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Sonntag, 17. Februar 2013
Bagatelle 179 - Schweinejagd
terra40, 19:09h
Unlängst las ich in meiner in allen Belangen treuen und vertrauten Regionalzeitung, daß ein Mitbewohner einer unserer Plattelandsnachbargemeinden bei der Gemeindeverwaltung einen nicht alltäglichen Antrag gestellt hatte. Er bat um Erlaubnis hinter seinem schon zwanzig Jahre existierenden privaten Tierfriedhof ein Tierkrematorium bauen zu dürfen. Weil, so behauptete er, viele Mitbürger das Bedürfnis hätten ihre Lieblingstiere, seien es große oder kleinere, nach deren Tod einäschern zu lassen.
Da staunte ich nicht schlecht. Aber nicht sehr lange. Weil, wenn es schon so lange spezielle Tierfriedhöfe gibt, alle offiziell gestattet und zugelassen, warum dann auch nicht ein Tierkrematorium?
Selber würde bei mir niemals der Gedanke aufkommen solches zu tun. Unsere gestorbenen Haustiere: Hunde, Katzen, Hühner etc. wurden immer feierlich von mir persönlich beerdigt. Hinter dem Hof ein Loch in der Erde mit manchmal einen großen Kieselstein obendrauf damit ich mir die genaue Stelle besser merken konnte. Und bei unseren Nachbarn, die noch richtig ihren Bauernberuf nachgehen, werden die toten sogenannten "Gebrauchs"tiere wie Kühe, Schafe und Schweine immer noch von einem Kadaverwagen - wie wir ihn nennen - abgeholt und zum Destruktor gefahren. Für diese Tiere kein Friedhof und auch kein Krematorium also.
Doch, ich bin ein Tierfreund. Ich mag sie und kann noch keine Fliege etwas antun. Fragen Sie unseren (jetzt einzigen) Hahn. Oder unseren Pfau Jeroen der vor sieben Monaten bei uns zugelaufen kam und seitdem unseren Hof als sein rechtmäßiger Wohnsitz betrachtet. Aber ich entferne mich geistig ein wenig von Leuten die so mit ihren Haustieren umgehen als wären es Menschen. Sie wissen was ich meine. Dieser Meinung nach sollte man tierisch mit ihnen umgehen und nicht menschlich, sonst würde es fast bestialisch.
Daher werde ich auch niemals ein Mitglied der Partei-für-die-Tiere, die es tatsächlich bei uns gibt (!), aber wenn einer bei uns an der Türe kommt und freundlich und um eine kleine Spende bittet für den örtlichen Tierschutzverein, dann bekommt er worauf er sich freut.
Der Umgang mit Tieren ist übrigens ein heikles Thema, finden Sie nicht auch? Was soll man in bestimmten Situationen machen? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: vorige Woche bei uns vor der Haustür wirklich so passiert. Am dritten Tag der zweiten Februarwoche landeten auf den grünen Winterwiesen vor unserem Haus plötzlich hunderte, was sag ich denn, tausende von Gänsen die sich an dem köstlichen Gras sehr erfreuten. Abends kamen die Jäger aus der Umgebung und ballerten zusammen den Gänseschwarm in Scharen in ein nächstliegendes Gefilde.
Geben wir es zu: zú viele Tiere von einer und derselben Sorte werden zu einer Plage. Heute sind es die Gänse, morgen die Hasen und Kaninchen und übermorgen die Wildschweine. Soll man sie töten und wie soll das denn vonstatten gehen? Die Frage bleibt offen.
Zum Schluß habe ich noch eine schöne Schweinejagdgeschichte für Sie.
Früher, vor sehr langer Zeit, aber ich kann mich noch daran erinnern als kleiner Junge dabei anwesend gewesen zu sein, wurde an Volksfesten am Königinnentag (damals den 31. August, mitten im Sommer) auf der Festwiese ein kleiner Metallzaun aufgestellt, so etwa zwanzig bei zwanzig Kwadratmeter Wiese umfassend. Darin wurde dann ein kleines Ferkel, das man vorher gründlich mit grüner Seife eingeschmiert hatte, losgelassen. Danach kamen die Bauersjungens, bei denen die Augen verbunden waren, hinter dem Zaun um das arme Schweinchen zu fangen. Der blinde Teilnehmer der als erster das aalglatte Schwein in seinen Armen davon trug, war der große Gewinner. Er durfte das Glücksschweinchen mit nach Hause nehmen. Und die tobende Menge genoß es, vor allem wenn die Burschen nicht das Schweinchen sondern sich selber bei den Ohren festhielten.
Heute wäre das glücklicherweise nicht mehr denkbar. Denn mit Tieren sollte man keine Spielchen machen welche manchmal schlimme Folgen haben können. Dafür sind sie uns zu viel Freund geworden. Aber wenn ich das alte Zeitungsfoto sehe, wo ein Ferkel sich aus dem Zaun befreit hat und sich auf den Weg zur Dorfsschule macht, bejubelt von der Blaskapelle im Hintergrund, kann ich mir ein herzliches Lachen nicht verkneifen. Wie damals.
Da staunte ich nicht schlecht. Aber nicht sehr lange. Weil, wenn es schon so lange spezielle Tierfriedhöfe gibt, alle offiziell gestattet und zugelassen, warum dann auch nicht ein Tierkrematorium?
Selber würde bei mir niemals der Gedanke aufkommen solches zu tun. Unsere gestorbenen Haustiere: Hunde, Katzen, Hühner etc. wurden immer feierlich von mir persönlich beerdigt. Hinter dem Hof ein Loch in der Erde mit manchmal einen großen Kieselstein obendrauf damit ich mir die genaue Stelle besser merken konnte. Und bei unseren Nachbarn, die noch richtig ihren Bauernberuf nachgehen, werden die toten sogenannten "Gebrauchs"tiere wie Kühe, Schafe und Schweine immer noch von einem Kadaverwagen - wie wir ihn nennen - abgeholt und zum Destruktor gefahren. Für diese Tiere kein Friedhof und auch kein Krematorium also.
Doch, ich bin ein Tierfreund. Ich mag sie und kann noch keine Fliege etwas antun. Fragen Sie unseren (jetzt einzigen) Hahn. Oder unseren Pfau Jeroen der vor sieben Monaten bei uns zugelaufen kam und seitdem unseren Hof als sein rechtmäßiger Wohnsitz betrachtet. Aber ich entferne mich geistig ein wenig von Leuten die so mit ihren Haustieren umgehen als wären es Menschen. Sie wissen was ich meine. Dieser Meinung nach sollte man tierisch mit ihnen umgehen und nicht menschlich, sonst würde es fast bestialisch.
Daher werde ich auch niemals ein Mitglied der Partei-für-die-Tiere, die es tatsächlich bei uns gibt (!), aber wenn einer bei uns an der Türe kommt und freundlich und um eine kleine Spende bittet für den örtlichen Tierschutzverein, dann bekommt er worauf er sich freut.
Der Umgang mit Tieren ist übrigens ein heikles Thema, finden Sie nicht auch? Was soll man in bestimmten Situationen machen? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: vorige Woche bei uns vor der Haustür wirklich so passiert. Am dritten Tag der zweiten Februarwoche landeten auf den grünen Winterwiesen vor unserem Haus plötzlich hunderte, was sag ich denn, tausende von Gänsen die sich an dem köstlichen Gras sehr erfreuten. Abends kamen die Jäger aus der Umgebung und ballerten zusammen den Gänseschwarm in Scharen in ein nächstliegendes Gefilde.
Geben wir es zu: zú viele Tiere von einer und derselben Sorte werden zu einer Plage. Heute sind es die Gänse, morgen die Hasen und Kaninchen und übermorgen die Wildschweine. Soll man sie töten und wie soll das denn vonstatten gehen? Die Frage bleibt offen.
Zum Schluß habe ich noch eine schöne Schweinejagdgeschichte für Sie.
Früher, vor sehr langer Zeit, aber ich kann mich noch daran erinnern als kleiner Junge dabei anwesend gewesen zu sein, wurde an Volksfesten am Königinnentag (damals den 31. August, mitten im Sommer) auf der Festwiese ein kleiner Metallzaun aufgestellt, so etwa zwanzig bei zwanzig Kwadratmeter Wiese umfassend. Darin wurde dann ein kleines Ferkel, das man vorher gründlich mit grüner Seife eingeschmiert hatte, losgelassen. Danach kamen die Bauersjungens, bei denen die Augen verbunden waren, hinter dem Zaun um das arme Schweinchen zu fangen. Der blinde Teilnehmer der als erster das aalglatte Schwein in seinen Armen davon trug, war der große Gewinner. Er durfte das Glücksschweinchen mit nach Hause nehmen. Und die tobende Menge genoß es, vor allem wenn die Burschen nicht das Schweinchen sondern sich selber bei den Ohren festhielten.
Heute wäre das glücklicherweise nicht mehr denkbar. Denn mit Tieren sollte man keine Spielchen machen welche manchmal schlimme Folgen haben können. Dafür sind sie uns zu viel Freund geworden. Aber wenn ich das alte Zeitungsfoto sehe, wo ein Ferkel sich aus dem Zaun befreit hat und sich auf den Weg zur Dorfsschule macht, bejubelt von der Blaskapelle im Hintergrund, kann ich mir ein herzliches Lachen nicht verkneifen. Wie damals.
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Dienstag, 5. Februar 2013
Bagatelle 178 - Schnellkunstlauf
terra40, 12:00h
Der Unterschied könnte nicht größer sein. Die deutschen Jungen nahmen ihre komplett-eisernen, kurzen Schlittschuhe und schraubten die mit einem kleinen Schlüsselchen unter ihre Schuhsohlen. Fertig. Die holländischen Burschen hatten hölzerne Blöcke bei sich mit darunter ein längliches Eisen, sogenannte 'Friesische Läufer', mit an der Vorderseite lederne Zehstücke und hinten ebenso lederne Hackenstützen, welche wir mit baumwollenen Bändern so gut wie's nur ging unter unseren Schuhen und Stiefel banden.
Und dann fing das Schlittschuhlaufen an. Wir, zehnjährige Jungens aus der Grenzregion, taten es auf befrorenen, unter Wasser stehenden Wiesen auf deutsches Territorium, ein Kilometer von der Landesgrenze entfernt. Spätnachmittags, wenn's bei uns schulfrei war, fuhren wir zur deutschen Eisfläche um mit tödlich erkälteten Händen zu versuchen unsere Schlittschuhe anzuziehen. In seltenen Fällen war meine ältere Schwester so gut um mir dabei behilflich zu sein.
Die Länge bestimmte der zweite Unterschied. Die Länge der Eisen unter den Schuhen versteht sich. Die Deutschen waren uns Holländer in den kleinen kurzen Bewegungen auf dem Eis total überlegen. Drehen, einen kunstvollen Bogen machen, umdrehen, wenden, fix und schnell anhalten, das alles konnte man auf den kurzen deutschen Eisen tausendmal besser. Daher gewannen die Deutschen auch immer beim Ländereishockeyspiel. Wenn es aber galt eine gerade Strecke von mindestens einhundert Metern so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, gewannen meistens die Holländer. In Deutschland hieß es daher auch immer Eiskunstlaufen, während man bei uns eigentlich nur das Eisschnellaufen kannte.
[Bild: Hendrick Avercamp (um 1615): Winterlandschaft mit Schlittschuhläufer]
Doch, das Schlittschuhschnelllaufen sitzt den Holländern in den Genen. Das war im Mittelalter so, im Goldenen Zeitalter nicht weniger, in Friedens- und Kriegszeiten, ebenso wie in Zeiten konjunktureller Aufschwung oder Krise. Heute ist es nicht anders. Sobald es zu frieren anfängt bekommen wir das Schlittschuhfieber.
