Freitag, 27. Januar 2012
Bagatelle 145 - Terras Kabel
Doch, Ehre wem Ehre gebührt: allerhände Hochachtung vor einem guten Handwerker. Jemand der seine Hände perfekt dás machen läßt, was sein Gehirn ausgedacht hat. Oder dás was ich, des Handwerkers gütiger Auftraggeber, ihn, dringend aber freundlichst, gebeten habe für mich zu errichten. Und alles ohne Fug und Tadel, schön um anzusehen, brauchbar und nützlich, und fast innerhalb der abgemachten Zeit die wir für das Verrichten der Arbeit vereinbart hatten.

Ich gebe ja zu, daß es Handwerker gibt die sich nicht an diese Gesetze halten. Oder es freiwillig freimütig interpretieren. Die 121 Euro für eine Stunde unbrauchbare und nutzlose Arbeit anschreiben und sich wundern wenn Sie sich beschweren.
Die aber meine ich nicht. Ich meine die Schreiner die liebebevoll ihrem alten Schrank voller Mehlwurm das Leben wieder geben. Und der Maurermeister der bei mir im Badezimmer einen Fliesenboden präzise, genau und auf den Millimeter passend legt. Nach getaner Arbeit stehen wir denn da: der eine der denkt: So, das hab' ich mal wieder geschafft! Und der andere, ich selber, staunend, der ausruft: Phantastisch! Mensch, so etwas müßte man selber können!

Nein, gute fachmännische Handarbeit kann auf meine Bewunderung und mein Lob rechnen. Aber dies gilt natürlich auch für fachfräuliche Arbeiten. Meine Frau zum Beispiel schneidert und näht fast all ihre Kleidung selber. Mit äußester Bewunderung stehe ich vor einem solcher Papierbögen, ein Schnittmuster mit tausenden von Linien, woraus sie ohne zu zögern diejenigen wählt die sie braucht für die neue Couture.



Auch im Stricken ist sie ein Genie. So trage ich jetzt, wo ich Ihnen dies schreibe, eine von ihr gestrickten rötlichen Weste. Mehr als dreißig Jahre alt, völlig aus der Mode, aber immer noch geschmeidig, lecker warm und angenehm im Tragen. Und das am allermeisten besondere ist der Kabel. Es scheint eine Strickform zu sein (oder eine Strickformel?) mit der man wunderbare Strickvariationen sichtbar machen kann. In diesem Fall sieht man auf meiner Weste erhöhte Wolldrahtlinien sich vom unteren Rand bis nach ganz oben bewegen. Ein köstliches Beispiel fachfräulicher Handarbeitskunst würde ich meinen.

Übrigens, die Weste sehen Sie hier unten. Zierlich über der Rückenlehne eines unserer Schlafzimmerstühle gehängt. Den Stuhl können Sie nicht kaufen. Nirgends. Der ist nämlich vor Jahren von mir selber in feinster Handarbeit hergestellt worden. Damals als die Handwerker und Schreinermeister genau so teuer waren als heute.



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