Sonntag, 15. Januar 2012
Bagatelle 143 - Bismarck


Irgendwo auf dieser wahrscheinlich für Sie unverständlichen Landkarte sehen Sie ihn abgebildet: ihren Bismarck. Zwar in Verbindung mit einer See, aber dennoch. Irgendwo in der Nähe, so habe ich mir erzählen lassen, müßte sich auch eine bismärckische Archipel befinden. Lassen Sie mich versuchen Ihnen auch der Rest der Karte zu erklären. Alles ist ziemlich kompliziert, aber allemal ein Versuch wert. Denn die Geschichte feiert dieses Jahr ihr goldenes Jubiläum. Zu feiern gibt es zwar nichts, im Gegenteil, aber es ist wohl wahr, daß es schon ein halbes Jahrhundert her ist.

1949 war es, als Indonesien die Unabhängigkeit bekam. Das riesige Inselreich im Osten war bis dato eine niederländische Kolonie. Bis auf eine Ausnahme: der westliche Teil Neu-Guineas blieb unter niederländischer Obhut. (Ost Neu-Guinea war und blieb Teil Australiens.) Den Einwohnern Niederländisch Neu Guinea, den Papuas, wurde versprochen, daß ihr Land auf Dauer eine - separat von Indonesien - selbständige Republik sein werde.

Von 1949 bis 1961 blieb dieser Zustand unverändert, sei es daß Indonesiens Präsident Sukarno es immer wieder versuchte mit kleinen Attacken politischer und militärischer Art, die Welt davon zu überzeugen, daß Neu-Guinea zu Indonesien gehörte. Mitte 1961 kam es dann zu den ersten ernsten (militärischen) Auseinandersetzungen.

Es war auch zu dieser Zeit, daß ein gewisser Terra, derzeit schon ziemlich Anti-Militarist, aber kein prinzipieller Wehrdienstverweigerer, vom Staate gerufen wurde dem Vaterland zu dienen indem er fast zwei Jahre von Haus, Hof und Arbeit getrennt wurde um zu lernen wie man marschiert und wie man am besten lernt grausam langweilige Stunden in einer Kaserne zu verbringen. Das änderte sich drastisch, als er mit sieben anderen Unfreiwilligen aus seiner Kompanie ausgesucht wurde um ab August 1962 nach Neu-Guinea umzusiedeln, um dort unter der Tropensonne die niedriger gelegen Lande gegen Sukarnos Gefolgsleuten zu verteidigen. Halb August war alles in voller Vorbereitung: nach einem vierzehntägigen Tropenurlaub stand als letzteres eine Wochentropenkursus auf dem Programm. Sofort danach war die Abreise geplant.

Nein, in Neu-Guinea war ich nie. Denn der damalige VS-Außenminister John Foster Dulles hatte mit seinem niederländischen Kollegen Joseph Luns vereinbart das westliche Neu-Guinea den Indonesiern zu überlassen. (Die VS brauchten Indonesien als eine Art Schutzwall gegen den aufkommenden Kommunismus in Süd-Ost Asien). Deshalb wurde uns am 22. August 1962, während unserer Tropenübungskurs mitgeteilt, daß von nun an kein einziger holländischer Soldat Richtung Bismarck Archipel zu reisten brauchte. Denselben Abend konnte man den Terra, zusammen mit zwei Freunden, fröhlich feiernd mitten über die Waal-Brücke gehen sehen.

Hier unter sehen Sie ein kleines Schildchen. Jeder, der damals freiwillig oder unfreiwillig nach Neu-Guinea geschickt wurde, trug ein solches Schildchen auf seiner Uniform, auch die Soldaten die sich noch in der Ausbildungsphase befanden. Ich war sicherlich nicht stolz darauf. Damals und heute überfällt mich vielmehr ein Gefühl der Scham wenn ich es sehe. Es waren ja die von uns gewählten Politiker, welche die Versprechungen den Papuas gegenüber brachen.
Noch immer, auch in 2012, nach fünfzig Jahren, gibt es Gruppen in den Molukken und in Neu-Guinea, die sich für die Unabhängigkeit einsetzen. Wir, nicht-wissende Feiglinge, sitzen da und schauen zu. Wie immer in solchen Situationen.

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