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Samstag, 10. September 2011
Bagatelle 123 - 9/11/9
terra40, 16:08h
Heute ist Samstag, der 10. September. Morgen ist es also in kalten Zahlen ausgedrückt der 11.09.2011. Damals aber haben die aus Europa in das ferne Westen ausgewanderten Angelen und Sachsen die Gewohnheit übernommen zuerst die Jahreszahl, dann den Monat und schließlich die Tageszahl zu nennen. Morgen ist also 2011.09.11; morgen ist es nine/eleven, 9/11. Morgen ist es zehn Jahre nach 9/11. Plötzlich verlieren die Zahlen ihre Kälte.
Viele mögen es bei ihren Freunden und Bekannten nachzufragen: wo warst du in dieser Stunde, an diesem gedenkwürdigen Tag, den 11. September 2001? Weißt du es noch? Erzähl es mir, aber bitte genauestens und präzise.
Ich weiß es noch. Ich saß etwa um 16.00 Uhr in dem intercity Schnellzug der mich von Alkmaar, über Amsterdam und Utrecht nach dem Osten des Landes bringen sollte, wo ich wohne. Damals arbeitete ich berufshalber an einem Projekt wobei lernschwachen Kindern gelehrt wird so gut wie's geht lesen zu lernen. Ich war zu Besuch gewesen bei einer der Projektschulen, wo wir mit Lehrern und Lehrerinnen aus der Praxis mögliche Verbesserungen an diesem Leselernprogramm diskutierten. Voller gute Ratschläge und mit einem aufgeräumten Gemüt fuhr ich nach Hause: nichts gibt einem mehr Befriedigung als sinnvolle Erfahrungen aus der Praxis umsetzen zu können in Vorschlägen und Beispielen mit denen wir vielen anderen Spezialschulen helfen konnten.
Zwischen Utrecht und Arnheim kam eine unbekannte Spannung im Zugabteil auf. Ein junger Student, der zwei Reihen hinter mir saß, war am telefonieren mit seinem Elternhaus und berichtete allen Reisenden in meinem Abteil, daß in New York etwas schreckliches passiert sei. Man wüßte nicht genaueres, aber es wurde jedem im Lande dringend empfohlen sofort das Radio oder das Fernsehen einzuschalten, damit man von Minute zu Minute über die neuesten Entwicklungen bescheid wußte.
Nach dieser ersten Meldung überschlugen sich die Ereignisse. Die eine schreckliche Nachricht folgte der andere. Die Leute im Zug hielt es nicht mehr auf ihren Plätzen. Sie wanderten von vorne nach hinten und wieder nach vorne um nur so viel wie möglich zu erfahren. Als ich meine Endbestimmung erreichte, war der dritte Weltkrieg ausgebrochen, die Landesregierung in äußerster Verwirrung und die Menschen um mich herum quasi gelähmt durch Angst.
Nach einer halben Autostunde erreichte ich meinen vertrauten Wohnsitz auf dem einsamen, platten Lande, wo meine Frau mir erzählte wie sie alles schreckliche in sich aufgenommen hatte. Wie ein böser Traum, unverständlich und unfaßbar. Diese Fernsehbilder mit den Flugzeugen und den brennenden Twin Towers: science fiction oder Realität? Eins war klar, nämlich daß die Welt nach diesem Tag nicht mehr dieselbe sein werde.
Und der 10/11? Einen Tag nach 9/11? Was machten Sie an dem Tag darauf? Wir, meine Kollegen und ich, saßen in meinem Arbeitszimmer zusammen und erzählten uns wo wir waren als das Schreckliche von gestern passierte. Bei uns war das am elften Tage des Septembermonats im Jahre AD 2001. Morgen ist es zehn Jahre her.
Viele mögen es bei ihren Freunden und Bekannten nachzufragen: wo warst du in dieser Stunde, an diesem gedenkwürdigen Tag, den 11. September 2001? Weißt du es noch? Erzähl es mir, aber bitte genauestens und präzise.
Ich weiß es noch. Ich saß etwa um 16.00 Uhr in dem intercity Schnellzug der mich von Alkmaar, über Amsterdam und Utrecht nach dem Osten des Landes bringen sollte, wo ich wohne. Damals arbeitete ich berufshalber an einem Projekt wobei lernschwachen Kindern gelehrt wird so gut wie's geht lesen zu lernen. Ich war zu Besuch gewesen bei einer der Projektschulen, wo wir mit Lehrern und Lehrerinnen aus der Praxis mögliche Verbesserungen an diesem Leselernprogramm diskutierten. Voller gute Ratschläge und mit einem aufgeräumten Gemüt fuhr ich nach Hause: nichts gibt einem mehr Befriedigung als sinnvolle Erfahrungen aus der Praxis umsetzen zu können in Vorschlägen und Beispielen mit denen wir vielen anderen Spezialschulen helfen konnten.
Zwischen Utrecht und Arnheim kam eine unbekannte Spannung im Zugabteil auf. Ein junger Student, der zwei Reihen hinter mir saß, war am telefonieren mit seinem Elternhaus und berichtete allen Reisenden in meinem Abteil, daß in New York etwas schreckliches passiert sei. Man wüßte nicht genaueres, aber es wurde jedem im Lande dringend empfohlen sofort das Radio oder das Fernsehen einzuschalten, damit man von Minute zu Minute über die neuesten Entwicklungen bescheid wußte.
Nach dieser ersten Meldung überschlugen sich die Ereignisse. Die eine schreckliche Nachricht folgte der andere. Die Leute im Zug hielt es nicht mehr auf ihren Plätzen. Sie wanderten von vorne nach hinten und wieder nach vorne um nur so viel wie möglich zu erfahren. Als ich meine Endbestimmung erreichte, war der dritte Weltkrieg ausgebrochen, die Landesregierung in äußerster Verwirrung und die Menschen um mich herum quasi gelähmt durch Angst.
Nach einer halben Autostunde erreichte ich meinen vertrauten Wohnsitz auf dem einsamen, platten Lande, wo meine Frau mir erzählte wie sie alles schreckliche in sich aufgenommen hatte. Wie ein böser Traum, unverständlich und unfaßbar. Diese Fernsehbilder mit den Flugzeugen und den brennenden Twin Towers: science fiction oder Realität? Eins war klar, nämlich daß die Welt nach diesem Tag nicht mehr dieselbe sein werde.
Und der 10/11? Einen Tag nach 9/11? Was machten Sie an dem Tag darauf? Wir, meine Kollegen und ich, saßen in meinem Arbeitszimmer zusammen und erzählten uns wo wir waren als das Schreckliche von gestern passierte. Bei uns war das am elften Tage des Septembermonats im Jahre AD 2001. Morgen ist es zehn Jahre her.
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Sonntag, 4. September 2011
Bagatelle 122 - Dreieckiges
terra40, 00:46h
Nein, ich bin kein Kaballist. Auch nie gewesen. Mit Zahlen und deren mutmaßlich geheimnisvollen Eigenschaften hab' ich nichts. Die Zahl dreizehn löst keine fürchterlichen Unlustanfälle aus. Noch verspüre ich Jubelempfindungen und Glücksgefühle bei der Zahl sieben.
Aber, seien wir ehrlich: die Zahl drei (III oder 3) hat etwas. Etwas unvollkommenes (drei separate Elemente) und trotzdem etwas Vollendetes. Die heilige Dreifaltigkeit, das nicht weniger heilige kölnische Dreigestirn, eine Mozart-Klaviersonate in drei Sätzen: immer (und mit Recht) drei. Ein richtiges Dreieck, vorzugsweise ein Gleichseitiges, hat alles was es braucht. Die Figur ist zwar äußerst schlicht und einfach, aber nichts fehlt ihr.
Viele unter ihnen kennen das unmögliche Dreieck des schwedischen Graphikers Oscar Reutersvärd. Wenn nicht, zeige ich es Ihnen noch einmal. Die Figur besteht aus einem Dreieck aus drei mal fünf gleich großen Würfeln. (Die Eckwürfel zählen wir bequemlichkeitshalber doppelt...) Wenn der Betrachter beim untersuchen wie dieses merkwürdige Kubusgebäude in einander steckt, ausruft: Völlig unmöglich! hat er recht und auch nicht. Hier ist die Rede von Augenwischerei. Wir sind einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen. (Spielen Sie mit mir das herrliche Augenspielchen: von der einen Oberseite eines Würfels auf die daneben liegende springen (und so weiter und so fort) um zu erfahren, daß man auf einem zweidimensionalen Blatt sich dreidimensional bewegen kann.)
Reutersvärds Dreieck wurde so bekannt, daß sogar der schwedische Postminister anordnete, daß dieses fremde graphische Geschöpf auf einer Briefmarke abgebildet werden sollte. Worauf tausende Swedinnen und Schweden abertausende von unmöglichen Briefmarken auf ihren Briefen klebten.
Das unmögliche Dreieck wurde ein Welterfolg. So sehr, daß Reutersvärd sich bemühte so viel wie möglich Dreiecksvarianten zu entwerfen. Er nannte sie: perspectives japonaise. Er blieb dabei freundlich und hilfsbereit. So entwarf er (ungebeten; als Zugabe) für Herrn Terracidus ein Logo. Die so-und-so-vielste Variante des originellen unmöglichen Dreiecks. Sehen Sie nur.
Daß auch der jüngst verstorbene deutsche Kabarettist und Fernsehkünstler Loriot sich von Reutersvärds Dreieck inspirieren ließ, zeigt sich aus dem Bild des Denkers. Vielleicht sehen Sie mehr Rodin. Ich aber sehe sofort Reutersvärds Dreieck.
Aber, seien wir ehrlich: die Zahl drei (III oder 3) hat etwas. Etwas unvollkommenes (drei separate Elemente) und trotzdem etwas Vollendetes. Die heilige Dreifaltigkeit, das nicht weniger heilige kölnische Dreigestirn, eine Mozart-Klaviersonate in drei Sätzen: immer (und mit Recht) drei. Ein richtiges Dreieck, vorzugsweise ein Gleichseitiges, hat alles was es braucht. Die Figur ist zwar äußerst schlicht und einfach, aber nichts fehlt ihr.
Viele unter ihnen kennen das unmögliche Dreieck des schwedischen Graphikers Oscar Reutersvärd. Wenn nicht, zeige ich es Ihnen noch einmal. Die Figur besteht aus einem Dreieck aus drei mal fünf gleich großen Würfeln. (Die Eckwürfel zählen wir bequemlichkeitshalber doppelt...) Wenn der Betrachter beim untersuchen wie dieses merkwürdige Kubusgebäude in einander steckt, ausruft: Völlig unmöglich! hat er recht und auch nicht. Hier ist die Rede von Augenwischerei. Wir sind einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen. (Spielen Sie mit mir das herrliche Augenspielchen: von der einen Oberseite eines Würfels auf die daneben liegende springen (und so weiter und so fort) um zu erfahren, daß man auf einem zweidimensionalen Blatt sich dreidimensional bewegen kann.)
Reutersvärds Dreieck wurde so bekannt, daß sogar der schwedische Postminister anordnete, daß dieses fremde graphische Geschöpf auf einer Briefmarke abgebildet werden sollte. Worauf tausende Swedinnen und Schweden abertausende von unmöglichen Briefmarken auf ihren Briefen klebten.
Das unmögliche Dreieck wurde ein Welterfolg. So sehr, daß Reutersvärd sich bemühte so viel wie möglich Dreiecksvarianten zu entwerfen. Er nannte sie: perspectives japonaise. Er blieb dabei freundlich und hilfsbereit. So entwarf er (ungebeten; als Zugabe) für Herrn Terracidus ein Logo. Die so-und-so-vielste Variante des originellen unmöglichen Dreiecks. Sehen Sie nur.
Daß auch der jüngst verstorbene deutsche Kabarettist und Fernsehkünstler Loriot sich von Reutersvärds Dreieck inspirieren ließ, zeigt sich aus dem Bild des Denkers. Vielleicht sehen Sie mehr Rodin. Ich aber sehe sofort Reutersvärds Dreieck.
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Samstag, 27. August 2011
Bagatelle 121 - Düdeljoho: Loriot zum Gedenken
terra40, 01:07h
Sehr frei übersetzt klingt das memorabele Vers (es ist eine Canon in zwei Teilen) etwa folgendermaßen:
(1) Kommt mit, nach draußen, alle Mann (bzw. Frau),
dann suchen wir die Goldamsel,
und finden wir diesen Musikant,
dann ist wieder Sommer im Land.
(2) Düdel-jo-ho, klingt sein Lied,
Düdel-jo-ho klingt sein Lied,
Düdel-jo-ho und sonst nichts.
Das Wort 'düdeljoho' erinnert einem sofort an die unvergeßliche Loriot-Szene in der eine Volkshochschulklasse voller lauter engagierte Amateur-Jodler(innen) einen Jodler-Kurs absolviert. Unter den Studenten befinden sich natürlich auch der Herr Loriot höchstpersönlich und seine unzertrennliche Begleiterin Renate. Urkomisch (und auch musikalisch nicht zu unterschätzen) ist die Art und Weise wie sich die Teilnehmer bemühen sich den richtigen Jodler zu merken. (Nicht 'hü-dü-düdel-dü', sondern 'hü-dü-düdel-dö'!!)