Zum Schlittschuhlaufen im Freien braucht man aber einen Winter. Dieses Jahr dauerte der ungefähr vierzehn Tage. Wenn man berücksichtigt, daß es wohl zehn Tage dauert bis viele Kanäle und Seen so zugefroren sind daß sie eine große Menge von Schlittschuhläufern tragen, hatten wir Holländer nur vier Tage um von dieser herrlichen Eispracht zu genießen. Hier und dort wurden Fahrten organisiert wobei man einhundert Kilometer Eisfläche zurücklegt und am Finish eine kupferfarbige Medaille oder ein anderes Andenken bekommt das man zu Hause sorgfältig aufbewahrt. Und in einigen seltenen Wintern kommt es vor, daß man 220 Kilometer entlang elf Friesische Städte eisschnelllaufen kann. Der Gewinner dieser Rundfahrt bekommt ewigen Ruhm und einen festen Platz in den schulischen Geschichtsbüchern.
Anno 2013 war der Andrang Schlittschuh zu fahren auf den Seen und Kanälen so groß, daß vielerorts die Menge vom Eis mußte weil es sonst zu gefährlich wurde. Aber keine Not: sieht, da kommt schon ein Trecker mit Anspann der alle Schlittschuhfahrtteilnehmer mitnimmt zurück zum Parkplatz wo man bei einem "koek-und-zopie" Eisbude heiße Schokoladenmilch zu trinken bekommt.
'Schlittschuhlaufen' heißt bei uns schlichtweg 'schaatsen'. Das ist für deutsche Zungen unaussprechbar; es ist ein sjibboleth-Wort. Statt ein richtiges SCH hört man bei den deutschen Gästen ein komisch rauschendes SJ…. Die Deutschen haben aber auch etwas voraus: sie können tausendmal besser eiskunstlaufen als wir Eischnellläufer.
Und dann fing das Schlittschuhlaufen an. Wir, zehnjährige Jungens aus der Grenzregion, taten es auf befrorenen, unter Wasser stehenden Wiesen auf deutsches Territorium, ein Kilometer von der Landesgrenze entfernt. Spätnachmittags, wenn's bei uns schulfrei war, fuhren wir zur deutschen Eisfläche um mit tödlich erkälteten Händen zu versuchen unsere Schlittschuhe anzuziehen. In seltenen Fällen war meine ältere Schwester so gut um mir dabei behilflich zu sein.
Die Länge bestimmte der zweite Unterschied. Die Länge der Eisen unter den Schuhen versteht sich. Die Deutschen waren uns Holländer in den kleinen kurzen Bewegungen auf dem Eis total überlegen. Drehen, einen kunstvollen Bogen machen, umdrehen, wenden, fix und schnell anhalten, das alles konnte man auf den kurzen deutschen Eisen tausendmal besser. Daher gewannen die Deutschen auch immer beim Ländereishockeyspiel. Wenn es aber galt eine gerade Strecke von mindestens einhundert Metern so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, gewannen meistens die Holländer. In Deutschland hieß es daher auch immer Eiskunstlaufen, während man bei uns eigentlich nur das Eisschnellaufen kannte.
[Bild: Hendrick Avercamp (um 1615): Winterlandschaft mit Schlittschuhläufer]
Doch, das Schlittschuhschnelllaufen sitzt den Holländern in den Genen. Das war im Mittelalter so, im Goldenen Zeitalter nicht weniger, in Friedens- und Kriegszeiten, ebenso wie in Zeiten konjunktureller Aufschwung oder Krise. Heute ist es nicht anders. Sobald es zu frieren anfängt bekommen wir das Schlittschuhfieber.
Zum Schlittschuhlaufen im Freien braucht man aber einen Winter. Dieses Jahr dauerte der ungefähr vierzehn Tage. Wenn man berücksichtigt, daß es wohl zehn Tage dauert bis viele Kanäle und Seen so zugefroren sind daß sie eine große Menge von Schlittschuhläufern tragen, hatten wir Holländer nur vier Tage um von dieser herrlichen Eispracht zu genießen. Hier und dort wurden Fahrten organisiert wobei man einhundert Kilometer Eisfläche zurücklegt und am Finish eine kupferfarbige Medaille oder ein anderes Andenken bekommt das man zu Hause sorgfältig aufbewahrt. Und in einigen seltenen Wintern kommt es vor, daß man 220 Kilometer entlang elf Friesische Städte eisschnelllaufen kann. Der Gewinner dieser Rundfahrt bekommt ewigen Ruhm und einen festen Platz in den schulischen Geschichtsbüchern.
Anno 2013 war der Andrang Schlittschuh zu fahren auf den Seen und Kanälen so groß, daß vielerorts die Menge vom Eis mußte weil es sonst zu gefährlich wurde. Aber keine Not: sieht, da kommt schon ein Trecker mit Anspann der alle Schlittschuhfahrtteilnehmer mitnimmt zurück zum Parkplatz wo man bei einem "koek-und-zopie" Eisbude heiße Schokoladenmilch zu trinken bekommt.
'Schlittschuhlaufen' heißt bei uns schlichtweg 'schaatsen'. Das ist für deutsche Zungen unaussprechbar; es ist ein sjibboleth-Wort. Statt ein richtiges SCH hört man bei den deutschen Gästen ein komisch rauschendes SJ…. Die Deutschen haben aber auch etwas voraus: sie können tausendmal besser eiskunstlaufen als wir Eischnellläufer.
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Donnerstag, 31. Januar 2013
Bagatelle 177 - (Ge)danke
terra40, 18:58h
Heute, den 31. Januar, feiert unsere Königin Beatrix ihren 75. Geburtstag. Wir gratulieren herzlich. Genau vor drei Tagen hat sie uns kundgetan, daß sie uns am 30. April diesen Jahres als Staatsoberhaupt verlassen wird. Sie dankt ab zu Gunsten ihres Sohnes: dem Kronprinzen Willem-Alexander. In einer kurzen Rede, die auf allen Fernsehkanälen ausgestrahlt wurde, dankte sie uns daß sie so lange, fast 33 Jahre, unsere Königin sein durfte. Und wir, das Volk, danken ihr für die Art und Weise in der sie unsere Königin war. Von beiden Seiten richtig und ehrlich gemeint.
Es gibt in unserem Lande zwar Leute die behaupten, daß wir bestens auskämen ohne König und Königin, aber sogar die echten Republikaner danken der Königin. Sie und wir wissen nämlich - Umfragen bestätigen das auch noch - daß wenn unser Land eine Republik wäre und wir aufgefordert würden ein Staatsoberhaupt zu wählen, dann würde Beatrix zweifelsfrei mit großer Mehrheit unser neuer Präsident. Es liegt also nicht nur an dem Amt; es liegt auch an der Person die es inne hat.
Weder bin ich selber ein richtiger Orangist, noch kenne ich die Königin persönlich. Wir sind uns nie begegnet. Stärker: tausend Mal hab ich sie im Fernsehen gesehen, aber niemals in lebendigem Leibe. Als sehr kleiner Junge hab ich ihre Großmutter gesehen, die Königin Wilhelmina, wie die sich nach dem Krieg informierte über das Leben an der niederländischen Seite der Landesgrenze inmitten der Trümmerhaufen diesseits und jenseits des Stacheldrahts. Und die Mutter, Königin Juliana, hab ich gesehen in Den Haag, als ich 1963 dienstlich als Soldat am Straßenrand stehen mußte und sie in der goldenen Kutsche ohne zu winken an mir vorbei fuhr.
Und jetzt bereiten wir uns vor auf den neuen König. Wir hatten schon einige, alle Willem mit Namen, gefolgt von einer römischen Ziffer: König Willem I, Willem II, Willem III. Und alle im 19. Jahrhundert. Einige Historiker versuchen uns mit allerhand Beweisen und Beispielen deutlich zu machen, daß diese nicht unbedingt starke, fürstliche Persönlichkeiten waren. Nein, die darauf folgende Königinnen: Wilhelmina, Juliana, Beatrix, die waren richtig von Format.
Der neue König wird nicht Willem IV heißen. Auch nicht Willem-Alexander der Erste (I). Schlicht Willem-Alexander. Für Intimi wahrscheinlich King Alex.
Die inzwischen sehr beliebte Maxima wird unsere neue Königin. Das freut mich sehr. Alleine der Name schon: Königin Maxima! Das verspricht viel gutes.
Spötter und Nörgler gibt es immer und überall. So sagen einige Landsleute, daß wir als Staatsoberhaupt nach Beatrix wieder eine Frau bekommen werden: Maxima. Wir werden sehen.
Es gibt in unserem Lande zwar Leute die behaupten, daß wir bestens auskämen ohne König und Königin, aber sogar die echten Republikaner danken der Königin. Sie und wir wissen nämlich - Umfragen bestätigen das auch noch - daß wenn unser Land eine Republik wäre und wir aufgefordert würden ein Staatsoberhaupt zu wählen, dann würde Beatrix zweifelsfrei mit großer Mehrheit unser neuer Präsident. Es liegt also nicht nur an dem Amt; es liegt auch an der Person die es inne hat.
Weder bin ich selber ein richtiger Orangist, noch kenne ich die Königin persönlich. Wir sind uns nie begegnet. Stärker: tausend Mal hab ich sie im Fernsehen gesehen, aber niemals in lebendigem Leibe. Als sehr kleiner Junge hab ich ihre Großmutter gesehen, die Königin Wilhelmina, wie die sich nach dem Krieg informierte über das Leben an der niederländischen Seite der Landesgrenze inmitten der Trümmerhaufen diesseits und jenseits des Stacheldrahts. Und die Mutter, Königin Juliana, hab ich gesehen in Den Haag, als ich 1963 dienstlich als Soldat am Straßenrand stehen mußte und sie in der goldenen Kutsche ohne zu winken an mir vorbei fuhr.
Und jetzt bereiten wir uns vor auf den neuen König. Wir hatten schon einige, alle Willem mit Namen, gefolgt von einer römischen Ziffer: König Willem I, Willem II, Willem III. Und alle im 19. Jahrhundert. Einige Historiker versuchen uns mit allerhand Beweisen und Beispielen deutlich zu machen, daß diese nicht unbedingt starke, fürstliche Persönlichkeiten waren. Nein, die darauf folgende Königinnen: Wilhelmina, Juliana, Beatrix, die waren richtig von Format.
Der neue König wird nicht Willem IV heißen. Auch nicht Willem-Alexander der Erste (I). Schlicht Willem-Alexander. Für Intimi wahrscheinlich King Alex.
Die inzwischen sehr beliebte Maxima wird unsere neue Königin. Das freut mich sehr. Alleine der Name schon: Königin Maxima! Das verspricht viel gutes.
Spötter und Nörgler gibt es immer und überall. So sagen einige Landsleute, daß wir als Staatsoberhaupt nach Beatrix wieder eine Frau bekommen werden: Maxima. Wir werden sehen.
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Sonntag, 20. Januar 2013
Bagatelle 176 - Hindenburg
terra40, 13:08h
Ich bin ein schlechter Fernseher. Damit meine ich, daß ich ziemlich wenig, in den Augen mancher medialen Mitbürger víel zu wenig fernsehe. Es ist wahr: außer meinen Lieblingssendungen: Kunst & Krempel wie auch Lieb & Teuer - die bei uns übrigens Kunst & Kitsch heißen - welche ich mir selten nehmen lasse, sehe ich wenig fern. Die Ursachen liegen auf der Hand. Einerseits liegt es an mir, an meiner innerlichen Unruhe, die es mir kaum möglich macht mich länger als fünf Minuten auf eine Sendung wie 'Verstehen Sie Spaß' zu konzentrieren. Anderseits liegt es an dem zu üppigen Programmangebot - inzwischen Hunderte von Fernsehkanälen und ebenso viele larmoyante soaps - die es mir unmöglich machen zu wählen.
Meine besten Fernsehmomente entstehen zufälligerweise. So landete ich neulich unerwartet und ungeplant in eine ARTE-Sendung, wo einige Historiker und Zeitzeugen das Ende der Weimarer Republik mit Bildern und Analysen erläuterten. Die Hauptperson war Hindenburg. Der ehemalige General- Feldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg. Sie kennen ihn viel besser als ich.
