Sonntag, 26. Juli 2020
Bagatelle 349 - Frohe Grenzgeschichten
Neulich habe ich Ihnen erzählt von den grenzüberschreitenden Aktivitäten welche eine Projektgruppe mit Namen 'Dinxperwick', bestehend aus Mitgliedern aus Suderwick (D) und Dinxperlo (NL) zusammen organisieren. Lesen Sie eventuell nochmal die Einzelheiten nach in den Bagatellen 343 (Februar, 2020) und 347 (Juno, 2020). Das Projekt nennt sich feierlich: 'Heimat und Zukunft gestalten an der Grenze'.

Jetzt werden diese Grenzaktivitäten auch von ganz oben wahrgenommen und belohnt! Am kommenden 6. August diesen Jahres wird der Projektgruppe Dinxperwick den ersten Heimatpreis von Nordrhein-Westfalen überreicht! Und zwar höchstpersönlich von der Frau Minister Scharrenbach, Minister für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstelling in NRW. Aus nicht weniger als 179 Projekten (alle Gewinner in ihren Kreisen, Städten und Gemeinden) bekam das Dinxperwick Projekt den ersten Preis. An dem Ehrenpreis ist ein Geldbetrag van 10.000 Euro verbunden. (Vorher war das Dinxperwick Project schon Sieger im Kreis Borken.)

Auf dem Bild sehen Sie zwei stolze Mitglieder der Dinxperwick-Projektgruppe. Es sind der Herr Diersen (NL) und der Herr Hoven (D). Die beiden Herren stehen in Deutschland vor der Michaelskirche in Suderwick. Links in der Ecke sehen Sie einen uralten Grenzstein mit dem Wappen der niederländischen Provinz Gelderland. Der Fotograf steht also in Holland. Beide Herren tragen ihre tägliche (Arbeits)kleidung. Am 6. August werden sie sich wahrscheinlich in einem feierlichen Gewand hüllen.

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Freitag, 11. Januar 2019
Bagatelle 328 - Hoch- und niedrig Wasser
Vor kaum Monaten, so kurz ist’s her, war das Rheinwasser so niedrig, dass die Schifffahrt Mühe hatte – auch halbwegs geladen – ihr Heimziel zu erreichen. Die Pegelstände waren so niedrig wie nie zuvor. Ich sah es, als ich während einer Radtour die Rheinbrücke bei Rees überquerte, mitten auf der Brücke anhielt, die Tiefebene fotografierte und mich sehr verwunderte.

Ein wunderbarer Herbsttag war es, dieser goldener Oktobernachmittag. Mitten auf der Brücke sah ich Richtung Ost die Kleinstadt Rees; in die andere Richtung, nach Westen, floss der Rhein leise und ruhig dahin. Das heißt: das noch im Flussbett verbleibende Restwasser. Ich merkte auch sofort, dass je weniger das Wasser, je kürzer die Bagatellsätze werden.

Jetzt, Anfang des neuen Jahres, hat sich die Rheinwasserlage ziemlich normalisiert. Und auch die Sätze haben wieder ihre gewöhnliche Länge. Jetzt aber sehe ich, wenn die ARD uns benachrichtigt, wie sich die Schneemassen in Bayern und sonstigen Alpenregionen häufen. Der örtliche Bürgermeister meldet, dass in seinem Salzburger Land in einigen Tagen so viel Schneekristalle eingetroffen sind wie sonst in drei Monaten. Wie soll das enden?
So fragen sich auch die Urlauber die notwendigerweise Ihre Ferien um einige Tage verlängern müssen weil sie das Dorf nicht verlassen können. Und wir, die wir auf einer Rheinbrücke stehen, fragen besorgt was demnächst geschieht wenn all dieser Schnee zu uns an den Unterrhein kommt.

Der Klimawandel, so spricht der Experte, besorgt uns übergroße Schwankungen in der Wetterlage. Die eine Woche klagen die Schiffer über die niedrigen Wasserpegelstände und einige Wochen später sorgt der Schneeschmelz vielleicht für rheinisches Hochwasser.





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Dienstag, 18. September 2018
Bagatelle 323 - Lebendige Grabsteine (II)
Vorab: Für ein besseres Verständnis lohnt es sich auch die vorherige Bagatelle 322 gelesen zu haben.