Was Sie wahrscheinlich nicht wußten, ist daß der Herr Loriot, V. von Bülow meine ich selbstverständlich, der diese Woche im hohen Alter verstarb, auch im Ausland seine Bewunderer und Verehrer hatte. Die Familie Terra zum Beispiel. Wir ließen uns keine Gelegenheit nehmen um uns eine Radio-Bremen-Sendung der ARD, worin er seine Zeichen- und andere Tricks ausspielte, anzusehen. Und wie oft hat meine Frau mich nicht wieder vom Boden aufheben müssen, wenn ich mal wieder vor Lachen vom Stuhl gefallen war? Wir haben längst nicht alles Schöpferische gesehen, aber die klassischen Loriotszenen (der Heiratsantrag mit der Nudel im Gesicht, oder das Bettprobeliegen beim Kaufhof) kennen auch wir fast auswendig. Nicht zu vergessen natürlich die unnachahmlichen Zeichentrickbeiträge. Ach, warum sage ich Ihnen das alles: Sie kennen sich natürlich tausendmal besser aus.
Ist Loriots Humor typisch Deutsch? frag' ich mich. Ein bißchen Gesellschaftskritik, ein wenig Spießbürgerspott, etwas unerwartetes Komisches in durchaus normalen Situationen. Würden Spanier aber lachen können über zwei ehrenwerte nackte Männer in einer leeren Badewanne trotz des amüsanten Dialogs? Ich frag' nur.
Der Herr Loriot hieß so, so hab' ich mir sagen lassen, weil eine Goldamsel (oder: ein Pirol) Teil seines Familienwappens ist. Auf Französisch heißt so ein Spaßvogel un loriot. Bei uns heißt er: de wielewaal, und sein herrlicher Gesang geht ungefähr so, wie im Lied hier oben: düdel-jo-ho.
Sehen Sie, das habe ich mir immer schon gedacht. Loriot hat etwas französisches in sich. Wie sonst ist es zu erklären, daß ich bei manchen Szenen und lustigen Streichen an einen anderen Franzosen denken muß? An Jacques Tati. Ja doch, manchmal haben der französische monsieur Hulot und der deutsche Herr Loriot etwas gemeinsam. Nicht nur die Endbuchstaben -ot.
(1) Kommt mit, nach draußen, alle Mann (bzw. Frau),
dann suchen wir die Goldamsel,
und finden wir diesen Musikant,
dann ist wieder Sommer im Land.
(2) Düdel-jo-ho, klingt sein Lied,
Düdel-jo-ho klingt sein Lied,
Düdel-jo-ho und sonst nichts.
Das Wort 'düdeljoho' erinnert einem sofort an die unvergeßliche Loriot-Szene in der eine Volkshochschulklasse voller lauter engagierte Amateur-Jodler(innen) einen Jodler-Kurs absolviert. Unter den Studenten befinden sich natürlich auch der Herr Loriot höchstpersönlich und seine unzertrennliche Begleiterin Renate. Urkomisch (und auch musikalisch nicht zu unterschätzen) ist die Art und Weise wie sich die Teilnehmer bemühen sich den richtigen Jodler zu merken. (Nicht 'hü-dü-düdel-dü', sondern 'hü-dü-düdel-dö'!!)
Was Sie wahrscheinlich nicht wußten, ist daß der Herr Loriot, V. von Bülow meine ich selbstverständlich, der diese Woche im hohen Alter verstarb, auch im Ausland seine Bewunderer und Verehrer hatte. Die Familie Terra zum Beispiel. Wir ließen uns keine Gelegenheit nehmen um uns eine Radio-Bremen-Sendung der ARD, worin er seine Zeichen- und andere Tricks ausspielte, anzusehen. Und wie oft hat meine Frau mich nicht wieder vom Boden aufheben müssen, wenn ich mal wieder vor Lachen vom Stuhl gefallen war? Wir haben längst nicht alles Schöpferische gesehen, aber die klassischen Loriotszenen (der Heiratsantrag mit der Nudel im Gesicht, oder das Bettprobeliegen beim Kaufhof) kennen auch wir fast auswendig. Nicht zu vergessen natürlich die unnachahmlichen Zeichentrickbeiträge. Ach, warum sage ich Ihnen das alles: Sie kennen sich natürlich tausendmal besser aus.
Ist Loriots Humor typisch Deutsch? frag' ich mich. Ein bißchen Gesellschaftskritik, ein wenig Spießbürgerspott, etwas unerwartetes Komisches in durchaus normalen Situationen. Würden Spanier aber lachen können über zwei ehrenwerte nackte Männer in einer leeren Badewanne trotz des amüsanten Dialogs? Ich frag' nur.
Der Herr Loriot hieß so, so hab' ich mir sagen lassen, weil eine Goldamsel (oder: ein Pirol) Teil seines Familienwappens ist. Auf Französisch heißt so ein Spaßvogel un loriot. Bei uns heißt er: de wielewaal, und sein herrlicher Gesang geht ungefähr so, wie im Lied hier oben: düdel-jo-ho.
Sehen Sie, das habe ich mir immer schon gedacht. Loriot hat etwas französisches in sich. Wie sonst ist es zu erklären, daß ich bei manchen Szenen und lustigen Streichen an einen anderen Franzosen denken muß? An Jacques Tati. Ja doch, manchmal haben der französische monsieur Hulot und der deutsche Herr Loriot etwas gemeinsam. Nicht nur die Endbuchstaben -ot.
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Montag, 22. August 2011
Bagatelle 120 - Ferienende
terra40, 00:17h
Für ungeübte Augen etwas schwierig zu lesen: dieses Titelwort. Ferien-Ende. Aber wir alle wissen, daß es nun, Ende August, allmählig mit der Ferienzeit zu Ende geht. Man sieht es an den Farben, draußen in der Natur. Man hört es: die aufgeregten Stimmen der vorbeiradelnden Schüler bei uns auf der Landstraße, die eine neue Schulsaison anfangen. Man liest es: die fast unglaublichen Feriengeschichten (vor allem über das Wetter) aus ferner Liefen welche uns die Bekannten auf ihren griechischen Postkarten schreiben. Man fühlt es: den zierlichen Großen Fritz aus feinstem Imitationsporzellan den uns die Tante Agathe aus dem United Kingdom von der königlichen Manufaktur hat mitgebracht. (Daß der gute Friedrich bis an seinem Porzellanende wegen eines Pferdesturzes ohne linkes Bein auskommen muß, kann man der Tante nicht ankreiden.)
Selber waren wir nicht dort. In den Ferien meine ich. Wir haben das ganze Jahr über Freizeit und wohnen am fast schönsten Fleckchen Erde das es gibt. Was wollen wir mehr? Nach Finnland, wo einem die Mücken von Kopf bis Fuß auffressen? Oder mit dem Nachtzug nach Bergamo (sieben Stunden Verspätung) um dort zu erfahren, daß das Reisebüro vergessen hat uns auch noch einen Platz zum übernachten zu reservieren? Velasquez anschauen in Madrid? Und dann sicher zwei Stunden Schlange stehen vor den Toren des Prado? In der brennenden Sonne, so daß von einigen Kunstkennern und -Liebhabern schließlich nur noch eine Pfütze menschlicher Überreste bleibt? Nein, dann bleiben wir lieber zuhause.
Das ist aber eine fast unzulässige, schlechte Angewohnheit, sagte uns ein guter Bekannter der gerade aus Minnesota zurückkam. Ab und zu muß man raus aus dem Alltag. Weg von allen Routinen, Sorgen und trostlosen Mühen des täglichen Lebens.
Ich glaube, er hat recht. Im kommenden Herbst holen wir alles nach. Wir fahren für einen Tag mit dem Omnibus nach der lieben Tante Agatha in Wolfenbüttel um dort zusammen einen high-tea zu trinken. Und den Donnerstagnachmittag darauf kann man uns radfahren sehen rundum den A-See in Bocholt (i.W). Dann holen wir alles das nach, wozu uns in den richtigen Ferien die Zeit gefehlt hat.
Selber waren wir nicht dort. In den Ferien meine ich. Wir haben das ganze Jahr über Freizeit und wohnen am fast schönsten Fleckchen Erde das es gibt. Was wollen wir mehr? Nach Finnland, wo einem die Mücken von Kopf bis Fuß auffressen? Oder mit dem Nachtzug nach Bergamo (sieben Stunden Verspätung) um dort zu erfahren, daß das Reisebüro vergessen hat uns auch noch einen Platz zum übernachten zu reservieren? Velasquez anschauen in Madrid? Und dann sicher zwei Stunden Schlange stehen vor den Toren des Prado? In der brennenden Sonne, so daß von einigen Kunstkennern und -Liebhabern schließlich nur noch eine Pfütze menschlicher Überreste bleibt? Nein, dann bleiben wir lieber zuhause.
Das ist aber eine fast unzulässige, schlechte Angewohnheit, sagte uns ein guter Bekannter der gerade aus Minnesota zurückkam. Ab und zu muß man raus aus dem Alltag. Weg von allen Routinen, Sorgen und trostlosen Mühen des täglichen Lebens.
Ich glaube, er hat recht. Im kommenden Herbst holen wir alles nach. Wir fahren für einen Tag mit dem Omnibus nach der lieben Tante Agatha in Wolfenbüttel um dort zusammen einen high-tea zu trinken. Und den Donnerstagnachmittag darauf kann man uns radfahren sehen rundum den A-See in Bocholt (i.W). Dann holen wir alles das nach, wozu uns in den richtigen Ferien die Zeit gefehlt hat.
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Freitag, 12. August 2011
Bagatelle 119 - Die Brücke am Tay
terra40, 22:37h
Früher, damals in der Realschule, hatten wir ein Heft voller Gedichte. Nicht selber gedichtet, wohl aber selbst darein geschrieben. (Ungefähr so wie Sie hier unten sehen.) Es waren nicht nur Gedichte in der Muttersprache, sondern auch welche in anderen (Fremd)sprachen. Beim mündlichen Teil des abschließenden Examens (Fachbereich Deutsch) mußte ich auf Wunsch des Examinators ein deutsches Gedicht aus diesem Heft so gut wie möglich aufsagen. Zwei Dinge sind wichtig, sagte unser Deutschlehrer bei der Vorbereitung. Denkt daran: man sollte das Gedicht auswendig kennen und vor allem: achte auf die Aussprache!
Tand, tand,
ist das Gebilde von Menschenhand.
Zwei Zeilen aus meinem Deutschgedicht. Was das Wort 'Tand' bedeutete, wußte ich nicht. Es war mir auch nicht erklärt worden. Ich meinte, es hätte etwas zu tun mit meinen Zähnen, aber da lag ich völlig daneben. Was ich wohl wußte, war daß dieses Urteil über menschliche Bauwerke von drei fremdartigen Wesen ausgesprochen wurde. Später erfuhr ich, daß es die drei Hexen aus Shakespeares Macbeth waren. Sie wollten es den Menschen zeigen, indem sie eine neu errichtete Brücke über den Tay-Fluß (Dundee, Schottland, 1879) zerstörten, gerade in dem Moment da in einem schweren nachweihnachtlichen Sturm der Schnellzug nach Edinburgh passierte. Es war, so las ich irgendwo, 'eine Mahnung vor technikgläubiger Selbstüberhebung'.
Der Junge auf dem Deutschexamen kennt das Gedicht. Es scheint als hätte der Dichter, ein gewisser Theodor Fontane, es speziell für ihn gedichtet. Er kennt es auswendig. Er versucht spannendes in seiner Stimme zu vermitteln. Und Trauer, weil keiner das Unglück überlebt. Er bildet sich ein, daß er sieht wie der brennende Lokomotiv, hundert Fuß über dem Wasser, sich wie ein Kometenschweif in die dunkele Tiefe stürzt.
Im Jahre 1995 war ich mit einem Freund zu Besuch in Schottland, in Dundee. An einem freien Tag zeigte ein schottischer Kollege uns die Gegend. Plötzlich standen wir vor dem Wasser und sahen die Brücke. Ein Schild wies darauf hin, daß dies der river Tay sei. An dieser Stelle hätte sich vor langer Zeit ein Drama abgespielt. Die erst zwei Jahre alte Eisenbahnbrücke war durch den Sturm in sich zusammengebrochen. Der Edinburgher Zug mit allen Insassen verschwand spurlos in die Tiefe. Daß der berühmte Theodor Fontane davon gedichtet hatte, wurde nicht erwähnt. Auch nicht daß ein gewisser Terra dieses Gedicht bei einem Deutschexamen fehlerfrei aufsagen konnte.
Nachschrift: Erst neulich las ich irgendwo, daß das Wort 'Tand' so etwas bedeutete wie 'Kleinigkeit', 'Etwas unwichtiges'. Eine Bagatelle also.