Die historische Person Hindenburg wurde - anders als bei Ihnen - in unseren schulischen Geschichtsbüchern nur kurz und knapp erwähnt. Nicht aus Mangel an Ehrfurcht und Respekt, sondern einfach durch die Tatsache, daß es um einen deutschen Reichspräsidenten handelte und nicht über einen niederländischen. Gott, Kaiser und Armee sollen die drei Stützen gewesen sein worauf er sich das Deutsche Reich gebaut zu sein hoffte, so sprach mein Lehrer feierlich. Der Titel "Reichspräsident" sagte uns auch nicht viel, denn wir hatten etwas viel bedeutsameres: nämlich eine Königin.
Als Schuljunge machte ich mir von jeder historischen Figur ein innerliches Bild das ich immer beibehalten habe. So war Hindenburg in meiner Vorstellung ein weiser, alter, gebrechlicher Greis, im grauen Mantel fast bis auf die Füße, komplett mit Ritterorden und einer Haarmode die der haarigen Kopfbedeckung meines eigenen Vaters sehr ähnelte. Er litt sehr unter die Tatsache daß er den kommenden NS-Staat nicht verhindern konnte und das war ihm anzusehen. So dachte ich.
Die Sachverständigen in der Fernsehsendung haben mein Hindenburgbild ziemlich geändert. Wieso weise, alt und gebrechlich? Er konnte sehr wohl mit der Faust auf den Tisch hauen. Und im hohen Alter war er sehr auf der Höhe, physisch sowohl als psychisch. Einer der Historiker sagte, als es 1932 um die Wahl eines neuen Reichstagspräsidenten handelte: Hindenburg pokerte mit Hitler und verlor. Und ein Enkel Hindenburgs erzählte daß sein Großvater mit 84 noch ruhig vier Glas Wein trank ohne daß man es ihm ansah.
So eine Hindenburg-Sendung mag ich. Wegen der historischen Thematik die mich schon immer interessiert hat. Und wegen der multimedialen Möglichkeiten die es jetzt gibt solch eine Geschichtsanalyse interessant zu gestalten. Und natürlich lernt man. Man erobert neue Kenntnisse, man lernt was neues und man lernt obendrein, daß vieles was man früher in der Schule gelernt hat falsch war. Aber man ist ja nie zu alt um zu lernen.
Sehr gern mag ich die kleinen Anekdoten am Rande. So erzählte der Enkel Hindenburgs, daß Adolf H., Hindenburgs Nachfolger, wenn der auf Gut Neudeck zu Besuch kam, kein Fleisch vorgesetzt bekam, weil der Adolf H. bekanntlich Vegetarier war. Statt Fleisch gab es Käse. Und dás war etwas was die kleinen Kinder in der Weimarer hochbürgerlichen Gesellschaft nur selten auf den Tischen sahen.
Da erinnere ich mich plötzlich an ein Hindenburg-Bild das mein Bruder in seiner Amsterdamer Zeit bei Aufräumarbeiten des Verlagsarchivs vom Untergang in die städtischen Mülltonne gerettet hat. Das Bild, eine Zeitungsphotographie aus einer bedeutenden holländischen Tageszeitung, zeigt den Reichspräsidenten von Hindenburg bei einem munteren Spaziergang an seinem 70. Geburtstag. Wir schreiben das Jahr 1915, mitten im ersten Weltkrieg. Hintendrauf steht geschrieben: der General-Feldmarschall mit seiner Familie. Von links: eine Hofdame die sich mit einer Dienstbotin unterhält, der General-Feldmarschall. seine Gattin Frau von Hindenburg, Frau von Pentz (die Tochter) und Rittmeister von Pentz (Schwiegersohn und persönlicher Adjutant).
Meine besten Fernsehmomente entstehen zufälligerweise. So landete ich neulich unerwartet und ungeplant in eine ARTE-Sendung, wo einige Historiker und Zeitzeugen das Ende der Weimarer Republik mit Bildern und Analysen erläuterten. Die Hauptperson war Hindenburg. Der ehemalige General- Feldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg. Sie kennen ihn viel besser als ich.
Die historische Person Hindenburg wurde - anders als bei Ihnen - in unseren schulischen Geschichtsbüchern nur kurz und knapp erwähnt. Nicht aus Mangel an Ehrfurcht und Respekt, sondern einfach durch die Tatsache, daß es um einen deutschen Reichspräsidenten handelte und nicht über einen niederländischen. Gott, Kaiser und Armee sollen die drei Stützen gewesen sein worauf er sich das Deutsche Reich gebaut zu sein hoffte, so sprach mein Lehrer feierlich. Der Titel "Reichspräsident" sagte uns auch nicht viel, denn wir hatten etwas viel bedeutsameres: nämlich eine Königin.
Als Schuljunge machte ich mir von jeder historischen Figur ein innerliches Bild das ich immer beibehalten habe. So war Hindenburg in meiner Vorstellung ein weiser, alter, gebrechlicher Greis, im grauen Mantel fast bis auf die Füße, komplett mit Ritterorden und einer Haarmode die der haarigen Kopfbedeckung meines eigenen Vaters sehr ähnelte. Er litt sehr unter die Tatsache daß er den kommenden NS-Staat nicht verhindern konnte und das war ihm anzusehen. So dachte ich.
Die Sachverständigen in der Fernsehsendung haben mein Hindenburgbild ziemlich geändert. Wieso weise, alt und gebrechlich? Er konnte sehr wohl mit der Faust auf den Tisch hauen. Und im hohen Alter war er sehr auf der Höhe, physisch sowohl als psychisch. Einer der Historiker sagte, als es 1932 um die Wahl eines neuen Reichstagspräsidenten handelte: Hindenburg pokerte mit Hitler und verlor. Und ein Enkel Hindenburgs erzählte daß sein Großvater mit 84 noch ruhig vier Glas Wein trank ohne daß man es ihm ansah.
So eine Hindenburg-Sendung mag ich. Wegen der historischen Thematik die mich schon immer interessiert hat. Und wegen der multimedialen Möglichkeiten die es jetzt gibt solch eine Geschichtsanalyse interessant zu gestalten. Und natürlich lernt man. Man erobert neue Kenntnisse, man lernt was neues und man lernt obendrein, daß vieles was man früher in der Schule gelernt hat falsch war. Aber man ist ja nie zu alt um zu lernen.
Sehr gern mag ich die kleinen Anekdoten am Rande. So erzählte der Enkel Hindenburgs, daß Adolf H., Hindenburgs Nachfolger, wenn der auf Gut Neudeck zu Besuch kam, kein Fleisch vorgesetzt bekam, weil der Adolf H. bekanntlich Vegetarier war. Statt Fleisch gab es Käse. Und dás war etwas was die kleinen Kinder in der Weimarer hochbürgerlichen Gesellschaft nur selten auf den Tischen sahen.
Da erinnere ich mich plötzlich an ein Hindenburg-Bild das mein Bruder in seiner Amsterdamer Zeit bei Aufräumarbeiten des Verlagsarchivs vom Untergang in die städtischen Mülltonne gerettet hat. Das Bild, eine Zeitungsphotographie aus einer bedeutenden holländischen Tageszeitung, zeigt den Reichspräsidenten von Hindenburg bei einem munteren Spaziergang an seinem 70. Geburtstag. Wir schreiben das Jahr 1915, mitten im ersten Weltkrieg. Hintendrauf steht geschrieben: der General-Feldmarschall mit seiner Familie. Von links: eine Hofdame die sich mit einer Dienstbotin unterhält, der General-Feldmarschall. seine Gattin Frau von Hindenburg, Frau von Pentz (die Tochter) und Rittmeister von Pentz (Schwiegersohn und persönlicher Adjutant).
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Sonntag, 6. Januar 2013
Bagatelle 175 - Neues Rätsel
terra40, 12:00h
So am Anfang eines neuen Jahres - heute kommen die drei Magier aus dem Morgenland vorbei - komme ich schon bald zu der Einsicht, daß zwar die Jahreszahl sich geändert, daß aber sonst fast alles beim alten geblieben ist. Neu sind allerdings meine Benehmens- und sonstige Umgangsformen welche ich mich - wie gewohnt - zu jedem Jahresbeginn vornehme zu ändern. Besser gesagt: zu verbessern.
Zum Beispiel meine Neigung Bücher zu kaufen ohne sie tatsächlich zu lesen. Jetzt ist Schluß. Ab heute wird zuerst gelesen und dann erst gekauft. In jedem Bücherschrank befindet sich wohl ein kleiner Stapel Lesestoff der darum bittet gelesen zu werden. Dieses Jahr ist es soweit. Ich verspreche es hierbei feierlich und Sie sind alle Zeuge.
Es gibt also genug zu tun. Auch für Sie. Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute und viel Erfolg. (Wünschen kann man bekanntlich den ganzen Monat Januar.) Und wenn Sie sich dennoch langweilen? Dann versuchen Sie mal nachzuforschen in welchen Sprachen hier unten das Wort 'NEU' geschrieben steht. "Neu", hier gemeint als Kürzel für 'ein glückliches neues Jahr". Wenn fertig, ist fast wieder ein Tag vorbei.
Zum Beispiel meine Neigung Bücher zu kaufen ohne sie tatsächlich zu lesen. Jetzt ist Schluß. Ab heute wird zuerst gelesen und dann erst gekauft. In jedem Bücherschrank befindet sich wohl ein kleiner Stapel Lesestoff der darum bittet gelesen zu werden. Dieses Jahr ist es soweit. Ich verspreche es hierbei feierlich und Sie sind alle Zeuge.
Es gibt also genug zu tun. Auch für Sie. Ich wünsche Ihnen dabei alles Gute und viel Erfolg. (Wünschen kann man bekanntlich den ganzen Monat Januar.) Und wenn Sie sich dennoch langweilen? Dann versuchen Sie mal nachzuforschen in welchen Sprachen hier unten das Wort 'NEU' geschrieben steht. "Neu", hier gemeint als Kürzel für 'ein glückliches neues Jahr". Wenn fertig, ist fast wieder ein Tag vorbei.
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Donnerstag, 20. Dezember 2012
Bagatelle 174 - Grün
terra40, 22:31h
Zufälligerweise - ach, was heißt hier denn 'zufällig', wenn Sie und ich wissen wie bedachtsam und bedacht der Zufall manchmal agiert - hörte ich kurz nach Mitternacht wie im WDR-3 ein Adventsfenster geöffnet und ein Weihnachtslied gesungen wurde. Es war das wohlbekannte und erhabene Lied 'O Tannenbaum'. Der Moderator erklärte, daß es - wie viele andere Kirchenlieder - ursprünglich ein ziemlich ordinäres Volkslied war. Der Tannenbaum wurde deshalb gepriesen, weil seine Nadeln das ganze Jahr hindurch grün gefärbt waren und er nicht dauernd seine Farbe wechselte. Sogar im Winter, wenn es zu schneien anfängt, höre die Tanne nicht auf zu 'grünen'. Diese Beharrlichkeit wurde - im Vergleich mit den launenhaften Tücken eines jungen Mädchens - gelobt. Nicht umsonst hieß es: wie grün sind deine Blätter. Daß die ursprüngliche Bedeutung verloren gegangen ist, und daß man später sang: wie schön sind deine Blätter, dafür kann die alte Tanne nichts.
Übrigens, die Farbe 'grün' spielt in mehreren deutschen Volksliedern eine bedeutende Rolle. So wie bei Schuberts unendlich Schönen Müllerin, wo der Liebhaber und Dichter abwechselnd die Farbe grün als 'lieb' bezeichnet und dann wieder als 'häßlich' und gar 'böse'. Sei es drum.
Schon als sehr kleiner Junge kannte ich das Lied. Das heißt: die Melodie. Und wir, die wir aufwuchsen in einem kleinen Dorf wo die deutsch-holländische Grenze quer hindurch verlief, sangen bei diesen hochmusikalischen Tönen den folgenden Text den ich für Sie kaum zu übersetzen brauche, so vermute ich.