Wo waren wir geblieben? Richtig, auf dem Friedhof hinter der Grabkapelle, wo die frühere Fürsten von Schloss Anholt ihre letzte Ruhestätte fanden. Wir sahen einen Grabstein dessen Aufschrift uns verriet dass hier – alleine und etwas zur Seite – eine Erzherzogin begraben war.

Isabelle Marie heißt sie. Die Frau mit dem wunderschönen Namen ist, so lesen wir auf dem Grabstein, nicht nur Erzherzogin von Österreich, sondern auch Prinzessin von Ungarn. Geboren im Jahre 1888 in was damals Preßburg und jetzt Bratislava heißt. Heute also in der Slowakei. Die Frage drängt sich auf: warum liegt sie hier so alleine? Und was ist ihre Beziehung zu der fürstlichen Adelsfamilie auf Schloss Anholt? Wer war diese Isabelle überhaupt?

Im Internet-Zeitalter lässt sich, nach einigem Suchen allerdings, vieles herausfinden. Die Geburt der jungen Prinzessin 1888 war laut Presseberichten ein großes Fest. Vier Tage nach ihrer Geburt wurde die Isabelle im weißen Saal des herzoglichen Palastes zu Preßburg feierlich getauft.
Die wichtigste Nachricht stammt aus 1912. Dann heiratete die Isabelle Marie einen Enkel des großen Kaisers Franz Josef. Der Enkel hieß Prinz Georg. Das Fest fand statt im Wiener Schloss Schönbrunn. Anscheinend eine richtige high-society Hochzeit. Die Presse meldete, dass der Kaiser den ganzen Tag anwesend gewesen sei, und das wollte, auch damals, was heißen.

Doch was schreibt die Wiener Presse ein Jahr später? Nicht auf der Frontpagina zwar, aber unübersehbar auf Seite so-und-soviel und kleingedruckt? Die Ehe zwischen Erbprinz Georg und der Prinzessin Isabelle Marie sei offiziell, laut Gesetz und auch laut kirchlichem Recht, für Null und Nichtig erklärt worden. Die Ehe war niemals um sozusagen in praxis vollzogen worden, und dann wissen wir schon was eigentlich gemeint ist. Der Prinz Georg wurde später Priester, zog in den Vatikan und wurde dort Bibliothekar und Domherr von Sankt Peter.

Die Isabelle Marie blieb ihr ganzes Leben unverheiratet und kinderlos. Man schreibt, dass sie Krankenpflegerin wurde und verwundete Soldaten im ersten Weltkrieg betreute. Dort scheint sie für eine kurze Zeit mit einem Oberarzt verlobt gewesen zu sein; nur war dieser kommende Gatte dem Kaiser nicht gut genug, worauf er (der Kaiser) die Verbindung ablehnte. Im Alter von 85 Jahren verstarb die Isabelle Marie irgendwo in der Schweiz. Ihr letzter Wunsch war in der Nähe ihrer Schwester Marie Christina, die mit dem Fürsten zu Salm-Salm verheiratet war, in Anholt beigesetzt zu werden.

Außerhalb der Krypta an der Regniet kann man also die Gräber sehen und die Aufschriften auf den Grabsteinen lesen. Die beiden Schwestern sind beide dort begraben. Nicht neben einander: die Marie Christina neben ihrem Gatten, dem Fürsten Emmanuel Alfred zu Salm-Salm, 1916 gefallen im ersten Weltkrieg; die Schwester Isabelle Marie, zehn Meter davon entfernt, alleine.

R.I.P. steht am Ende: requiescat in pace. Mögen sie in Frieden ruhen








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Mittwoch, 12. September 2018
Bagatelle 322 - Lebendige Grabsteine (I)
Wie Sie vielleicht wissen, wohne und lebe ich an der Grenze. Gerade an der holländischen Seite. Weil die staatliche Trennung in Form einer offizielle Grenze heute im vereinten Europa keine Rolle mehr spielt, ist es kein Wunder, dass ich bei einer Radtour leicht in die Bundesrepublik gerate. So überrascht es auch nicht, dass ich unlängst die Regniet erreichte, ein Flecken auf der Landkarte nahe der grünen Grenze. Dort steht eine Grabkapelle wo die Mitglieder der hochadligen Familie zu Salm-Salm, wohnhaft in Anholt, beigesetzt werden.