Tand, tand,
ist das Gebilde von Menschenhand.
Zwei Zeilen aus meinem Deutschgedicht. Was das Wort 'Tand' bedeutete, wußte ich nicht. Es war mir auch nicht erklärt worden. Ich meinte, es hätte etwas zu tun mit meinen Zähnen, aber da lag ich völlig daneben. Was ich wohl wußte, war daß dieses Urteil über menschliche Bauwerke von drei fremdartigen Wesen ausgesprochen wurde. Später erfuhr ich, daß es die drei Hexen aus Shakespeares Macbeth waren. Sie wollten es den Menschen zeigen, indem sie eine neu errichtete Brücke über den Tay-Fluß (Dundee, Schottland, 1879) zerstörten, gerade in dem Moment da in einem schweren nachweihnachtlichen Sturm der Schnellzug nach Edinburgh passierte. Es war, so las ich irgendwo, 'eine Mahnung vor technikgläubiger Selbstüberhebung'.
Der Junge auf dem Deutschexamen kennt das Gedicht. Es scheint als hätte der Dichter, ein gewisser Theodor Fontane, es speziell für ihn gedichtet. Er kennt es auswendig. Er versucht spannendes in seiner Stimme zu vermitteln. Und Trauer, weil keiner das Unglück überlebt. Er bildet sich ein, daß er sieht wie der brennende Lokomotiv, hundert Fuß über dem Wasser, sich wie ein Kometenschweif in die dunkele Tiefe stürzt.
Im Jahre 1995 war ich mit einem Freund zu Besuch in Schottland, in Dundee. An einem freien Tag zeigte ein schottischer Kollege uns die Gegend. Plötzlich standen wir vor dem Wasser und sahen die Brücke. Ein Schild wies darauf hin, daß dies der river Tay sei. An dieser Stelle hätte sich vor langer Zeit ein Drama abgespielt. Die erst zwei Jahre alte Eisenbahnbrücke war durch den Sturm in sich zusammengebrochen. Der Edinburgher Zug mit allen Insassen verschwand spurlos in die Tiefe. Daß der berühmte Theodor Fontane davon gedichtet hatte, wurde nicht erwähnt. Auch nicht daß ein gewisser Terra dieses Gedicht bei einem Deutschexamen fehlerfrei aufsagen konnte.
Nachschrift: Erst neulich las ich irgendwo, daß das Wort 'Tand' so etwas bedeutete wie 'Kleinigkeit', 'Etwas unwichtiges'. Eine Bagatelle also.
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Samstag, 6. August 2011
Bagatelle 118 - Nachtmährzettelchen
terra40, 22:59h
Jetzt, wo immer wieder die Namen ansehnlicher Leute auftauchen, Politiker vor allem, die ihren Doktortitel anscheinend zu Unrecht erworben haben, wurde es auch für mich Zeit noch einmal der Frage nachzugehen wie und ob ich selber meinen Doktor gemacht habe. Ging damals alles wohl mit rechten Dingen zu? Fangen wir an beim Anfang.
Heute noch werde ich ab und zu eingeholt von einem Ereignis das seine Wurzeln in meiner Studentenzeit hat, die schon viele Jahre hinter mir liegt. Es ist ein Traum. Allmählich mit Zügen einer Nachtmähre. A nightmare, een nachtmerrie, oder wenn Sie wollen: ein Albtraum.
Sechs Jahre dauerte mein Studium. In diesen Jahren hab' ich unzählige Tentamina, Tests und (Zwischen-)Prüfungen durchstehen müssen. Manchmal ist es gut, daß ich viel dummes Zeug aufbewahre: so habe ich mir alle Tentamenzettelchen aus sechs Studienjahren aufbewahrt. Sie können gerne vorbei kommen und zählen helfen: es sind fast achtzig. Ungelogen. Wenn also ein gewisser Herr Karl Griesgrämer Jr., Untersuchungsrichter bei der Aachener Uni, zu mir kommt und fragt: Wo, mein lieber sogenannter Doktor Terra, wo ist der feste und überzeugende Beweis, daß Sie das Tentamen "Grundlagen der Entwicklungspsychologie" (Zweites Studienjahr) mit Erfolg abgeschlossen haben?, zeige ich ihm ein kleines aber unantastbares Zettelchen mit der Unterschrift aller verantwortlichen Professoren.
Ich kann also beweisen daß ich alle Tentamina, Examen, Tests und Prüfungen mindestens mit 'genügend' (manchmal auch mit 'gut' oder sogar mit 'ausgezeichnet') abgeschlossen habe. So weit, so gut. Weshalb dann dieser Albtraum?
Es gibt zu studierende Fachgebiete, oder Teile daraus, die so schwer sind, daß sie für einen normalen, menschlichen Geist kaum zu fassen sind. Bei solch einem Examen sind schon die Fragen unverständlich, geschweige denn daß man die Antworten parat hat. Bei dem Psychologiestudium waren das zum Beispiel (für mich) Teile der mathematischen Psychologie. Sehen Sie dort die Flecken auf meinem Arbeitszimmerteppich? Das sind die Schweiß- und Blutspuren welche geblieben sind nachdem ich mich vorbereitete auf ein psychologisches Mathematiktentamen.
Nun, nach so langer Zeit, träume ich oft daß ich mein Psychologiestudium wiederhole. Das Tentamen Mathematische Psychologie verschiebe ich immer wieder bis zum letzten Tag. Nimmerleinstag. In meinem Traum glaube ich, daß verschoben in der Tat aufgehoben gleicht. Dieses eine fehlende Zettelchen, man wird es nicht bemerken, so hoffe ich. Die sonstigen Fachgebiete mit all ihren Prüfungen und Examen sind überaus kein Problem. Ich weiß, daß ich mich selber betrüge: es kommt der Tag daß man auf die Tatsache stößt, daß mir ein wichtiges Zettelchen fehlt. Aber vorerst schließe ich die Augen davor.
Dann kommt der Traumtag wo ich - zusammen mit anderen Studenten - mein Studium beenden werde. Die Universtitätsaula ist vorbereitet, Professoren und Lektoren haben sich versammelt, Gäste sind eingeladen und gekommen, alles in festlicher Vorfreude eines großen Ereignisses. Eine halbe Stunde vor der großen Stunde kommt ein Fakultätsmitarbeiter zu mir: lieber Terra, wir vermissen einen deiner Zettel, den der Mathematischen Psychologie.
Die Welt stürzt in sich zusammen. Das Geheimnis ist aufgedeckt worden. Mein Studium wird nie und niemals mit einem Psychologendiplom abgeschlossen werden können.
Badend im Angstschweiß erwache ich. Mein Blick geht zuerst ein an die Wand über meinen Arbeitstisch. Gottseidank, da hängt es noch: mein Doktor-diplom. Mir höchstpersönlich überreicht von dem rector-magnificus meiner Universität.
Merkwürdig, solch eine Nachtmähre. Noch merkwürdiger war es zu erfahren, daß ich nicht der einzige bin dem genau diése Mähre in die Quere kommt. Viele Ex-Studenten leiden darunter. Auch sie vermissen in ihren Träumen ein Zettelchen.
Heute noch werde ich ab und zu eingeholt von einem Ereignis das seine Wurzeln in meiner Studentenzeit hat, die schon viele Jahre hinter mir liegt. Es ist ein Traum. Allmählich mit Zügen einer Nachtmähre. A nightmare, een nachtmerrie, oder wenn Sie wollen: ein Albtraum.
Sechs Jahre dauerte mein Studium. In diesen Jahren hab' ich unzählige Tentamina, Tests und (Zwischen-)Prüfungen durchstehen müssen. Manchmal ist es gut, daß ich viel dummes Zeug aufbewahre: so habe ich mir alle Tentamenzettelchen aus sechs Studienjahren aufbewahrt. Sie können gerne vorbei kommen und zählen helfen: es sind fast achtzig. Ungelogen. Wenn also ein gewisser Herr Karl Griesgrämer Jr., Untersuchungsrichter bei der Aachener Uni, zu mir kommt und fragt: Wo, mein lieber sogenannter Doktor Terra, wo ist der feste und überzeugende Beweis, daß Sie das Tentamen "Grundlagen der Entwicklungspsychologie" (Zweites Studienjahr) mit Erfolg abgeschlossen haben?, zeige ich ihm ein kleines aber unantastbares Zettelchen mit der Unterschrift aller verantwortlichen Professoren.
Ich kann also beweisen daß ich alle Tentamina, Examen, Tests und Prüfungen mindestens mit 'genügend' (manchmal auch mit 'gut' oder sogar mit 'ausgezeichnet') abgeschlossen habe. So weit, so gut. Weshalb dann dieser Albtraum?
Es gibt zu studierende Fachgebiete, oder Teile daraus, die so schwer sind, daß sie für einen normalen, menschlichen Geist kaum zu fassen sind. Bei solch einem Examen sind schon die Fragen unverständlich, geschweige denn daß man die Antworten parat hat. Bei dem Psychologiestudium waren das zum Beispiel (für mich) Teile der mathematischen Psychologie. Sehen Sie dort die Flecken auf meinem Arbeitszimmerteppich? Das sind die Schweiß- und Blutspuren welche geblieben sind nachdem ich mich vorbereitete auf ein psychologisches Mathematiktentamen.
Nun, nach so langer Zeit, träume ich oft daß ich mein Psychologiestudium wiederhole. Das Tentamen Mathematische Psychologie verschiebe ich immer wieder bis zum letzten Tag. Nimmerleinstag. In meinem Traum glaube ich, daß verschoben in der Tat aufgehoben gleicht. Dieses eine fehlende Zettelchen, man wird es nicht bemerken, so hoffe ich. Die sonstigen Fachgebiete mit all ihren Prüfungen und Examen sind überaus kein Problem. Ich weiß, daß ich mich selber betrüge: es kommt der Tag daß man auf die Tatsache stößt, daß mir ein wichtiges Zettelchen fehlt. Aber vorerst schließe ich die Augen davor.
Dann kommt der Traumtag wo ich - zusammen mit anderen Studenten - mein Studium beenden werde. Die Universtitätsaula ist vorbereitet, Professoren und Lektoren haben sich versammelt, Gäste sind eingeladen und gekommen, alles in festlicher Vorfreude eines großen Ereignisses. Eine halbe Stunde vor der großen Stunde kommt ein Fakultätsmitarbeiter zu mir: lieber Terra, wir vermissen einen deiner Zettel, den der Mathematischen Psychologie.
Die Welt stürzt in sich zusammen. Das Geheimnis ist aufgedeckt worden. Mein Studium wird nie und niemals mit einem Psychologendiplom abgeschlossen werden können.
Badend im Angstschweiß erwache ich. Mein Blick geht zuerst ein an die Wand über meinen Arbeitstisch. Gottseidank, da hängt es noch: mein Doktor-diplom. Mir höchstpersönlich überreicht von dem rector-magnificus meiner Universität.
Merkwürdig, solch eine Nachtmähre. Noch merkwürdiger war es zu erfahren, daß ich nicht der einzige bin dem genau diése Mähre in die Quere kommt. Viele Ex-Studenten leiden darunter. Auch sie vermissen in ihren Träumen ein Zettelchen.
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Sonntag, 31. Juli 2011
Bagatelle 117 - Terra Gladiola
terra40, 12:48h
Die Gladiole, ich meine die gezüchtete Gartengladiole (gladiolus hortulanus) und nicht die wilde oder verwilderte Schwertblume, stammt aus der Familie der Schwertliliengewächse. Dieser erster Satz mag den Anschein erwecken, daß hier ein Kenner, Liebhaber und vielleicht sogar ein Botaniker spricht. Das Gegenteil ist der Fall: ich weiß ebenso wenig von Blumen und Pflanzen als die meisten unter uns. Aber ich liebe und genieße sie. Das schon.
Mit der Gladiole verbindet mich ein Haß-Liebe-Verhältnis. Einerseits hasse ich ihre Üppigkeit: es ist alles viel zu viel vom guten. Sehen Sie sich die unsagbar schöne Farben an. Mehr als genug für éine Blume, dies wunderbare rot-orange, aber warum müssen es so viele, mindestens fünf und meistens fünfzehn, an nur einem Stiehl sein? Und diese herrliche Linien und Formen! An den Blättern kann man sich, wenn man will, schneiden, aber trotzdem bildschön!
Wie im römischen Reich gibt es in meinem Lande die Gewohnheit einem Sieger Blumen zu schenken und zwar Gladiolen. Der frühere Radrennfahrer und Tour-de-France-Teilnehmer Gerrie Knetemann hat uns einen großartigen Ausdruck hinterlassen. Er sagte einmal, als er sich fast zum Tode quälte beim Versuch eine Tour-Etappe zu gewinnen: in diesem Augenblick war es für mich "der Tod oder die Gladiolen". Entweder leiden, verzagen, und aufgeben müssen, oder siegen, triumphieren und siebzehn Gladiolen in einem Bündel bekommen als Siegerpreis. Jahre später hat Louis van Gaal, ein nicht ganz unbekannter Fußballtrainer (FC Bayern kann ein Lied davon singen) diesen Spruch in Deutschland importiert.
