Sonntag, 21. Februar 2016
Bagatelle 278 - Geheimschrift
In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte ich, als Mitglied einer internationalen Delegation, die Gelegenheit drei Wochen in Iran, offiziell The Islamic Republic of Iran zu verbleiben. Wir waren da auf Einladung des Bildungsministers und verbrachten die meisten Tage auf dem Bildungsministerium in Teheran. Das Verhältnis mit den USA war noch immer sehr gespannt, aber Skandinavier, Deutsche und Niederländer waren herzlich willkommen.
Ziel war den iranischen Kollegen behilflich zu sein beim nachdenken über und aufstellen von Kernzielen für die Primarstufe. Das Beantworten der Frage also: was sollen die Kinder im Primarbereich, in der Grundschule, lernen und was sollen die Lehrer(innen) ihnen in jedem Fall lehren? Ein Thema das damals ziemlich aktuell war.

Ich schreibe: die meiste Zeit im Ministerium. Das ist schon wahr, aber so oft wie möglich besuchten wir Schulen in Stadt und Land um die wirkliche Schulpraxis zu sehen. Wir sahen große Grundschulen in den Städten und kleinere in ländlichen Gebieten wie in Zahedan, im Osten des Landes. Vielmals mit überfüllten Klassen wo in schwarz gekleideten Leherinnen mit wenig Mitteln und viel Liebe und Geduld den Kindern einiges Wichtiges beizubringen versuchten.

Bei einer dieser Besuchen - diesmal war ein Arts Teacher Training Center an der Reihe - eine Lehrerausbildung für die Kunstfächer (Musik, Malen, Zeichnen usw.) Beim Abschied kam ein junger Student zu mir und offerierte mir quasi als Erinnerung und Souvenir eine offenbar von ihm gemalte Zeichnung die ich selbstverständlich dankend in Empfang nahm.

Seit jenen Tagen ist die Zeichnung immer bei mir. Bis auf den heutigen Tag ziert sie mein Studier- und Arbeitszimmer. (Und auch nach dem Umzug wird das so sein.)
Unten auf der vielfarbigen Zeichnung [siehe unten] steht ein in arabischer oder iranischer (Farsi) Sprache geschriebener Text den ich weder lesen kann noch verstehe. Seit fünfundzwanzig Jahre ist das so. Ich hatte immer die Vermutung gehegt, dass es ein Koran-Zitat sein mochte. Jetzt aber war die Zeit gekommen da ich Gewissheit wollte.

Eine kurze E-Mail nach der iranischer Ambassade in Den Haag genügte. Ein freundlicher Mitarbeiter reagierte prompt und schrieb: Lieber Herr Doktor Terra, nein es ist kein Koran-Zitat, es ist der Name des Studenten und dessen Begleiters (Lehrer). Der Student damals hieß Ali Quasemi und sein Lehrer war Master Farzanehpour.

Es ist also eine Unterschrift, eine Signatur. Aber im Gegensatz zu den Signaturen auf westlichen Malereien ist dieser sehr schön, fast so schön wie die Zeichnung selbst.

Bei den Bildern:
*1) Die betreffende Zeichnung
*2) Eine Klasse in einer Zahedanischer Mädchenschule



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Samstag, 12. September 2015
Bagatelle 270 - Radlerinvasion
Was würden Sie sagen, in diesen Tagen von Völkerwanderungen, wenn plötzlich Dutzende von Radlern – von denen Sie keine Person (Frau oder Mann) kennen – sich auf den Weg machen und darauffolgend ihren Hof in Besitz nehmen, ihre neuverbaute und aufgeräumte Scheune (früher Schweinestall, jetzt Hobbyraum) betreten, sich an ihren Tischen in ihren Stühlen setzen, von einem Becher herrlichster Fruchtsaft versorgt werden wollen und nach einem Viertelstündchen voller Plaudergeschichten wieder abreisen in eine neue Zukunft?

Alles halb so schlimm. Der Bund der älternder Gemeindemitglieder EV (etwa so ähnlich heißen die Älternverbände bei uns) organisiert in den Sommermonaten für seine Mitglieder dann und wann Radlertouren. Länge etwa 25 bis 30 Kilometer. Nicht zu weit, denn man ist schließlich alt. Da ist es angebracht ungefähr halbwegs eine Pause einzulegen, das versteht sich. Eine kleine Ruhestätte, wo sich die müden Radler für eine Weile ausruhen können und wo sie von der Organisation beglückt werden mit Fruchtsaft und Obst. Sehr wichtig ist auch dass sich an dieser Pauseadresse eine Toilette befindet.

