Samstag, 3. Dezember 2011
Bagatelle 135 - Heiliger Niklaas
Den heiligen Nicolaus kennen wir schon seit unserer frühesten Kindheit, eigentlich von Geburt an. Offiziell: Sankt Nicolaus, Bischof von Myra. Das scheint irgendwo in der Türkei zu liegen, aber uns, kleinen Kindern, wurde immer vorgehalten, daß er aus Spanien kam. Am 6. Dezember ist sein Heiligentag, aber viel wichtiger ist der Abend vorher: Sankt Nicolausabend. Bei uns: Sinterklaasavond. Oder 'pakjesavond', weil an diesem Abend die Geschenke (pakjes) ausgetauscht werden.
So weit so gut. Sie in Deutschland kennen den alten Herrn natürlich auch. Bei ihnen heißt er schlicht Nicolaus. Er wird von einem Knecht begleitet der sich Ruprecht nennen läßt. Bei uns liegt die Sache etwas komplizierter.



Um 1820 schrieb ein Amsterdamer Schulmeister ein moralistisches Kinderbüchlein, worin er erzählte von einem Bischof welcher ein Mal pro Jahr per Dampfschiff nach Holland reiste und einige Tage vor seinem Heiligentag dort ankam. Begleitet von einem, aber meist mehreren Helfern (Zwarte Pieten - Schwarzer Peter). Dort arriviert, ritt er abends auf seinem Schimmel über den Dächern und überall wo unter den Schornsteinen liebe und fleißige Kinder wohnten, warf sein Knecht Pieter Geschenke nach unten. (Daher blieb der Kamin an diesem Abend kalt und dunkel.) Meistens hatten die dort unten wohnhaften Kinder schon Tage vorher einen Schuh (ledernen oder hölzern) am Kamin gestellt worin für Nicolaus sein Pferd eine Karotte und ein bißchen Heu.

Auf den hohen, hohen Dächern
reitet Sankt Nikolaus mit seinem Knecht.
Wollt ihr wissen, liebe Kinder,
was er zu seinem Knechte sagt?
- Schau mal eben, bester Piet,
ob du unartige Kinder siehst!

So sangen und singen die Kinder.



Der heilige Nicolaus hatte eine Vorliebe für ziemlich reiche und wohlhabende Leute, denn dort ging er auch zur Türe hinein. Bei den ärmeren lief er ums Haus, schlug mit einer eisernen Kette gegen die Mauer und in die Luft umher, nur um zu zeigen daß er da war. In den Zimmern unterdessen herrschte leichte Angst und Furcht. Denn der Sankt Nicolaus hatte ein Buch bei sich, worin alle Kinder mit Name und Zuname aufgeführt waren, zusammen mit allen großen und kleinen im vergangenem Jahr begangenen Sünden. Kindern, welche sehr unartig gewesen sein sollen, wurden mit einer Rute gedroht. Die allerschlimmsten, so war allgemein bekannt, mußten in einem Sack zusammen mit den Gästen die Zurückreise nach Spanien antreten. (Und dort, sagten die gemeinsten Eltern, drohte ein Sklavendasein.) Wie groß dann die Erleichterung: nach einer kleinen Buße bekam man nebst Vergebung die so sehr gewünschten Geschenke.
In den Häusern wo der Nikolaus nicht kam (keine Zeit, Sie wissen), konnten die Kinder die Geschenke am Morgen des 6. Dezember in ihren Schuhen begrüßen. Wahrscheinlich in einem Tausch mit dem Heu und der Karotte für den Schimmel.

Heutzutage wird in meinem Lande das Sankt Nikolausfest überall wie vorher gefeiert. Zwar schwer kommerzialisiert wie alles im Leben, aber dennoch. Der heilige Mann aus Spanien landet immer noch mit seinem Dampfer in einen niederländischen Hafen. Die Helfer sind immer noch schwarz, was jedes mal Anlaß zu Leserbriefen gibt von Leuten die einem ein unschuldiges Kinderfest mißgönnen, worin auf angeblich vorhandenen diskriminierenden Zügen hingewiesen wird.
Noch immer wird mit Sack und Rute gedroht. Und noch immer braucht keiner Angst zu haben wirklich nach Spanien verschleppt zu werden. Denn es ist ja in den hunderten Jahren wo das Fest nun schon gefeiert wird, noch nie vorgekommen. Noch immer wird der Sankt Nicolaus und seinen schwarzen 'Pietermannen' am Hafen zugesungen und zugewunken.
Erwachsene geben einander im Namen von Sankt Nicolaus kleine, liebe Geschenke. (Ich schreibe meiner Gattin eine Bagatelle und schenke ihr einen Kalender mit selbstgemachten Fotos: wie originell!) Wenn möglich werden die Geschenke von einem Gedicht begleitet. Oft ein krummes Vers das immerhin Liebe und Zuneigung vermitteln soll.

Zum Schluß erzähl ich Ihnen von einer Panne. Jedes Jahr geschieht so etwas. Der Gutheiligmann landete dieses Jahr schon am 12. November in der alten Stadt Dordrecht. (So hatte der Mittelstand Gelegenheit sich werblich und gewerblich auf den Käufersturm vorzubereiten.) Am Kai bestieg er seinen Schimmel und ritt die fröhliche Kinderschar mit den ebenso begeisterten Eltern entlang. Schade war, daß er seinen Bischofshut verkehrt rum auf hatte. Ein guter Beobachter - ein alter Katholik sicherlich - am Fernseher meldete sich telefonisch um auf den Fehler aufmerksam zu machen. So sieht man, wie die kirchlichen Kenntnisse und Sitten allmählich verschwinden. Aber der Nicolaus bleibt für ewig.

... link (1 Kommentar)   ... comment