Dicht gegen die Hinterseite unseres alten Bauernhofes lebt seit Jahren eine besondere Gladiole. Laut Madame Terra schon mehr als zwanzig Jahren. Sie verweilt zwischen mehr oder weniger verwilderten Pflanzen von denen ich den Namen schon nicht mehr weiß. Einiges Unkraut ist auch dabei. Im Juli jeden Jahres ist sie aber da! Sie streckt ihren wunderbaren Hals zum Himmel und zaubert einige grandiosen rötlich-orangefarbigen Blumen zum Vorschein. Im Herbst, wenn ich ihre dürre Blätter und längst ausgeblühten Blumen entfernt habe, verschwindet sie. Sie zieht sich zurück in die schützende Erde. Nichts von ihr läßt sich mehr blicken. Unsere Gladiole hat, wie alle andere Gladiolen auch, ein Überdauerungsorgan! So hat mir ein Fachmann das alles erklärt. Es sei eine Knolle, welche unserer Gladiole hilft den strengen Winter zu überstehen. Ach, wie gerne hätte auch ich solch ein Überdauerungsorgan!
Zwischen der Universitätsstadt Nimwegen und Kleve (am Niederrhein) führt eine fast gerade-gehende Straße. Über Donsbrüggen, Nütterden und Kranenburg. Es ist eine via romana, eine Straße welche römische Festungen (Nimwegen, Kleve, Xanten) mit einander verband. Wenn im Juli 2011 die tausenden Fußgänger und Wanderer die Vier-Tage-Märsche in Nimwegen (immerhin 4*40 Kilometer pro Tag im Schnitt) mit Erfolg vollendet haben, gehen sie über einen Teil dieser via romana. In Nimwegen ist es die Sankt Annastraße, aber in diesen Tagen besser bekannt als die Via Gladiola. Warum können Sie sich denken.
Mit der Gladiole verbindet mich ein Haß-Liebe-Verhältnis. Einerseits hasse ich ihre Üppigkeit: es ist alles viel zu viel vom guten. Sehen Sie sich die unsagbar schöne Farben an. Mehr als genug für éine Blume, dies wunderbare rot-orange, aber warum müssen es so viele, mindestens fünf und meistens fünfzehn, an nur einem Stiehl sein? Und diese herrliche Linien und Formen! An den Blättern kann man sich, wenn man will, schneiden, aber trotzdem bildschön!
Wie im römischen Reich gibt es in meinem Lande die Gewohnheit einem Sieger Blumen zu schenken und zwar Gladiolen. Der frühere Radrennfahrer und Tour-de-France-Teilnehmer Gerrie Knetemann hat uns einen großartigen Ausdruck hinterlassen. Er sagte einmal, als er sich fast zum Tode quälte beim Versuch eine Tour-Etappe zu gewinnen: in diesem Augenblick war es für mich "der Tod oder die Gladiolen". Entweder leiden, verzagen, und aufgeben müssen, oder siegen, triumphieren und siebzehn Gladiolen in einem Bündel bekommen als Siegerpreis. Jahre später hat Louis van Gaal, ein nicht ganz unbekannter Fußballtrainer (FC Bayern kann ein Lied davon singen) diesen Spruch in Deutschland importiert.
Dicht gegen die Hinterseite unseres alten Bauernhofes lebt seit Jahren eine besondere Gladiole. Laut Madame Terra schon mehr als zwanzig Jahren. Sie verweilt zwischen mehr oder weniger verwilderten Pflanzen von denen ich den Namen schon nicht mehr weiß. Einiges Unkraut ist auch dabei. Im Juli jeden Jahres ist sie aber da! Sie streckt ihren wunderbaren Hals zum Himmel und zaubert einige grandiosen rötlich-orangefarbigen Blumen zum Vorschein. Im Herbst, wenn ich ihre dürre Blätter und längst ausgeblühten Blumen entfernt habe, verschwindet sie. Sie zieht sich zurück in die schützende Erde. Nichts von ihr läßt sich mehr blicken. Unsere Gladiole hat, wie alle andere Gladiolen auch, ein Überdauerungsorgan! So hat mir ein Fachmann das alles erklärt. Es sei eine Knolle, welche unserer Gladiole hilft den strengen Winter zu überstehen. Ach, wie gerne hätte auch ich solch ein Überdauerungsorgan!
Zwischen der Universitätsstadt Nimwegen und Kleve (am Niederrhein) führt eine fast gerade-gehende Straße. Über Donsbrüggen, Nütterden und Kranenburg. Es ist eine via romana, eine Straße welche römische Festungen (Nimwegen, Kleve, Xanten) mit einander verband. Wenn im Juli 2011 die tausenden Fußgänger und Wanderer die Vier-Tage-Märsche in Nimwegen (immerhin 4*40 Kilometer pro Tag im Schnitt) mit Erfolg vollendet haben, gehen sie über einen Teil dieser via romana. In Nimwegen ist es die Sankt Annastraße, aber in diesen Tagen besser bekannt als die Via Gladiola. Warum können Sie sich denken.
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Montag, 25. Juli 2011
Bagatelle 116 - Wetterstein
terra40, 23:51h
Seit eh und je helfen alte Bauernregeln uns bei der Wettervorhersage. Abendrot verspricht am nächsten Tag schönes Wetter und Morgenrot sagt im Laufe des Tages Regen voraus. Und wer kennt nicht den trostreichen Spruch: "… wenn's morgens friert in Mai, ist der Monat April vorbei." Also.
Manche schwören beim Wolfenbütteler Anzeiger, diesem kleinen Büchlein, worin man nicht nur die Kölner Markttage, sondern auch das Wetter im kommenden Monat erfahren kann. Und wenn bei uns zuhause die alte Scheunediele schwitzend naß ausschlägt, sagen wir: glaub uns, es kommt Regen. Und wir singen zusammen mit Schuberts Schönen Müllerin weiter: Ich glaub' es kommt ein Regen, Ade, ich geh' nach Haus.
Das Bild hier oben kann man bei uns in der Gegend beim wandern oder radfahren sehen. Es zeigt uns eine Landstraße, einen freundlichen Bauernhof, eine Bank, einen Stein, ein Schild, einen Abfallkorb. Wißt ihr was? Wir halten an, stellen das Rad hinterm Baum und bevor wir uns auf die Bank setzen, betrachten wir uns den Stein und lesen was auf dem Schild geschrieben steht. Die Gegend heißt Binnen-Heurne, hätte sich aber auch Unter-Hasselberg nennen können. Der Name tut eigentlich nicht zur Sache. Es gibt hier offenbar ein örtlicher Heimatverein (oder so was). Die Bank ist von den Vereinsmitgliedern gestiftet worden anläßlich ihres 15-Jährigen Bestehens.
Sehen wir uns jetzt den Stein an. Die Form erinnert uns einigermaßen an einem Körperteil das einem schmunzeln läßt. Wir lassen die Hand auf der Steinoberfläche ruhen und fühlen abwechselnd Glätte, Risse und Rillen.
Es ist ein Wetterstein. Die Nachbarschaft weiß bescheid: ihr braucht man nichts weiteres zu sagen. Dem fremden Reisenden aber, der überhaupt nichts vom Bestehen von Wettersteinen weiß, wird auf einem Schild klar und deutlich gemacht auf welche Weise uns der Stein hilft beim Betrachten der hiesigen Wetterlage.
In einer Tabelle sieht das so aus. (Die Kosten der Übersetzung vom Niederländischen ins Deutsche übernimmt hoffentlich der Gemeindekulturkreis.)
der Stein zeigt sich -> das Wetter zeigt sich:
trocken -> schön
naß -> regnerisch
warm -> sonnig
unsichtbar -> neblich trübe
beweglich -> windig
kalt -> frostig
weiß -> schneewetter
blau -> steinkalt
Oben steht geschrieben: Der Binnenheurnse Wetterstein - Das Wetter von Minute zu Minute. Unten liest man: Gestiftet am 7. Juni 2009 anläßlich des 15-jährigen Bestehens des Nachbarschaftsverein.
Da möchte man doch wohnen! In solch einer ungemein gemeinnützlichen, nachbarschaftlichen Gegend. Wo man noch etwas für den anderen übrig hat. Oder?
Manche schwören beim Wolfenbütteler Anzeiger, diesem kleinen Büchlein, worin man nicht nur die Kölner Markttage, sondern auch das Wetter im kommenden Monat erfahren kann. Und wenn bei uns zuhause die alte Scheunediele schwitzend naß ausschlägt, sagen wir: glaub uns, es kommt Regen. Und wir singen zusammen mit Schuberts Schönen Müllerin weiter: Ich glaub' es kommt ein Regen, Ade, ich geh' nach Haus.
Das Bild hier oben kann man bei uns in der Gegend beim wandern oder radfahren sehen. Es zeigt uns eine Landstraße, einen freundlichen Bauernhof, eine Bank, einen Stein, ein Schild, einen Abfallkorb. Wißt ihr was? Wir halten an, stellen das Rad hinterm Baum und bevor wir uns auf die Bank setzen, betrachten wir uns den Stein und lesen was auf dem Schild geschrieben steht. Die Gegend heißt Binnen-Heurne, hätte sich aber auch Unter-Hasselberg nennen können. Der Name tut eigentlich nicht zur Sache. Es gibt hier offenbar ein örtlicher Heimatverein (oder so was). Die Bank ist von den Vereinsmitgliedern gestiftet worden anläßlich ihres 15-Jährigen Bestehens.
Sehen wir uns jetzt den Stein an. Die Form erinnert uns einigermaßen an einem Körperteil das einem schmunzeln läßt. Wir lassen die Hand auf der Steinoberfläche ruhen und fühlen abwechselnd Glätte, Risse und Rillen.
Es ist ein Wetterstein. Die Nachbarschaft weiß bescheid: ihr braucht man nichts weiteres zu sagen. Dem fremden Reisenden aber, der überhaupt nichts vom Bestehen von Wettersteinen weiß, wird auf einem Schild klar und deutlich gemacht auf welche Weise uns der Stein hilft beim Betrachten der hiesigen Wetterlage.
In einer Tabelle sieht das so aus. (Die Kosten der Übersetzung vom Niederländischen ins Deutsche übernimmt hoffentlich der Gemeindekulturkreis.)
der Stein zeigt sich -> das Wetter zeigt sich:
trocken -> schön
naß -> regnerisch
warm -> sonnig
unsichtbar -> neblich trübe
beweglich -> windig
kalt -> frostig
weiß -> schneewetter
blau -> steinkalt
Oben steht geschrieben: Der Binnenheurnse Wetterstein - Das Wetter von Minute zu Minute. Unten liest man: Gestiftet am 7. Juni 2009 anläßlich des 15-jährigen Bestehens des Nachbarschaftsverein.
Da möchte man doch wohnen! In solch einer ungemein gemeinnützlichen, nachbarschaftlichen Gegend. Wo man noch etwas für den anderen übrig hat. Oder?
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Montag, 18. Juli 2011
Bagatelle 115 - Quotum, eine baltische Erzählung (2)
terra40, 13:39h
(Die Leserinnen und Leser die sich fragen wie diese Geschichte überhaupt angefangen hat, werden herzlichst eingeladen die vorhergehende Bagatelle 114 zu lesen.)
In diesem zweiten Teil wird die schreckliche Geschichte um Wanja, Tanja und König Twan aus Leppland fortgesetzt und finalisiert. Es wird also, wie auch immer, zu einem Ende kommen. Ein dritter Teil ist nicht vorgesehen. Wie fast alle andere Einwohner Lepplands setzen wir uns vor den Fernsehbildschirm um uns die Ansprache des geliebtgefürchteten Diktatorfürsten anzusehen. Das ganze Land schaudert schon im voraus. Auf den Straßen herrscht todesstille.
Zwei Aspekte aus der Ansprache des Königs Twan, heute abend vor den Augen und Ohren von ganz fernsehend Leppland, bleiben im kollektiven Bewußtsein hängen. Erstens die drohende Worte, an die zwei streitenden Schreinermeister Tanja und Wanja gerichtet. Sie werden, zwar auf Bewährung, verurteilt zu (nach eigener Wahl): (a) 25 Jahre Verbannung in den semi-demokratischen Westen, (b) eine Geldbuße von 2½ Millionen läppischen Franken, oder (c) ein zweimaliges Kielholen im Baltischen Eismeer. Bei jeder auch noch so kleinen Wiederholung folgt unmißverständlich die ultimative Strafe, nämlich die Guillotine. "Und euch allen, die mir zuhören, rate ich dringend, sich diese Worte in den Ohren zu knöpfen." Also beschloß der Diktator seine Rede, die im Fernsehstudio und draußen vor der Tür mit tosendem Beifall begleitet wurde.