O Dinxperlo, o Dinxperlo, (Name des Dorfes)
wat heb i-j mooie straoten! (schöne Straßen)
En a-j dan deur den Hellweg gaot,
dan scheur i-j ow de boks an 't prikkeldraod! (zerreißen; Hose; Stacheldraht)
O Dinxperlo, o Dinxperlo,
wat heb i-j mooie straoten!
So ein Text haftet, kann ich Ihnen sagen. Den vergißt man nie. Und daß die Möglichkeit, daß man sich die Hose wegen des Stacheldrahtes zerriß, tatsächlich bestand, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Selber bin ich - in den ersten Jahren nach dem Krieg - wohl mal durch ein Loch im Stacheldrahtzaun gekrochen um unseren Verwandten drüben eine Tüte richtiger Bohnenkaffee zu besorgen.
Lang ist's her. Fast so lange her wie die Zeit wo ein gewisser Lehrer Zarnack 1820 das frohe Lied von der immer grünen Tanne dichtete. (Die Melodie ist noch viel älter.) Aber nicht so lange daß ich nicht allen Bagatell-leserinnen und -Leser eine gute, frohe Weihnacht wünschen könnte. Das tue ich gerne und von Herzen mit einem Bild worauf Sie, wenn Sie gut schauen, im Hintergrund unseren kleinen, immer grünenden, Tannenbaum sehen.
Übrigens, die Farbe 'grün' spielt in mehreren deutschen Volksliedern eine bedeutende Rolle. So wie bei Schuberts unendlich Schönen Müllerin, wo der Liebhaber und Dichter abwechselnd die Farbe grün als 'lieb' bezeichnet und dann wieder als 'häßlich' und gar 'böse'. Sei es drum.
Schon als sehr kleiner Junge kannte ich das Lied. Das heißt: die Melodie. Und wir, die wir aufwuchsen in einem kleinen Dorf wo die deutsch-holländische Grenze quer hindurch verlief, sangen bei diesen hochmusikalischen Tönen den folgenden Text den ich für Sie kaum zu übersetzen brauche, so vermute ich.
O Dinxperlo, o Dinxperlo, (Name des Dorfes)
wat heb i-j mooie straoten! (schöne Straßen)
En a-j dan deur den Hellweg gaot,
dan scheur i-j ow de boks an 't prikkeldraod! (zerreißen; Hose; Stacheldraht)
O Dinxperlo, o Dinxperlo,
wat heb i-j mooie straoten!
So ein Text haftet, kann ich Ihnen sagen. Den vergißt man nie. Und daß die Möglichkeit, daß man sich die Hose wegen des Stacheldrahtes zerriß, tatsächlich bestand, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Selber bin ich - in den ersten Jahren nach dem Krieg - wohl mal durch ein Loch im Stacheldrahtzaun gekrochen um unseren Verwandten drüben eine Tüte richtiger Bohnenkaffee zu besorgen.
Lang ist's her. Fast so lange her wie die Zeit wo ein gewisser Lehrer Zarnack 1820 das frohe Lied von der immer grünen Tanne dichtete. (Die Melodie ist noch viel älter.) Aber nicht so lange daß ich nicht allen Bagatell-leserinnen und -Leser eine gute, frohe Weihnacht wünschen könnte. Das tue ich gerne und von Herzen mit einem Bild worauf Sie, wenn Sie gut schauen, im Hintergrund unseren kleinen, immer grünenden, Tannenbaum sehen.
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Samstag, 8. Dezember 2012
Bagatelle 173 - Reptilienparade
terra40, 13:21h
Keiner von uns - der alte Leibnitz ausgenommen, der wußte ja alles wissensmögliche - ist zu alt um zu lernen. So habe ich erst vor kurzem erfahren und gelernt, daß Reptilien gerne ihre Runden drehen wie Sechstagerennfahrer und kaum bereit sind aus der Reihe zu tanzen. (Ich dachte: Reptilien seien pure Individualisten, aber dem ist offenbar nicht so.) Bestätigung bekam ich dann nach einigen Tagen.
Beim lesen eines ziemlich uninteressanten Buches über den ebenfalls ziemlich berühmt gebliebenen niederländischen Grafikers M.C. Escher (siehe auch Bagatelle 124) erinnerte ich mich daran, daß zum Gesamtwerk des besagten Maurits Escher eine Reptilienlithographie gehört. Und noch besser: auf meinem Dachboden, wußte ich plötzlich, hielt sich eine Reproduktion dieser Lithographie irgendwo verborgen. Worauf ich nach oben zog und zwischen allem Kunst und Krempel tatsächlich die Reptilienlithographie Eschers entdeckte. Ein Blatt in ausgezeichnetem Zustand. Und beim näheren Betrachten staunte ich nicht schlecht. Sehen Sie selbst.
Auf der Lithographie sieht man, wie sich die Reptilien, eins nach dem anderen, losreißen vom dem Papier das sie gefangen hält. In einer langen Reihe wandern sie, immer linksumdrehend wie genannten Sechtstagerennfahrer oder 400-Meterläufer in einem Athletikstadion, von einem Objekt zum anderen. Über Berg und Tal: ein brehmsches Tierkundebuch, ein dreieckiges Brettchen, eine vielflächige Kugel, ein kupfernes Gefäß mit Zigarren und Streichholzschachtel mit der schwedischen Aufschrift "Säkerhets Tandstickör" zurück zu dem Papier das sie liebevoll wie einen verlorenen Sohn empfängt. Worauf nach kurzer Zeit sich die Zeremonie wiederholt. Immer in Bewegung, immer linksum der Reihe nach: so, sagt Escher, ist halt der Lauf der Zeit.
Ich staunte aber noch schlechter als ich sah, daß ein anderes kleines, zierliches Reptil (Eidechse, Salamander?) versuchte in Eschers Lithographie hinein zu kriechen. Es tat große Mühe sich einen Platz in der Reihe zu erobern. Offenbar wollte es erfahren wie es ist Teil einer immer bewegenden Gemeinschaft zu sein. Für einmal oder für ewig: darüber war ich mit mir selber nicht einig. Aber sicher weiß ich daß die folgenden drei Möglichkeiten sich anboten.
(1) Ein Reptil aus der Reihe hält an, macht dadurch einen Platz in der Reihe frei und sagt: "Bitte schön!"
(2) Die Reptilien weigern sich den fremden Gast Eintritt zu verschaffen weil sie geschworen haben das niemals zu tun. Aus welchen Gründen auch immer.
(3) Die besuchende Eidechse wartet ruhig auf ihre Chance bis ein Reptil aus der Reihe fällt, nicht aufpaßt, und dadurch eine Lücke freigibt.
Wie die Sache ausläuft, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich hätte es wohl tun können, aber bei jedem Escherkunstwerk muß etwas zum raten übrigbleiben.
Beim lesen eines ziemlich uninteressanten Buches über den ebenfalls ziemlich berühmt gebliebenen niederländischen Grafikers M.C. Escher (siehe auch Bagatelle 124) erinnerte ich mich daran, daß zum Gesamtwerk des besagten Maurits Escher eine Reptilienlithographie gehört. Und noch besser: auf meinem Dachboden, wußte ich plötzlich, hielt sich eine Reproduktion dieser Lithographie irgendwo verborgen. Worauf ich nach oben zog und zwischen allem Kunst und Krempel tatsächlich die Reptilienlithographie Eschers entdeckte. Ein Blatt in ausgezeichnetem Zustand. Und beim näheren Betrachten staunte ich nicht schlecht. Sehen Sie selbst.
Auf der Lithographie sieht man, wie sich die Reptilien, eins nach dem anderen, losreißen vom dem Papier das sie gefangen hält. In einer langen Reihe wandern sie, immer linksumdrehend wie genannten Sechtstagerennfahrer oder 400-Meterläufer in einem Athletikstadion, von einem Objekt zum anderen. Über Berg und Tal: ein brehmsches Tierkundebuch, ein dreieckiges Brettchen, eine vielflächige Kugel, ein kupfernes Gefäß mit Zigarren und Streichholzschachtel mit der schwedischen Aufschrift "Säkerhets Tandstickör" zurück zu dem Papier das sie liebevoll wie einen verlorenen Sohn empfängt. Worauf nach kurzer Zeit sich die Zeremonie wiederholt. Immer in Bewegung, immer linksum der Reihe nach: so, sagt Escher, ist halt der Lauf der Zeit.
Ich staunte aber noch schlechter als ich sah, daß ein anderes kleines, zierliches Reptil (Eidechse, Salamander?) versuchte in Eschers Lithographie hinein zu kriechen. Es tat große Mühe sich einen Platz in der Reihe zu erobern. Offenbar wollte es erfahren wie es ist Teil einer immer bewegenden Gemeinschaft zu sein. Für einmal oder für ewig: darüber war ich mit mir selber nicht einig. Aber sicher weiß ich daß die folgenden drei Möglichkeiten sich anboten.
(1) Ein Reptil aus der Reihe hält an, macht dadurch einen Platz in der Reihe frei und sagt: "Bitte schön!"
(2) Die Reptilien weigern sich den fremden Gast Eintritt zu verschaffen weil sie geschworen haben das niemals zu tun. Aus welchen Gründen auch immer.
(3) Die besuchende Eidechse wartet ruhig auf ihre Chance bis ein Reptil aus der Reihe fällt, nicht aufpaßt, und dadurch eine Lücke freigibt.
Wie die Sache ausläuft, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich hätte es wohl tun können, aber bei jedem Escherkunstwerk muß etwas zum raten übrigbleiben.
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Freitag, 30. November 2012
Bagatelle 172 - Vorher, nachher
terra40, 18:03h
Die Situation ist uns allen bekannt: rechts steht der bekannte Sachverständige Dr. Dr. Klaus Kannstmichmal, anerkannter Uhrenkenner; daneben Frau Dr. Hannelore Kärstener, die das Programm für uns moderiert und die durch manchen pointierten Fachausdruck zeigt, daß sie dem eingeladenen Sachverständigen fachfräulich im nichts nachsteht. Ganz links Frau Vonderhandgewiesen geborene Schubert, die stolz und erwartungsvoll vieles Wissenswertes über das Objekt in der Mitte über sich ergehen läßt. Das Objekt selbst ist eine bieder anmutende Rokoko-Uhr und die Sendung heißt Kunst und Krempel.
Freilich, ich sehe wenig fern, aber solche Sendungen lasse ich mir nicht nehmen. Wie herrlich, dieser Gesichtsausdruck bei der Frau V. geborene S., wenn sie aus dem Munde des sachverständigen Doppeldoktoren erfährt, daß ihre Uhr um 1832 in Lours-sur-Seine zusammengebaut worden ist. Und daß das Blattgold auf der Pendelscheibe tatsächlich echt ist. Sie aber hat eigentlich nur diesen éinen Wunsch: zu wissen wieviel Euro die Uhr wert ist. Nach fünf Minuten und virtuell 1200 Euro reicher verläßt sie - die Uhr feste in den Armen geschlossen - glücklich die Fernsehbühne. Ihr folgt der Herr Augenstern aus Lauen an der Luhre der eine herrliche Spitzweg-Kopie mitgebracht hat und deshalb einen anderen Sachverständigen braucht. (Nebenbei: in der Bagatelle LVIII konnten Sie übrigens schon etwas mehr von der Spannung erfahren welche diese Sendungen umgeben.)
Bei uns heißt die Sendung Kunst & Kitsch. Aber wie sich die Bilder gleichen! Beim ersten Betrachten eines Ölgemäldes rät unser Sachkenner Hubert van Scheveningen immer eines: zuerst wird gesäubert! Er nimmt sich ein Wattenstäbchen, feuchtet es ein wenig in Alkohol an - wenn kein Alkohol da ist nimmt er seine eigene Spucke - und putzt sehr behutsam und vorsichtig über Firnis und Farbe, und wenn das Reinemachen sein Ende gefunden hat, strahlt uns das Bild im neuen Glanz entgegen!