Normal ist die Kapelle hermetisch abgeschlossen. Aber wie ich da vorbei radelte stand das Tor offen. ꞌWegen Putzarbeiten und sonstigen Arbeiten,ꞌ sagte mir der diensthabende Vorarbeiter der mir erlaubte rundum die Kapelle zu gehen und einige Bilder zu machen. Wie gerne hätte ich auch das Innere gesehen, was mir aber freundlicherweise verweigert wurde. Wegen Regeln der privacy versteht sich, und selbstverständlich habe ich mich daran gehalten.

Friedhöfe im Allgemeinen und auch solche rundum eine Grabkapelle sind Orte wo ich, komisch genug, gerne verweile. Nirgends wo anders singen die Vögel schöner und nirgends anders blühen die Feldblumen schöner. Auch und vor allem in der Stadt sind Friedhöfe stille Orte wo man angenehm zur Besinnung kommt.

Gerne sehe ich mir die alten Grabsteine an. Auch solche wo der Zahn der Zeit kaum Lesbares hinterlassen hat. Heute lese ich, wenn ich denn kann, die Namen und bei den Grabsteinen hinter der Grabkapelle die ich besuchte, waren diese alle versehen von prächtigen Beschreibungen und Titel. Die früher auf Schloss Anholt wohnhafte deutsche Hochadel wiederspiegelte sich in Stein geschnittenen Titel wie ꞌSeine Durchlaut Erbprinz zu So und Soꞌ, oder ꞌK. und K. Erzherzogin von Hier und Daꞌ.

Von einem dieser hochadligen Namen den ich auf einem Grabstein las, möchte ich Ihnen berichten. Es handelt sich um Isabelle Marie. Hier unten sehen Sie sie, ihn meine ich natürlich, den Grabstein. Die Geschichte dahinter ist so überraschend interessant dass ich dafür die nächste Bagatelle benutzen werde. So habe ich inzwischen Zeit mich zu beraten wie ich Ihnen das alles erzähle.





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Mittwoch, 25. April 2018
Bagatelle 314 - Anholter Bruchbuchen
Früher, ich meine jetzt die sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, fuhr ich gerne mit dem Rad durch den Anholter Bruch. Ein Waldgebiet, das zwar in den Niederlanden liegt und deshalb für uns das "Anholtse Broek" ist, aber noch immer im Besitz des Fürsten zu Salm-Salm, dessen Sitz sich noch immer auf der Wasserburg zu Anholt befindet.

Wie damals ist heute während so einer Radtour immer die Kamera dabei. Vorigen Sommer, nach meiner Umsiedlung vom Bauernhof ins Dorf, machte ich wieder solch eine Tour durch den Anholter Bruch um nachzusehen wie alles sich geändert hat. War das übrigens so? Vergleichen Sie selbst.

Die schwarz/weiß Bilder stammen aus etwa 1965; die Farbbilder aus 2017. Sie sind an genau dergleichen Stelle gemacht worden. Nein, vieles hat sich nicht geändert: alles wunderschön wie immer.








Etwas weiter Richtung Grenze standen früher am Rande große Buchen. Wie Torwächter. Vom weiten sehe ich sie. Einige sind offensichtlich abgeholzt worden; die beiden Großen am sogenannten Schwarzen Bach begrüßen mich auf das herzlichste. Sie erkennen mich sofort wieder. So ist das mit Bäumen (insbesondere Buchen): sie vergessen nicht und nichts.




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Samstag, 7. Oktober 2017
Bagatelle 305 - Grenzüberschreitend
In diesen Tagen, wo der eine sich in seinem regionalen Territorium zurückzieht und fremde Einflüsse abwehrt, während der andere grenzüberschreitende Zusammenarbeiten sucht und fördert, geschieht in meinem kleinen Grenzdorf etwas Besonderes.

Sie müssen wissen, dass die Grenze zwischen der Bundesrepublik und den Niederlanden quer durch das Dorf läuft. Das war schon immer so. Die eine Seite gehörte zu den sieben vereinigten Niederlanden und die andere zu Deutschland, zuerst zum Bistum Münster und später zu Preussen. Der niederländische Teil nennt sich Dinxperlo; der Name des bundesdeutschen Teils ist Süderwick.

Jetzt ist die Grenze völlig offen: Sie können gehen und stehen wo Sie wollen. (In Kriegsjahren war das wohl anders. Da war die Grenze mit Beton und Stacheldraht abgesperrt. Heute sieht man nur an den kleinen gelben Zeichen auf der Straße wo die Grenze verlief und theoretisch immer noch verläuft.)