Weil mein alter Hof all diese Anforderungen und Möglichkeiten bietet und vortrefflich als gesuchter Pausenstopp dienen kann, hatte die Organisation sich mit einer diesbezüglichen Frage vorher an mich gewandt. ꞌKönnen und wollen Sie diese Radlergruppen empfangen und dürfen die Teilnehmer all die Möglichkeiten welche der Hof bietet benutzen?ꞌ (Unter uns, die Frage war eigentlich vor allem gezielt auf: ꞌdürfen die Radler von ihrer Toilette Gebrauch machen?ꞌ)

Natürlich durften sie das. Und selbstverständlich konnten die Radler alles benutzen was ich ihnen bieten konnte.
Nein, keinen oder keine von den fast hundert Teilnehmern kannte ich. Aber ich war froh etwas für sie tun zu können. Und Ermüdungserscheinungen bei den alten Radlern habe ich nicht entdecken können. Viele hatten sich der Modernität angeschlossen: sie kamen und gingen per e-bike.







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Freitag, 25. Juli 2014
Bagatelle 233 - Halbmast



Vorgestern hing die Flagge auf halbmast. Nicht nur bei mir zuhause, sondern auf allen öffentlichen Gebäuden sowieso und daneben an zahllosen Wohnungen. Rot, weiß und blau. Auch Oranje war vertreten: die Königin Maxima und König Willem-Alexander fühlten sich betroffen wie jedermann unter uns.
Weshalb diese Feierlichkeiten? Wir “feierten” die Rückkehr in die Niederlande der vielen Menschen die bei der Flugkatastrophe in der Ost-Ukraine ums Leben kamen. Oder sagen wir so: die Rückkehr der Menschen, auf dem Weg in die Ferien oder sich freuend auf kommenden Tätigkeiten am anderen Ende der Welt, an deren unschuldiges Leben ein jähes Ende kam: ihr Flugzeug wurde sehr wahrscheinlich von Terroristen mit einer Rakete abgeschossen. Keiner überlebte: sehr viele waren Niederländer, Menschen wie mein Nachbar und ich. Wut und Trauer über das Geschehene bestimmten nicht nur die Inhalte der Medien. Wir alle, die Landsleute, hatten nur ein einziges Gesprächsthema.
Warum, wieso, weshalb: tausende Fragen gehen uns durch den Kopf. Warum mussten diese unschuldigen Ferienreisende sterben? Wieso konnte es passieren? Hätte man .., sollte man .., und so weiter.

Statt einer unfruchtbaren Ursachenforschung handelt diese Bagatelle über ein ziemlich neues Phänomen. Am Tage, wo die ersten Opfer der ukrainischen Flugkatastrophe nach Hause kamen, ordnete die niederländische Regierung einen Nationaltrauertag an. Anordnen ist zu schroff gesagt; man bat uns höflich die Fahne auf halbmast zu hissen und an dem Moment wo die beiden Flugzeuge mit den ersten Leichnamen in Eindhoven den niederländischen Boden berührten, war es im ganzen Lande sehr stille. In dieser Gedenkminute war die, doch immerhin ziemlich differenzierte, niederländische Bevölkerung sich einig.

Nun bin ich, ehrlich gesagt, kein großer Befürworter nationaler, staatlicher Feiertage. Weder beim erfreuend Jubelschreien bei Weltmeisterschaften, noch bei tieftraurigen Ereignissen. Nicht dass ich anti-national wäre. Ich bin lieber a-national oder international. Dieses Mal aber hatte der Gedanke an einem nationalen Trauertag mein Einverständnis. Weil sie als ein Angebot betrachtet werden sollte, nicht als eine dringende Aufforderung.

Deshalb hing bei mir die Flagge halbmast. Für nur sehr wenige war das sichtbar, denn mein kleiner Bauernhof liegt ziemlich abgelegen irgendwo im niederländischen Binnenland. Aber darum geht es natürlich auch nicht. Ich will nicht gesehen werden, ich will meine Anteilnahme ausdrücken. Ich denke dabei an die trauernden Familien, an die Verwandten, an die Hinterbliebenen. Eine stille Trauerminute, eine Flagge auf halbmast, das ist wohl das mindeste was man tun kann.