Der Fall will, daß mein junger Bruder sich vor Jahren auf einer Auktion ein altes Gemälde schenkte. Für viel zu viel Geld, denn fast alles Materielle was ein richtiges Bild braucht, fehlte förmlich. Es gab keinen Rahmen und hier und da hatte sich auch schon die Farbe von der Leinwand gelöst. Dennoch zeigten viele Details eine Meisterhand. Sehen Sie selbst wie schön die Laube mit der Kletterrose gemalt worden ist. Wie fein das Mädchen dasitzt in der Abendsonne um ihre Arbeit (das Abziehen der Bohnen für die Abendmahlzeit) nachzugehen. Und wie selten gut getroffen ist der Hahn und seine Gefolgschaft! Nein, wir können uns gut vorstellen wie gerne mein Bruder das Bild haben wollte. So geht uns das eben auch. Hier unten sehen Sie das Bild in der Originalfassung. Über Herkunft und Zeit wußte man nichts. Es ist unsigniert, so daß mein Bruder seine Vermutung: das Bild sei englischer Herkunft, nicht beweisen konnte. Für eines brauchte man keinen Beweis: das Bild war total verschmutzt.
Da nahm ich mir die Worte des K&K-Sachverständigen zu Herzen. Ich bot meinem Bruder an das Bild zuerst gründlich zu reinigen. Aber wie und womit?
Manche schwören in solch einem Fall bei einem ungekochten aber geschälten und halbwegs durchgeschnittenen Kartoffel; andere bevorzugen am liebsten geknetetes und selbstgekautes Roggenbrot. Wieder andere verwenden 96%-Industriealkohol und einige Unverbesserlichen tun es mit ihrer Spucke oder was auch immer die Speicheldrüse hergibt. Weil ich gerne ein Gläschen trinke und mich daher mit der Ware auskenne fiel meine Wahl auf den Alkohol. Mit einem in Alkohol getränkten Wattenstäbchen wurde Zentimeter für Zentimeter gereinigt. Als diese Sisyphusarbeit getan war, bedeckte ich das Bild mit einer neuen, dünnen Firnisschicht. Das Resultat folgt auf dem Fuße. Die Bilder sind so naturgetreu möglich dargestellt; nichts ist wie wir es nennen 'gephotoshopt', künstlich verschönert also.
Ist 'nachher' besser als 'vorher'? Hat sich die Mühe gelohnt? Urteilen Sie selbst. Mein Bruder beurteilte die Reinigung als 'ziemlich zufriedenstellend, sei es daß die Atmosphäre ein wenig gelitten habe'. Er bedankte sich indem er mir das Bild schenkte. Jetzt hängt das Mädchen in der Rosenlaube, von Huhn und Hahn umgeben, in meinem Arbeitszimmer. Mit Freuden seh' ich es mir an, jeden Tag wohl ein Mal.
Freilich, ich sehe wenig fern, aber solche Sendungen lasse ich mir nicht nehmen. Wie herrlich, dieser Gesichtsausdruck bei der Frau V. geborene S., wenn sie aus dem Munde des sachverständigen Doppeldoktoren erfährt, daß ihre Uhr um 1832 in Lours-sur-Seine zusammengebaut worden ist. Und daß das Blattgold auf der Pendelscheibe tatsächlich echt ist. Sie aber hat eigentlich nur diesen éinen Wunsch: zu wissen wieviel Euro die Uhr wert ist. Nach fünf Minuten und virtuell 1200 Euro reicher verläßt sie - die Uhr feste in den Armen geschlossen - glücklich die Fernsehbühne. Ihr folgt der Herr Augenstern aus Lauen an der Luhre der eine herrliche Spitzweg-Kopie mitgebracht hat und deshalb einen anderen Sachverständigen braucht. (Nebenbei: in der Bagatelle LVIII konnten Sie übrigens schon etwas mehr von der Spannung erfahren welche diese Sendungen umgeben.)
Bei uns heißt die Sendung Kunst & Kitsch. Aber wie sich die Bilder gleichen! Beim ersten Betrachten eines Ölgemäldes rät unser Sachkenner Hubert van Scheveningen immer eines: zuerst wird gesäubert! Er nimmt sich ein Wattenstäbchen, feuchtet es ein wenig in Alkohol an - wenn kein Alkohol da ist nimmt er seine eigene Spucke - und putzt sehr behutsam und vorsichtig über Firnis und Farbe, und wenn das Reinemachen sein Ende gefunden hat, strahlt uns das Bild im neuen Glanz entgegen!
Der Fall will, daß mein junger Bruder sich vor Jahren auf einer Auktion ein altes Gemälde schenkte. Für viel zu viel Geld, denn fast alles Materielle was ein richtiges Bild braucht, fehlte förmlich. Es gab keinen Rahmen und hier und da hatte sich auch schon die Farbe von der Leinwand gelöst. Dennoch zeigten viele Details eine Meisterhand. Sehen Sie selbst wie schön die Laube mit der Kletterrose gemalt worden ist. Wie fein das Mädchen dasitzt in der Abendsonne um ihre Arbeit (das Abziehen der Bohnen für die Abendmahlzeit) nachzugehen. Und wie selten gut getroffen ist der Hahn und seine Gefolgschaft! Nein, wir können uns gut vorstellen wie gerne mein Bruder das Bild haben wollte. So geht uns das eben auch. Hier unten sehen Sie das Bild in der Originalfassung. Über Herkunft und Zeit wußte man nichts. Es ist unsigniert, so daß mein Bruder seine Vermutung: das Bild sei englischer Herkunft, nicht beweisen konnte. Für eines brauchte man keinen Beweis: das Bild war total verschmutzt.
Da nahm ich mir die Worte des K&K-Sachverständigen zu Herzen. Ich bot meinem Bruder an das Bild zuerst gründlich zu reinigen. Aber wie und womit?
Manche schwören in solch einem Fall bei einem ungekochten aber geschälten und halbwegs durchgeschnittenen Kartoffel; andere bevorzugen am liebsten geknetetes und selbstgekautes Roggenbrot. Wieder andere verwenden 96%-Industriealkohol und einige Unverbesserlichen tun es mit ihrer Spucke oder was auch immer die Speicheldrüse hergibt. Weil ich gerne ein Gläschen trinke und mich daher mit der Ware auskenne fiel meine Wahl auf den Alkohol. Mit einem in Alkohol getränkten Wattenstäbchen wurde Zentimeter für Zentimeter gereinigt. Als diese Sisyphusarbeit getan war, bedeckte ich das Bild mit einer neuen, dünnen Firnisschicht. Das Resultat folgt auf dem Fuße. Die Bilder sind so naturgetreu möglich dargestellt; nichts ist wie wir es nennen 'gephotoshopt', künstlich verschönert also.
Ist 'nachher' besser als 'vorher'? Hat sich die Mühe gelohnt? Urteilen Sie selbst. Mein Bruder beurteilte die Reinigung als 'ziemlich zufriedenstellend, sei es daß die Atmosphäre ein wenig gelitten habe'. Er bedankte sich indem er mir das Bild schenkte. Jetzt hängt das Mädchen in der Rosenlaube, von Huhn und Hahn umgeben, in meinem Arbeitszimmer. Mit Freuden seh' ich es mir an, jeden Tag wohl ein Mal.
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Montag, 19. November 2012
Bagatelle 171 - Frans, Franzl, Francois
terra40, 21:02h
Genug Grund zur Freude: wir haben eine neue Regierung! Die Sozial-Demokraten und die Rechts-Liberalen, beide Gewinner der letzen Wahlen, haben sich zusammen getan und bilden jetzt so gut wie's geht ein neues Kabinett. Premier-Minister ist wie zuvor uns aller Mark Rutte1), Liberaler bis in den Fingerspitzen; Vize ist ein Neuling-im-Geschäft: der Herr Lodewijk (Ludwig) Ascher, ein Mann der Arbeiterpartei obwohl man es ihm nicht ansieht. Vor seiner Ernennung als Minister war er Senator in Amsterdam.
Auch haben wir einen neuen Außenminister. Doch, weil unser Land klein ist und zwangsweise viel Ausland besitzt, ist das eine wichtige Stelle. Unser neuer heißt mit Nachname Timmermans, was Sie unschwer etymologisch deuten werden als Sohn eines Zimmermannes (war nicht je ein Zimmermann Außenminister in Deutschland? Einer von der CSU?) und wenn er seine Sache ordentlich macht wird er wahrscheinlich zum Tischler- und später zu Drechselmeister befördert werden und somit zu Ehren kommen.
Von vorne heißt unser neuer Außen schlicht Frans. Sie würden ihn Franz heißen und vielleicht Franzl. In den Gefilden die Loire entlang würde man ihn mit François begrüßen.
Wie auch immer, Frans, Franz oder François, unser neuer Außenminister ist ein lupenreiner Europäer. Er war Euro-Parlementarier und reiste den ganzen Tag von Brüssel über Luxemburg nach Straßburg und vice versa.
Nein, unser neuer Außen wird noch von sich hören lassen.
Was sag' ich denn! Er hat sich schon geäußert! In seiner ersten Rede mahnte der neue Außenminister uns allen - vor allem an die Schüler in der Sekundarstufe wandte er sich - daß wir uns besser um das lernen einer zweiten Fremdsprache bemühen sollten. (In den Niederlanden gibt es neben den Pflichtsprachen im Sekundarbereich: Niederländisch und Englisch, eine oder zwei Wahlsprachen.) Seinem Vornamen wissend würde man glauben, daß das Französisch gemeint war. Der Herr Timmermans aber, so sagte er jedenfalls, sah wie schlecht es bei der niederländischen Jugend um die Deutschkenntnisse stehe und forderte sie darum vehement auf Deutsch zu lernen. Die Sprache des Nachbarn muß man schließlich können! Oder?
Wie recht hat der Mann! Ich kann ein Lied davon singen, wie alle Bagatellleserinnen und -Leser bereits wissen. Der Herr Minister vergaß aber zu sagen wie schwer die deutsche Sprache ist für Nicht-Deutsche!
Nehmen wir als Beispiel die Fälle. Nicht der Fall Timmermans an sich, nein ich meine die grammatikalen Fälle. Auch der Herr Außenminister Franzl Schreinerssohn kann mir nicht erklären warum und weshalb etwa nach diesen Präpositionen
durch, für, ohne um, entlang, bis, gegen, wider
immer der vierte Fall folgt, und niemals der dritte oder der zweite, geschweige denn der erste. So etwas muß in der Tat gelernt sein!
Fazit: der neue Außenminister der Niederlande hat recht. Natürlich ist es ratsam und äußerst wichtig die deutsche Sprache einigermaßen zu beherrschen, mündlich wie schriftlich. Die Schüler sollten sich Herrn Timmermans Worte zu Herzen nehmen und seinem Rat folgen. Anderseits müßte der Herr Minister mir beipflichten, wenn ich behaupte, daß, gerade in Zeiten ökonomischer und kultureller Krise, éine Deutschstunde pro Woche völlig ungeeignet ist die zahllosen Sprachschwierigkeiten zu meistern.
Anmerkungen:
(1) Ein Bild des alten und neuen Minister-Präsidenten Rutte sehen Sie in der Bagatelle 168 wo er den Tisch bewundert an dem ich meine Tafelreden einstudiere.
(2) Hier unten der Herr Außenminister Frans Timmermans. Er schaut nicht gerade selbstsicher in die Kamera, obwohl er sich Mühe gibt, aber er wird 's schon schaffen.
Auch haben wir einen neuen Außenminister. Doch, weil unser Land klein ist und zwangsweise viel Ausland besitzt, ist das eine wichtige Stelle. Unser neuer heißt mit Nachname Timmermans, was Sie unschwer etymologisch deuten werden als Sohn eines Zimmermannes (war nicht je ein Zimmermann Außenminister in Deutschland? Einer von der CSU?) und wenn er seine Sache ordentlich macht wird er wahrscheinlich zum Tischler- und später zu Drechselmeister befördert werden und somit zu Ehren kommen.