Die Menschen an beiden Seiten der Grenze haben sich immer redlich gut verstanden. Das gilt bis auf den heutigen Tag. Es gibt eine gemeinsame Polizeiwache, holländische Kindergärten die von deutschen Kindern besucht werden, ein niederländischer Unfallwagen bringt einen niederländischer Verwundeten ins Bocholter Krankenhaus. Es gibt sogar ein Wirtshaus, ein Brückenhaus gerade über der Grenze, das von zwei Seiten betreten und besucht werden kann.

Um die gute Zusammenarbeit zu zeigen haben die zwei Heimatvereine neulich ein neues Straßenschild entwerfen lassen. Wenn Sie jetzt von Ost oder West in das Dorf hineinfahren sehen Sie das neue Schild. In blau und weiß (die niederländische Schilder kennen diese Farben) das Wort Dinxpe; in gelb und schwarz lesen Sie rwick. Zusammen: Dinxperwick.

Die Europa-Behörde in Brüssel träumt von solch einer inner-europäischen Zusammenarbeit. Die Leute aus Dinxperwick machen es ihnen vor. Auf solch eine gute Zusammenarbeit kann man ruhig einen trinken.




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Mittwoch, 14. Juni 2017
Bagatelle 301 - Mantelpott
Früher konnte man bei jedem Bauernhof in unserer Gegend einem Mantelpott begegnen. Das war ein großer, rundförmiger, gusseiserner Topf, etwa 50 Zentimeter tief und durchmesserlich um die 70 Zentimeter. Mit oben zwei Rundungen zum Anfassen. Zu dem Topf gehörte ein passender kleiner Holzofen mit einem Loch an der Oberseite worin der Topf haargenau passte. Diese Oberseite fungierte gleichsam als wärmende Umhüllung, als Mantel. Daher der Name: Mantelpott. Im Topf (‘Pott’ sagen wir mundartlich) wurde Wasser gekocht. Heißes Wasser zum Waschen schmutziger Arbeitskleidung; heißes Wasser zum Kochen von Schweinefutter (Kartoffelbrei); heißes Wasser das beim Schlachtfest in November benutzt wurde um die herrliche, selbstgemachte Blut- und Leberwurst zu kochen.

Nachdem die Mantelpottsfunktionen durch modernere Varianten ersetzt wurden, stand der Mantelpott (Ofen plus Topf) ungebraucht dar. Meistens verfielen sie allmählich den Göttern des rostigen Verfalls. Manchmal wurden sie für einen Apfel und ein Ei als Alteisen verkauft. Bei mir auf dem Hof bekam der Mantelpott einen Platz neben der kleinen Handpumpe im Baumgarten. Übrigens sollte man beim Transport zuerst das Wasser ablassen, denn auch im leeren Zustand ist der Pott unheimlich schwer.

Neulich, während einer Fahrradtour, entdeckte ich eine schöne und schönbedachte Neuverwendung eines Manteltopfes. Ich traf ihn in einer evangelischen Dorfkirche an einem Ort einige Kilometer über die Grenze, irgendwo in Westfalen also. Dort hatte man einen Mantelpott in ein richtiges Taufbecken umgetauft. Von einer örtlichen Künstlerin schön farbig verziert und bereichert mit einem neuen Untergestell.

Ich zeige Ihnen hier unten beide Mantelpötte. Den bei mir zu Hause und den in der Kirche. Das bei dem in der Kirche sich sogar der Martin Luther über diese Verwandlung wundert, ist deutlich zu sehen. (In diesem Lutherjahr haben die Jugendlichen in der Gemeinde sein Bildnis gemalt.) Aber sicherlich hätte er sich gefreut.








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Montag, 17. Oktober 2016
Bagatelle 287 - Kleinste Kirchliche Ausstellung
Halb zwei hat’s geschlagen wo ich die Kirchentür öffne. Ich trete in das Kirchenportal und verfolge meinen Weg ins Kircheninnere.
Auf einem Schild draußen kann man lesen, dass in der Kirche monatlich wechselnde Ausstellungen stattfinden. Heute zeigt die Frau Fletscher aus Kleve uns ihre Gemälde. Ein Übermaß an Farben strahlt mir entgegen. Das ist offenbar Frau Fletschers Art und Weise ihre Gefühle darzustellen.