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Sonntag, 13. Juli 2014
Bagatelle 232 - Grenzverkehr
Zeitlich parallel am langsam alter werden habe ich mich allmählich abgewöhnt mich aufzuregen. Früher war das wohl anders: laut alten, überlieferten Familiengeschichten scheine ich als zehnjähriger ein ziemlich unangenehmes, störrisches, jähzorniges Kerlchen gewesen zu sein der alles besser wusste und der sich über vieles fürchterlich aufregte und dann nicht selten vor der Hand liegende Gegenstände durch die Gegend warf, vor allem wenn der weitere Verlauf der Geschichte nicht seinem Wunsch entsprach.

Doch, sie ist noch da: die eigene Meinung und der Wut über menschenverachtende, unannehmbare Ereignisse. Nur werde ich sie aber nicht der Welt offenbaren, sei es denn dass ich von jemandem öffentlich dazu aufgefordert werde. Sonst sehe ich mir kopfschüttelnd an welche dumme Streiche manche Leute (nicht selten Politiker) spielen und belasse es dabei.
Ein wichtiger Grund dafür ist die Einsicht dass man selber im Laufe der Jahre zu der Erkenntnis gekommen ist, dass die eigene Meinung bei näherem Einsehen doch nicht völlig konform der ehrlichen und aufrichtigen Wahrheit war.

Jetzt aber ist etwas geschehen das Anlass gibt zu einer, sagen wir’s so, kritische Befragung und Auseinandersetzung. Früher hätte ich mich kolossal aufgeregt und meine Meinung mündlich und schriftlich geäußert. Jetzt frage ich Sie nur was Sie denken über folgendes Vorhaben. Es betrifft den Grenzverkehr.

Geboren und aufgewachsen bin ich in einem Grenzdorf. Die Staatsgrenze welche die Niederlande und Deutschland voneinander trennen, läuft quer durchs Dorf. Die deutsche Häuserversammlung heißt Süderwick und ist Teil der Stadt Bocholt (i.W.). Drüben, an unserer Seite sozusagen, befindet sich die niederländische Gemeinde Dinxperlo. Der Hellweg und die Häuser links sind holländischer Natur; der Bürgersteig und die Häuser rechts sind ausgesprochen deutsch.
Die Bewohner dieser Häuser verstehen sich bestens. Das war schon immer so, auch in Zeiten wo Stacheldraht die beiden Länder teilte. Es gibt viele Deutsche die in Holland wohnen und das umgekehrte kommt gleich viel vor. Es gibt als prahlendes Beispiel eine Luftbrücke zwischen einem deutschen Altersheim rechts und eine niederländische Wohngemeinschaft links. Die Bewohner beider Häuser trinken zusammen im Luftbrückencafé in der Mitte ihren Morgenkaffee.



Nun aber hat der CSU-Verkehrsminister einer großen Koalition, die deutsche Regierung also, in seiner ungetrübten und ungereimten Weisheit beschlossen allen Pkw-Benutzer aller Straßen in Deutschland eine Maut aufzulegen. Nicht nur die deutschen Gasgeber sind betroffen, nein, alle motorische Benutzer der deutschen Bahnen, Straßen und Landwege, auch die Ausländer. Die deutschen Kraftfahrer bekommen die Maut zurückerstattet weil diese von der Kraftfahrsteuer abgezogen wird. Die holländischen Grenzgänger, die täglich hin und her fahren, und nicht nur zu ihren Vergnügen, sind die Leidtragende. Kein niederländischer Finanzminister, den sie um Gnaden und finanzieller Einsicht bitten, wird ihnen die Kosten welche ihnen die Maut mitbringt, zurückerstatten. Zum Beispiel:

(1) Der Herr Jansen aus Dinxperlo fährt täglich zu seiner deutschen Arbeitsplatz, dreißig Kilometer weit weg. Hin und zurück.
(2) Die Frau Antonia van Bergen aus Dinxperlo möchte wie eh und je wöchentlich ihre Schwester im Bocholter Pflegeheim besuchen.
(3) Außer diesen beiden imaginären Beispielen gibt es dutzende und aber dutzende Fälle von niederländischen Grenzgängern die wirklich betroffen sind.



Die hier beschriebene Grenzsituation war und ist ein Beispiel wie gut Nachbarländer und ihre Bewohner auf lokalem Niveau in einem vereinten Europa mit einander auskommen. Kann mir jemand erklären wie es möglich ist das ein deutscher Minister dies alles mit einer dummen Gesetzesvorlage aufs Spiel setzen wird? Oder soll ich mich tatsächlich aufregen?

