen vasten kapper en fietse naor de dames- en herenkapsalon in A. um mienen haordos - of wat daor nog van aover is - te laoten fatsoeneren. ‘Maor weer net zo knippen as altied?’ vrug de kapper. En zoas altied knikke ik in- en toestemmend.

Op ’t moment da’j in de kapstoel plaats nemt begunt de ellende. De kapper trapt de stoel op de goeie heugte, bundt ow een wit laken um d’n hals en krig zien tasjen met knip- en scheerattributen. Met schere en kam, met tondeuze en scheermes wordt aovertollige heurkes vakkundig verwijderd. Maor ik, onder ’t witte laken, met de kappershande en knipspullen op mien heufd, liede zwaor onder ’t besef mien vri-jheid, waor’k zo trots op bunne, te hebben uut-eleend an de kapper. Veur een tiental minuten in elk geval.

A’j eknipt wordt, mo’j stille zitten, is ’t gezegde. Zo is ‘t: i-j könt gin kante meer uut. I’j zit kwasi vaste an de stoel. Um ow een holding te geven praot i-j met de kapper aover ’t weer en aover andere luchtige zaken die gebeurd bunt. In feite denk ik maor an één ding: an ’t gelukzalige moment dat de kapper zien gereedschap in zien tasjen opbörg, owwen stoel löt zakken, ’t laken verwijdert, wat loslopende heurkes van ow jas strik en zeg: now köj d’r weer een hötjen tegen. I’j hebt owwen vri-jheid herwonnen. I-j bunt weer ow eigen baas. En dat veur 15 euro. Gin geld natuurlek veur ziets weerdevols as ow vri-jheid.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 28. Februar 2015
Bagatelle 254 - Der Reihe nach
Durch, für, ohne, um, entlang, bis, gegen, wider gehen (wenn sie denn gehen), mit dem vierten Fall.

Liebe Bagatellen-Leserin, lieber Bagatellen-Leser, heute möchte ich Ihnen auf ein Phänomen aufmerksam machen dürfen, das uns, ausländische Gäste in Ihrer angenehmer Blog-Landschaft, viel zu schaffen macht. Für Sie, vertraut mit der deutschen Sprache, darin zu Hause und sich auskennend, mag es fremd oder übertrieben klingen, dass wir Ausländer beim schreiben deutscher Texte nicht ohne Reihen auskommen. Feste, am liebsten auswendig zu lernende Wörterreihen, welche eine bestimmte Hauptregel der deutschen Grammatik darstellen. Oder umgekehrt die Ausnahmen auf diese Regel.

Diese Art Reihen sind gemeint:
Äcker, Äpfel, Böden, Brüder …. (abweichende Mehrzahlformen) Bei männlichen Substantiven ist die Hauptregel offenbar: Einzahl plus e plus Umlaut (der Stuhl - die Stühle; der Fuß - die Füße). Oder die Reihe: Kühe, Gänse, Häute, Früchte, Bänke, Bräute… wo einige viele weiblichen Substantive statt ein normales Mehrzahl-(e)n wie in Wohnung-Wohnungen auch ein e plus Umlaut bekommen.

Manchmal sind die Reihen in einem nicht-reimenden Vers verborgen. Zum Beispiel beim Ratespiel ob der Dativ (der dritte Fall) oder der Akkusativ (der vierte Fall) verwendet werden darf.

An, auf, hinter, in, über, unter, vor und zwischen gehen mit dem vierten Fall wenn man fragen kann: wohin?
Mit dem dritten gehen sie dann, wenn man fragen kann: wo? oder: wann?
Nur auf und über nehmen dann fast regelmäßig den vierten an.

Für Sie mag das alles die Normalität vertreten. Für uns sind es Hilfsmittel ohne die wir nicht auskommen. Bei der Deutschstunde in der Realschule hatte ich ein rotfarbiges Wörterbüchlein in dem all diese nützliche und unentbehrliche Informationen standen. Unsere Aufgabe war es diese Reihen völlig fließend auswendig zu lernen für den Fall man später mal entscheiden musste ob oder wann die Mehrzahl von Land nun Länder oder Lande sein sollte. (Viel später erfuhr ich dass beide Varianten ihr Recht auf Bestehen geltend machen konnten.)

Es gibt nicht nur Substantive welche, zum Beispiel in der Mehrzahlbildung, einen merkwürdigen Charakter zeigen. So gab es auch deutsche Verben die entweder mit dem Dativ oder mit dem Akkusativ daher gingen. Diese Reihen standen auch in unserem roten Buch: helfen, danken, dienen, gratulieren, usw. So etwas war uns völlig fremd. Warum war es eine Todsünde zu sagen: "Liebe Kathrin, ich danke dich sehr für deine Hilfe!" Man sagte doch auch: "Ich bedanke mich sehr!" Der (und nicht die) geehrten Deutschlehrerin Frau K. sollten wir folgen in ihrer Bitte alle Wörterreihen auswendig zu lernen. Aber wieso und warum wurde uns nicht mitgeteilt.

Dennoch gibt es zwei Tatsachen die bemerkenswert sind. Erstens kenne ich manche Reihen (manchmal Teile daraus) aus dem roten Buch jetzt nach so vielen Jahren noch auswendig. Wenn Sie mich mitten in der Nacht aufwecken mit der Bitte zu sagen welche Präpositionen ꞌmit dem dritten Fall gehenꞌ, so antworte ich Ihnen prompt: mit, nach, nebst, bei, seit, zuwider, entgegen, außer, aus, dank, binnen, gegenüber und endlich noch gemäß und zunächst. Zweitens muss ich gestehen, dass ich ohne die Reihen in meinen bagatellarischen Texten noch viel mehr Fehler machen würde als das es immerhin normal schon der Fall ist.
Anscheinend werden heutzutage in den Deutschstunden keine Reihen mehr gepaukt. Es gibt sie noch, aber sie werden nicht mehr auswendig gelernt. Mir haben sie dennoch sehr geholfen.

... link (3 Kommentare)   ... comment