Das zweite in 's Königs Worten das wir nie vergessen werden, ist das Quotum. (Unter uns: manche Leser werden gefragt haben warum wohl diese zwei Bagatellen heißen wie sie heißen, nun wissen wir es.) Für sowohl Wanja als Tanja wird morgen eine verbindliche Liste erscheinen von Gegenständen welche sie jährlich erlaubt sind in ihren Werkstätten herzustellen. Es sind sage und schreibe nicht mehr als
60 Aussteuerkisten
100 Kabinettstückchen
36 sidetables (das Leppische Wort hierfür fehlt mir)
18 altmodische Büfetts
76 Nachttische (inklusive Nachttopfdeckel)
84 Bücherschränke (hoch Modell)
22 Kautsche oder ebensoviele Coutsche
122 Särge
23 Lehnstühle
44 Stück allesmögliches Trödelwerk
Diese herzustellende Gegenstände werden peinlich genau auf den zwei Schreinermeistern verteilt. Für jeden die Hälfte.
Über den Daumen ist jedermann zufrieden, sei es daß es allerdings einige Ungereimtheiten gibt. So werden dieses Jahr die 61. und folgende Bräute im Lande Leppland sich überlegen müssen, ob es nicht besser sei die Heirat um ein Jahr zu verschieben. Und alle oberhalb der 122 Leute die den Plan hatten sich dieses Jahr vom irdischen Leben zu verabschieden, müssen sich das noch einmal überlegen.
So ist immer was zu beklagen. Aber unter dem Strich kann man zufrieden sein, sagt der Schreinermeister Wanja, und der kann's ja wissen.
Nachtrag:
- Wiederholung der Fernsehsendung folgt in wenigen Tagen bei Phoenix.
- Die schauderhaft/schöne Zeichnung hierunter: König Twan bei seiner Lieblingsbeschäftigung, ist unverkennbar das Werk von Yrrah (1971: Querido/Amsterdam)
In diesem zweiten Teil wird die schreckliche Geschichte um Wanja, Tanja und König Twan aus Leppland fortgesetzt und finalisiert. Es wird also, wie auch immer, zu einem Ende kommen. Ein dritter Teil ist nicht vorgesehen. Wie fast alle andere Einwohner Lepplands setzen wir uns vor den Fernsehbildschirm um uns die Ansprache des geliebtgefürchteten Diktatorfürsten anzusehen. Das ganze Land schaudert schon im voraus. Auf den Straßen herrscht todesstille.
Zwei Aspekte aus der Ansprache des Königs Twan, heute abend vor den Augen und Ohren von ganz fernsehend Leppland, bleiben im kollektiven Bewußtsein hängen. Erstens die drohende Worte, an die zwei streitenden Schreinermeister Tanja und Wanja gerichtet. Sie werden, zwar auf Bewährung, verurteilt zu (nach eigener Wahl): (a) 25 Jahre Verbannung in den semi-demokratischen Westen, (b) eine Geldbuße von 2½ Millionen läppischen Franken, oder (c) ein zweimaliges Kielholen im Baltischen Eismeer. Bei jeder auch noch so kleinen Wiederholung folgt unmißverständlich die ultimative Strafe, nämlich die Guillotine. "Und euch allen, die mir zuhören, rate ich dringend, sich diese Worte in den Ohren zu knöpfen." Also beschloß der Diktator seine Rede, die im Fernsehstudio und draußen vor der Tür mit tosendem Beifall begleitet wurde.
Das zweite in 's Königs Worten das wir nie vergessen werden, ist das Quotum. (Unter uns: manche Leser werden gefragt haben warum wohl diese zwei Bagatellen heißen wie sie heißen, nun wissen wir es.) Für sowohl Wanja als Tanja wird morgen eine verbindliche Liste erscheinen von Gegenständen welche sie jährlich erlaubt sind in ihren Werkstätten herzustellen. Es sind sage und schreibe nicht mehr als
60 Aussteuerkisten
100 Kabinettstückchen
36 sidetables (das Leppische Wort hierfür fehlt mir)
18 altmodische Büfetts
76 Nachttische (inklusive Nachttopfdeckel)
84 Bücherschränke (hoch Modell)
22 Kautsche oder ebensoviele Coutsche
122 Särge
23 Lehnstühle
44 Stück allesmögliches Trödelwerk
Diese herzustellende Gegenstände werden peinlich genau auf den zwei Schreinermeistern verteilt. Für jeden die Hälfte.
Über den Daumen ist jedermann zufrieden, sei es daß es allerdings einige Ungereimtheiten gibt. So werden dieses Jahr die 61. und folgende Bräute im Lande Leppland sich überlegen müssen, ob es nicht besser sei die Heirat um ein Jahr zu verschieben. Und alle oberhalb der 122 Leute die den Plan hatten sich dieses Jahr vom irdischen Leben zu verabschieden, müssen sich das noch einmal überlegen.
So ist immer was zu beklagen. Aber unter dem Strich kann man zufrieden sein, sagt der Schreinermeister Wanja, und der kann's ja wissen.
Nachtrag:
- Wiederholung der Fernsehsendung folgt in wenigen Tagen bei Phoenix.
- Die schauderhaft/schöne Zeichnung hierunter: König Twan bei seiner Lieblingsbeschäftigung, ist unverkennbar das Werk von Yrrah (1971: Querido/Amsterdam)
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Donnerstag, 14. Juli 2011
Bagatelle 114 - Quotum, eine Baltische Erzählung (1)
terra40, 21:45h
Diesmal eine schauderhaft schwarze Geschichte in zwei Teilen. Heute der erste Teil, worin die drei Hauptpersonen sich vorstellen, die Geschichte sich entwickelt und die Spannung wächst. Weil man nicht alles zu gleicher Zeit haben kann, folgt erst in einigen Tagen der erlösende zweite Teil.
Ein zweigeteiltes Märchen also, aber nichts für Leserinnen und Leser mit schwachen Nerven. Anderseits kann man guten Gewissens den jüngeren Bloggern erlauben diese Erzählung zu lesen. Man kann sie sogar den kleinsten unter uns, die selber noch nicht lesen können, anbieten. Bitte vorlesen also. Kinder lieben solche Ungereimtheiten.
Fern im Osten, dort wo die Sonne morgens ihre Reise beginnt, und genau an dem Punkt wo der Regenbogen den Horizont berührt, liegt Leppland. (Nein, nicht Lappland oder Lettland, man sollte genauer lesen.) Hier in Leppland wohnt der Schreinermeister Wanja, eine der Hauptpersonen aus dieser erbärmlich tragischen Geschichte. Mit Ehefrau und zwei Kindern wohnt er hier, geht seine Arbeit nach und ist glücklich. In sofern man glücklich sein kann in einem Land, das von einem richtig altmodischen Diktator regiert wird, ein Schelm der schlimmsten Sorte, auch wenn er König ist und hellblaues Blut durch seine königlichen Venen fließt. Im täglichen Leben merkt man aber nicht viel davon, sagt der Schreinermeister Wanja und der kann 's wissen.
Wanja ist wie gesagt Schreiner von Beruf. Er ist der einzige im Lande Leppland der sich so nennen darf. Man könnte ihn auch Möbelmachermeister nennen. Aber niemals Zimmermann, denn dann wirft er dir einen Hammer an die Stirn. Lattenkisten für Gurken und Tomaten, die besorgt mir der Zimmermann. Der Schreiner aber entwirft und baut die schönst denkbaren Möbel: eine Brautkiste, den prächtigen mahagonihölzernen Schrank im Vorzimmer und auch den Sarg aus schlichter Eiche.
Heute Abend wird der leppische (nein, nicht läppische, Sie machen wieder einen Fehler) König Twan seine Fernsehansprache halten. König Twan heißt eigentlich König Antoine und ist der Ur-Ur-Urenkel eines französischen Generals der mit Napoleon nach Osten zog und in dem baltischen Dreieck hängen blieb.
König Twan ist Diktator mit Herz und Seele. Sein Leibspruch lautet: tempus fugit, manon lescaut. Das heißt: die Zeit flieht dahin, aber wie schnell, entscheide nur ich. Die Leppschen Bürger leiden sehr unter König Twans Herrschaft, aber nicht sosehr daß sie davon Bauchschmerzen bekommen. König Twan hat einmal per Dekret und Erlaß verordnet, (Grundgesetz Artikel 2) daß die Leppischen Bürger in Friede mit einander auskommen sollen. Streit und Zank sind strengstens verboten! Sowohl mit Worten als mit Taten! Eine Zuwiderhandlung oder sogar die Ignorierung dieses Gesetzes kommt nicht in Frage. Ausgeschlossen. Friede, Freude, Frökse (Eierkuchen auf Leppisch) sind die zentrale Werte. Morgens beim Flagge zeigen und Nationalhymne singen auf den Schulhöfen wird jeder Leppische Schüler daran erinnert. Und wehe dem der mit seinem Nachbar einen Streit anfängt! Von Jugend auf wird jedem Lepp und jeder Leppin diese Wahrheit ans Herz gelegt.
Die Unruhe fing an als Tanja aus dem Nachbarland Lottland eintraf und sich in Prutswerk, der zweiten Stadt des Landes, niederließ. Er meldete in der örtlichen Zeitung daß er (so wörtlich) 'den Bürgern seine Dienste anbot als erfahrener, möbelherstellender Schreinermeister. Sein neuester Nachttisch habe auf dem diesjährigen Möbelwettbewerb in Lottland den ersten Preis errungen'. Schlimmer war, daß Tanja behauptete, daß es keinen Grund gäbe warum in den Leppischen Gefilden sich nur ein (1) Mensch dem Schreinerberuf widmen dürfe. Konkurrenz fördere das Geschäft, sagte Tanja. Dabei kam noch, daß König Twan irrtümlicherweise (seine Gedanken waren irgendwo anderswo) eine Keine-Beschwerde-Erklärung unterzeichnet hatte.
Somit war der Streit zwischen den beiden Schreinermeistern fast vorprogrammiert. Es fing verbal an. Der Schreiner Wanja behauptete in einem offenen Brief, daß der sidetable den der Konkurrent Tanja gebaut hatte, sich beim richtigen Betrachten besser tot schämen sollte. Worauf Tanja in einem Rundfunkinterview Wanja den Rat gab möglichst bald in Rente zu gehen, weil seine Entwürfe den Anforderungen der Neuzeit nicht gewachsen seien. Geschweige denn seine Leichensärge aus Fichtenholz, von denen sehr viele Leppschen Mitbürger, wie er gehört haben wolle, behaupteten niemals darin bestattet werden zu wollen. Wie man sieht wurde der Streit immer heftiger und die Sätze immer komplizierter.
Seit gestern spitzt sich die Lage dramatisch zu. (So schrieb auch Die Neueste Leppische in ihrer Sonntagsausgabe.) Die beiden Kontrahenten grüßten sich nicht mehr, bei der Aldi verweigerten sich ihre Ehefrauen mit ihren Schubkarren die Vorfahrt, und beide Parteien suchten bei facebook Unterstützung und Anerkennung.
Bis heute war es um den königlichen Palast ruhig und stille. Bis die Nachricht kam, daß König Twan sich heute abend im Ersten und Einzigen Leppischen Fernsehen (ELF) an das Volk wenden werde. Diejenigen die es wissen können und die welche es wissen sollten, mutmaßen jetzt was uns der König Twan (der Schreckliche, wie ihn die Leute nennen) wohl sagen wird. Manche fürchten ein fürchterliches diktatoriales Verdikt mit greuelhaften Strafen von denen wir uns keine Vorstellung machen können.
In Spannung warten wir die Ansprache ab. Der König wird um 20 Uhr das Wort ergreifen. Von 19.30 Uhr an werden die leppischen Fernsehanalysten und Weissager ihre Vermutungen auf uns loslassen. Eine Minute vor Acht folgt dann die erste hochrechnende Trendmeldung. Um 21.30 ist eine Extra-Sendung der Tagesthemen vorgesehen, wo Frau Therese Althammers und ihr Gefolge uns die Königsworte erklären und deuten. Schade nur, daß man uns, richtige Sachkundige die es wirklich wissen, für die Diskussion nicht eingeladen hat. Schade auch daß wir hier bei blogger.de einige Tage warten müssen um den Ablauf dieser horribelen Geschichte zu erfahren.
Zugabe: die Bilder zeigen ein leppisches Schreinermeisterwerk wie es bei Frau und Herr Terra in der guten Stube steht.
Ein zweigeteiltes Märchen also, aber nichts für Leserinnen und Leser mit schwachen Nerven. Anderseits kann man guten Gewissens den jüngeren Bloggern erlauben diese Erzählung zu lesen. Man kann sie sogar den kleinsten unter uns, die selber noch nicht lesen können, anbieten. Bitte vorlesen also. Kinder lieben solche Ungereimtheiten.