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Montag, 2. Juni 2014
Bagatelle 228 - Erinnerungen
Erinnern – so lautet mein Gedächtnis an frühere Deutschstunden – heißt, zwar in meinem krankhaften Deutsch, aber gut gemeint und im eigentlichen Sinne: sich mit einiger Mühe etwas verinnerlichen. Sich etwas merken also. Auf etwas ein Merkmal setzen, damit du es nicht und niemals vergisst. Genau wie Sie sagen: gestern habe ich mir dieses Buch erstanden. Es hat einige Mühe gekostet, aber diese lohnt sich.

Dies sind Zeiten der Erinnerung. Die Gesellschaft, die Öffentlichkeit, die Medien: von allen Seiten werden wir daran erinnert dass vor einhundert Jahren der erste Weltkrieg ausbrach. Diese Woche werden wir am 6. Juni D-day gedenken, genau vor siebzig Jahren in der Normandie. Und jedes Jahr, am 4. Mai, gedenken wir in unserem Dorf, und im ganzen Land, allen Menschen die seit dem 2. Weltkrieg ihr Leben verloren damit wir in Freiheit leben können.
Dass wir dann und wann an Weltkriegen erinnert werden, kann ich nur begrüßen. Vor allem wenn wir uns bewusst werden wieviel Leid den Menschen angetan ist.

Eigentlich sind es nicht die großen Ereignisse die mich wirklich berühren. Keine Manövergeschichten oder ‘histoires des batailles’. Vielmehr interessieren mich die kleinen Geschichten am Rande. So wie auf diesem Bild aus den letzten Tagen des ersten Weltkrieges. Hinten auf dem Bild – von meinem Bruder, der in einem Amsterdamer Verlag tätig war, gerettet gerade noch vor dem Verschwinden in der Mülltonne – steht geschrieben: Betrieb an der Yassyolda. Deutsches Militärkonzert an der Stelle wo die russischen und deutschen Stellungen sich treffen.




Es ist der 15. Dezember 1917. Gerade ist ein Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien verabredet. Eine deutsche Militärkapelle an dieser Seite des Flusses bringt ein Ständchen. Einige (russische) Kommandeure haben den zugefrorenen Fluss überquert und hören zu. Einige andere trauen sich noch nicht, halten Abstand und harren auf dem Eis.

Es gibt vieles zu sehen was zu Fragen Anlass gibt. Zum Beispiel: einer der russischen Soldaten bringt das Militär Salut (Hand an der Mütze). Wird vielleicht eine Nationalhymne gespielt? Und welche?
Achten wir auch auf die beiden deutschen Trommler mitten unten. Sowohl die große als die kleine Trommel schaut nach rechts. Nicht Richtung Dirigenten der ungesehen links um die Ecke seinen Stab schwingt – keine Kapelle ohne Dirigenten -. Nein, Sie schauen nach drüben. Sie kennen ihre Partituren auswendig und wissen was der Dirigent von ihnen fordert. Sie sehen sich den vormaligen Feind an und fragen sich ob der sich, ebenso wie sie selber, Sorgen macht um die Familie zuhause.

Was wird die Kapelle sonst noch spielen. Stenka Razin? Kalinka? Ich wette um eine Flasche guter Wein mit Ihnen dass díese Schlussmelodie erklingt: der Radetzkymarsch.

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Donnerstag, 22. August 2013
Bagatelle 195 - Unpassendes Familienbild (II)
Vorab 1): Wenn Ihnen der Titel dieser Bagatelle völlig fremd vorkommt, so scrollen Sie bitte nach unten und lesen Sie die Bagatelle 190.
Vorab 2): Wenn Ihnen das Hinunterscrollen zuviel Mühe macht oder wegen eines anderen lapidaren Grundes folgt hier eine sehr kurze Zusammenfassung des ersten Teils dieser sonderbaren Geschichte.

Als zehnjähriger Bursche fuhr der Herr Henk G., wohnhaft in Amstelveen (Vorort von Amsterdam) mit seiner Mutter im Kriegsjahr 1944 in die östlichen Niederlande um sich Nahrung zu verschaffen. Sie landeten schließlich bei einer Bauersfamilie welche den gleichen Nachnamen trug als Ihr ergebener Bagatellenschreiber. Frage von Herr Henk G. an mich: "War das vielleicht Ihre Familie? Wenn nicht, wissen Sie wo die Familie abgekommen ist? Ich schicke Ihnen einige alte Fotos."

Nein, es war nicht meine Familie die wir da auf dem Bild sahen. Ich kannte die Leute nicht. Aber nach einigem hin-und-her hinterfragen, nachdenken, kombinieren und suchen konnte ich dem Herrn Henk G. in Amstelveen (heute fast 80) berichten, daß die Familie zwar in unserer Gegend gewohnt habe, aber daß sie nach einigen Jahren umgezogen seien. Die Eltern seien schon vor Jahren gestorben, und was aus den drei Söhnen wurde, wüßte man nicht.
"Jammer schade", erwiderte Henk G., "ich hätte so gerne wieder Kontakt aufgenommen. Zum Beispiel um der Familie zu danken für alles was sie damals für uns getan haben."