Von vorne heißt unser neuer Außen schlicht Frans. Sie würden ihn Franz heißen und vielleicht Franzl. In den Gefilden die Loire entlang würde man ihn mit François begrüßen.
Wie auch immer, Frans, Franz oder François, unser neuer Außenminister ist ein lupenreiner Europäer. Er war Euro-Parlementarier und reiste den ganzen Tag von Brüssel über Luxemburg nach Straßburg und vice versa.
Nein, unser neuer Außen wird noch von sich hören lassen.
Was sag' ich denn! Er hat sich schon geäußert! In seiner ersten Rede mahnte der neue Außenminister uns allen - vor allem an die Schüler in der Sekundarstufe wandte er sich - daß wir uns besser um das lernen einer zweiten Fremdsprache bemühen sollten. (In den Niederlanden gibt es neben den Pflichtsprachen im Sekundarbereich: Niederländisch und Englisch, eine oder zwei Wahlsprachen.) Seinem Vornamen wissend würde man glauben, daß das Französisch gemeint war. Der Herr Timmermans aber, so sagte er jedenfalls, sah wie schlecht es bei der niederländischen Jugend um die Deutschkenntnisse stehe und forderte sie darum vehement auf Deutsch zu lernen. Die Sprache des Nachbarn muß man schließlich können! Oder?
Wie recht hat der Mann! Ich kann ein Lied davon singen, wie alle Bagatellleserinnen und -Leser bereits wissen. Der Herr Minister vergaß aber zu sagen wie schwer die deutsche Sprache ist für Nicht-Deutsche!
Nehmen wir als Beispiel die Fälle. Nicht der Fall Timmermans an sich, nein ich meine die grammatikalen Fälle. Auch der Herr Außenminister Franzl Schreinerssohn kann mir nicht erklären warum und weshalb etwa nach diesen Präpositionen
durch, für, ohne um, entlang, bis, gegen, wider
immer der vierte Fall folgt, und niemals der dritte oder der zweite, geschweige denn der erste. So etwas muß in der Tat gelernt sein!
Fazit: der neue Außenminister der Niederlande hat recht. Natürlich ist es ratsam und äußerst wichtig die deutsche Sprache einigermaßen zu beherrschen, mündlich wie schriftlich. Die Schüler sollten sich Herrn Timmermans Worte zu Herzen nehmen und seinem Rat folgen. Anderseits müßte der Herr Minister mir beipflichten, wenn ich behaupte, daß, gerade in Zeiten ökonomischer und kultureller Krise, éine Deutschstunde pro Woche völlig ungeeignet ist die zahllosen Sprachschwierigkeiten zu meistern.
Anmerkungen:
(1) Ein Bild des alten und neuen Minister-Präsidenten Rutte sehen Sie in der Bagatelle 168 wo er den Tisch bewundert an dem ich meine Tafelreden einstudiere.
(2) Hier unten der Herr Außenminister Frans Timmermans. Er schaut nicht gerade selbstsicher in die Kamera, obwohl er sich Mühe gibt, aber er wird 's schon schaffen.
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Mittwoch, 7. November 2012
Bagatelle 170 - Hochachtungsvoll gezeichnet
terra40, 12:30h
Mein Vater war ein guter Zeichner, ein sehr guter sogar. Das sagte ein jeder der wohl einmal eine seiner Radierungen gesehen hatte. Das sagten auch die Abiturexaminatoren welche im Jahre 1920 - so lange ist's her - seine Radierung bei der Abschlußprüfung im Zeichnen mit einer Zehn (eine 10: die best denkbare Note) benoteten.
Das mag uns heute fremd und übertrieben vorkommen, aber es besteht immer die Möglichkeit zu einer erneuten Wertschätzung, denn mein Vaters Radierungen sind irgendwo in familiären Schränken aufbewahrt worden, so daß wir auch jetzt noch feststellen können, daß das Examenurteil der damaligen Sachverständigen auch heute noch zutrifft.
Also, mein Vater zeichnete, besser gesagt: er zeichnete nach. Fand er irgendwo ein passendes Bild (eine Photographie, so schrieb man das damals) dann wurde die abgebildete Person von ihm mit Bleistift, in schwarz und weiß mit allen dazwischen liegenden Grautönen (nach)gezeichnet und für die Ewigkeit aufgehoben. Die Abgebildeten (Politiker, Künstler, etc) waren Leute vor denen man aus Ehrfurcht den Hut zieht und die man hochachtungsvoll grüßt. Selbst hab' ich wenig Ahnung und noch weniger Verstand von diesen Sachen, aber mein Auge sagt mir daß es auf dieser Abbildungswelt schlechteres gibt. Manchmal posiert eine Person etwas steif und sichtlich ungemütlich, aber das ist nicht notwendigerweise die Schuld des Künstlers, vermag ich zu behaupten.
Genug der Geschichte, es ist Zeit für Beispiele. Aus der Reihe: niederländische Politiker zwischen zwei Weltkriegen, sehen wir hier unten den damaligen Premier-Minister Hendrik Colijn, ein lupenreiner Christ-Demokrat. Damals, um 1935, bestimmte er so gut er konnte und wollte die Geschicke des Staates.
Weiter blätternd in der Sammlung sehen wir dann einen gewissen Herrn Posthuma. An dieser Stelle zögerte mein Vater wenn er uns, den kleinen, die weiteren Hintergründe erzählte. Die Zeichnung stammte aus 1933, aber der Herr Posthuma war zehn Jahre später, unter der deutschen Besatzung, Landwirtschaftsminister, und wurde 1943 wegen seiner Kollaboration von der hiesigen Resistance liquidiert. Die Ironie will, daß er, wie es der Brauchtum forderte, trotzdem mit allen Ehren von der Nachbarschaft zu Grabe getragen wurde.
Sowohl die Kollaboration als die Liquidierung sind gewiß nicht zu verzeihende Tatsachen. Und mein Vater schämte sich förmlich daß er die Zeichnung noch immer aufbewahrt hatte.
Schließen wir ab mit etwas fröhlicherem. Sie zeigen eine andere Seite meines Vaters. Erstens war er manchmal sehr humorvoll und zweitens liebte er Kinder, wenn er auch zögerte es zuzugeben. Davon zeugen diese zwei Zeichnungen welche ich Ihnen hierbei ehrfurchtsvoll und mit aller Hochachtung vorlege.
Das mag uns heute fremd und übertrieben vorkommen, aber es besteht immer die Möglichkeit zu einer erneuten Wertschätzung, denn mein Vaters Radierungen sind irgendwo in familiären Schränken aufbewahrt worden, so daß wir auch jetzt noch feststellen können, daß das Examenurteil der damaligen Sachverständigen auch heute noch zutrifft.
Also, mein Vater zeichnete, besser gesagt: er zeichnete nach. Fand er irgendwo ein passendes Bild (eine Photographie, so schrieb man das damals) dann wurde die abgebildete Person von ihm mit Bleistift, in schwarz und weiß mit allen dazwischen liegenden Grautönen (nach)gezeichnet und für die Ewigkeit aufgehoben. Die Abgebildeten (Politiker, Künstler, etc) waren Leute vor denen man aus Ehrfurcht den Hut zieht und die man hochachtungsvoll grüßt. Selbst hab' ich wenig Ahnung und noch weniger Verstand von diesen Sachen, aber mein Auge sagt mir daß es auf dieser Abbildungswelt schlechteres gibt. Manchmal posiert eine Person etwas steif und sichtlich ungemütlich, aber das ist nicht notwendigerweise die Schuld des Künstlers, vermag ich zu behaupten.
Genug der Geschichte, es ist Zeit für Beispiele. Aus der Reihe: niederländische Politiker zwischen zwei Weltkriegen, sehen wir hier unten den damaligen Premier-Minister Hendrik Colijn, ein lupenreiner Christ-Demokrat. Damals, um 1935, bestimmte er so gut er konnte und wollte die Geschicke des Staates.
Weiter blätternd in der Sammlung sehen wir dann einen gewissen Herrn Posthuma. An dieser Stelle zögerte mein Vater wenn er uns, den kleinen, die weiteren Hintergründe erzählte. Die Zeichnung stammte aus 1933, aber der Herr Posthuma war zehn Jahre später, unter der deutschen Besatzung, Landwirtschaftsminister, und wurde 1943 wegen seiner Kollaboration von der hiesigen Resistance liquidiert. Die Ironie will, daß er, wie es der Brauchtum forderte, trotzdem mit allen Ehren von der Nachbarschaft zu Grabe getragen wurde.
Sowohl die Kollaboration als die Liquidierung sind gewiß nicht zu verzeihende Tatsachen. Und mein Vater schämte sich förmlich daß er die Zeichnung noch immer aufbewahrt hatte.
Schließen wir ab mit etwas fröhlicherem. Sie zeigen eine andere Seite meines Vaters. Erstens war er manchmal sehr humorvoll und zweitens liebte er Kinder, wenn er auch zögerte es zuzugeben. Davon zeugen diese zwei Zeichnungen welche ich Ihnen hierbei ehrfurchtsvoll und mit aller Hochachtung vorlege.
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Mittwoch, 17. Oktober 2012
Bagatelle 169 - Lautlose Kunst
terra40, 23:31h
Anlaß
In der Tat, manchmal liest man etwas völlig unverständliches. So sitze ich eines Abends seelenruhig in meiner Leseecke, da fallen meine Augen auf den hier unten abgebildeten Text.
Also, hier steht meines Erachtens geschrieben: Man solle bitte schön warten mit dem umschlagen der Seite bis das Lied zu Ende gesungen ist. Oder irre ich mich?
Fragen über Fragen
- Ist das hier eine sanfte Bitte, eine gutgemeinte Aufforderung, ein guter Rat oder sogar ein schroffer Befehl?
- Welche Seite welches Buches ist hier gemeint? Und um welches Lied geht es?
- Vor allem: wieso darf ich selber nicht entscheiden wann und wo ich meine Buchseite umschlage? Wer würde etwas dagegen haben und wer würde es mir verbieten wollen? Ist nun auch der Rest meines freien Willens dahin? Flöten vielleicht?
Liedcontext
Oberhalb meines angesprochenen Satzes steht ein Liedtext. Und zwar ein berühmtes Lied. Nicht wegen seines läppischen Textes (vom Herrn Carl Lappe höchstpersönlich), sondern eher wegen seiner himmlischen Musik (von Franz Schubert). Oben die deutsche Urfassung und darunter die englische Übersetzung.
Lied und Gesang
Das Lied wird gesungen von Dietrich Fischer-Dieskau. Das weiß ich, weil es auf der Gegenüberseite geschrieben steht. Ich sehe auch sein Bild. Und wenn ich die dazugehörende alte Langspielplatte spiele, höre ich seine unverkennbare schöne Stimme. Mein Gott, wie sang dieser Mensch unmenschlich schön! Wenn Sie mich fragen sang er manchmal gar zú schön.
Dietrich Fischer-Dieskau starb in diesem Jahr, 2012. Auf dem Bild ist er um die vierzig. Die Aufnahme stammt aus 1967 und das Geburtsjahr Fischer-Dieskaus war 1925.
Liedtext und Buchtext
Das erste Rätsel ist gelöst. Wir kennen den Sänger und wir kennen das Lied. Die Seite (welche nicht umgeschlagen werden darf) des Buches enthält höchstwahrscheinlich den Liedtext. Der Sänger singt. Und wenn wir wollen, lesen wir in Deutsch oder in der englischen Übersetzung was es bedeutet was wir zu hören meinen. Welches Buch, so lautet dennoch die Frage, halte ich in meinen Händen?