Zuerst schalte ich die Heizung ein und mache Licht. Dann wird draußen die Nationalfahne – Sie wissen: die Trikolore mit den Farben wie es sich gehört horizontal unter einander – aufgehängt. Ebenso das Schild das unvorbereiteten Passanten meldet, dass die Kirche, und damit die Ausstellung, heute von 14.00 bis 17.00 Uhr geöffnet ist. Ich lege das Gästebuch geöffnet an seinem Stammplatz und richte das Glas für die noblen Spenden her. So weit, so gut. Die Gäste mögen kommen.

Es ist heute, den 16. Oktober, ein prachtvoller Herbsttag. Voll Sonnenschein, nahe 20 Grad, deshalb setze ich mich draußen in der Sonne. Anfangs ist es noch sehr ruhig. Dann aber kommen die ersten Besucher. Ich heiße sie willkommen und erkläre zugleich die Abwesenheit der geschätzten Künstlerin. Sie kann ja nicht jeden Ausstellungstag anwesend sein.

Die Kirche in der ausgestellt wird, ist die kleinste seiner Art in den Niederlanden. Konkret heißt das eine Länge von 6,5 M., 4,5 M breit und 5,5 M. hoch. Komplett mit Turm, Uhrwerk, Glocke, Altar und Chorgemälde. Glanzstück ist eine Kopie einer Christus Kreuzigung oberhalb des Altars.

Vielleicht wundern Sie sich und fragen: lieber Terra, was ist ihre Aufgabe in dieser recht kirchlichen Umgebung? Nun, ich bin heute quasi der Gastgeber. Die Kirche ist Eigentum einer örtlichen Stiftung und dieser Verein hat mich gebeten ab und zu als Freiwilliger für Aufsicht und Begleitung der Gäste da zu sein. Was ich sehr gerne mache. Ich erzähle den Besuchern so drei, vier Mal im Jahr an einem Sonntagnachmittag die Geschichte der kleinsten niederländischen Kirche.

Ein kleiner Seitenweg führt uns jetzt zu der Kirchengeschichte. Anno 1908 vermachte ein kinderloser alter Herr aus Den Haag seinem Neffen ein großes Landgut mit Hof und Boden unter der Bedingung dass dieser auf dem Grundstück eine Kirche bauen sollte. Der Erblasser hatte aber vergessen in den Bedingungen die Maßen zu nennen, worauf der erbende Neffe eine so kleinst mögliche Kirche bauen ließ.

Heute, den 16-10-2016, kommen sage und schreibe 18 Gäste. Gut dass sie nicht alle gleichzeitig kommen, sonst wäre zu wenig Platz für alle. Die meisten Besucher sind von weit her angereist. Sie kommen um später zu Hause sagen zu können, dass sie einmal in ihrem Leben die kleinste Kirche besucht haben inklusive eine unerwartet schöne Ausstellung. Kinder sind auch dabei. Wenn die Eltern so lieb sind der Kirchenstiftung eine Spende zu offerieren, dürfen die Kinder höchstpersönlich die Glocke läuten. Ist das nicht was!

Zwischen den Erscheinungen der Gäste herrscht Ruhe. Zeit genug um diese Bagatelle zu schreiben.








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Freitag, 12. August 2016
Bagatelle 281 - Heimatbaum
Nein, ein Umzug ist nicht nur ein Standortwechsel, ein neues Haus oder eine sonstige neue Wohnbleibe. Ein Umzug ist viel mehr– ich spreche jetzt aus meiner seelischen Erfahrung heraus – eine Sache von sich mehr oder weniger "zuhause fühlen". Wo bist du zuhause? Und die andere Frage die da lautet: Wann kannst du mit Fug und Recht behaupten: hier bin ich zuhause! Sind das nur die Jahre die man an ein und derselben Stelle verbracht hat? Sicherlich nicht.
Was dies betrifft haben die Deutschen ihren holländischen Nachbarn etwas voraus. Sie können das Gefühl benennen indem sie das Wort ꞌHeimatꞌ benutzen. Ein gutes niederländisches Äquivalent fehlt.