Neulich, unter Freunden und Bekannten, erzählte ich diese Geschichte: von alten Menschen die jetzt, wo es noch kann, alte Bande anzuknüpfen versuchen. Da stand plötzlich einer vor mir und sagte: Frag doch mal den Hans P. Der war früher befreundet mit einem der drei Söhne auf dem Bild. Vielleicht weiß der wo die Söhne jetzt wohnen und leben. Der Hans P. sagte mir als die Angelegenheit zur Sprache kam: Sicher, ich kenne einen der drei. Hier ist seine Wohnadresse. Sogar eine E-mail-Adresse ist dabei.

Gestern dann bekam ich eine e-mail von einem überglücklichen Herrn Henk G. aus dem fernem Amstelveen. Der eine Sohn hätte ihn einen ausführlichen Brief geschrieben mit Fotos und so.
Und später schrieb mir der Sohn selber: wir haben uns gefunden! In kürze fahren meine Frau und ich nach Amstelveen mit Briefen, Bildern und Fotos um alte Erinnerungen wach werden zu lassen.

Nachschrift 1): Ist das kein köstliches Ende der Geschichte? Zwei Familien welche sich nach fast dreißig Jahren wiedersehen?
Nachschrift 2): Ich meldete, daß die Mutter des Henk G. 1944 auf einem Fahrrad mit Holzreifen gen Osten gefahren sei. Das ist unwahr. Als Reifen verwendete man einen alten Gartenschlauch.
Nachschrift 3) Hier unten sehen Sie drei Damen: die mittlere Dame ist Trui, die Bauersfrau die damals in unserer Gegend wohnte; die Damen links und rechts gehören zu der Amstelvener Familie. Auf dem unteren Bild sehen wir wie die Amstelvener Gäste dem Bauerssohn (einem der drei Söhne) und seiner Braut auf deren Hochzeitstag gratulieren. Damals bestanden die Kontakte offenbar noch. Doch dann plötzlich war es vorbei, bis Anno 2013 ein gewisser Terra half die Geschichte zu komplettieren.



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Donnerstag, 31. Januar 2013
Bagatelle 177 - (Ge)danke
Heute, den 31. Januar, feiert unsere Königin Beatrix ihren 75. Geburtstag. Wir gratulieren herzlich. Genau vor drei Tagen hat sie uns kundgetan, daß sie uns am 30. April diesen Jahres als Staatsoberhaupt verlassen wird. Sie dankt ab zu Gunsten ihres Sohnes: dem Kronprinzen Willem-Alexander. In einer kurzen Rede, die auf allen Fernsehkanälen ausgestrahlt wurde, dankte sie uns daß sie so lange, fast 33 Jahre, unsere Königin sein durfte. Und wir, das Volk, danken ihr für die Art und Weise in der sie unsere Königin war. Von beiden Seiten richtig und ehrlich gemeint.



Es gibt in unserem Lande zwar Leute die behaupten, daß wir bestens auskämen ohne König und Königin, aber sogar die echten Republikaner danken der Königin. Sie und wir wissen nämlich - Umfragen bestätigen das auch noch - daß wenn unser Land eine Republik wäre und wir aufgefordert würden ein Staatsoberhaupt zu wählen, dann würde Beatrix zweifelsfrei mit großer Mehrheit unser neuer Präsident. Es liegt also nicht nur an dem Amt; es liegt auch an der Person die es inne hat.

Weder bin ich selber ein richtiger Orangist, noch kenne ich die Königin persönlich. Wir sind uns nie begegnet. Stärker: tausend Mal hab ich sie im Fernsehen gesehen, aber niemals in lebendigem Leibe. Als sehr kleiner Junge hab ich ihre Großmutter gesehen, die Königin Wilhelmina, wie die sich nach dem Krieg informierte über das Leben an der niederländischen Seite der Landesgrenze inmitten der Trümmerhaufen diesseits und jenseits des Stacheldrahts. Und die Mutter, Königin Juliana, hab ich gesehen in Den Haag, als ich 1963 dienstlich als Soldat am Straßenrand stehen mußte und sie in der goldenen Kutsche ohne zu winken an mir vorbei fuhr.