Fern im Osten, dort wo die Sonne morgens ihre Reise beginnt, und genau an dem Punkt wo der Regenbogen den Horizont berührt, liegt Leppland. (Nein, nicht Lappland oder Lettland, man sollte genauer lesen.) Hier in Leppland wohnt der Schreinermeister Wanja, eine der Hauptpersonen aus dieser erbärmlich tragischen Geschichte. Mit Ehefrau und zwei Kindern wohnt er hier, geht seine Arbeit nach und ist glücklich. In sofern man glücklich sein kann in einem Land, das von einem richtig altmodischen Diktator regiert wird, ein Schelm der schlimmsten Sorte, auch wenn er König ist und hellblaues Blut durch seine königlichen Venen fließt. Im täglichen Leben merkt man aber nicht viel davon, sagt der Schreinermeister Wanja und der kann 's wissen.
Wanja ist wie gesagt Schreiner von Beruf. Er ist der einzige im Lande Leppland der sich so nennen darf. Man könnte ihn auch Möbelmachermeister nennen. Aber niemals Zimmermann, denn dann wirft er dir einen Hammer an die Stirn. Lattenkisten für Gurken und Tomaten, die besorgt mir der Zimmermann. Der Schreiner aber entwirft und baut die schönst denkbaren Möbel: eine Brautkiste, den prächtigen mahagonihölzernen Schrank im Vorzimmer und auch den Sarg aus schlichter Eiche.
Heute Abend wird der leppische (nein, nicht läppische, Sie machen wieder einen Fehler) König Twan seine Fernsehansprache halten. König Twan heißt eigentlich König Antoine und ist der Ur-Ur-Urenkel eines französischen Generals der mit Napoleon nach Osten zog und in dem baltischen Dreieck hängen blieb.
König Twan ist Diktator mit Herz und Seele. Sein Leibspruch lautet: tempus fugit, manon lescaut. Das heißt: die Zeit flieht dahin, aber wie schnell, entscheide nur ich. Die Leppschen Bürger leiden sehr unter König Twans Herrschaft, aber nicht sosehr daß sie davon Bauchschmerzen bekommen. König Twan hat einmal per Dekret und Erlaß verordnet, (Grundgesetz Artikel 2) daß die Leppischen Bürger in Friede mit einander auskommen sollen. Streit und Zank sind strengstens verboten! Sowohl mit Worten als mit Taten! Eine Zuwiderhandlung oder sogar die Ignorierung dieses Gesetzes kommt nicht in Frage. Ausgeschlossen. Friede, Freude, Frökse (Eierkuchen auf Leppisch) sind die zentrale Werte. Morgens beim Flagge zeigen und Nationalhymne singen auf den Schulhöfen wird jeder Leppische Schüler daran erinnert. Und wehe dem der mit seinem Nachbar einen Streit anfängt! Von Jugend auf wird jedem Lepp und jeder Leppin diese Wahrheit ans Herz gelegt.
Die Unruhe fing an als Tanja aus dem Nachbarland Lottland eintraf und sich in Prutswerk, der zweiten Stadt des Landes, niederließ. Er meldete in der örtlichen Zeitung daß er (so wörtlich) 'den Bürgern seine Dienste anbot als erfahrener, möbelherstellender Schreinermeister. Sein neuester Nachttisch habe auf dem diesjährigen Möbelwettbewerb in Lottland den ersten Preis errungen'. Schlimmer war, daß Tanja behauptete, daß es keinen Grund gäbe warum in den Leppischen Gefilden sich nur ein (1) Mensch dem Schreinerberuf widmen dürfe. Konkurrenz fördere das Geschäft, sagte Tanja. Dabei kam noch, daß König Twan irrtümlicherweise (seine Gedanken waren irgendwo anderswo) eine Keine-Beschwerde-Erklärung unterzeichnet hatte.
Somit war der Streit zwischen den beiden Schreinermeistern fast vorprogrammiert. Es fing verbal an. Der Schreiner Wanja behauptete in einem offenen Brief, daß der sidetable den der Konkurrent Tanja gebaut hatte, sich beim richtigen Betrachten besser tot schämen sollte. Worauf Tanja in einem Rundfunkinterview Wanja den Rat gab möglichst bald in Rente zu gehen, weil seine Entwürfe den Anforderungen der Neuzeit nicht gewachsen seien. Geschweige denn seine Leichensärge aus Fichtenholz, von denen sehr viele Leppschen Mitbürger, wie er gehört haben wolle, behaupteten niemals darin bestattet werden zu wollen. Wie man sieht wurde der Streit immer heftiger und die Sätze immer komplizierter.
Seit gestern spitzt sich die Lage dramatisch zu. (So schrieb auch Die Neueste Leppische in ihrer Sonntagsausgabe.) Die beiden Kontrahenten grüßten sich nicht mehr, bei der Aldi verweigerten sich ihre Ehefrauen mit ihren Schubkarren die Vorfahrt, und beide Parteien suchten bei facebook Unterstützung und Anerkennung.
Bis heute war es um den königlichen Palast ruhig und stille. Bis die Nachricht kam, daß König Twan sich heute abend im Ersten und Einzigen Leppischen Fernsehen (ELF) an das Volk wenden werde. Diejenigen die es wissen können und die welche es wissen sollten, mutmaßen jetzt was uns der König Twan (der Schreckliche, wie ihn die Leute nennen) wohl sagen wird. Manche fürchten ein fürchterliches diktatoriales Verdikt mit greuelhaften Strafen von denen wir uns keine Vorstellung machen können.
In Spannung warten wir die Ansprache ab. Der König wird um 20 Uhr das Wort ergreifen. Von 19.30 Uhr an werden die leppischen Fernsehanalysten und Weissager ihre Vermutungen auf uns loslassen. Eine Minute vor Acht folgt dann die erste hochrechnende Trendmeldung. Um 21.30 ist eine Extra-Sendung der Tagesthemen vorgesehen, wo Frau Therese Althammers und ihr Gefolge uns die Königsworte erklären und deuten. Schade nur, daß man uns, richtige Sachkundige die es wirklich wissen, für die Diskussion nicht eingeladen hat. Schade auch daß wir hier bei blogger.de einige Tage warten müssen um den Ablauf dieser horribelen Geschichte zu erfahren.
Zugabe: die Bilder zeigen ein leppisches Schreinermeisterwerk wie es bei Frau und Herr Terra in der guten Stube steht.
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Donnerstag, 7. Juli 2011
Bagatelle 113 - Ein Stuhl zum vorsitzen
terra40, 13:55h
In unserer kleinen Ortschaft (Kirche, Schule, Wirtshaus mit zugehörigem Festsaal, etwa 46 Einfamilienwohnungen, und weit ringsum einige Dutzend freiliegende Bauernhöfe) gibt es wie überall ein Volksfest (bei uns Oranjefeest genannt) und ein dazu gehöriges Festkomitee. Dieser Oranjefeest-Ausschuß organisiert das ganze Jahr hindurch für alt und jung allerhand Festivitäten. Er tut das gut und nach Zufriedenheit aller.
Nun aber hat der 1. Vorsitzende des Oranjevereins seinen Rücktritt erklärt. Die Gründe kennen wir nicht. Wir wollen sie auch nicht wissen: jedem seiner Privatsphäre, sicher auch unser 1. Vorsitzende, der so vorzüglich viele Jahre lang seine vorsitzende Arbeit getan hat. Es muß aber wohl ein neuer Vorsitzender her.
Heute ist Oranjefeest, ohne Zweifel der jährliche Höhepunkt. Ein wichtiger Programmteil ist der traditioneller Umzug. Jung und alt, individuell oder in Gruppen, fest- und fröhlich gekleidet, nimmt teil. Es ist quasi ein Karnevalszug, sei es daß hier nie mit Kamellen oder anderen eßbaren Sachen in die Menge geschmissen wird. Ein Fanfarenchor am Anfang, dahinten die Fahnenschwinger, und ein zweiter Musikverein als Schlußlicht; dazwischen fröhliche Kindergesichter auf orange-verzierten Fahrrädern und verkleidete Erwachsene welche die Zuschauer zum lachen bringen.
Dieses Jahr hat sich der Vereinsvorstand ein besonderen Wagen ausgedacht. Wir sehen den Stuhl des Ersten Vorsitzenden, mit recht einen heiligen Stuhl. Nur, der Stuhl ist leer. Ein Fragezeichen vermittelt die Unsicherheit. Ein Schild fordert auf uns zu besinnen auf die Frage wer der neue 1. Vorsitzende sein wird. "Wollen Sie nicht den leeren Stuhl besteigen? Wer möchte sich bewerben?"
Ein folgender Bildband zeigt uns den weiteren Ablauf.
Bild 1. Der Wagen in seiner vorbereitende Phase. Das Schild läßt verlauten: Der Allgemeine Heurnse Oranje Verein sucht sich einen neuen Vorsitzenden. Wer besteigt den Thron?
Bild 2. Letzte Aufmunterung: Namensschilder möglicher Kandidaten (Dominique Strauss-Kahn, Sepp Blatter, Geert Wilders) werden befestigt. Einige Vorstandsmitglieder in schwarz prüfen das ganze.
Bild 3. Intermezzo. Auch dieser kleine Teilnehmer mit seinem enthaupteten Vater (Terra's Schuld) freut sich.
Bild 4. Die vorderste Gruppe des Umzugs hat die Kirche erreicht. Mit Pauken und Trompeten, mit Flaggen und Fahnen werden die Zuschauer erfreut.
Bild 5. Mit viel Lärm und Qualm werden die Zuschauer auf die Dringlichkeit der Angelegenheit aufmerksam gemacht. Leibwächter schützen den Stuhl.
Bild 6. Der Vorstandswagen zieht vorbei. Die Zuschauer in Verwirrung zurücklassend.
Bild 7. Das Bild des neuen 1. Vorsitzenden kann Ihnen leider noch nicht präsentiert werden. Vielleicht in einer folgenden Bagatelle?
Nun aber hat der 1. Vorsitzende des Oranjevereins seinen Rücktritt erklärt. Die Gründe kennen wir nicht. Wir wollen sie auch nicht wissen: jedem seiner Privatsphäre, sicher auch unser 1. Vorsitzende, der so vorzüglich viele Jahre lang seine vorsitzende Arbeit getan hat. Es muß aber wohl ein neuer Vorsitzender her.
Heute ist Oranjefeest, ohne Zweifel der jährliche Höhepunkt. Ein wichtiger Programmteil ist der traditioneller Umzug. Jung und alt, individuell oder in Gruppen, fest- und fröhlich gekleidet, nimmt teil. Es ist quasi ein Karnevalszug, sei es daß hier nie mit Kamellen oder anderen eßbaren Sachen in die Menge geschmissen wird. Ein Fanfarenchor am Anfang, dahinten die Fahnenschwinger, und ein zweiter Musikverein als Schlußlicht; dazwischen fröhliche Kindergesichter auf orange-verzierten Fahrrädern und verkleidete Erwachsene welche die Zuschauer zum lachen bringen.
Dieses Jahr hat sich der Vereinsvorstand ein besonderen Wagen ausgedacht. Wir sehen den Stuhl des Ersten Vorsitzenden, mit recht einen heiligen Stuhl. Nur, der Stuhl ist leer. Ein Fragezeichen vermittelt die Unsicherheit. Ein Schild fordert auf uns zu besinnen auf die Frage wer der neue 1. Vorsitzende sein wird. "Wollen Sie nicht den leeren Stuhl besteigen? Wer möchte sich bewerben?"
Ein folgender Bildband zeigt uns den weiteren Ablauf.
Bild 1. Der Wagen in seiner vorbereitende Phase. Das Schild läßt verlauten: Der Allgemeine Heurnse Oranje Verein sucht sich einen neuen Vorsitzenden. Wer besteigt den Thron?
Bild 2. Letzte Aufmunterung: Namensschilder möglicher Kandidaten (Dominique Strauss-Kahn, Sepp Blatter, Geert Wilders) werden befestigt. Einige Vorstandsmitglieder in schwarz prüfen das ganze.
Bild 3. Intermezzo. Auch dieser kleine Teilnehmer mit seinem enthaupteten Vater (Terra's Schuld) freut sich.
Bild 4. Die vorderste Gruppe des Umzugs hat die Kirche erreicht. Mit Pauken und Trompeten, mit Flaggen und Fahnen werden die Zuschauer erfreut.
Bild 5. Mit viel Lärm und Qualm werden die Zuschauer auf die Dringlichkeit der Angelegenheit aufmerksam gemacht. Leibwächter schützen den Stuhl.
Bild 6. Der Vorstandswagen zieht vorbei. Die Zuschauer in Verwirrung zurücklassend.
Bild 7. Das Bild des neuen 1. Vorsitzenden kann Ihnen leider noch nicht präsentiert werden. Vielleicht in einer folgenden Bagatelle?