Musik und andere Geräusche
Jeder Konzertbesucher kennt sie: die Keucher, die Hustenden, die Dame die das ganze Konzert hindurch mit ihrem Taschentuch fummelt so daß es ununterbrochen knistert. Der Nachbar dessen Nasenjucken sich gerade bei der leisesten Symphoniestelle (ppp!) aufmacht in einer Nieserei auszumünden. Die liebevollen Damen die nur aus Verlegenheit oder aus einer anderen unerklärlichen Grund meinen sich dann und wann die Kehle räuspern zu müssen. Die Besucher die viel Lärm um nichts machen weil sie unentwegt in ihren Programmheften hin und her blättern. Freunde, nicht diese Töne!
Programm und Programmheft
Das ist die Lösung! Wir sollen bitte schön nicht die Seite unseres Programmheftes umschlagen bevor das Lied zu Ende gesungen ist. Es gilt aber nicht uns die daheim lesen und zuhören, es gilt den Besuchern eines öffentlichen Konzertes, wobei Dietrich Fischer-Dieskau singt und der nicht weniger berühmte Begleiter Gerald Moore die Klaviertasten berührt. Er, der Bariton, singt Im Abendrot. Und er, der Pianist, begleitet so schön daß wir förmlich das Rot, das in der Wolke blinkt in unser stilles Fenster sinken sehen.
Schall und Platte
Es war am 20. Februar 1967 in der Londoner Royal Festival Hall wo das Konzert der beiden life aufgenommen wurde. Daher die Bitte an die Besucher das verbreiten von Nebengeräuschen so gut wie möglich zu unterlassen.
Jetzt hab' ich mir das Programmheft und die Schallplatte (richtiges, feines Vinyl) in die Hand genommen. Ich setze mich in meine Leseecke, lege die Schallplatte auf den Drehteller und schalte ein. Höre genauestens und vergnügungsvoll zu. Und warte bis das Lied vollendet ist, bis ich es wage die Seite des Heftes umzuschlagen. Denn ich möchte nicht stören.
In der Tat, manchmal liest man etwas völlig unverständliches. So sitze ich eines Abends seelenruhig in meiner Leseecke, da fallen meine Augen auf den hier unten abgebildeten Text.
Also, hier steht meines Erachtens geschrieben: Man solle bitte schön warten mit dem umschlagen der Seite bis das Lied zu Ende gesungen ist. Oder irre ich mich?
Fragen über Fragen
- Ist das hier eine sanfte Bitte, eine gutgemeinte Aufforderung, ein guter Rat oder sogar ein schroffer Befehl?
- Welche Seite welches Buches ist hier gemeint? Und um welches Lied geht es?
- Vor allem: wieso darf ich selber nicht entscheiden wann und wo ich meine Buchseite umschlage? Wer würde etwas dagegen haben und wer würde es mir verbieten wollen? Ist nun auch der Rest meines freien Willens dahin? Flöten vielleicht?
Liedcontext
Oberhalb meines angesprochenen Satzes steht ein Liedtext. Und zwar ein berühmtes Lied. Nicht wegen seines läppischen Textes (vom Herrn Carl Lappe höchstpersönlich), sondern eher wegen seiner himmlischen Musik (von Franz Schubert). Oben die deutsche Urfassung und darunter die englische Übersetzung.
Lied und Gesang
Das Lied wird gesungen von Dietrich Fischer-Dieskau. Das weiß ich, weil es auf der Gegenüberseite geschrieben steht. Ich sehe auch sein Bild. Und wenn ich die dazugehörende alte Langspielplatte spiele, höre ich seine unverkennbare schöne Stimme. Mein Gott, wie sang dieser Mensch unmenschlich schön! Wenn Sie mich fragen sang er manchmal gar zú schön.
Dietrich Fischer-Dieskau starb in diesem Jahr, 2012. Auf dem Bild ist er um die vierzig. Die Aufnahme stammt aus 1967 und das Geburtsjahr Fischer-Dieskaus war 1925.
Liedtext und Buchtext
Das erste Rätsel ist gelöst. Wir kennen den Sänger und wir kennen das Lied. Die Seite (welche nicht umgeschlagen werden darf) des Buches enthält höchstwahrscheinlich den Liedtext. Der Sänger singt. Und wenn wir wollen, lesen wir in Deutsch oder in der englischen Übersetzung was es bedeutet was wir zu hören meinen. Welches Buch, so lautet dennoch die Frage, halte ich in meinen Händen?
Musik und andere Geräusche
Jeder Konzertbesucher kennt sie: die Keucher, die Hustenden, die Dame die das ganze Konzert hindurch mit ihrem Taschentuch fummelt so daß es ununterbrochen knistert. Der Nachbar dessen Nasenjucken sich gerade bei der leisesten Symphoniestelle (ppp!) aufmacht in einer Nieserei auszumünden. Die liebevollen Damen die nur aus Verlegenheit oder aus einer anderen unerklärlichen Grund meinen sich dann und wann die Kehle räuspern zu müssen. Die Besucher die viel Lärm um nichts machen weil sie unentwegt in ihren Programmheften hin und her blättern. Freunde, nicht diese Töne!
Programm und Programmheft
Das ist die Lösung! Wir sollen bitte schön nicht die Seite unseres Programmheftes umschlagen bevor das Lied zu Ende gesungen ist. Es gilt aber nicht uns die daheim lesen und zuhören, es gilt den Besuchern eines öffentlichen Konzertes, wobei Dietrich Fischer-Dieskau singt und der nicht weniger berühmte Begleiter Gerald Moore die Klaviertasten berührt. Er, der Bariton, singt Im Abendrot. Und er, der Pianist, begleitet so schön daß wir förmlich das Rot, das in der Wolke blinkt in unser stilles Fenster sinken sehen.
Schall und Platte
Es war am 20. Februar 1967 in der Londoner Royal Festival Hall wo das Konzert der beiden life aufgenommen wurde. Daher die Bitte an die Besucher das verbreiten von Nebengeräuschen so gut wie möglich zu unterlassen.
Jetzt hab' ich mir das Programmheft und die Schallplatte (richtiges, feines Vinyl) in die Hand genommen. Ich setze mich in meine Leseecke, lege die Schallplatte auf den Drehteller und schalte ein. Höre genauestens und vergnügungsvoll zu. Und warte bis das Lied vollendet ist, bis ich es wage die Seite des Heftes umzuschlagen. Denn ich möchte nicht stören.
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Montag, 8. Oktober 2012
Bagatelle 168 - Politisches Tafelinteresse
terra40, 13:51h
Seit nunmehr einem Jahr steht in unserem Wohnzimmer ein neuer Tisch. Nichts besonderes also, es sei denn, daß auch, wie wir selber, sehr hohe politische Hochwürdigkeitsträger diesen Tisch bewundern und lobpreisen.
Die Geschichte fängt vor etwa sechzig Jahren an, als mein Schwiegervater beschloß einen Baum der im Wege stand zu fällen und zu Möbelholz verarbeiten zu lassen. Es war ein besonderer Baum: eine Esche, und das ist, wie wir alle wissen, seit germanischer Zeit ein heiliger Baum. Die Sägerei hat ihn vorsichtig in acht bis zehn Zentimeter dicke Scheiben verarbeitet (Länge 4 Meter und etwa 40 Zentimeter breit). Diese Bretter lagen dann jahrelang in einer unserer Scheunen wo sie bis voriges Jahr so trockneten, daß weder Wetter- noch Temperaturänderung sie noch berührt.
Schon vor Jahren hatten wir den Plan einen Tischler zu bitten von diesem Eschenholz einen großen Tisch bauen zu lassen. So einer wo wir beide morgens, meine Frau und ich, beim Frühstück unsere breit ausgeschlagenen Zeitungen lesen könnten ohne uns beim anderen beklagen zu müssen über zu wenig Raum. Und so einer wo man an Sonn- und Festtagen mit mindestens acht Personen die Festmahlzeiten zu sich nehmen kann. Aber nur das Vorhaben blieb. Zu einer Verwirklichung war es nie gekommen.
Bis ein Freund meines jüngsten Sohnes vor einem Jahr von dem Vorhaben erfuhr und meldete daß er, begnadeter Freizeittischler und Schreinermeister, bereit war uns aus dem Eschenholz einen Tisch zu bauen.
Worauf wir mit Mühe und Not die schweren Bretter auf einem Transporter schafften und sie in die Werkstatt des Meisters brachten. Worauf der wiederum in zwei Monaten einen wunderbaren Tisch tischlerte. Sehen Sie selbst.
Später wurde der Tisch dann demontiert und mit dem selben Transporter wieder in unser Haus zurückbefördert, dort zurückmontiert und an seinem verordneten Platz gestellt und von allen Seiten aufs tiefste bewundert und gepriesen. Zuletzt trank der Tischlermeister zusammen mit meinem Sohn einen guten Kaffee. Achten Sie bitte genau auf das Gesicht des Meisters, rechts auf dem Bild.
Denn dasselbe Gesicht sehen Sie hier wieder. Er, links stehend, zeigt einigen sehr hochwürdigen Herren etwas sehr schönes: höchstwahrscheinlich unseren neuen Tisch. Es sind der niederländische Minister-Präsident Mark Rutte und rechts der Rector-Magnificus der Wageninger Universität. (Der Ort wo unser Amateur-Tischlermeister sonst sein Brot verdient.)
Auch die politischen Hochwürden staunen und bewundern die Art und Weise mit der die Arbeit vollendet worden ist. Ob der Tischlermeister auch ein Kabinett zusammen basteln kann? fragen sie sich.
Natürlich, sage ich darauf.
Die Geschichte fängt vor etwa sechzig Jahren an, als mein Schwiegervater beschloß einen Baum der im Wege stand zu fällen und zu Möbelholz verarbeiten zu lassen. Es war ein besonderer Baum: eine Esche, und das ist, wie wir alle wissen, seit germanischer Zeit ein heiliger Baum. Die Sägerei hat ihn vorsichtig in acht bis zehn Zentimeter dicke Scheiben verarbeitet (Länge 4 Meter und etwa 40 Zentimeter breit). Diese Bretter lagen dann jahrelang in einer unserer Scheunen wo sie bis voriges Jahr so trockneten, daß weder Wetter- noch Temperaturänderung sie noch berührt.
Schon vor Jahren hatten wir den Plan einen Tischler zu bitten von diesem Eschenholz einen großen Tisch bauen zu lassen. So einer wo wir beide morgens, meine Frau und ich, beim Frühstück unsere breit ausgeschlagenen Zeitungen lesen könnten ohne uns beim anderen beklagen zu müssen über zu wenig Raum. Und so einer wo man an Sonn- und Festtagen mit mindestens acht Personen die Festmahlzeiten zu sich nehmen kann. Aber nur das Vorhaben blieb. Zu einer Verwirklichung war es nie gekommen.
Bis ein Freund meines jüngsten Sohnes vor einem Jahr von dem Vorhaben erfuhr und meldete daß er, begnadeter Freizeittischler und Schreinermeister, bereit war uns aus dem Eschenholz einen Tisch zu bauen.
Worauf wir mit Mühe und Not die schweren Bretter auf einem Transporter schafften und sie in die Werkstatt des Meisters brachten. Worauf der wiederum in zwei Monaten einen wunderbaren Tisch tischlerte. Sehen Sie selbst.
Später wurde der Tisch dann demontiert und mit dem selben Transporter wieder in unser Haus zurückbefördert, dort zurückmontiert und an seinem verordneten Platz gestellt und von allen Seiten aufs tiefste bewundert und gepriesen. Zuletzt trank der Tischlermeister zusammen mit meinem Sohn einen guten Kaffee. Achten Sie bitte genau auf das Gesicht des Meisters, rechts auf dem Bild.
Denn dasselbe Gesicht sehen Sie hier wieder. Er, links stehend, zeigt einigen sehr hochwürdigen Herren etwas sehr schönes: höchstwahrscheinlich unseren neuen Tisch. Es sind der niederländische Minister-Präsident Mark Rutte und rechts der Rector-Magnificus der Wageninger Universität. (Der Ort wo unser Amateur-Tischlermeister sonst sein Brot verdient.)
Auch die politischen Hochwürden staunen und bewundern die Art und Weise mit der die Arbeit vollendet worden ist. Ob der Tischlermeister auch ein Kabinett zusammen basteln kann? fragen sie sich.