Und jetzt bereiten wir uns vor auf den neuen König. Wir hatten schon einige, alle Willem mit Namen, gefolgt von einer römischen Ziffer: König Willem I, Willem II, Willem III. Und alle im 19. Jahrhundert. Einige Historiker versuchen uns mit allerhand Beweisen und Beispielen deutlich zu machen, daß diese nicht unbedingt starke, fürstliche Persönlichkeiten waren. Nein, die darauf folgende Königinnen: Wilhelmina, Juliana, Beatrix, die waren richtig von Format.

Der neue König wird nicht Willem IV heißen. Auch nicht Willem-Alexander der Erste (I). Schlicht Willem-Alexander. Für Intimi wahrscheinlich King Alex.
Die inzwischen sehr beliebte Maxima wird unsere neue Königin. Das freut mich sehr. Alleine der Name schon: Königin Maxima! Das verspricht viel gutes.



Spötter und Nörgler gibt es immer und überall. So sagen einige Landsleute, daß wir als Staatsoberhaupt nach Beatrix wieder eine Frau bekommen werden: Maxima. Wir werden sehen.

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Montag, 19. November 2012
Bagatelle 171 - Frans, Franzl, Francois
Genug Grund zur Freude: wir haben eine neue Regierung! Die Sozial-Demokraten und die Rechts-Liberalen, beide Gewinner der letzen Wahlen, haben sich zusammen getan und bilden jetzt so gut wie's geht ein neues Kabinett. Premier-Minister ist wie zuvor uns aller Mark Rutte1), Liberaler bis in den Fingerspitzen; Vize ist ein Neuling-im-Geschäft: der Herr Lodewijk (Ludwig) Ascher, ein Mann der Arbeiterpartei obwohl man es ihm nicht ansieht. Vor seiner Ernennung als Minister war er Senator in Amsterdam.

Auch haben wir einen neuen Außenminister. Doch, weil unser Land klein ist und zwangsweise viel Ausland besitzt, ist das eine wichtige Stelle. Unser neuer heißt mit Nachname Timmermans, was Sie unschwer etymologisch deuten werden als Sohn eines Zimmermannes (war nicht je ein Zimmermann Außenminister in Deutschland? Einer von der CSU?) und wenn er seine Sache ordentlich macht wird er wahrscheinlich zum Tischler- und später zu Drechselmeister befördert werden und somit zu Ehren kommen.
Von vorne heißt unser neuer Außen schlicht Frans. Sie würden ihn Franz heißen und vielleicht Franzl. In den Gefilden die Loire entlang würde man ihn mit François begrüßen.

Wie auch immer, Frans, Franz oder François, unser neuer Außenminister ist ein lupenreiner Europäer. Er war Euro-Parlementarier und reiste den ganzen Tag von Brüssel über Luxemburg nach Straßburg und vice versa.
Nein, unser neuer Außen wird noch von sich hören lassen.

Was sag' ich denn! Er hat sich schon geäußert! In seiner ersten Rede mahnte der neue Außenminister uns allen - vor allem an die Schüler in der Sekundarstufe wandte er sich - daß wir uns besser um das lernen einer zweiten Fremdsprache bemühen sollten. (In den Niederlanden gibt es neben den Pflichtsprachen im Sekundarbereich: Niederländisch und Englisch, eine oder zwei Wahlsprachen.) Seinem Vornamen wissend würde man glauben, daß das Französisch gemeint war. Der Herr Timmermans aber, so sagte er jedenfalls, sah wie schlecht es bei der niederländischen Jugend um die Deutschkenntnisse stehe und forderte sie darum vehement auf Deutsch zu lernen. Die Sprache des Nachbarn muß man schließlich können! Oder?

Wie recht hat der Mann! Ich kann ein Lied davon singen, wie alle Bagatellleserinnen und -Leser bereits wissen. Der Herr Minister vergaß aber zu sagen wie schwer die deutsche Sprache ist für Nicht-Deutsche!

Nehmen wir als Beispiel die Fälle. Nicht der Fall Timmermans an sich, nein ich meine die grammatikalen Fälle. Auch der Herr Außenminister Franzl Schreinerssohn kann mir nicht erklären warum und weshalb etwa nach diesen Präpositionen

durch, für, ohne um, entlang, bis, gegen, wider

immer der vierte Fall folgt, und niemals der dritte oder der zweite, geschweige denn der erste. So etwas muß in der Tat gelernt sein!