Jemand, ich weiß leider nicht mehr wer es war, hat auf die Frage: wo ist deine Heimat? geantwortet:Heimat ist dort wo dich die Bäume kennen. Ich mag diese Antwort sehr. Wie gerne hätte ich das Urheberrecht dieses wunderbaren Zitats! Vor allem weil man zuerst auf dem falschen Fuß ertappt wird. Es geht nicht um Dich als Person welche die Natur ringsherum kennt. Du bist nicht die kennende Person, sondern die gekannte Person. Es ist die Natur um dich herum, es sind die Tiere, die Pflanzen, die Vögel, welche dich kennen. Oder auch nicht.

Wie kann man wissen ob oder wann man gekannt wird? Man weiß es nicht, man fühlt es. Ich hab einige dutzend Jahre auf einem Bauernhof inmitten der Natur verbracht. Ich kannte fast jede Pflanze, jeden Baum, und wenn ich mich nicht irre jede Kreatur. Und umgekehrt. Ich glaube sagen zu können: sie kannten mich auch. Der alte Birnbaum - wenn ich meine Hand auf seinen Stamm lege, macht uns das beide Freude. Die Pfauen – wenn sie mich sehen wenn ich angefahren komme, verspüre ich bei denen ein Gefühl ob es ihnen freut mich zu sehen.

Hinter meinem alten Hof stand (steht noch immer) eine solitäre Eiche. Eine Einzelperson also. An einem frostigen Novembermorgen habe ich sie fotografiert, vor der aufkommenden Sonne, oberhalb einer dünnen Schneeschicht. Ich glaube zu wissen, dass diese Eiche mich kennt. Darum bin ich hier zuhause.


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Dienstag, 2. Februar 2016
Bagatelle 277 - Grenzparadox
Im Schengengebiet werden zur Zeit wieder Diskussionen laut ob es, wegen der Flüchtlingenströme, nicht geraten ist die früheren Innengrenzen sichtbar, tastbar und handhabbar zu machen. Die hierunter gezeigten Fotos zeigen dass man tatsächlich damit begonnen hat. Hunderte von Jahren alte Grenzsteine, manche fast in der Erde verschwunden, werden erneuert und wieder in Stand gesetzt. Fehlt noch das Stacheldraht. Fehlen noch die Grenzbeamten (Kommiesen, sagten wir früher) welche die Grenze entlang patrouillieren und, weil sie jeden Grenzgänger untersuchen, den freien Grenzverkehr zwischen Staaten einschränken.

Schon einmal habe ich Ihnen erzählt dass ich in einem Dorf wohne quer wodurch die deutsche und unsere Landesgrenze verläuft: unsere Seite des Heelwegs heißt Niederlande, ihre Seite hinter dem Bürgersteig Bundesrepublik Deutschland. Unser Dorf nennt sich Dinxperlo (Gemeinde Aalten); ihres Süderwick (Gemeinde Bocholt i.W.)

Die Bürger beider Länder haben sich eh und je immer gut verstanden. Süderwicker Mädchen heirateten holländische Burschen und umgekehrt. In zwei Weltkriegen war das Verhältnis zwar schwer gestört und die Grenze geschlossen und abgeschrotet. Die Menschen beiderseits der Grenze allerdings halfen sich wo möglich und nötig. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Grenze allmählich abgebaut und verschwand. Das vereinigte Europa entstand. Auf lokalem Niveau sah man wie Dinxperlo (NL) und Süderwick (D) zusammenwuchsen. Deutsche Kinder gingen in Holland in den Kindergarten und der niederländische Notfallwagen brachte seine Passagiere in das Bocholter Krankenhaus. Aus Dinxperlo und Süderwick wuchs eine neue Gemeinschaft: Dinxperwick.

Wozu denn jetzt die Wiederinstandsetzung der alten Grenzsteine?
Es ist, wie paradoxal es auch klingen mag, ein Ausdruck weiterer Zusammenarbeit. Die zwei Heimatvereine haben sich vereint und restaurieren jetzt zusammen den alten Grenzweg.

1) Das erste und dritte Bild zeigt einen der ältesten Grenzsteine; dieser ist aus 1766. Nummer 176 aus einer langen Reihe. An der einen Seite oben das Wappen des Hertogs von Gelre, an der anderen das des Bischoffs von Münster.
2) Auf dem 2. Bild links der Vorsitzender des deutschen Heimatvereins, ganz rechts sein Kollege aus Holland. Die Herren in orange (sic!) sind deutsche Gemeindewerker aus Bocholt.






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