Montag, 8. März 2010
Bagatelle XLVI - Kartoffelleser
terra40, 13:06h
Nein, nicht die Kartoffelesser mit doppeltem s – die Sie kennen von Van Gogh - sind gemeint. Hier betrifft es die Kartoffelleser mit doppel-f und doppel-l. Und das Wort ‘Leser’ ist geschlechtsneutral: Kartoffeln werden sowohl von Männern als von Frauen gelesen. Meistens aber stechen die Männer die reifen Kartoffeln aus der Erde, legen sie vorsichtig in den Sand damit sie etwas antrocknen können, und nach einiger Zeit kommen Frauen um den Wintervorrat in in winterlicher Handarbeit selbstgefertigten Weidenkörben zu sammeln. Äpfel werden gepflückt, Kartoffeln werden gelesen, und damit ist die Welt wieder in Ordnung.
So wird es sich abgespielt haben, an diesem herrlichen Septembertag, etwa um 1925. Nach dem Frühstückspfannkuchen sagt der Bauer zu seinen zwei Töchtern, dass es ihm eine gute Idee erscheint den heutigen Tag mit Kartoffel-lese-aktivitäten zu füllen. Sie werden zu dritt gehen: der Knecht sticht die Kartoffel aus der Erde und die beiden Frauen lesen die Kartoffel und füllen damit ihre Körbe.
So ist es in der Tat. Die drei Personen auf dem Bild sind dabei ihre Kartoffelarbeit für einen Moment für eine wohlverdiente Kaffeepause zu unterbrechen. Sie nehmen sich einen time-out, wenn es so etwas damals gegeben hätte. Der Kaffee wird in ohrlosen weißen Tassen eingeschenkt. Die Frauen tragen ärmellose Arbeitskleider über ihre normale Kleidung. Der Mann streckt seine nackten Füße nach uns hervor, aber das sei ihm verziehen. Wer je mit bloßen Füßen durch den warmen Kartoffelsand gegangen ist, weiß dass es kein angenehmeres Gefühl gibt. Der Hund auf dem Knie seines Frauchens ist qua Rasse ein Bauernfox. Sein Name ist Bobby. Er traut dem Fotografen nicht.
Alles in allem ohne Zweifel ein idyllisches Bild. Fehlt nur der kaiserliche Dichter Van Swieten der einen ländlichen Text schreibt wobei der ebenfalls kaiserliche Hofkomponist Joseph Haydn eine weitere Jahreszeiten-Szene komponiert. Und wenn Sie gut zuhören, klingt in der Ferne das Angelus.
Wer sind diese Leute? Welche Ideale versuchen sie zu verwirklichen? Welche Vorstellungen vom künftigen Leben haben sie? Woran denken sie, wenn sie die Kartoffel lesen? (Das Kartoffellesen erfordert wenig mentale Energie: die Gedanken sind frei.)
Die Frau links ist meine Mutter. Sie ist hier um die 25 Jahre alt. Einige Jahre später wird sie den Fotografen, meinen Vater, heiraten. Sie weiß noch nicht dass ihr ein langes, manchmal schwieriges, aber auch glückliches Leben bevorsteht. Neben ihr schenkt ihre etwas ältere Schwester Hanna den Kaffee ein. Tante Hanna wird unverheiratet bleiben und als Haushälterin ihren Lebensunterhalt verdienen. Ihre Briefe mit der starken und dennoch zierlichen Handschrift werden bis auf den heutigen Tag mit Freuden gelesen. Der Mann rechts ist der Knecht auf dem Hof meines Großvaters. Die beide Schwestern wohnen noch bei ihren Eltern.
Sehr apart, besonders also, find ich die Haube die meine Mutter trägt. Es ist eine weiße Kappe die ihre Haut gegen die bräunende Septembersonne schützen soll. Meine Mutter lässt ihre Haube nicht nach dem Wind, sondern nach der Sonne hängen. Wenn man gut sieht, kann man ihre sanfte, schöne Gesichtszüge erkennen. Welch ein Kontrast mit den rauhschwarzen Kartoffellesehänden. Aber das ist nur die Außenseite.
So wird es sich abgespielt haben, an diesem herrlichen Septembertag, etwa um 1925. Nach dem Frühstückspfannkuchen sagt der Bauer zu seinen zwei Töchtern, dass es ihm eine gute Idee erscheint den heutigen Tag mit Kartoffel-lese-aktivitäten zu füllen. Sie werden zu dritt gehen: der Knecht sticht die Kartoffel aus der Erde und die beiden Frauen lesen die Kartoffel und füllen damit ihre Körbe.
So ist es in der Tat. Die drei Personen auf dem Bild sind dabei ihre Kartoffelarbeit für einen Moment für eine wohlverdiente Kaffeepause zu unterbrechen. Sie nehmen sich einen time-out, wenn es so etwas damals gegeben hätte. Der Kaffee wird in ohrlosen weißen Tassen eingeschenkt. Die Frauen tragen ärmellose Arbeitskleider über ihre normale Kleidung. Der Mann streckt seine nackten Füße nach uns hervor, aber das sei ihm verziehen. Wer je mit bloßen Füßen durch den warmen Kartoffelsand gegangen ist, weiß dass es kein angenehmeres Gefühl gibt. Der Hund auf dem Knie seines Frauchens ist qua Rasse ein Bauernfox. Sein Name ist Bobby. Er traut dem Fotografen nicht.
Alles in allem ohne Zweifel ein idyllisches Bild. Fehlt nur der kaiserliche Dichter Van Swieten der einen ländlichen Text schreibt wobei der ebenfalls kaiserliche Hofkomponist Joseph Haydn eine weitere Jahreszeiten-Szene komponiert. Und wenn Sie gut zuhören, klingt in der Ferne das Angelus.
Wer sind diese Leute? Welche Ideale versuchen sie zu verwirklichen? Welche Vorstellungen vom künftigen Leben haben sie? Woran denken sie, wenn sie die Kartoffel lesen? (Das Kartoffellesen erfordert wenig mentale Energie: die Gedanken sind frei.)
Die Frau links ist meine Mutter. Sie ist hier um die 25 Jahre alt. Einige Jahre später wird sie den Fotografen, meinen Vater, heiraten. Sie weiß noch nicht dass ihr ein langes, manchmal schwieriges, aber auch glückliches Leben bevorsteht. Neben ihr schenkt ihre etwas ältere Schwester Hanna den Kaffee ein. Tante Hanna wird unverheiratet bleiben und als Haushälterin ihren Lebensunterhalt verdienen. Ihre Briefe mit der starken und dennoch zierlichen Handschrift werden bis auf den heutigen Tag mit Freuden gelesen. Der Mann rechts ist der Knecht auf dem Hof meines Großvaters. Die beide Schwestern wohnen noch bei ihren Eltern.
Sehr apart, besonders also, find ich die Haube die meine Mutter trägt. Es ist eine weiße Kappe die ihre Haut gegen die bräunende Septembersonne schützen soll. Meine Mutter lässt ihre Haube nicht nach dem Wind, sondern nach der Sonne hängen. Wenn man gut sieht, kann man ihre sanfte, schöne Gesichtszüge erkennen. Welch ein Kontrast mit den rauhschwarzen Kartoffellesehänden. Aber das ist nur die Außenseite.
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