Fazit: der neue Außenminister der Niederlande hat recht. Natürlich ist es ratsam und äußerst wichtig die deutsche Sprache einigermaßen zu beherrschen, mündlich wie schriftlich. Die Schüler sollten sich Herrn Timmermans Worte zu Herzen nehmen und seinem Rat folgen. Anderseits müßte der Herr Minister mir beipflichten, wenn ich behaupte, daß, gerade in Zeiten ökonomischer und kultureller Krise, éine Deutschstunde pro Woche völlig ungeeignet ist die zahllosen Sprachschwierigkeiten zu meistern.


Anmerkungen:
(1) Ein Bild des alten und neuen Minister-Präsidenten Rutte sehen Sie in der Bagatelle 168 wo er den Tisch bewundert an dem ich meine Tafelreden einstudiere.
(2) Hier unten der Herr Außenminister Frans Timmermans. Er schaut nicht gerade selbstsicher in die Kamera, obwohl er sich Mühe gibt, aber er wird 's schon schaffen.

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Montag, 26. März 2012
Bagatelle 153 - Buchwurm
Doch, wer heute in unseren niedrig gelegenen Landen lebt, hat weniger zu lachen. Während wir seit Lebens stolz waren auf unsere Gastfreundlichkeit, auf unsere Toleranz Minderheitsgruppen gegenüber, auf unsere unabhängige Meinung übers Weltgeschehen, über unsere fortschrittliche Attitüde in heftig diskutierten Sachen wie Homosexualität oder Euthanasie, und vor allem stolz waren auf die Tatsache, daß unser Land seit Jahrhunderten für Menschen, die anderswo wegen ihres Glaubens oder wegen ihrer politischer Überzeugung verfolgt wurden, immer ein Zufluchtsort war, seit einigen Jahren haben sich die Zeiten geändert.

Stolz ist vielleicht nicht der passende Begriff. Bewohner anderer Länder sind stolz auf ihr Land. Niederländer sehen das etwas einfacher: es gehört einfach zu uns. Es ist so unsere Art mit anderen Menschen umzugehen. Jetzt müßten wir fast sagen: es war unsere Art. Wenn bei uns eine Partei, die sich (schändlicherweise) Partei der Freiheit nennt, Menschen gegen einander aufhetzt, eine nicht geringe Zahl an Sitzen im Parlament erobert, wird es Zeit etwas dagegen zu tun. Aber verlassen wir bitte für heute dieses Thema, sonst rege ich mich zu viel auf. Und das, sagt meine liebe Kardiologin, sei schlecht fürs Herz.

Nicht alles ist faul im Staate der Niederlande. Einiges Gutes ist uns geblieben. Was heißt: in diesen Tagen geschieht allerhand bei uns das einzigartig in der Welt ist. Zwar nur auf einem bestimmten Gebiete, nämlich das Buch und der/die Lesende, aber immerhin.

Wir feierten mal wieder die jährlich stattfindende Buchwoche. Die dauert bei uns immer zehn Tage, weil eine Woche nicht ausreicht um allen Einwohnern noch mal davon zu überzeugen wie köstlich, herrlich, genußbringend, erhebend, lehrreich und amüsant das Lesen eines Buches ist.
Wo anderswo in den frühlingshaften Karnevalszeiten mit Kamellen um sich her geschmissen wird, so verteilen die niederländischen Buchhändler, die sich wie es sich gehört in einem Verein versammelt haben, unter ihren Lesern ein Buchwochengeschenk. Das funktioniert folgendermaßen: wenn Sie sich vorige Woche hier bei uns einen schweren Roman gegönnt hätten, oder sonst für lausige zwanzig Euro Lesematerialien gekauft hätten, wären Sie von der freundlichen Buchverkäuferin gratis und umsonst mit einer Novelle beschenkt worden. Noch besser: wenn Sie am vorigen Sonntag mit der Bahn durchs Land gereist waren, hatten Sie, wenn Sie dem Schaffner das Buchwochengeschenk vorzeigen konnten, freie und kostenlose Fahrt. Bahn fahren und Buch lesen paßt prima zusammen, wie alle Blogger hier wissen.

Einige Nörgler (die es ja offenbar immer gibt) könnten meinen, daß es sich hier um eine alberne, minderwertige Buchausgabe mit inferiorem Inhalt handelte. Im Gegenteil: der Autor ist ein viel gepriesener Flaming, einer aus Flandern also, wo das Niederländische die Muttersprache ist. Er verdient zweifelsfrei in zwanzig Jahren den Literaturnobelpreis. Und das Buch, fast hundert Seiten in einem harten Band, ist eine wunderbare Novelle. Ein Kunstwerk. Ein Kleinod. So bald sie ins Deutsche übersetzt wird, können Sie sich überzeugen.