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Freitag, 1. Juli 2011
Bagatelle 112 - Digitalträume
terra40, 13:33h
Hören und Sehen ergeht uns, wenn wir die neuesten Nachrichten über die Firma H. Aschenbach und Söhne auf uns einwirken lassen. Wir schreiben nicht zufälligerweise 'hören' und 'sehen', denn das sind ja die zwei Sinne dessen Daten seit langem digitalisiert werden können. Ein Bild, ein Porträt, ein Film, ein Gemälde: alles sichtbar optische läßt sich in bytes und bits, in Eins (1) und Null (0), beschreiben und festlegen. Wir brauchen nur Daten und Algorithmen. Dasselbe gilt für den akustischen Bereich. Eine Rossini-Aria, ein Beatlesong wie Yesterday oder die Achte von Bruckner lassen sich digital aufzeichnen und genießen. Lichtdata oder Schallwellen: die digitale ICT-Welt ist vollends auf der Höhe.
Was fast niemand weiß, ist daß vieles vom diesem Digitalwissen zuerst aus dem Gehirn und später aus der Feder des Herrn Dr. h.c. H.K.L. Aschenbach stammt. Sohn des berühmten Firmengründers Arnulf Aschenbecher, der aus Angst vor seinem guten Ruf voraussehend seinen Nachnamen hat ändern lassen. 'Aus dem Hause Aschenbach' steht geschrieben auf den alten und neuen informationstechnologischen Geschriften. Das mag altmodisch klingen, Tatsache ist daß Herr Dr. Aschenbach, was die innovativen Fortschritte bei der globalen Digitalisierung betrifft, ein führender Kopf ist. Weltweit.
Der Herr Dr. H.K.L. Aschenbach, Jahrgang Mitte 1951, dessen Vorfahren aus den Vogesen stammen die sich durch ein Mißverständnis plötzlich in den Niederlanden wiederfanden, ist bereit mich für ein Gespräch zu empfangen. Eine große Ehre, denn Dr. Aschenbach (Henk für seine Gattin und Aschi für seine Freunde) hat auch nur 24 Stunden zur Verfügung. (Aschenbach: "Wir arbeiten derzeit an einer Verlängerung des Werktages um eine halbe Stunde, indem wir den täglichen Sonnenuntergang etwas verlangsamen. Wir halten sozusagen den Lauf der Sonne um eine halbe Stunde auf. Digital versteht sich." (Womit schon beim Anfang des Interviews eine meiner Fragen beantwortet worden ist.)
Frage: Herr Dr. Aschenbach, Bild und Ton, das Sehen und das Hören, die sind weitgehend digitalisiert. Aber wie steht es mit den anderen Sinnen? Der Geschmack zum Beispiel? Oder der Geruch? Werden wir je Zeuge davon, daß unser Pudel anfängt mit dem Schwanz zu wedeln wenn er mich, sein Herrchen, auf dem Bildschirm nicht nur sehen und hören, sondern auch riechen kann?
Antwort: Lieber Herr Terra, ich höre schon daß Sie ein digitaler Analphabet sind. Anders gesagt: ein Digibet. Nun, lassen wir das. In der Tat, wir sind dabei Geruch und Geschmack digital übertragbar zu machen. (Herr A. lädt mich ein zu seinem super-geheimen Laptop.) Sehen Sie genau zu. Und beschreiben Sie mir was Sie sehen und sonst empfinden.
Meine Antwort: Ich sehe eine wunderschöne Frau. Blond, um die 33 schätze ich, aber das kann man bei Frauen nie genau sagen. Sollte man auch nicht. Sie hat eine klassische griechische Nase und eine delikat ungebräunte Haut. Die Figur ist ganz und gar superb. Und ich höre ihre Stimme: verführerisch mit einem kleinen westfälischen Akzent.
(Hier zaudere ich etwas.) Ich bespüre einen köstlichen Geruch. Es ist ohne Zweifel Parfüm: Chanel 55 oder ein früherer Jahrgang. Jetzt verschwindet das Bild. Und damit auch der herrliche Duft.
Das nächste Bild ist zum auffressen. Ich sehe auf dem Bildschirm eine Brotmahlzeit, komplett mit einem guten Glas Wein, mit Schinken, Salami, alter Schweizer Löcherkäse, spanischem Senf und sonstigen mir unbekannten Auf- und Abstrichen. Ich irre mich nicht: ich rieche und koste die Brotbeläge. Natürlich ohne sie tatsächlich zu essen. Der Käse schmeckt mir großartig. Meine Geschmackspapillen sind fast überfordert. Das Wasser läuft mir im Mund herum. Ich kann dem Herrn Aschenbach nach wenigen Minuten mit geschlossenen Augen die Marke der Löcherkäse sagen. Und der Wein ist zweifelsfrei ein 33er Spätrießling.
Frage: Herr Dr. Aschenbach, Sie übertreffen meine tollsten Erwartungen. Verzeihung bitte, aber ich habe noch eine Zusatzfrage. Wie steht es um den taktilen Bereich, um den Tastsinn? Wird der Tag kommen da wir mit dem Bildschirm als Übertragungsfläche eigenhändig die Hand der Madame Bundeskanzlerin küssen können? Können wir demnächst am Monitor dem Politiker der nichts taugt eine Ohrfeige verpassen?
Antwort: Wie Sie hoffentlich wissen, sind die neuesten Bildflächen dazu da um sie mit Fingerspitzengefühl zu betasten. Berühren ist ganz und gar nicht verboten. Im Gegenteil: sehr zu empfehlen! Diese Berührungstechnologie steht noch am Anfang, aber Sie können sicher sein daß die Firma Aschenbach demnächst mit einer Superlösung kommt. Die HD-Technologie und 3D verschwinden dabei im nichts.
Völlig verwirrt verabschiede ich mich von diesem Genius und verlasse den Raum. Es würde mich nicht wundern wenn im kommenden November klar wird, daß ich heute gesprochen habe mit dem künftigen Nobel-Preisgewinner 2011 für kosmetische Digitaltechnologie. Es liegt in der Luft. Man kann es förmlich riechen.
Was fast niemand weiß, ist daß vieles vom diesem Digitalwissen zuerst aus dem Gehirn und später aus der Feder des Herrn Dr. h.c. H.K.L. Aschenbach stammt. Sohn des berühmten Firmengründers Arnulf Aschenbecher, der aus Angst vor seinem guten Ruf voraussehend seinen Nachnamen hat ändern lassen. 'Aus dem Hause Aschenbach' steht geschrieben auf den alten und neuen informationstechnologischen Geschriften. Das mag altmodisch klingen, Tatsache ist daß Herr Dr. Aschenbach, was die innovativen Fortschritte bei der globalen Digitalisierung betrifft, ein führender Kopf ist. Weltweit.
Der Herr Dr. H.K.L. Aschenbach, Jahrgang Mitte 1951, dessen Vorfahren aus den Vogesen stammen die sich durch ein Mißverständnis plötzlich in den Niederlanden wiederfanden, ist bereit mich für ein Gespräch zu empfangen. Eine große Ehre, denn Dr. Aschenbach (Henk für seine Gattin und Aschi für seine Freunde) hat auch nur 24 Stunden zur Verfügung. (Aschenbach: "Wir arbeiten derzeit an einer Verlängerung des Werktages um eine halbe Stunde, indem wir den täglichen Sonnenuntergang etwas verlangsamen. Wir halten sozusagen den Lauf der Sonne um eine halbe Stunde auf. Digital versteht sich." (Womit schon beim Anfang des Interviews eine meiner Fragen beantwortet worden ist.)
Frage: Herr Dr. Aschenbach, Bild und Ton, das Sehen und das Hören, die sind weitgehend digitalisiert. Aber wie steht es mit den anderen Sinnen? Der Geschmack zum Beispiel? Oder der Geruch? Werden wir je Zeuge davon, daß unser Pudel anfängt mit dem Schwanz zu wedeln wenn er mich, sein Herrchen, auf dem Bildschirm nicht nur sehen und hören, sondern auch riechen kann?
Antwort: Lieber Herr Terra, ich höre schon daß Sie ein digitaler Analphabet sind. Anders gesagt: ein Digibet. Nun, lassen wir das. In der Tat, wir sind dabei Geruch und Geschmack digital übertragbar zu machen. (Herr A. lädt mich ein zu seinem super-geheimen Laptop.) Sehen Sie genau zu. Und beschreiben Sie mir was Sie sehen und sonst empfinden.
Meine Antwort: Ich sehe eine wunderschöne Frau. Blond, um die 33 schätze ich, aber das kann man bei Frauen nie genau sagen. Sollte man auch nicht. Sie hat eine klassische griechische Nase und eine delikat ungebräunte Haut. Die Figur ist ganz und gar superb. Und ich höre ihre Stimme: verführerisch mit einem kleinen westfälischen Akzent.
(Hier zaudere ich etwas.) Ich bespüre einen köstlichen Geruch. Es ist ohne Zweifel Parfüm: Chanel 55 oder ein früherer Jahrgang. Jetzt verschwindet das Bild. Und damit auch der herrliche Duft.
Das nächste Bild ist zum auffressen. Ich sehe auf dem Bildschirm eine Brotmahlzeit, komplett mit einem guten Glas Wein, mit Schinken, Salami, alter Schweizer Löcherkäse, spanischem Senf und sonstigen mir unbekannten Auf- und Abstrichen. Ich irre mich nicht: ich rieche und koste die Brotbeläge. Natürlich ohne sie tatsächlich zu essen. Der Käse schmeckt mir großartig. Meine Geschmackspapillen sind fast überfordert. Das Wasser läuft mir im Mund herum. Ich kann dem Herrn Aschenbach nach wenigen Minuten mit geschlossenen Augen die Marke der Löcherkäse sagen. Und der Wein ist zweifelsfrei ein 33er Spätrießling.
Frage: Herr Dr. Aschenbach, Sie übertreffen meine tollsten Erwartungen. Verzeihung bitte, aber ich habe noch eine Zusatzfrage. Wie steht es um den taktilen Bereich, um den Tastsinn? Wird der Tag kommen da wir mit dem Bildschirm als Übertragungsfläche eigenhändig die Hand der Madame Bundeskanzlerin küssen können? Können wir demnächst am Monitor dem Politiker der nichts taugt eine Ohrfeige verpassen?
Antwort: Wie Sie hoffentlich wissen, sind die neuesten Bildflächen dazu da um sie mit Fingerspitzengefühl zu betasten. Berühren ist ganz und gar nicht verboten. Im Gegenteil: sehr zu empfehlen! Diese Berührungstechnologie steht noch am Anfang, aber Sie können sicher sein daß die Firma Aschenbach demnächst mit einer Superlösung kommt. Die HD-Technologie und 3D verschwinden dabei im nichts.
Völlig verwirrt verabschiede ich mich von diesem Genius und verlasse den Raum. Es würde mich nicht wundern wenn im kommenden November klar wird, daß ich heute gesprochen habe mit dem künftigen Nobel-Preisgewinner 2011 für kosmetische Digitaltechnologie. Es liegt in der Luft. Man kann es förmlich riechen.
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Samstag, 25. Juni 2011
Bagatelle 111 - Fahrstuhlgruß
terra40, 00:00h
Bitte, seien wir vorsichtig mit statistischen Daten. Vor allem wenn sie benutzt werden in politischen Verhandlungen oder in Geschichten derjenigen die selber wenig Ahnung von Statistik haben. Das war jedenfalls der erste Gedanke der bei mir aufkam beim lesen einer Fahrstuhlgeschichte in meiner Morgenzeitung. Geschrieben von einem ziemlich bekannten Schriftsteller der uns seit einiger Zeit verwöhnt mit einer wöchentliche Kolumne.
Diesmal lautete seine These: in Fahrstühlen wird mehr und mehr, zunehmend also, weniger gegrüßt. Wenn man vor zwanzig Jahren den Fahrstuhl benutzte um den Arbeitsplatz auf der 12. Etage zu erreichen, wurde man unten beim Betreten des Fahrstuhls meistens freundlich begrüßt mit einem munteren Guten Tag! Wenn man denselben Fahrstuhl in demselben Gebäude heute, anno 2011, betritt, herrscht meistens gähnende Stille auch wenn sich darin zweiundzwanzig Personen aufhalten. Es wird nicht oder kaum mehr gegrüßt. Zu sehr lenken offenbar die eigenen Probleme die Aufmerksamkeit für den eintretenden Nachbar ab. Der Fahrstuhlgruß hat stark nachgelassen. Behauptet der Kolumnist.
Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte oder sogar empirische Beweise welche der Richtigkeit der These beipflichten? Ja doch, sagte der Schriftsteller, er habe selber recherchiert. Das hier sind die Ergebnisse. (Er fuhr an zehn Tagen zwanzig Mal im Fahrstuhl zur höchsten Etage und zurück.)
- Wenn man selber nichts-sagend den Fahrstuhl betritt, hört man in 85% der Fälle keinen Ton. Keiner sagt was, keiner bekümmert sich deiner. Es wird schon gesprochen, aber nur individuell: telefonisch-mobil. Man sagt sich wo man sich gerade befindet.
- Wenn man selber den Fahrstuhl betritt und die dort anwesenden Personen begrüßt mit einem sanft-freundlich gemeinten Guten Morgen! (oder ähnliches), bekommt man in 85% der Fälle einen ebenso freundlichen Gegengruß!