Natürlich, sage ich darauf.
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Sonntag, 23. September 2012
Bagatelle 167 - Zufallsgeburtstag
terra40, 14:22h
Einige Male habe ich Ihnen hier von einem Phänomen erzählt, das ich mittlerweise zu verdrängen versuche, das mich aber immer wieder vor die Füße tritt. Ich meine die Geschichten und Zustände um die Synchronizität. Sie wissen, daß es sich hierbei handelt um das gleichzeitig auftreten zweier Ereignisse, beide in völlig verschiedenen Kontexten, die jedoch undank aller Unterschiede zusammen passen.
So dachte ich vorige Woche Donnerstagabend daran, es war der 20. September, daß ich um Gottes Willen nicht vergessen sollte den nächsten Morgen, den 21. also, meinen Sohn Michiel zu gratulieren zu seinem Geburtstag. (Darüber, über das Vergessen eines Geburtstages, kann ich mich eben in schwarz kleiden und drei Wochen trauern, so schlimm finde ich das.)
Wie vorgenommen, so getan. Am 21. September, morgens um zehn, setze ich mich hinter dem Monitor, gebe dem uralten Windows XP-Desktop Gelegenheit knurrend und quietschend zu starten, und da erscheinen schon die ersten vertrauten Bilder. Eines davon ist eine Werbung eines großen Internetkaufhauses, denn wie Sie wissen, erhalten Sie wenn Sie je einmal etwas unwichtiges gekauft haben, immer wieder gefragt und ungefragt Werbetexten ins Haus geliefert. Diesmal ist es eine Werbung für ein neues i-pad das man mit Rabatt kaufen kann. Und was sehe ich auf dem beigelieferten Bild wo das i-pad als Notizbuch verwendet wird? Sehen Sie selbst. (Korting = Rabatt; verjaardag = Geburtstag)
Die Internetfirma erinnert mich daran in ihrer i-padwerbung, daß ich heute bloß nicht vergessen soll Michiel zu seinem Geburtstag zu gratulieren! Wieso wissen die das? Wieso wissen die wie mein Sohn heißt? Wieso wissen die überhaupt daß ich Kinder habe? Wissen die Apple-leute denn alles über mich? Und woher weiß die Internetfirma, bei der ich einmal ein winziges kleines Buch gekauft habe, daß mein Sohn Geburtstag hat? Und gerade heute sind die so frei mich daran zu erinnern!
Entscheiden Sie selbst: Sein oder Nicht-Sein, Zufall oder Kein-Zufall?
So dachte ich vorige Woche Donnerstagabend daran, es war der 20. September, daß ich um Gottes Willen nicht vergessen sollte den nächsten Morgen, den 21. also, meinen Sohn Michiel zu gratulieren zu seinem Geburtstag. (Darüber, über das Vergessen eines Geburtstages, kann ich mich eben in schwarz kleiden und drei Wochen trauern, so schlimm finde ich das.)
Wie vorgenommen, so getan. Am 21. September, morgens um zehn, setze ich mich hinter dem Monitor, gebe dem uralten Windows XP-Desktop Gelegenheit knurrend und quietschend zu starten, und da erscheinen schon die ersten vertrauten Bilder. Eines davon ist eine Werbung eines großen Internetkaufhauses, denn wie Sie wissen, erhalten Sie wenn Sie je einmal etwas unwichtiges gekauft haben, immer wieder gefragt und ungefragt Werbetexten ins Haus geliefert. Diesmal ist es eine Werbung für ein neues i-pad das man mit Rabatt kaufen kann. Und was sehe ich auf dem beigelieferten Bild wo das i-pad als Notizbuch verwendet wird? Sehen Sie selbst. (Korting = Rabatt; verjaardag = Geburtstag)
Die Internetfirma erinnert mich daran in ihrer i-padwerbung, daß ich heute bloß nicht vergessen soll Michiel zu seinem Geburtstag zu gratulieren! Wieso wissen die das? Wieso wissen die wie mein Sohn heißt? Wieso wissen die überhaupt daß ich Kinder habe? Wissen die Apple-leute denn alles über mich? Und woher weiß die Internetfirma, bei der ich einmal ein winziges kleines Buch gekauft habe, daß mein Sohn Geburtstag hat? Und gerade heute sind die so frei mich daran zu erinnern!
Entscheiden Sie selbst: Sein oder Nicht-Sein, Zufall oder Kein-Zufall?
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Samstag, 1. September 2012
Bagatelle 166 - Der Tod und das Mädchen
terra40, 14:15h
"Da haben Sie sich, lieber Terra, für eine neue Bagatelle ziemlich viel Zeit genommen," mögen einige meiner lieben Leserinnen oder Leser gedacht haben. Andere gehen in ihrem Ton vielleicht noch einen Schritt weiter: "Das wurde aber auch höchste Zeit, lieber Terracidus! Denn wir hatten uns schon so daran gewöhnt am Ende jeder Woche eine neue Bagatelle lesen zu können." Noch andere - mit denen ich mich am meisten verwandt fühle - werden gedacht haben: "Sicher, es ist schon so lange still um ihn herum. Aber wenn der Terra etwas zu berichten hat, wird er sich schon melden. Warten wir's ab."
Wer sagt denn, daß eine Bagatelle immer eine Spur von Ironie, Scharfsinn, Humor oder sogar Freude und Heiterkeit vermitteln soll? Die Bagatelle die ich Ihnen hierbei vorlege, handelt über Trauer. An wichtigen Lebensmomenten wird alles an bedachter Ironie, Scharfsinn oder humorvoller Heiterkeit völlig unwichtig. Wichtig ist nur die Wirklichkeit und die Wahrheit, die Liebe und das Leiden, die Trauer und die Freude, das Leben und der Tod.
Der Tod ist an allem schuld. Mitte Juli diesen Jahres kam er und holte mir meine große Liebe und meinen Kindern ihre Mutter. Obwohl wir nicht ganz unvorbereitet waren, kam er plötzlich und leise. Meine Frau litt seit 2003 an Lymphknotenkrebs - und zwar die nicht-aggressive Variante (Non-Hodgkin Lymphome) - welche man einigermaßen unter Kontrolle halten, aber nicht heilen kann. Nach etlichen Chemo-Therapien und Bestrahlungen war jetzt die Zeit gekommen, daß die Medizin mit leeren Händen stand. Und von dem Moment daß Madame Terra - wie ich sie in meinen Bagatelltexten liebevoll nannte - wußte daß sie am letzten Abschnitt ihres Leben angekommen war, ging alles sehr schnell.
Meine Frau starb dort wo sie geboren wurde und aufwuchs: in dem elterlichen Bauernhof. Nach unserer Heirat (die 43 Jahre dauerte) waren wir zwar für einige Jahre in eine andere Stadt gezogen, dann aber wieder nach dem Heimatort auf dem ostniederländischen Plattelande zurückgekehrt. Es war ihr Wunsch dort zu sterben wo sie fast ihr ganzes Leben verbrachte. Dort auch wurde sie nach ihrem Tode aufgebahrt. Sehr viele kamen um sich an diesem Ort von ihr zu verabschieden.
Der Gottesdienst der ihrer Bestattung vorherging, war eher ein Danksagung als eine Trauerfeier. So hatte sie das gewollt: einen Dankesgottesdienst für ihr Leben und so wurde das auch von den sehr vielen Anwesenden gesehen. Der Pfarrer dankte für dieses Leben das anderen so viel gutes hat zukommen lassen. Und der Frauenchor, dem die Frau Terra angehörte, sang ein trostreiches Frühlingslied von Robert Schumann.
Zu den Bagatellen hatte die Madame Terra ein besonderes Verhältnis. Sie war die erste und einzige die eine neue Bagatelle zuerst zu lesen bekam. Manchmal fand sie eine Behauptung unfreundlich oder übertrieben; manchmal lächelte sie beim Lesen der geschilderten oder bedachten Ungereimtheiten.
April 2011 saßen wir an einem Sonntagnachmittag zum Teetrinken draußen in der Frühjahrssonne. Auf dem ersten Bild hier unten sehen Sie meine Frau, seitlich von der niedrig stehenden Sonne beschienen, die ihr die Augen fast schließen läßt. Bescheiden wie sie ist, scheint sie den Fotografen zu bitten nicht zu viel Zeit an ihr zu verwenden. Sie lächelt dabei in derselben Weise wie sie über eine geglückte Bagatelle lächeln würde. Auf dem zweiten Bild liest sie beim allmorgendlichen Kaffeetrinken die neuesten Bagatellgeschichten aus der Tageszeitung.
Wer sagt denn, daß eine Bagatelle immer eine Spur von Ironie, Scharfsinn, Humor oder sogar Freude und Heiterkeit vermitteln soll? Die Bagatelle die ich Ihnen hierbei vorlege, handelt über Trauer. An wichtigen Lebensmomenten wird alles an bedachter Ironie, Scharfsinn oder humorvoller Heiterkeit völlig unwichtig. Wichtig ist nur die Wirklichkeit und die Wahrheit, die Liebe und das Leiden, die Trauer und die Freude, das Leben und der Tod.
Der Tod ist an allem schuld. Mitte Juli diesen Jahres kam er und holte mir meine große Liebe und meinen Kindern ihre Mutter. Obwohl wir nicht ganz unvorbereitet waren, kam er plötzlich und leise. Meine Frau litt seit 2003 an Lymphknotenkrebs - und zwar die nicht-aggressive Variante (Non-Hodgkin Lymphome) - welche man einigermaßen unter Kontrolle halten, aber nicht heilen kann. Nach etlichen Chemo-Therapien und Bestrahlungen war jetzt die Zeit gekommen, daß die Medizin mit leeren Händen stand. Und von dem Moment daß Madame Terra - wie ich sie in meinen Bagatelltexten liebevoll nannte - wußte daß sie am letzten Abschnitt ihres Leben angekommen war, ging alles sehr schnell.
Meine Frau starb dort wo sie geboren wurde und aufwuchs: in dem elterlichen Bauernhof. Nach unserer Heirat (die 43 Jahre dauerte) waren wir zwar für einige Jahre in eine andere Stadt gezogen, dann aber wieder nach dem Heimatort auf dem ostniederländischen Plattelande zurückgekehrt. Es war ihr Wunsch dort zu sterben wo sie fast ihr ganzes Leben verbrachte. Dort auch wurde sie nach ihrem Tode aufgebahrt. Sehr viele kamen um sich an diesem Ort von ihr zu verabschieden.
Der Gottesdienst der ihrer Bestattung vorherging, war eher ein Danksagung als eine Trauerfeier. So hatte sie das gewollt: einen Dankesgottesdienst für ihr Leben und so wurde das auch von den sehr vielen Anwesenden gesehen. Der Pfarrer dankte für dieses Leben das anderen so viel gutes hat zukommen lassen. Und der Frauenchor, dem die Frau Terra angehörte, sang ein trostreiches Frühlingslied von Robert Schumann.
Zu den Bagatellen hatte die Madame Terra ein besonderes Verhältnis. Sie war die erste und einzige die eine neue Bagatelle zuerst zu lesen bekam. Manchmal fand sie eine Behauptung unfreundlich oder übertrieben; manchmal lächelte sie beim Lesen der geschilderten oder bedachten Ungereimtheiten.
April 2011 saßen wir an einem Sonntagnachmittag zum Teetrinken draußen in der Frühjahrssonne. Auf dem ersten Bild hier unten sehen Sie meine Frau, seitlich von der niedrig stehenden Sonne beschienen, die ihr die Augen fast schließen läßt. Bescheiden wie sie ist, scheint sie den Fotografen zu bitten nicht zu viel Zeit an ihr zu verwenden. Sie lächelt dabei in derselben Weise wie sie über eine geglückte Bagatelle lächeln würde. Auf dem zweiten Bild liest sie beim allmorgendlichen Kaffeetrinken die neuesten Bagatellgeschichten aus der Tageszeitung.
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