Die Frankfurter Buchmesse kennt jeder. Aber die niederländische Buchwoche ist einzigartig. Runde 900.000 Exemplare des Buchwochengeschenkes sind gedruckt, verteilt und (hoffentlich) gelesen worden. Das kann kein einziges anderes Land behaupten. Darauf wollen wir stolz sein.

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Sonntag, 15. Januar 2012
Bagatelle 143 - Bismarck


Irgendwo auf dieser wahrscheinlich für Sie unverständlichen Landkarte sehen Sie ihn abgebildet: ihren Bismarck. Zwar in Verbindung mit einer See, aber dennoch. Irgendwo in der Nähe, so habe ich mir erzählen lassen, müßte sich auch eine bismärckische Archipel befinden. Lassen Sie mich versuchen Ihnen auch der Rest der Karte zu erklären. Alles ist ziemlich kompliziert, aber allemal ein Versuch wert. Denn die Geschichte feiert dieses Jahr ihr goldenes Jubiläum. Zu feiern gibt es zwar nichts, im Gegenteil, aber es ist wohl wahr, daß es schon ein halbes Jahrhundert her ist.

1949 war es, als Indonesien die Unabhängigkeit bekam. Das riesige Inselreich im Osten war bis dato eine niederländische Kolonie. Bis auf eine Ausnahme: der westliche Teil Neu-Guineas blieb unter niederländischer Obhut. (Ost Neu-Guinea war und blieb Teil Australiens.) Den Einwohnern Niederländisch Neu Guinea, den Papuas, wurde versprochen, daß ihr Land auf Dauer eine - separat von Indonesien - selbständige Republik sein werde.

Von 1949 bis 1961 blieb dieser Zustand unverändert, sei es daß Indonesiens Präsident Sukarno es immer wieder versuchte mit kleinen Attacken politischer und militärischer Art, die Welt davon zu überzeugen, daß Neu-Guinea zu Indonesien gehörte. Mitte 1961 kam es dann zu den ersten ernsten (militärischen) Auseinandersetzungen.

Es war auch zu dieser Zeit, daß ein gewisser Terra, derzeit schon ziemlich Anti-Militarist, aber kein prinzipieller Wehrdienstverweigerer, vom Staate gerufen wurde dem Vaterland zu dienen indem er fast zwei Jahre von Haus, Hof und Arbeit getrennt wurde um zu lernen wie man marschiert und wie man am besten lernt grausam langweilige Stunden in einer Kaserne zu verbringen. Das änderte sich drastisch, als er mit sieben anderen Unfreiwilligen aus seiner Kompanie ausgesucht wurde um ab August 1962 nach Neu-Guinea umzusiedeln, um dort unter der Tropensonne die niedriger gelegen Lande gegen Sukarnos Gefolgsleuten zu verteidigen. Halb August war alles in voller Vorbereitung: nach einem vierzehntägigen Tropenurlaub stand als letzteres eine Wochentropenkursus auf dem Programm. Sofort danach war die Abreise geplant.

Nein, in Neu-Guinea war ich nie. Denn der damalige VS-Außenminister John Foster Dulles hatte mit seinem niederländischen Kollegen Joseph Luns vereinbart das westliche Neu-Guinea den Indonesiern zu überlassen. (Die VS brauchten Indonesien als eine Art Schutzwall gegen den aufkommenden Kommunismus in Süd-Ost Asien). Deshalb wurde uns am 22. August 1962, während unserer Tropenübungskurs mitgeteilt, daß von nun an kein einziger holländischer Soldat Richtung Bismarck Archipel zu reisten brauchte. Denselben Abend konnte man den Terra, zusammen mit zwei Freunden, fröhlich feiernd mitten über die Waal-Brücke gehen sehen.

Hier unter sehen Sie ein kleines Schildchen. Jeder, der damals freiwillig oder unfreiwillig nach Neu-Guinea geschickt wurde, trug ein solches Schildchen auf seiner Uniform, auch die Soldaten die sich noch in der Ausbildungsphase befanden. Ich war sicherlich nicht stolz darauf. Damals und heute überfällt mich vielmehr ein Gefühl der Scham wenn ich es sehe. Es waren ja die von uns gewählten Politiker, welche die Versprechungen den Papuas gegenüber brachen.
Noch immer, auch in 2012, nach fünfzig Jahren, gibt es Gruppen in den Molukken und in Neu-Guinea, die sich für die Unabhängigkeit einsetzen. Wir, nicht-wissende Feiglinge, sitzen da und schauen zu. Wie immer in solchen Situationen.

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