Freitag, 12. Februar 2010
Bagatelle XLI - Tatort


- Höchste Zeit den Ort des Geschehens kennenzulernen, mein lieber Doktor Watson, sprach der große Detektiv, während er die letzten Reste scrumbled eggs mit einer Serviette von seiner elegant geschneiderten Kinnlinie entfernte.
- Gewiss, Holmes, antwortete der Angesprochene, gehen wir zu Fuß oder gönnen wir uns diesmal eine Pferdetaxe?
- Selbstverständlich nehmen wir die Karosse. Die Kosten werde ich wie üblich bei der anstehenden Steuerklärung verrechnen. Das Aufbewahren der Belege überlasse ich Ihnen. Und bitte Lieber W., sorgen Sie inzwischen wie üblich auch dafür, dass meine Reisetasche ein Instrumentarium enthält das gestandene Mörder, Einbrecher, Hausfriedensbrüchige und Ehebrecher davon abhält sich ins öffentliche Leben zu begeben.

Watson begab sich darauf ins Nebenzimmer mit der großen Apothekerschranke welche die gänzliche Nordseite des Zimmers beschlagnahmte, nahm eine Inventarliste, und legte die Utensilien mit größter Vorsicht in die kalbslederne Tasche seines Freundes. Dieser stopfte inzwischen seine erste Pfeife, Marke Eigenanbau 1880, zündete sie an und ließ sich den Rauch und die damit verbundenen Nicotinaromas genüglich über die Zunge gehen. Dabei hörte er mit Interesse auf Watsons Aufzählung:

1 Lupe (extra strong)
7 Pinzetten (in Größe aufsteigend von SSS nach XXL)
2 Paar seidene Handschuhe (zum Anfassen besonderer Tatbestände)
1 silberner Zollstab – Länge 1.50 M – mit Füßen getreten
1 Umrechnungstabelle: “Von Meter zu Fuß – und umgekehrt“
1 Büchlein (Autor: der Hon. S. Holmes Esq.) “Für alle Fälle”
1 Uhr (stopwatch) neben Greenwich Time auch Düsseldorfer Zeit
1 Gradbogen (nach Sachlage wechselweise 180 oder 360 Grad)
1 Handbuch der Fysiologie (Erste, unveränderte Auflage)
2 violettfarbige Tafel Schokolade (Marke Melka)

Am Tatort angekommen tat unser Herr Sherlock alles was man in diesen Umständen von solch einem weltberühmten Detektiv erwarten kann. Er genoss die Aussicht, schenkte sich selber (und seinem Freund Watson) in der Nachbarskneipe einen guten Whiskey ein, befragte die bildhübsche Nachbarinstochter (ob sie denn gar nichts besonderes gesehen hätte) und verwendete viel Zeit auf eine gründliche Spurenuntersuchung: seine Spezialität. Er schaute, nahm Maß, sah sich noch mal um, prüfte die Windrichtung, nahm wiederum Maß und nickte.
Danach diktierte er dem Dr. Watson seinen Befund:

- der in der frisch gefallenen Schnee gefundene Fußabdruck kann zweifelsfrei identifiziert worden als gehörend zu dem höchstwahrscheinlichen Verdächtigen. Vielleicht stammt er sogar vom Täter oder dessen Alter Ego
- die Länge des Fußabdrucks ist 34 Zentimeter oder 13,4 Inch und ein kleines bisschen
- die Gehrichtung ist von links nach rechts; es ist des Täters rechter Fuß
- es sind keine Spuren von weder Blut noch sonstiges DNA-Mundschleim aufgefunden worden
- die Oberfläche der Fußspur ist völlig glatt; die Sohle zeigt kein einziges Profil
- der vermutliche Täter wiegt laut genauer Schätzung 78 Kilo, ging hier seinen Weg exakt um Viertel nach neun, Freitag den 12. Februari Anno 2010, gerade rechtzeitig bevor der Schnee wegen des eingetretenen Tauwetters drohte zu verschwinden.

Nach dieser feinen Analyse, die wie gebräuchlich von Prozessen der Induktion, Reduktion, Deduktion und Reflektion gefolgt wurden, setzte sich der berühmte Detektiv in Stellung, wandte sich zu seinem treuen Freund Watson (und indirekt zu uns die wir ihm zuhören) und sprach die historisch gewordenen Worte:
„Hier lief ein gewisser Herr Terra, auch manchmal Terra40 genannt. Er war mit Morgennahrung unterwegs zu seinen fünf Hühnern. (Ich fand eine verloren gegangenes Weizenkörnchen.) Er ging wie immer auf Holzschuhen, die wegen des frequenten Gebrauchs an der Unterseite glatt abgeschliffen sind. Die Länge des Fußabdruckes ist 34 Zentimeter, das ist Holzschuhmaß 28½, was dem genannten Herrn genau passt. Zusammenfassend und ergo: Terra ist der Täter.

Unglaublich, sprach Dr. Watson voller Bewunderung. Wieder ein Fall für die Ewigkeit.

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