Was lernt uns diese Geschichte? Mindestens viererlei.
• Ohne statistischen Daten und mit gutem Verstand hätte die These auch geprüft werden können. (Wie bei den meisten Thesen.) Ein mürrisch/schweigender Eintritt löst selbstverständlich kaum freundlich/fröhliche Reaktionen aus.
• Daß in beiden Fällen die Rede ist von 85% macht mich ein wenig stutzig. Aber es mag stimmen. Notfalls fordern wir den Schriftsteller auf uns alle Daten und Zahlen bis auf drei Dezimalen zu überreichen. Wichtiger als die Prozentzahlen scheint uns die Art und Weise womit begrüßt wird, und nicht zu vergessen die dabei ausgesprochenen Worte.
• In der Tat: viel hängt ab von dem Wortlaut. Beim Betreten des Fahrstuhls ist ein herzliches Guten Morgen angebracht. Beantworten sollten wir mit einem ebenso herzlichen Willkommen! (Herzlich willkommen ist übertrieben.)
• Der beste Abschiedsgruß beim verlassen eines Fahrstuhls ist nicht auf Wiedersehen wie Sie vielleicht denken, sondern tschüs! oder tsjüüs!! Noch mehr amikal: tjüüskes!! Mehr feierlich: atjüüs!! oder à tjüüs bis à dieu!! Wir selber sagen in unserem Dialekt den ganzen Tag über immer moj, auch wenn es schon lange Abend ist und der Fahrstuhl Feierabend macht.
Diesmal lautete seine These: in Fahrstühlen wird mehr und mehr, zunehmend also, weniger gegrüßt. Wenn man vor zwanzig Jahren den Fahrstuhl benutzte um den Arbeitsplatz auf der 12. Etage zu erreichen, wurde man unten beim Betreten des Fahrstuhls meistens freundlich begrüßt mit einem munteren Guten Tag! Wenn man denselben Fahrstuhl in demselben Gebäude heute, anno 2011, betritt, herrscht meistens gähnende Stille auch wenn sich darin zweiundzwanzig Personen aufhalten. Es wird nicht oder kaum mehr gegrüßt. Zu sehr lenken offenbar die eigenen Probleme die Aufmerksamkeit für den eintretenden Nachbar ab. Der Fahrstuhlgruß hat stark nachgelassen. Behauptet der Kolumnist.
Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte oder sogar empirische Beweise welche der Richtigkeit der These beipflichten? Ja doch, sagte der Schriftsteller, er habe selber recherchiert. Das hier sind die Ergebnisse. (Er fuhr an zehn Tagen zwanzig Mal im Fahrstuhl zur höchsten Etage und zurück.)
- Wenn man selber nichts-sagend den Fahrstuhl betritt, hört man in 85% der Fälle keinen Ton. Keiner sagt was, keiner bekümmert sich deiner. Es wird schon gesprochen, aber nur individuell: telefonisch-mobil. Man sagt sich wo man sich gerade befindet.
- Wenn man selber den Fahrstuhl betritt und die dort anwesenden Personen begrüßt mit einem sanft-freundlich gemeinten Guten Morgen! (oder ähnliches), bekommt man in 85% der Fälle einen ebenso freundlichen Gegengruß!
Was lernt uns diese Geschichte? Mindestens viererlei.
• Ohne statistischen Daten und mit gutem Verstand hätte die These auch geprüft werden können. (Wie bei den meisten Thesen.) Ein mürrisch/schweigender Eintritt löst selbstverständlich kaum freundlich/fröhliche Reaktionen aus.
• Daß in beiden Fällen die Rede ist von 85% macht mich ein wenig stutzig. Aber es mag stimmen. Notfalls fordern wir den Schriftsteller auf uns alle Daten und Zahlen bis auf drei Dezimalen zu überreichen. Wichtiger als die Prozentzahlen scheint uns die Art und Weise womit begrüßt wird, und nicht zu vergessen die dabei ausgesprochenen Worte.
• In der Tat: viel hängt ab von dem Wortlaut. Beim Betreten des Fahrstuhls ist ein herzliches Guten Morgen angebracht. Beantworten sollten wir mit einem ebenso herzlichen Willkommen! (Herzlich willkommen ist übertrieben.)
• Der beste Abschiedsgruß beim verlassen eines Fahrstuhls ist nicht auf Wiedersehen wie Sie vielleicht denken, sondern tschüs! oder tsjüüs!! Noch mehr amikal: tjüüskes!! Mehr feierlich: atjüüs!! oder à tjüüs bis à dieu!! Wir selber sagen in unserem Dialekt den ganzen Tag über immer moj, auch wenn es schon lange Abend ist und der Fahrstuhl Feierabend macht.
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Freitag, 17. Juni 2011
Bagatelle 110 - Marschmusik und anderes Malheur
terra40, 23:14h
tie-de-lie tom
tie-de-lie tom
tie-de-lie tom tom tom
…………..
Kennen Sie diese Musik? Natürlich, antworten Sie, dies ist unverkennbar der berühmte Radetzky-Marsch, von Johann Strauß Vater persönlich komponiert. Jedes Wiener Neujahrskonzert wird mit dieser Marschmusik beendet. Und man freut sich noch mehr, wenn der Dirigent Sir Simon Rattle sich umdreht und das hochgeehrte Publikum beim klatschen dirigierend unterstützt. Übrigens, wie sehr ich dieses rhythmische Mitgeklatsche am Ende eines Konzertes hasse! Aber das nur nebenbei.
Marschmusik kenne ich aus meiner Jugendzeit als Mitglied des örtlichen Musikvereins. Jawohl, ich schäme mich dessen nicht: ich spielte in der Dorfskapelle zuerst die Bügel (eine Art Trompete), entlockte danach hustende Töne aus dem Tenorsaxophon und endete schließlich bei der zweiten Tuba. Erzählen Sie mir bitte nicht wie und was Marschmusik ist, ich weiß Bescheid, auch wenn es schon so lange her ist. Die spätere Abscheu vor der Marschmusik kam beim nicht ganz freiwilligen Eintritt in die Landesarmee, wo man mich lehrte, daß das Marschieren besser verläuft unter Begleitung von Marschmusik im 4/4-tel Takt.
Jetzt noch weiß ich wie die Struktur eines Marsches aussieht. Zuerst, mit einigem Trommenwirbel, ein intro. Das dient dazu um selber wach zu werden. Dann folgt das erste Thema, das meistens ein fröhliches Gefühl und oft auch ein makaber-patriotisches Empfinden repräsentiert. Das erste Thema hören wir einige Male hinter einander: sonst ist der Marsch zu schnell am Ende. Dem ersten folgt ein zweites Thema. Oft kontrastierend, so daß man erwacht und verwundert aufmerkt: Wie reizend! In moll und dennoch trostreich! Nach diesen zwei Themata folgt ein Übergang in eine andere Tonart (von C in F meistens, oder von Bes in Es) und gespielt wird nun ein trio. Das sind keine drei Leute die sich absondern und alleine weiter spielen, aber so nennt sich dieser Marschteil. Am Ende steht da capo geschrieben. Und alle Musiker beginnen das trio heiter von vorne, bis sie fine erreichen. Und dann ist wirklich Schluß.
Mir scheint, daß der Ursprung der Marschmusik irgendwo in Europa liegt. Aber sicher bin ich mir nicht. Überall jedoch hört man sie. Es gibt der französischer Marsch (leicht frivol, ziemlich unseriös,) der anglo-sächsischer Marsch mit viel Pomp und Prahl, mit Ausläufern bis in den USA (John Philip Sousa) und der Luxemburgische Marsch (von Echternach: zwei Schritte nach vorne, einer zurück).
Das herausragende Beispiel eines richtigen, stattlichen, altmodischen Marsches ist in Deutschland (vor allem Preußen) und den Alpenländern zu hören. Feste auf den Beinen, dröhnend-stöhnend und sichtbar entschlossen zusammen und gesund am Ende zu geraten spielt der städtische Musikchor "Preußens Gloria". Wobei die Zuhörer am Straßenrand sich mit der einen Hand die Ohren steif halten wegen des Lärmes und mit der anderen Hand rhythmisch mitklatschen. Vorne weg, mit dem Rücken zur Musike, der Dirigent mit seinem Taktstock. Ein herrliches tableau vivant!
Eines der schönsten Märsche zweifelsfrei trägt den Namen "Alte Kameraden". Zwei Freunde, die sich in Jahren nicht getroffen haben, begegnen sich unerwartet. Man hört gleichsam wie die beiden sich freuen. Sosehr, daß sie, Arm in Arm, anfangen zu marschieren. Links, zwei, drei vier; rechts, zwei, drei, vier.
Auf dem Bild hier unten sieht man das berühmte Niederländische Bläser Ensemble aus früheren Jahren (heute alle alte Kameraden) das Märsche alter Meister spielt. Für diese Gelegenheit gehüllt in alten Gewändern und Rauch.
tie-de-lie tom
tie-de-lie tom tom tom
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Kennen Sie diese Musik? Natürlich, antworten Sie, dies ist unverkennbar der berühmte Radetzky-Marsch, von Johann Strauß Vater persönlich komponiert. Jedes Wiener Neujahrskonzert wird mit dieser Marschmusik beendet. Und man freut sich noch mehr, wenn der Dirigent Sir Simon Rattle sich umdreht und das hochgeehrte Publikum beim klatschen dirigierend unterstützt. Übrigens, wie sehr ich dieses rhythmische Mitgeklatsche am Ende eines Konzertes hasse! Aber das nur nebenbei.
Marschmusik kenne ich aus meiner Jugendzeit als Mitglied des örtlichen Musikvereins. Jawohl, ich schäme mich dessen nicht: ich spielte in der Dorfskapelle zuerst die Bügel (eine Art Trompete), entlockte danach hustende Töne aus dem Tenorsaxophon und endete schließlich bei der zweiten Tuba. Erzählen Sie mir bitte nicht wie und was Marschmusik ist, ich weiß Bescheid, auch wenn es schon so lange her ist. Die spätere Abscheu vor der Marschmusik kam beim nicht ganz freiwilligen Eintritt in die Landesarmee, wo man mich lehrte, daß das Marschieren besser verläuft unter Begleitung von Marschmusik im 4/4-tel Takt.
Jetzt noch weiß ich wie die Struktur eines Marsches aussieht. Zuerst, mit einigem Trommenwirbel, ein intro. Das dient dazu um selber wach zu werden. Dann folgt das erste Thema, das meistens ein fröhliches Gefühl und oft auch ein makaber-patriotisches Empfinden repräsentiert. Das erste Thema hören wir einige Male hinter einander: sonst ist der Marsch zu schnell am Ende. Dem ersten folgt ein zweites Thema. Oft kontrastierend, so daß man erwacht und verwundert aufmerkt: Wie reizend! In moll und dennoch trostreich! Nach diesen zwei Themata folgt ein Übergang in eine andere Tonart (von C in F meistens, oder von Bes in Es) und gespielt wird nun ein trio. Das sind keine drei Leute die sich absondern und alleine weiter spielen, aber so nennt sich dieser Marschteil. Am Ende steht da capo geschrieben. Und alle Musiker beginnen das trio heiter von vorne, bis sie fine erreichen. Und dann ist wirklich Schluß.
Mir scheint, daß der Ursprung der Marschmusik irgendwo in Europa liegt. Aber sicher bin ich mir nicht. Überall jedoch hört man sie. Es gibt der französischer Marsch (leicht frivol, ziemlich unseriös,) der anglo-sächsischer Marsch mit viel Pomp und Prahl, mit Ausläufern bis in den USA (John Philip Sousa) und der Luxemburgische Marsch (von Echternach: zwei Schritte nach vorne, einer zurück).
Das herausragende Beispiel eines richtigen, stattlichen, altmodischen Marsches ist in Deutschland (vor allem Preußen) und den Alpenländern zu hören. Feste auf den Beinen, dröhnend-stöhnend und sichtbar entschlossen zusammen und gesund am Ende zu geraten spielt der städtische Musikchor "Preußens Gloria". Wobei die Zuhörer am Straßenrand sich mit der einen Hand die Ohren steif halten wegen des Lärmes und mit der anderen Hand rhythmisch mitklatschen. Vorne weg, mit dem Rücken zur Musike, der Dirigent mit seinem Taktstock. Ein herrliches tableau vivant!
Eines der schönsten Märsche zweifelsfrei trägt den Namen "Alte Kameraden". Zwei Freunde, die sich in Jahren nicht getroffen haben, begegnen sich unerwartet. Man hört gleichsam wie die beiden sich freuen. Sosehr, daß sie, Arm in Arm, anfangen zu marschieren. Links, zwei, drei vier; rechts, zwei, drei, vier.
Auf dem Bild hier unten sieht man das berühmte Niederländische Bläser Ensemble aus früheren Jahren (heute alle alte Kameraden) das Märsche alter Meister spielt. Für diese Gelegenheit gehüllt in alten Gewändern und Rauch.
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